Am 1. Januar 2009, mitten in der wohl größten Finanzkrise seit 1929, ist der Euro 10 Jahre alt geworden. Also keineswegs erwachsen, vielmehr noch ein Kind: Nicht mehr ganz so zerbrechlich wie mit 3 Jahren, aber auch noch nicht so robust wie (vielleicht)mit 18 oder 25. Martin Feldstein betont die Zerbrechlichkeit: Die gegenwärtige Finanzkrise werde die heterogene Euro-Zone auseinanderdividieren, weil manche Länder in Bezug auf die Homogenisierung der Geldpolitik die Exit-Option wählen werden, um in eigener Strategie auf die Krise reagieren zu können. Zu erwarten sei ein Euro-Kollaps-Szenario. Das Gegenteil sagt Barry Eichengreen: Die Krise stärke den Euro, denn die europäischen Euro-Outsider wären froh, ebenso  wie die Insider unter das schützende Dach der EZB als lender of last resort kriechen zu können. Dänemark und Schweden sind wohl die markantesten Beispiele.
Wir erinnern uns an die Euphoriker von damals: Der Euro werde die europäische Identität unter den Bürgern stärken, er werde Wachstum und Handel innerhalb Europas stimulieren, er werde mindestens so stabil sein wie die D-Mark, er werde langfristig den US-Dollar verdrängen. Und die Skeptiker von damals: Der Euro als Gemeinschaftswährung benötige ein bundesstaatlich-analoges Fiskaldach (und da es dieses nicht gäbe, werde der Euro-Integrationsraum ähnlich scheitern wie viele historische Währungsunionen auch), die EZB könne systemisch für kein einzelnes Euro-Land eine optimale Geld- und Zinspolitik verfolgen, deshalb seien Inflationsrate und der Euro-Wechselkurs für kein Land optimal, aufgrund der national heterogenen Inflationsaversionen sei die Stabilität des Euro zudem langfristig nicht gesichert.
Zehn Jahre Euro-Kindheit geben weder den Euphorikern recht, noch den Skeptikern unrecht: Die Europa-Identifizierung der Bürger hat, wie verschiedene Umfragen zeigen, nicht zugenommen, das Wachstum in der Euro-Zone hat sich Euro-bedingt nicht verstärkt, wohl aber der innereuropäische Handel, die Euro-Stabilität über die Zehnjahresperiode liegt auf (bzw. sogar etwas über) dem Niveau der früheren DM, der Euro ist international ein beachtlicher Konkurrent zum USD geworden. Allerdings ist der Versuch, ein gemeinsames Fiskaldach annähernd über den „Stabilitäts- und Wachstumspakt“ zu simulieren, mißlungen, heterogenitätsbedingt ist die Geldpolitik der EZB keineswegs optimal für alle Länder, und manche klagen über einen für sie zu hohen Euro-Wechselkurs, Opting-out-Szenarien werden (mindestens) theoretisch durchgespielt (Italien).
Also ein gesund-krankes Euro-Kind. Stirbt es in der Finanzkrise mit Feldstein oder blüht es auf mit Eichengreen? Die Antwort heißt: Es kann sterben, wenn die Heterogenitäten im Euro-Raum immer größer werden, es blüht auf, wenn es umgekehrt kommt. Anders gesagt: Sterben oder Blühen hängen ab vom zukünftigen Änderungsbedarf der realen Wechselkurse zwischen den Euro-Mitgliedern. Denn dieser indiziert, wenn er kleiner wird, daß die reale Konvergenz im Euro-Raum und damit die Funktionsfähigkeit des Euro zunimmt, und wenn er steigt, daß die realen Divergenzen zwischen den Euro-Mitgliedern sich verstärken, die die Gemeinschaftswährung (implizit irreversible nominale Wechselkurse zwischen den Mitgliedern) dann vielfältig unter nationalen Akzeptanzdruck setzen.
Der EZB-Schutzschirm mag den Euro als sicheren Hafen in stürmischer See der Finanzkrise erscheinen lassen: Bei Windstärke 12 suchen vor allem die kleinen und leckgeschlagenen Schiffe im sicheren Hafen Schutz und Hilfe. Das ist Eichengreens Prognose: Weil Windstärke 12 immer wieder droht, wird der Euro-Hafen für die Risikoaversen immer attraktiver. Aber Feldstein schaut auf den Hafenmeister: Der verlangt Hafengebühren, stundet diese nur ausnahmsweise und zudem in Abhängigkeit von Größe und Zustand der Schiffe allenfalls bis zum Ende des Sturms, dringt auf Schiffsreparaturen, die fit machen für Windstärke 12, auf disziplinierte Einhaltung der Hafenordnung. Wer dies alles nicht kann oder will, wird den Hafen verlassen (müssen). Und das werden durch die Krise wohl immer mehr sein, prophezeit Feldstein.
