Der unendliche Raumbedarf in Universitäten

In Universitäten stellt sich häufig das Problem, daß bei Berufungs- und Bleibeverhandlungen erhebliche Bedarfe an Büro- und Laborräumen angemeldet und meist auch durchgesetzt werden. Wir wollen diese Thematik mit Hilfe der Bürokratietheorie von William A. Niskanen (1968; 1971) analysieren und darauf basierend Lösungsvorschläge ableiten.

Niskanens Überlegungen zum Verhalten von Bürokratien, insbesondere im öffentlichen Sektor, erlauben ein tiefgehendes Verständnis dahingehend, wie Bürokraten und staatliche Institutionen agieren, um ihre eigenen Interessen zu maximieren. Dabei kommt er zu der Einsicht, daß Bürokratien nicht nur passive Werkzeuge zur Durchführung von staatlichen Aufgaben sind, sondern dass sie vielmehr eigene Anreize haben, die oft zu ineffizientem Verhalten führen können. Zentral in Niskanens Ansatz ist die Annahme, daß Bürokraten sich nutzenmaxierend verhalten. Vor dem Hintergrund der institutionellen Rahmenbedingungen streben Bürokraten danach, das Budget ihrer Behörde zu maximieren, da zum einen ein größeres Budget die Wichtigkeit der Aufgaben dieser Behörde herausstellt und da zum anderen aus einem größeren Budget eine Reihe von Vorteilen wie etwa höhere Gehälter, größere Einflussmöglichkeiten, größere Machtpositionen und bessere Aufstiegschancen innerhalb der Organisation resultieren. In Niskanens Modell treten den Bürokraten Politiker gegenüber, die über die Zuteilung des Budgets bestimmen. Gegenüber diesen Politikern verfügen die Bürokraten über einen Informationsvorsprung. Sie besitzen in der Regel mehr spezifisches Wissen über die Funktionsweise und die Notwendigkeiten ihrer eigenen Behörde als die politischen Entscheidungsträger. Der sich daraus ergebende diskretionäre Handlungsspielraum kann nun von den Bürokraten für die Realisierung eigener Ziele genutzt werden. Zwischen den Bürokraten und den Politikern liegt somit eine klassische Principal-Agent-Beziehung vor.

Um ein höheres Budget zu erhalten, stellen die Bürokraten ihre Aufgaben und Projekte gegenüber den Politikern als besonders wichtig oder dringlich dar. Sie neigen dazu, den Bedarf an zusätzlichen Ressourcen zu übertreiben oder die Folgen einer unzureichenden Finanzierung zu dramatisieren. Dies führt dazu, dass Politiker oft größeren Budgets zustimmen, als es tatsächlich notwendig wäre, um die Dienstleistungen der Behörde effektiv zu erbringen.

Im wesentlichen resultieren aus dieser Verhaltensweise Ineffizienzen in der Form, daß entweder mehr Ressourcen verbraucht werden als zur Erfüllung der eigentlichen Aufgabe erforderlich sind oder daß die Produktion öffentlicher Güter und Dienstleistungen über das gesellschaftlich gewünschte Maß hinaus produziert wird.

Universitäten sind komplexe Organisationen, die durch öffentliche Mittel finanziert werden und deren Verwaltung typischerweise durch bürokratische Strukturen geprägt ist. Diese Strukturen umfassen Verwaltungseinheiten, Fakultäten, Institute, Abteilungen und Forschungszentren, die allesamt um Ressourcen konkurrieren. Übertragen wir Niskanens Modell auf Universitäten, so nehmen die Professoren die Rolle der Bürokraten und die Universitätsleitung die Rolle der Politiker, die über die Höhe des Budgets entscheiden, ein.

Für Professoren sind Arbeitsräume, also Büros und Labore, zum einen ein Produktionsfaktor, mit dem Forschungsergebnisse produziert werden können. Zudem gelingt es mit großen und gut ausgestatteten Büros und Laboren leichter, gute Mitarbeiter zu verpflichten und diese besser zu motivieren. Weiterhin sind sie als symbolische Ressourcen zu begreifen, da ihr Ausmaß und ihre Größe den Status des Professors bzw. des Lehrstuhls oder der Abteilung reflektiert. Vor diesem Hintergrund darf gemutmaßt werden, daß Professoren bei Berufungs- bzw. Bleibeverhandlungen versuchen werden, möglichst viele und große Räume und – sofern es in der Fachdisziplin notwendig ist – Labore zu erhalten.

