Brauchen wir eine Negotiation List an den Universitäten?

Ist in einer Universität eine Professur vakant, sind ausreichende Mittel vorhanden und beschließt man, die Professur wiederzubesetzen, wird ein Berufungsprozeß angestoßen. Dieser läuft meist wie folgt ab: Das entsprechende Institut stellt einen Wiederbesetzungsantrag, über den im Fakultätsrat entschieden wird und der neben Ausschreibungstext und möglichen Bewerbern die Zusammensetzung der Berufungskommission enthält. In der Regel wird hier eine sog. kleine Berufungskommission mit vier Hochschullehrern der Fakultät, einem Hochschullehrer einer anderen Hochschule, zwei Studenten und zwei akademischen Mitarbeitern gebildet. Zudem sind der Dekan, die Gleichstellungsbeauftragte, der Beauftragte für Diversität, der Korreferent sowie die Vertretung der Schwerbehinderten (sofern unter den Bewerbern sich ein Schwerbehinderter befindet) als beratende Mitglieder einzuladen.

Anschließend findet ein Vorgespräch des Dekans und des designierten Vorsitzenden der Berufungskommission mit dem Präsidium statt. Sofern dieses positiv verläuft, wird der Antrag in den Haushaltsausschuß eingebracht. Erfolgt auf dieser Ebene eine positive Stellungnahme, wird die Professur ausgeschrieben, d.h., der Ausschreibungstext wird veröffentlicht und die Berufungskommission konstituiert sich. In der Regel läuft die Arbeit der Berufungskommission so ab, daß sie in einer ersten Sitzung zunächst die Bewerber hinsichtlich ihrer Schriftform beurteilt und darauf basierend entscheidet, wer zu einem Berufungsvortrag eingeladen werden soll. Für die zweite Sitzung werden die Berufungsvorträge anberaumt. Auf Basis der Berufungsvorträge und der schriftlichen Bewerbung wird schließlich eine bestimmte Anzahl von Bewerbern (meist drei) ausgewählt, über die von externen Hochschullehrern vergleichende Gutachten eingeholt werden. Sobald die Gutachten vorliegen, tritt die Kommission zum dritten Mal zusammen und stellt eine Listenempfehlung, also eine Rangordnung der drei ausgewählten Bewerber hinsichtlich ihrer Eignung auf. Diese reicht sie an den Fakultätsrat weiter, der in einer Sitzung die Liste – oder auch Abänderungen davon – beschließen kann. Anschließend erfolgt ein weiteres Gespräch des Dekans und des Kommissionsvorsitzenden mit dem Präsidium. Verläuft dieses positiv, wird die Liste in die nächste Sitzung des akademischen Senats eingebracht. Dort wird über die Liste abgestimmt. Erfolgt ein positives Votum, ergeht der Ruf an den Erstplatzierten. Bis zu diesem Zeitpunkt vergeht in der Regel ein Jahr. Der Erstplatzierte verhandelt nun mit der Universitätsleitung über seine Ausstattung und seine Bezüge. Wenn er den Ruf annimmt, ist das Berufungsverfahren abgeschlossen. Lehnt er ab, geht in der Regel der Ruf an den Zweitplatzierten usw. Der Verhandlungsprozeß kann sich somit ebenfalls über längere Zeit hinziehen. Zudem können während des gesamten Berufungsprozesses Verzögerungen auftreten oder der Prozeß ohne Ergebnis abgebrochen werden, weil die beteiligten Gremien andere Vorstellungen haben. Alles in allem stellt sich der Berufungsprozeß sehr zeit- und ressourcenintensiv dar.

Auf der anderen Seite ist es so, daß Professoren – von den üblichen Tarifsteigerungen einmal abgesehen – ihr Gehalt lediglich durch einen Ruf verbessern können. Der Ruf an eine andere Universität ermöglicht es ihnen, bei ihrer bisherigen nachzuverhandeln oder eben diese zu verlassen, weil die rufende Universität ein besseres Angebot unterbreitet. Bei der bis 2002 geltenden C-Besoldung gab es – zumindest inoffiziell – eine Karenzzeit, in der man sich nach Rufannahme nicht weiterbewarb. Diese inoffizielle Regelung ist nach Umstellung auf die W-Besoldung weggefallen, was bedeutet, daß sich Professoren bereits nach kürzerer Zeit an anderen Universitäten bewerben, um damit die Möglichkeit für Nachverhandlungen zu eröffnen oder eben bei einem guten auswärtigen Angebot weiterzuziehen.

Die dadurch erhöhte Fluktuation setzt regelmäßig den oben bezeichneten kostenintensiven Berufungsprozeß aufs neue in Gang.

Was ist zu tun? Hier kann ein Blick auf die National Hockey League (NHL) hilfreich sein.