Feldstein wird nicht ganz recht haben und Eichengreen auch nicht. Warum nicht? Weil ein realistisches Euro-Szenario wohl wie folgt aussieht: Die Heterogenitäten zwischen den Euro-Mitgliedern nehmen zu, nicht zuletzt wegen der EU- und EMU-Erweiterungen. So zeitigt die Krise bereits wachsende Differenzen in den Risikoprämien der Staatsanleihen im Euro-Raum. Die angedachte Schuldenbremse des Stabilitätspakts wird zunehmend ignoriert, die Schleusentore der Verschuldung öffnen sich weit. Der Druck auf Löhne und Beschäftigung verteilt sich asymmetrisch im Währungsgebiet, die Arbeitsproduktivitäten und Wachstumspotentiale entwickeln sich unterschiedlich, die Zahlungsbilanzsalden divergieren zunehmend, eine allgemein akzeptierte Inflationsaversion wird immer schwieriger durchzusetzen, zumal der Euro-Raum gegenwärtig mit Liquidität überflutet wird. Das wird – länderspezifisch unterschiedlich – in die Preise gehen. Dies alles schlägt sich in größeren realen Wechselkursanpassungen nieder. Zugleich verstärkt sich der Trend zu mehr Zentralisierung und Harmonisierung in der EU. Dieser administrative Homogenisierungsdruck kollidiert mit dem zunehmenden Heterogenisierungstrend.
Eine differenziertere Analyse zeigt, daß es im Euro-Raum cum grano salis zwei Regionen gibt, in denen die realen Wechselkursanpassungen unterschiedlich ausfallen: die „Nordregion“ um Deutschland, Benelux und Österreich herum sowie die „Südregion“ mit u. a. Italien, Spanien und Frankreich. In der Nordregion sind die realen Wechselkursanpassungen wegen größerer realer Konvergenz zwischen den Mitgliedern signifikant geringer als zwischen den Mitgliedern der Südregion. Vieles spricht dafür, daß die Finanzkrise die Divergenz zwischen Nord- und Südregion im Euro-Raum erhöht, wenn man erkennt, daß in der Nordregion die früheren „Starkwährungsländer“ und in der Südregion die „Weichwährungsländer“ sich versammeln. Damit wird auch der reale Wechselkursanpassungsbedarf zwischen beiden Regionen steigen.
Und da sind wir bei Feldstein: Seine Euro-Zerbrechlichkeitsthese erscheint nicht ganz unrealistisch in Bezug auf das Auseinanderdriften beider Regionen, das Mitglieder der Südregion womöglich mit Opting-out-Strategien hantieren läßt. Dagegen wird Eichengreen recht behalten, wenn man seine Euro-Stärkungsthese vor allem auf die relativ homogene Nordregion bezieht mit ihren Mitgliedern, die traditionell zu den Starkwährungsländern gehören.
So ist es wahrscheinlich, daß ein erwachsener Euro in weiteren 10 Jahren zwar manche neuen Mitglieder einschließt, aber nicht mehr alle alten dabei sind.
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Dieser Beitrag verlockt zu einigen Anmerkungen.
1. „Zehn Jahre Euro-Kindheit geben weder den Euphorikern recht, noch den Skeptikern unrecht“
Die Wortwahl ist bemerkenswert. Es gab vor der Einführung des Euro Befürworter (die nicht notwendigerweise euphorisch waren; wirkt der Begriff Euphoriker nur zufällig abwertend?) und es gab nicht zuletzt in Deutschland klare Gegner (die vielleicht heute lieber als Skeptiker auftreten mögen), von denen vier bis zum Bundesverfassungsgericht gelaufen sind. Meine Schlussfolgerung ist eine andere: Die Befürworter können sich bis heute insgesamt bestätigt sehen, auch wenn sich nicht alle Hoffnungen erfüllt haben. Die Gegner vertreten dagegen aus meiner Sicht eine „cause perdue“.
2. „aufgrund der national heterogenen Inflationsaversionen sei die Stabilität des Euro zudem langfristig nicht gesichert.“
„eine allgemein akzeptierte Inflationsaversion wird immer schwieriger durchzusetzen,“
Dafür spricht empirisch bis heute nichts. Gerade in diesem Punkt haben sich die Gegner geirrt und daran ändern Verweise auf „Starkwährungsländer“ und „Schwachwährungsländer“ in Europa nichts – das sind Begriffe von vorgestern. Spätestens seit dem Festzurren der EWS-Paritäten vor der Währungsunion gibt es in der Euro-Zone keine Unterscheidung zwischen Stark- und Schwachwährungsländern mehr und auch schon vorher hatte es eine Konvergenz der Inflationsraten gegeben. Dass die Inflationsraten heute in den Mitgliedsstaaten des Euro nicht identisch sind, ist für einen großen Währungsraum nicht ungewöhnlich – Regionen mit starkem Wirtschaftswachstum haben üblicherweise höhere Inflationsraten als Regionen mit schwachem Wachstum. Die deutschen Lohnkostenvorteile sind doch auch das Ergebnis eines über Jahre besonders schwachen Wirtschaftswachstums gewesen. Übrigens: Auch in den USA sind die Inflationsraten nicht in allen Bundesstaaten identisch, ohne dass daraus eine Gefahr für den Dollar-Währungsraum abgeleitet wird.
