Gestern erzielte die Koalition im ganz kleinen Kreis doch noch eine Einigung auf Eckpunkte zum Haushalt 2024. Eine weitere Eskalation der politischen Verteilungskonflikte zwischen den Regierungsparteien scheint erst einmal vertagt. Ob sie auch endgültig verhindert wurde, darf man bezweifeln.
Das Entlastungspaket
Das Paket enthält sehr viele kleinere Maßnahmen. Die höhere CO2-Abgabe auf Benzin, Diesel und Heizenergie bringt geschätzt rund eine Milliarde Euro, der früher auslaufende Umweltbonus beim Kauf von E-Autos ist ebenfalls ein relativ kleiner Posten, wie auch die schrumpfende Förderung für den Heizungstausch mit 3 Mrd. Euro.
Dass stärkere Sanktionen und mehr Treffsicherheit im Bürgergeld 1,5 Mrd. bringen ist erst einmal ein Merk- und Hoffnungsposten, denn wie genau die Bezieher auf veränderte Anreize reagieren werden, weiß derzeit noch niemand genau. Ebenso unklar ist bisher, wie die Kürzungen in der Solarförderung genau gestaltet werden. Die geplanten Subventionen für die Produktion von Photovoltaik in Deutschland dürften kleiner ausfallen als zuletzt geplant. Ob auch die Förderung der Installation von Anlagen substantiell gekürzt wird, scheint noch nicht klar.
Interessanter wird es bei den bisher geplanten Ausgaben aus dem Klima- und Transformationsfonds, hier fällt ein großer Posten von 12 Mrd. Euro für die Sanierung der Bahn weg. Bahnfahrer müssen dennoch nicht verzweifeln, oder jedenfalls nicht mehr, als sie es ohnehin schon tun. Denn es werden lediglich andere Wege begangen als geplant. Im Raum steht ein Verkauf der Beteiligung am Logistikunternehmen DB Schenker, oder ein Aufstocken des Eigenkapitals der Bahn aus neuen Schulden des Bundes. Dies wäre für die Schuldenbremse kein Problem, da eine solche finanzielle Transaktion, bei der der Bund Vermögenswerte erwirbt, nicht unter die Schuldenbremse fällt.
Kein harmonisches Gesamtbild
Das alles sieht im Gesamtbild nicht so sehr nach planvollem Abklopfen des Haushalts auf Effizienzreserven aus, auch nicht nach strukturellem Reformwillen. Es erinnert eher an das Zusammensuchen von Münzgeld in den Sofaritzen. Möglicherweise geht das auch gar nicht anders, wenn man unter Zeitdruck eine Einigung herbeiführen und dabei darauf achten muss, dass jeder Koalitionspartner ein wenig beiträgt.
Fest steht allerdings, dass das Münzgeld aus den Sofaritzen meist nicht lange trägt. Es wäre daher gut, jetzt mit etwas mehr Ruhe für die Zukunft einen echten Plan B zu entwickeln und fortan in der Schublade zu haben, denn auch beim Haushalt für 2025 kann es noch einmal eng werden, so dass nochmals über Einsparungen gesprochen werden muss.
Bei der Bewertung der Maßnahmen sieht man Licht und Schatten. Dass der Subventionsfuror der politischen Führung im Bundeswirtschaftsministerium punktuell etwas eingebremst wird, ist schön, aber nicht ausreichend. Es fehlte der Wille, zweifelhafte Großsubventionen einzelner Unternehmen noch einmal grundsätzlich auf den Prüfstand zu stellen, obwohl allein hier ein großer Teil der notwendigen Einsparungen im KTF hätte erbracht werden können.
Notlage oder nicht?
Dass man erklärt, keine neue Notlage für die Schuldenbremse feststellen zu wollen, ist lobenswert, aber angesichts der fehlenden realen Notlagen eigentlich auch eine Selbstverständlichkeit – und dass wir uns über Selbstverständlichkeiten freuen, ist vielsagend. Die Skepsis wächst, wenn nun das Hintertürchen einer Ukraine-Notlage schon rhetorisch geöffnet wird. Sie wächst auch, wenn ein in Relation zum Bundeshaushalt winziger Betrag von 2,7 Mrd. Euro für das Ahrtal finanziert werden soll, indem auf die Union moralischer Druck ausgeübt wird, hier dann doch noch einmal bei einer kleinen Verstetigung einer alten Notlage mitzumachen.
Ein steigender CO2-Preis ist eine ausgesprochen gute Idee. In Kombination mit engeren Ausgabenspielräumen hätte man einen Schwenk hin zur CO2-Bepreisung als Leitinstrument bei gleichzeitiger Abkehr von ineffizienter und teurer Förder-, Projekt- und Subventionspolitik einleiten können. Das hat die Bundesregierung aber dann doch nicht getan. Denn man möchte, siehe oben, die Subventionen allenfalls leicht kürzen, besorgt sich das Geld dafür über den CO2-Preis und vergisst dabei das Klimageld.
Weiterhin: Mikromanagement statt effiziente Klimapolitik
Die pauschale Rückerstattung der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung war einmal den Bürgern versprochen. Es herrscht Konsens unter Fachleuten, dass beides, CO2-Preis und Klimageld, untrennbar zusammengehört, um die Verteilungseffekte des CO2-Preises vernünftig zu gestalten. Versprochen, gebrochen. Man benötigt die Mittel nun für die eigenen industriepolitischen Spielereien, diese haben politische Priorität gegenüber der Entlastung der Bürger. Und vermutlich ist man ja sowieso auch mit den digitalen Prozessen, die vor einer Überweisung von Geld an die Bürger geschaffen werden müssten, immer noch nicht fertig.
Es gehört zu den Vorteilen der Schuldenbremse, dass auf der Ausgabenseite des Budgets Priorisierungen erzwungen werden. Damit werden auch die Präferenzen der Regierung durch Handeln offenbart. Aus dem Entscheid für Subventionen und politisches Mikromanagement, gegen das Paket aus CO2-Preis und Klimageld, kann jeder seine eigenen Rückschlüsse auf diese Präferenzen ziehen.
Haushaltskonflikte auf Wiedervorlage
Insgesamt hinterlässt die Einigung auf die Eckwerte für den Haushalt 2024 also erst einmal gemischte Gefühle. Eines ist sie aber ganz sicher nicht: eine dauerhafte, nachhaltige Problemlösung. Wetten auf den Monat, in dem die Diskussionen um eine Ukraine-Notlage beginnen, können bereits angenommen werden. Und dann kommt 2025, das Wahljahr. Wer hofft ernsthaft, dass dann noch großer Reform- und Gestaltungswille mobilisiert werden kann?
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