Gastbeitrag
Klimapolitik auf Gemeindeebene
Das Modellprojekt „Lastenrad Bayern“

Welche klimapolitische Maßnahme ist am teuersten und wirkungslosesten? Der Freistaat Bayern hat diese Frage mit Hilfe eines Modellprojekts vor Kurzem beantwortet.

Vom 1. September 2020 bis zum 31. Dezember 2023 wurde das Modellprojekt „Lastenrad Bayern“ – oder ausführlich: „Lastenrad mieten, Kommunen entlasten: Aufbau eines Lastenrad-Mietsystems in Kommunen“ – vom Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr durchgeführt. Der Abschlussbericht zu diesem Projekt wurde im Februar 2024 veröffentlicht. Ziel war es vor allem, die „verkehrliche Wirkung“ von Lastenrad-Mietsystemen zu untersuchen, wobei der Frage, „wie viele Autofahrten (…) durch die Lastenradnutzung ersetzt“ werden, also der Frage nach der klimapolitischen Relevanz solcher Mietsysteme, das Hauptaugenmerk galt (S. 3). Insgesamt standen 2,5 Millionen Euro an Fördermitteln zur Verfügung. Die Förderquote betrug zunächst 80 Prozent, später sogar 90 Prozent. Förderfähig waren alle Investitionskosten (die Kosten für die Lastenräder und Ladestationen, für die Verlegung von Stromleitungen, für den Bau von Stationsüberdachungen und für die Einrichtung der Buchungsplattformen). Nicht förderfähig waren dagegen die laufenden Betriebskosten, die voll von den Kommunen getragen werden mussten (S. 5). Aus dem Kreis von 98 Bewerbern wurden sieben Kommunen ausgewählt: Cadolzburg, Marktredwitz, Lechbruck am See, Lindau, Freising, Passau und Würzburg (S. 24-30).

Ergebnisse und Erfahrungen

Von den zur Verfügung stehenden 2,5 Millionen Euro wurden ca. 2,4 Millionen Euro verausgabt. Gefördert wurden mit diesem Geld 133 motorisierte Lastenräder und 55 Mietstationen mit Ladetechnik (S. 3). Wie war es nun um die „verkehrliche Wirkung“ bestellt, die es zu untersuchen galt?

Aus der Kurzfassung des Evaluationsberichts lässt sich Folgendes entnehmen: Die Auslastung der Lastenrad-Mietsysteme lag überwiegend bei sieben bis neun Prozent und im Mittel wurden pro Ausleihe zwischen sechs und acht Kilometer gefahren. 62 Prozent aller Lastenradfahrten ersetzten eine Autofahrt (S. 21). Im Zeitraum Januar bis September 2023 konnten so insgesamt 9.287 Autofahrten mit zusammen 37.148 Autokilometern vermieden werden. Bei einem angenommenen CO2-Ausstoß eines PKW von durchschnittlich 176 Gramm pro Kilometer, ergibt sich eine Gesamteinsparung von 6,54 Tonnen Kohlendioxid. Diese Zahl muss allerdings aus drei Gründen als geschönt bezeichnet werden: Erstens liegt der durchschnittliche CO2-Ausstoß für ab 2006 neu zugelassene PKW unter 176 g/km. Zweitens wird implizit unterstellt, dass der Energiebedarf der Lastenräder vollständig durch emissionsfrei erzeugten Strom gedeckt wird, was nicht den Tatsachen entspricht. Drittens müssen die bei der Produktion der Räder und der Produktion bzw. Installation der Mietstationen freigesetzten CO2-Emissionen auf deren Nutzungsdauer verteilt und anteilig gegengerechnet werden. Dieser Faktor wiegt deswegen besonders schwer, weil ihm keine Einsparungen durch den Wegfall bzw. Nichtersatz von PKWs entgegenstehen. Aus der Analyse des Nutzerverhaltens lässt sich nämlich kein Anhaltspunkt dafür gewinnen, dass auch nur ein Nutzer ein Lastenrad-Mietsystem zum Anlass genommen hätte, ganz auf sein Auto zu verzichten. Ob bei Berücksichtigung dieser drei Punkte überhaupt noch ein positiver Nettoeinspareffekt existiert, ist keineswegs sicher.