3. „Vieles spricht dafür, daß die Finanzkrise die Divergenz zwischen Nord- und Südregion im Euro-Raum erhöht, wenn man erkennt, daß in der Nordregion die früheren „Starkwährungsländer“ und in der Südregion die „Weichwährungsländer“ sich versammeln.“
Es kann sein, dass sich die Divergenzen vergrößern, aber auf eine Tatsache sei hingewiesen: Man mag sich mit deutscher Überheblichkeit über „Schwachwährungsländer“ verbreiten, aber die Finanzkrise hat gezeigt, dass zumindest die Banken in Spanien und Italien solider sind als ihre Konkurrenten in „Starkwährungsländern“ wie Deutschland und den Niederlanden. Von den Banken in Großbritannien und den USA ganz zu schweigen. Die Aktien dieser südeuropäischen Banken haben besser abgeschnitten als ihre nordeuropäische Konkurrenz – nicht gerade ein Misstrauensbeweis des Marktes in die südeuropäischen Volkswirtschaften.
4. „So zeitigt die Krise bereits wachsende Differenzen in den Risikoprämien der Staatsanleihen im Euro-Raum.“
Das stimmt, aber der wesentliche Grund hierfür war in den vergangenen Wochen in Zeitungen zu lesen: Die Finanzkrise hat institutionelle Investoren zu einer Flucht in Liquidität veranlasst und es ist eine Tatsache, dass kein Anleihemarkt in Europa liquider ist als der Markt für Bundesanleihen. Auch die exorbitanten Renditen, die erstklassige Unternehmen heute zahlen müssen, erklären sich zu einem guten Teil aus der geringeren Liquidität dieser Märkte. Vergleichbares gilt für die Renditeaufschläge für deutsche Pfandbriefe – oder glaubt jemand, hier werde plötzlich ein höheres Bonitätsrisiko bezahlt? Die Renditeaufschläge für europäische Staatsanleihen gegenüber Bundesanleihen wären nur dann ein Krisensymptom für den Euro, wenn sie nach einer Beruhigung an den Finanzmärkten Bestand hätten.
5. „Allerdings ist der Versuch, ein gemeinsames Fiskaldach annähernd über den „Stabilitäts- und Wachstumspakt“ zu simulieren, mißlungen,“
Wirklich? Es hat einzelne Verstöße gegen den Stabilitätspakt gegeben, für die nicht nur die „Schwachwährungsländer“ verantwortlich zeichnen. Daraus muss man noch kein grundsätzliches Versagen konstatieren. Und ist dieses „Fiskaldach“ wirklich notwendig? Der Nutzen solider Finanzpolitik und der Schaden unsolider Finanzpolitik soll nicht bestritten werden, aber aus welcher ökonomischen Theorie lässt sich eigentlich die Notwendigkeit eines „Fiskaldachs“ für eine Währung herleiten, solange es keine Monetarisierung der Staatsschuld gibt? Wäre die D-Mark eine unsolide Währung geworden, wenn das Prinzip des ursprünglichen Grundgesetzes, wonach die Fiskalhoheit in erster Linie bei den Bundesländern liegen und der Bund fiskalpolitisch schwach sein soll, Bestand gehabt hätte?
Es ist vielleicht kein Zufall, dass liberale amerikanische Ökonomen wie Ed Prescott das Drei-Prozent-Kriterium für abwegig halten und es in den USA kein solches Kriterium gibt. Warum treten gerade liberale Ökonomen für administrative „Schuldenbremsen“ ein, deren Festlegung letztlich nicht ohne Willkür geschehen kann, anstatt hier dem Markt zu vertrauen? Wenn der Kapitalmarkt eine Verschuldungspolitik für unsolide hält, müsste er sie durch Risikoaufschläge dauerhaft sanktionieren.
