Die Kommunen und auch die Länder stecken auf der Einnahmenseite ihrer Budgets in der Klemme. Die Lösung ist aber weder in höheren Schulden noch in mehr vertikalen Transfers zu suchen, sondern in mehr dezentraler Autonomie.
Die kommunale Perspektive
Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände hat Anfang Juli eine Prognose für die Entwicklung der Kommunalfinanzen in den kommenden Jahren veröffentlicht. Diese gibt Anlass zur Sorge. Während die Kommunen insgesamt seit über einem Jahrzehnt Haushaltsüberschüsse verzeichneten dreht sich das Bild nun. Bis 2027 werden jährliche negative Finanzierungssalden zwischen 12,1 und 14,4 Mrd. Euro vorhergesagt.
Das hat verschiedene Gründe. Zunächst werden stark steigende Ausgaben für soziale Leistungen prognostiziert. Gerade in diesem Bereich wird das sogenannte Konnexitätsprinzip nicht perfekt umgesetzt: Leistungen, die auf Bundesebene beschlossen werden, müssen oft zu einem Anteil auf der kommunalen Ebene finanziert werden.
Man kann darüber streiten, ob dies richtig ist. Einerseits würde man sich wünschen, dass die politische Ebene, die bestellt, auch vollständig bezahlt. Das ist der Bund. Andererseits haben Kommunen oft einen Ermessensspielraum bei der Gewährung von Leistungen, so dass es aus Anreizgesichtspunkten sinnvoll sein kann, dass sie einen Teil der Kosten selbst tragen müssen.
Wie dem auch sei: Die aktuelle Entwicklung der Sozialkosten ist jedenfalls eine von mehreren Verursachern der kommunalen Finanzprobleme. Steigende Zinsen kommen dazu, die gerade die hoch verschuldeten Kommunen besonders treffen, und hier vor allem jene, die hohe aufgelaufene Kassenkredite anstelle von längerfristigen Investitionskrediten haben. Sie bekommen steigende Zinsniveaus von ihren Gläubigern besonders schnell durchgereicht.
Nicht mehr nur ein Altschuldenproblem
Dennoch geht die Entwicklung über das in den letzten Jahren immer wieder diskutierte Altschuldenproblem hinaus. Bisher waren es wenige und in wenigen Bundesländern im Westen konzentrierte Kommunen, die in einem eigentlich noch positiven Umfeld für die Kommunalfinanzen immer wieder rote Zahlen schrieben. Deshalb wurde immer wieder eine bundeseinheitliche Entschuldung hoch verschuldeter Kommunen insbesondere von ihren aufgelaufenen Kassenkrediten gefordert.
Natürlich wäre auch dies mit Anreizproblemen verbunden. Man müsste durch eine strenge Aufsicht sicherstellen, dass die gerade erst entschuldeten Kommunen nicht erneut in dieselbe Falle laufen, in der Hoffnung, in zwanzig oder dreißig Jahren den nächsten Bailout zu bekommen. Diese Aufsicht obliegt aber den Ländern, die generell für die finanzielle Handlungsfähigkeit ihrer Kommunen verantwortlich sind. Etabliert sich die Erwartung, dass der Bund im Ernstfall einspringt, dann haben auch die Länder wenig Anreiz, bei ihren Kommunen genau hinzuschauen.
Einige Bundesländer sind inzwischen ihrer verfassungsmäßigen Zuständigkeit gefolgt und haben ihre Kommunen in Eigenregie weitestgehend von aufgelaufenen Kassenkrediten entschuldet. Ein Beispiel ist Hessen. Andere warten weiter ab, in der Hoffnung, dass der Bund doch noch einspringen wird. NRW hat im Juni mit Beginn des Jahres 2025 ein über dreißig Jahre gestrecktes Entschuldungsprogramm für seine Kommunen beschlossen, das allerdings nur zur Hälfte finanziert ist. Man erwartet, dass die andere Hälfte vom Bund getragen wird. Der hat allerdings entsprechende Mittel im kommenden Haushalt nicht vorgesehen.
Der springende Punkt ist aber jedenfalls, es damit ohnehin nicht getan wäre. Die kommenden kommunalen Defizite betreffen eben nicht mehr nur wenige, ohnehin schon belastete Kommunen. Es wird zwar auch weiterhin gut ausgestattete Kommunen geben, die keine Schwierigkeiten bekommen. Aber insgesamt wird die Gruppe der Kommunen, die in finanzielle Engpässe hineinlaufen, in den kommenden Jahren deutlich größer sein als bisher.