Zur Kosteneffizienz von Lastenrädern

Aus umweltökonomischer Sicht stellt sich natürlich vor allem die Frage nach der Kosteneffizienz der betreffenden Maßnahme. Schon ein erster oberflächlicher Blick auf die vorgelegten Zahlen lässt gewisse Zweifel daran aufkommen, ob es sich bei der Subventionierung von Lastenfahrrädern um eine kostenmäßig vertretbare, geschweige denn, kosteneffiziente Maßnahme handelt – Zweifel, die sich bei genauerem Hinsehen sehr schnell nicht nur erhärten, sondern verstärken.

So soll trotz der erwähnten Probleme mit der angegebenen Höhe der CO2-Einsparungen, die genannte Menge von 6,54 Tonnen akzeptiert werden. Diese Zahl bezieht sich auf den Neunmonatszeitraum Januar bis September 2023. Pro Jahr entspricht dies einer Einsparung von 8,72 Tonnen. Aus der Kurzfassung des Evaluationsberichts geht nicht eindeutig hervor, ob in dem genannten Zeitraum alle 133 geförderten Lastenräder durchgehend zur Verfügung standen. Es ist möglich, dass einige Lastenräder erst in den Folgemonaten angeschafft wurden und einige der schon vorher beschafften Räder nur während eines Teils dieses Zeitraums genutzt werden konnten. Die mögliche CO2-Einsparung durch 133 ganzjährig und durchgehend zur Verfügung stehende Lastenräder könnte deshalb größer als die errechneten 8,72 Tonnen sein. Dem wird im Folgenden dadurch Rechnung getragen, dass diese 8,72 Tonnen nur auf die 123 Räder bezogen werden, die von April bis August 2023 im Einsatz waren (S. 21). Die Zahl der in dem längeren Neunmonatszeitraum eingesetzten Räder kann auf keinen Fall niedriger gewesen sein.

Wie teuer wurde diese Emissionsreduktion erkauft? Zu unterscheiden sind die (einmaligen) Ausgaben für Investitionen und die laufenden Ausgaben für den Unterhalt. Bei einem Fördersatz von 90 Prozent und einer Fördersumme von 2,4 Millionen Euro belaufen sich die gesamten Investitionsausgaben auf 2,67 Millionen Euro. 133 Räder wurden gefördert, die nach Ministeriumsangaben zwischen 5.000 und 6.000 Euro pro Stück kosten. Bei einem Durchschnittspreis von 5.500 Euro entfallen auf die Anschaffung der Räder 732.500 Euro; 123 Räder haben somit Ausgaben in Höhe von 676.500 Euro verursacht. Für die (materielle und digitale) Infrastruktur verbleiben damit ca. 1,94 Millionen Euro (2,67 Millionen Euro abzgl. 731.500 Euro). Für die Infrastruktur gilt Ähnliches wie für die Räder: Da unklar ist, ob alle 55 geförderten Stationen in dem genannten Neunmonatszeitraum durchgehend zur Verfügung standen und nicht nur eine größere Zahl an Rädern, sondern auch eine größere Zahl an Stationen sich positiv auf die Nutzung und damit auf die CO2-Einsparung auswirken kann, soll die Jahreseinsparung von 8,72 Tonnen auf die 48 Stationen bezogen werden, die von April bis August 2023 vorhanden waren (S. 21). Wenn man unterstellt, dass die Ausgaben für die Mietstationen den ganz überwiegenden Teil der Infrastrukturausgaben ausmachen und demgegenüber die restlichen Ausgaben vernachlässigt werden können, dann entsprechen diesen 48 Stationen Ausgaben in Höhe von 1,69 Millionen Euro. Die Investitionsausgaben müssen auf die Nutzungsdauer der Räder und der Infrastruktur verteilt werden. Was die Räder angeht, so hat deren teuerstes Bauteil, der Akku, eine Lebensdauer von etwa fünf Jahren. Der Rest des Rades kann bei guter Pflege und sorgsamer Behandlung zwar wesentlich länger halten, doch muss man realistischerweise davon ausgehen, dass Mietfahrzeugen eine solche Pflege und eine solche Behandlung wohl im Regelfall nicht zuteilwird. Ganz abgesehen davon sind sie Jahr ein, Jahr aus dem Wetter ausgesetzt und auch das Risiko von Vandalismus kann nicht völlig vernachlässigt werden. Eine Gesamtlebensdauer von fünf Jahren erscheint von daher als ein realistischer Wert. Pro Jahr betragen daher die anteiligen Investitionsausgaben für die 123 Räder ca. 135.000 Euro.