Den verhandelnden Professoren steht auf der anderen Seite eine Universitätsleitung gegenüber, die nur eingeschränkt den tatsächlichen Bedarf eines Lehrstuhls oder einer Abteilung einschätzen kann. Diese Asymmetrie ermöglicht es den verhandelnden Professoren, ihren Raumbedarf zu übertreiben oder die Notwendigkeit von zusätzlichen Büros und Labore zu betonen. Die Folge daraus ist, daß unverhältnismäßig viele Räume vorgehalten werden bzw. angemietet werden müssen. Es liegt also eine ineffiziente Nutzung der Ressource Raum in den Universitäten vor.

Um den Raumbedarf an Büros und Laboren in den Universitäten stärker am tatsächlichen Bedarf anzupassen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. So könnte mit einer Ausdehnung der Kontrollmechanismen den überbordenden Ansprüchen begegnet werden. Dies setzt eine systematische Analyse des Raumbedarfs und der Raumnutzung voraus. Dabei können neben den traditionellen kennzifferbasierten Modellen auch Raummanagement-Systeme eingesetzt werden, die mit Belegungssensoren und anderen technischen Finessen eine Echtzeitüberwachung der Raumnutzung ermöglichen. Nachteilig dieser Verfahren ist zum einen das damit zum Ausdruck gebrachte Mißtrauen der Universitätsleitung gegenüber den Professoren, das sich sehr nachteilig auf die Motivation letzterer auswirken kann, zum anderen sind die Verfahren zur Überprüfung der Echtzeitüberwachung Verfahren, die erst nach den Verhandlungen eingesetzt werden können und implizieren, daß vorher unter Vorbehalt der Nutzung zugesagte Räume wieder entzogen werden mit den entsprechenden motivationalen Folgen. Schließlich haben derartige Verfahren Verhaltensänderungen zur Folge. So wird evtl. von Mitarbeitern Präsenz erwartet, damit bestimmte Räume nicht verloren gehen, obwohl die Mitarbeiter im Homeoffice wesentlich produktiver arbeiten.

Sinnvoll schein es daher eher zu sein, Anreize zu setzen, die einen wirtschaftlichen Umgang mit der Ressource Raum initiieren und dabei gleichzeitig keine negativen Auswirkungen auf die Motivation zeitigen. Derartige Anreize könnten beispielsweise durch kalkulatorische Mieten implementiert werden. So könnte etwa die Hälfte der vermutlich einzusparenden Mietzahlungen den Budgets der Lehrstühle oder Abteilungen zugeschlagen werden, diese müssen aber aus ihren Budgets die kalkulatorische Miete für die von ihnen benutzen Räume bezahlen. Die Nutzung der Räume konkurriert damit bspw. mit den Möglichkeiten, Kongresse zu besuchen oder sich andere Ausstattungsgegenstände zu beschaffen. Mit anderen Worten: Es würden die Entscheidungsmöglichkeiten der Lehrstühle und Abteilungen erweitert und gleichzeitig Anreize zu einer effizienten Nutzung der Ressource Raum gesetzt. Freilich ist es nicht sinnvoll, nur die Professoren in Berufungs- bzw. Bleibeverhandlungen mit einem derartigen Anreizregime zu konfrontieren. Vielmehr müßte es universitätsweit eingesetzt werden. In den Berufungs- und Bleibeverhandlungen würde es daher für die Professoren vor allem darum gehen, möglichst hohe jährliche Strukturzuweisungen zu bekommen. Freilich hat ein derartiger Ansatz auch Nachteile, da die Räume unterschiedliche Qualitäten haben. Diese könnten aber über die Miethöhe abgebildet werden.

In Universitäten wirken – wie das Beispiel der Berufungs- und Bleibeverhandlungen über Räume zeigt – für eine Bürokratie typische Anreizmechanismen. Mit einer entsprechenden Anreizsetzung wie beispielsweise der Einführung einer kalkulatorischen Miete läßt sich eine stärker am Bedarf orientierte Beanspruchung und Nutzung der Räume erreichen.

Niskanen, W. A. (1968). The peculiar economics of bureaucracy. The American Economic Review, 58(2), 293-305.

Niskanen, J. (1971). Bureaucracy and representative government. Routledge.

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