Die NHL setzt die sog. Negotiation List ein, die wie folgt funktioniert: Clubs können Spieler, die sie in der nächsten Saison gerne verpflichten würden, gegen eine Gebühr auf eine Liste, die Negotiation List, setzen (Daumann, 2023). Zwischen den Clubs gibt es die Vereinbarung, daß Spieler auf dieser Liste ausschließlich mit dem Club verhandeln können, der den betreffenden Spieler auf die Liste gesetzt hat. Nach dieser Vereinbarung dürfen andere Clubs dem betreffenden Spieler keine Angebote machen. Die NHL beschränkt die Anzahl der Spieler, die ein Club auf die Liste setzen kann.

Dieses Konstrukt führt dazu, daß nur ein bestimmter Club als Nachfrager nach dem betreffenden Spieler auftritt; es wird also ein Monopson errichtet, daß es dem betreffenden Club ermöglicht, seine Marktmacht bei den Gehaltsverhandlungen gegenüber dem Spieler zu nutzen. Dabei ist es für den einzelnen Spieler intransparent, ob er sich auf der Liste befindet. Nachteil dieses Instrument ist es, daß eine effiziente Allokation der Spieler – in dem Sinne, daß die Spieler schließlich bei den Clubs beschäftigt werden, bei denen ihr Wertgrenzprodukt am höchsten ausfällt – zumindest verzögert wird.

Überträgt man dieses Instrument auf die Universitätslandschaft, so könnte dies etwa so ausgestaltet werden, daß jede Universität gegen eine Gebühr eine vorher festgelegte Anzahl an Professoren auf die Liste setzt, denen von anderen Universitäten kein besseres Angebot unterbreitet werden darf. Im Prinzip würde die Liste also den Wettbewerb zwischen den Universitäten um die wesentlichen Produktionsfaktoren beschränken. Es läge also eine Kartellierung vor. Für die Universitäten hätte dieses Instrument verschiedene Vorteile: Zum einen könnten erhebliche Ressourcen eingespart werden, die in die Berufungsprozesse alloziert werden, und zum anderen würde das Budget der Universitäten entlastet, da verschiedene Nachverhandlungen entfallen würden. Das Instrument hat aber auch erhebliche Nachteile: Zum einen würde die Möglichkeit der Universität beschränkt, ihr Personalportfolio unkompliziert zu ergänzen. Zum anderen würde sich die Möglichkeit erhöhen, daß leistungsstarke Professoren, die örtlich wenig gebunden sind und damit vergleichsweise geringe Transaktionskosten aufweisen, in andere Länder – insbesondere in die USA – abwandern. Wie aus der Wettbewerbstheorie bekannt ist, sind zudem derartige Absprachen kaum stabil, da es stets Anreize gibt, sich der Absprache zu entziehen.

Werden die Charakteristika dieses Instruments summa summarum gewürdigt, scheinen aufgrund seiner wettbewerbsbeschränkenden Wirkung die Nachteile zu überwiegen.

Aus ordnungsökonomischer Sicht wäre es sinnvoller, gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die zum einen den Hochschulen mehr Freiheit bei der Ausgestaltung des Berufungsprozesses einräumen und die zum anderen eine Vereinbarung einer Karenzzeit ermöglichen. Auf diese Weise würde der Wettbewerb zwischen den Hochschulen intensiviert und innovativen Hochschulen würde es gelingen, schneller attraktive Professoren zu verpflichten. Durch eine Karenzzeit würde vermutlich die Anzahl der Berufungsprozesse reduziert und es käme eher zu einer Amortisation der lehrstuhlspezifischen Investitionen (Labors, Gerätschaften, Räume etc.), die oftmals von Nachfolgern nicht weiter genutzt werden.

Beide Maßnahmen haben jedoch auch Nachteile: So dürfte bei Professoren, die sich örtlich verändern wollen, eine vertragsmäßige Bindung in Form der Karenzzeit nicht verhindern, daß deren Arbeitsmotivation erheblich absinkt. Zum anderen darf freilich nicht unbeachtet bleiben, daß der oben geschilderte Berufungsprozeß einerseits der ausreichenden Berücksichtigung unterschiedlichster Partikularinteressen dienen soll und auf diese Weise bestimmte Interessengegensätze abschleift und zu einer Befriedung zwischen unterschiedlichsten Gruppen in der Hochschule beiträgt. Andererseits soll der Prozeß freilich auch gewährleisten, daß schließlich Kandidaten berufen werden, die der Anforderung nach „Exzellenz“ (ein in der Hochschullandschaft inflationär gebrauchtes Wort) genügen. Größere Freiheitsspielräume der Hochschulen würden jedoch dazu führen, daß eine Hochschule die für sie sinnvolle Ausgestaltung an Auswahlprozeß und Karenzzeit auswählen würde.

Daumann, F. (2023), Grundlagen der Sportökonomie, 4. Aufl., München: UVK.

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