Dezentrale Verantwortung statt Transfers
Nun sind die Länder zwar zuständig, aber selbst finanziell nicht beliebig leistungsfähig. Das Problem ist, dass die Länder zum allergrößten Teil über Anteile an den Gemeinschaftsteuern und über Einnahmen aus Ländersteuern finanziert werden, die aber bundeseinheitlich administriert werden. Lediglich bei der Grunderwerbsteuer sind die Länder in der Lage, selbst den für ihr Bundesland geltenden Satz zu bestimmen. Das ist viel zu wenig Flexibilität.
Früher atmeten die Länderhaushalte über Schulden. Diese waren das flexible Einnahmeninstrument, mit dem Länder sich individuell immer wieder zusätzlichen Spielraum verschaffen konnten. Das geht seit Einführung der Schuldenbremse nicht mehr. Und das ist auch gut so, denn wie auch immer man Verschuldung theoretisch zu rechtfertigen versucht, ist sie als Ersatz für nicht vorhandene Steuerinstrumente keinesfalls sinnvoll.
Was also sonst tun? Diskutiert wird immer wieder, den Kommunen zusätzliche Anteile an den Gemeinschaftsteuern zu geben, zulasten des Bundes. Zusätzliche Mehrwertsteuerprozente wären denkbar, ebenso höhere Anteile an der Einkommensteuer. Auch eine Streichung der Gewerbesteuer bei gleichzeitiger Gewährung von Körperschaftsteueranteilen an die Gemeinden wird gelegentlich diskutiert.
Dagegen spricht, dass solche Reformen nicht treffsicher wären. Die zusätzlichen Prozente der Gemeinschaftsteuern bekämen reiche Kommunen genauso wie arme. Nötig wäre stattdessen eine Reform, die Kommunen und Ländern die Möglichkeit gibt, flexibel und eigenverantwortlich die Einnahmenseite ihrer Budgets an ihre eigenen Finanzbedarfe anzupassen. Denn diese sind ja auch (jedenfalls zum Teil) durch individuelle Ausgabenwünsche entstanden.
Mehr dezentrale Autonomie
Der Königsweg zur Lösung der Probleme würde daher darin bestehen, den Tarif der Einkommensteuer um die bisherigen Landes- und Kommunalanteile bundesweit abzusenken und dafür den Bundesländern und Kommunen die Möglichkeit zu geben, jeweils autonom Aufschläge auf den bundeseinheitlichen Grundtarif zu erheben. Damit würden alle staatlichen Ebenen in die Lage versetzt, ihre Einnahmen an die auf Landes- und Kommunalebene jeweils gewünschten Ausgaben anzupassen.
Die Kosten der dezentral beschlossenen Ausgaben würden außerdem unmittelbar für die Bürger sichtbar, wenn sie ihren Einkommensteuerbescheid und die darauf ausgewiesenen Landes- und Kommunalzuschläge sehen. Komplizierter wird es für sie aber nicht. Es reicht weiterhin eine Steuererklärung, auf deren Basis dann die gesamte Steuerlast errechnet wird.
Deutschland würde damit steuerlich bunter. Ist es dem Gerechtigkeitsempfinden der Bürger zuwider, wenn sie in Remscheid höhere Steuern zahlen müssen als in Solingen? Vielleicht braucht es eine Eingewöhnungszeit. Aber in vielen Föderalstaaten ist dies die absolute Normalität: Steuerlasten auf den sub-zentralen Ebenen korrespondieren mit den Leistungen, die man dort in Anspruch nehmen kann.
Und auch eine Abwärtsspirale von Steuerbelastungen durch Steuerwettbewerb wird man nicht fürchten müssen. In den Staaten, in denen es dezentrale Steuerautonomie gibt, beobachtet man eine dauerhaft recht robuste Streuung der Steuersätze. Es gibt also keine Konvergenz gegen Null, sondern langfristig bestehende Vielfalt.
Eine solche Reform, die dezentrale politische Verantwortlichkeit ernst nimmt und eigentlich auch erst ermöglicht, könnte eine Revitalisierung föderaler Lebensgeister in Deutschland ermöglichen. Das wäre nötig, da bei uns die Vereinheitlichung aller politischen Themenfelder schon so weit fortgeschritten ist, dass man sich fragen muss, welchen Sinn der deutsche Föderalismus in seiner aktuellen Form eigentlich noch haben soll.
Solange der Bund die Einwanderung nicht besser kontrolliert, werden es die Kommunen schwer haben, zu einer soliden Finanzpolitik zurückzufinden. Das Problem lässt sich nicht durch Drumherumreden lösen.