Die Lebensdauer der Infrastruktur wird man wohl mit zehn Jahren annehmen können. Auch die Mietstationen sind schließlich ständig den Unbilden des Wetters und der Gefahr des Vandalismus ausgesetzt. Die jahresanteiligen Ausgaben für die 48 Stationen belaufen sich folglich auf 169.000 Euro – und für Stationen und Räder auf zusammen 304.000 Euro.

Wie steht es mit den laufenden Ausgaben für den Unterhalt? Das Ministerium nennt für die Räder Unterhaltskosten von 1.000 bis 2.000 Euro pro Jahr und Rad. Geht man von dem Minimum von 1.000 Euro aus, dann summieren sich diese Kosten auf 123.000 Euro pro Jahr. Für Wartung und Unterhalt der Mietstationen dürften 1.000 Euro pro Jahr und Station wohl die absolute Untergrenze bilden; das entspricht einer Summe von 48.000 Euro pro Jahr. Schließlich entstehen pro Gemeinde noch Fixkosten für die Verwaltung und die Pflege bzw. Wartung der Buchungsplattform. Diese dürften im Minimum 5.000 Euro pro Jahr und Gemeinde betragen, was bei sieben Gemeinden einen Gesamtaufwand von 35.000 Euro pro Jahr bedeutet. Die jährlichen Unterhaltskosten für die Lastenrad-Mietsysteme belaufen sich folglich auf (mindestens) 206.000 Euro.

Diesen Unterhaltskosten stehen die Einnahmen aus der Vermietung der Räder gegenüber. Eine eindeutige Aussage über deren Höhe lässt sich nicht treffen, da jede Gemeinde ein eigenes Tarifmodell hat. Betrachten wir beispielsweise die Stadt Würzburg: Die erste halbe Nutzungsstunde ist umsonst; jede weitere angefangene halbe Stunde kosten 1,50 Euro. Welche Einnahmen konnte Würzburg pro Jahr erzielen? In den fünf Monaten April bis August 2023 wurden die 35 in diesem Zeitraum zur Verfügung stehenden Räder durchschnittlich 1.356 Stunden pro Monat genutzt. Rechnet man auf ein Jahr hoch, dann ergeben sich Gesamteinnahmen von 48.800 Euro (1.356 × 2 × 12 × 1,5 €) – oder Einnahmen von ca. 1.400 Euro pro Rad. Angesichts einer Auslastung von nur sechs Prozent (!) verwundert die geringe Höhe der Einnahmen nicht. Die 35 Räder und elf Mietstationen verursachten Unterhaltskosten in Höhe von 46.000 Euro pro Jahr. Berücksichtigt man außerdem die fixen Nutzungskosten von 5.000 Euro pro Jahr, so ergibt sich für Würzburg ein jährliches Defizit von 2.200 Euro. Die Verhältnisse in den anderen sechs Gemeinden sind jeweils anders, aber nicht grundsätzlich von denen in Würzburg verschieden. Wenn man annimmt, dass mit den Mieteinnahmen die Unterhaltskosten abgedeckt werden und diesbezüglich keine Defizite entstehen, dann ist damit wohl der auf Dauer günstigste mögliche Fall unterstellt.

Unter dieser Voraussetzung fallen als Kosten „nur“ die jährlichen Infrastrukturkosten von 304.000 Euro an. Stellt man dieser Summe die CO2-Einsparung in Höhe von 8,72 Tonnen pro Jahr gegenüber, so ergeben sich Reduktionskosten von ungefähr 34.900 Euro pro Tonne! Vergleicht man diesen Wert mit dem Preis für die EU-ETS-Zertifikate, welcher – zumindest annähernd – die Grenzkosten der CO2-Vermeidung widerspiegelt und der sich in den letzten zwölf Monaten zwischen 50 und 100 Euro pro Tonne bewegt hat, so wird offensichtlich, dass die Reduktion der CO2-Emissionen auf dem Wege der Subventionierung von Lastenrädern nicht unbedingt die kostengünstigste Maßnahme darstellt. Wie angesichts dessen die Vertreter der Kommunen dem Projekt „einen hohen Mehrwert und ein gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis“ attestieren können (S. 22), muss deren Geheimnis bleiben.

Klimapolitik mit Lastenrädern: Der Gipfel der Symbolpolitik

Da es sich beim anthropogenen Klimawandel um einen negativen globalen externen Effekt handelt, dessen Ausmaß nur von der Gesamtsumme der Treibhausgasemissionen abhängt und nicht davon, wer wo wie viel emittiert, ist eine effektive und kosteneffiziente Internalisierung dieses externen Effekts nur bei Etablierung eines weltweit einheitlichen Preises für CO2– bzw. Treibhausgasemissionen möglich. Generell gilt, dass die Klimapolitik umso ineffektiver und ineffizienter ist, je weiter sie sich von diesem Ideal entfernt. Und weiter als mit der Subventionierung von Lastenrädern kann man sich wohl kaum entfernen.

Aus dem bayerischen Modellprojekt lassen sich drei wichtige, wenngleich nicht wirklich überraschende Lehren ziehen. Erstens wird die Vermietung von Lastenrädern höchstwahrscheinlich nie ein tragfähiges Geschäftsmodell für private Unternehmen werden. Auslastungsquoten im einstelligen Prozentbereich sprechen eine deutliche Sprache – und das angesichts subventionierter Preise und intensiver Öffentlichkeitsarbeit. Aus demselben Grund wird, zweitens, der Betrieb von Lastenrad-Mietstationen durch Gemeinden immer ein Verlustbringer bleiben. Wie wir gesehen haben, entsprechen die nicht durch Einnahmen gedeckten Kosten den anteiligen Investitionsausgaben pro Jahr. Auch bei einer Förderquote von 90 Prozent dieser Ausgaben erleiden die Gemeinden also Verluste. Ohne einen solch hohen Fördersatz hätte sich wohl kaum eine Gemeinde auf das Abenteuer „Lastenrad“ eingelassen. Und drittens ist die Förderung von Lastenrad-Mietsystemen in klimapolitischer Hinsicht vollkommen sinnlos. Zum einen ist ein derart kleinteiliger und lokaler Ansatz angesichts der globalen Dimension des anthropogenen Klimawandels ohnehin ineffektiv und wirkungslos. Wenn im Abschlussbericht davon die Rede ist, dass Lastenrad-Mietsysteme „wirksam zum Klimaschutz“ beitragen würden (S. 3), dann handelt es sich um reines Wunschdenken. Aufgrund der Ineffektivität stellt sich eigentlich die Frage nach der Kosteneffizienz gar nicht. Wenn der Klimaeffekt gleich null ist, dann sind die Ausgaben in jedem Fall verschwendet, ob sie nun hoch oder niedrig sind. Aber selbst wenn man davon absieht und nicht die Klimarelevanz, sondern die Einsparung von CO2 als Zielgröße annimmt und die Reduktionskosten ermittelt, so wie wir das getan haben: Auch dann ändert sich nichts an der Untauglichkeit von Lastenrad-Mietsystemen als klimapolitisches Instrument. Denn es gibt wohl keine teurere Methode, CO2-Emissionen zu reduzieren, als durch die Förderung von Lastenrädern.

Kurz und gut: Die Förderung von Lastenrädern stellt Klimasymbolpolitik par excellence dar – vollkommen ineffektiv, extrem teuer und nur dazu gut, seine ökologische Gesinnung auszuleben. Das Modellprojekt hätte zumindest dann einen gewissen Sinn gehabt, wenn die Politik aus dessen Ergebnissen den Schluss ziehen würde, dass für die Subventionierung von Lastenrädern kein Steuerzahlergeld mehr verschwendet werden darf. Aber ob sich ökonomischer Sachverstand und gesunder Menschenverstand wenigstens ex post durchsetzen – selbst dessen kann man nicht sicher sein, sind doch in der deutschen Klimapolitik symbolpolitische Maßnahmen, die weder ökologisch noch ökonomisch zu rechtfertigen sind, eher die Regel als die Ausnahme.

2 Antworten auf „Gastbeitrag
Klimapolitik auf Gemeindeebene
Das Modellprojekt „Lastenrad Bayern“

  1. Danke für die Aufklärung über diesen ökosozialistischen Unsinn, der symptomatisch ist für die gesamte „Energiewende“.

  2. Ein brillanter Artikel! Aber bezüglich der Frage, ob sich ökonomischer Sachverstand und gesunder Menschenverstand noch durchsetzen werden, bin ich skeptisch. Zu sehr ist die Klimaschutz-Frage eine Arena für säkular-religiöse Befindlichkeiten, einschließlich des davon abhängigen Sendungsbewusstseins geworden.

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