6. „Zugleich verstärkt sich der Trend zu mehr Zentralisierung und Harmonisierung in der EU.“
Den Eindruck kann man in letzter Zeit wirklich nicht gewinnen. Spätestens seitdem die deutsch-französische Achse nicht mehr funktioniert, nimmt die Bedeutung der EU ab. Hinzugefügt sei, dass bis heute trotz Monsieur Sarkozy kein „gouvernement économique“ als Gegengewicht zur EZB existiert und alle in Deutschland geäußerten Befürchtungen, ein französischer EZB-Präsident könne zum Befehlsempfänger des Elysée-Palasts mutieren, sich als absurd erwiesen haben.
7. „“die Zahlungsbilanzsalden divergieren zunehmend,“
Ja und? Abgesehen davon, dass der Begriff Zahlungsbilanzsaldo wohl nicht korrekt ist (die Zahlungsbilanz ist immer ausgeglichen) und hier Leistungsbilanzsalden gemeint sein dürften: Würde man Leistungsbilanzen zwischen den deutschen Bundesländern errechnen, gäbe es Überschuss- und Defizitländer, aber noch niemand hat behauptet, dass dies eine Gefahr für die alte D-Mark gewesen wäre. Außerdem gibt es nicht per se „gute“ oder „schlechte“ Salden. Deutschland hat traditionell Überschüsse gehabt, weil es anderswo Defizitländer gab; das eine erfordert das andere. Die Defizite der USA wurden mit Hinweis auf den Kapitalimport gerade von Liberalen gerne als ein Zeichen wirtschaftlicher Stärke interpretiert frei nach Böhm-Bawerk: Die Leistungsbilanz folgt der Kapitalbilanz. Die Frage ist, wie wachsende Defizite finanziert werden – ob durch Verschuldung der Defizitländer oder durch Transfers von den Überschussländern. Das bleibt aber abzuwarten.
8. „Opting-out-Szenarien werden (mindestens) theoretisch durchgespielt (Italien).“
Ernsthaft spielt das nach meiner bescheidenen Kenntnis niemand durch. Ökonomen denken doch so gerne in Opportunitätskosten – warum nicht auch hier? Was hätte Italien von einem Ausstieg zu erwarten? Der Wechselkurs einer neuen Lira würde vermutlich einbrechen. Das wäre kurzfristig gut für die italienischen Exporte und wohl auch für die Transferbilanz, weil der Urlaub in Italien billiger würde. Andererseits würden die Importe teurer und die Rendite italienischer Staatsanleihen erlebte erhebliche Aufschläge – nicht gerade attraktiv für ein Land mit einer hohen Staatsverschuldung. Fühlt sich Ungarn mit einem abgewerten Forint heute besser als vor zwei Jahren? Die Kosten eines Ausstiegs aus der Währungsunion dürfen nicht unterschätzt werden.
9. „Martin Feldstein betont die Zerbrechlichkeit:“
Und der große Milton Friedman hatte dem Euro keine Chance eingeräumt. Ist der Gedanke so fernliegend, dass gerade unsere amerikanischen Freunde keinerlei Interesse an einem funktionierenden Euro haben dürften? Denn ein stabiler Euro könnte sich als ein ernsthafter Konkurrent für das „Weltgeld“ Dollar erweisen. Vor 35 Jahren hat ein amerikanischer Finanzminister den Partnerländern hämisch gesagt: „Der Dollar ist unsere Währung, aber euer Problem.“ Sobald eine Alternative zum Dollar existiert, verfängt diese Arroganz nicht mehr. Abwertende Äußerungen aus den USA zum Euro können durchaus auch aus Eigeninteresse geprägt sein.
10. Da wir bei den Opportunitätskosten sind: Was wäre denn die Alternative zum Euro in einem Binnenmarkt? Das alte EWS, wo Hedge-Fonds durch short-selling nach Belieben einmal kurzfristig die Paritäten testen würden? Oder flexible Wechselkurse mit ihrer Tendenz zum overshooting? Welche ökonomischen Daten erklären denn die Schwankungen zwischen Euro und Dollar? Oder zwischen Euro und Yen?
Die Zukunft ist notwendigerweise unsicher. Die Anpassungsprobleme in Südeuropa sollen nicht geleugnet werden – wenn dort aber die Rezession tiefer werden sollte als im Norden, dürfte sich dies im Süden vorteilhaft auf die Lohnkostenentwicklung auswirken. Die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft kann sich innerhalb weniger Jahre verändern, auch ohne Wechselkurs. Das hat gerade Deutschland in der ersten Hälfte dieses Jahrzehnts gezeigt.
Gerald Braunbergers Kommentar ist interessant und differenziert genug, um auf einige seiner Punkte kurz zu rekurrieren:
1. Die Begriffe „Stark-“ und „Schwachwährungsländer“ werden nicht dadurch obsolet, daß es in der EU keine nominalen Wechselkursänderungen mehr gibt. Den fehlenden Nomalkursausgleich müssen nun die realen Wechselkurse übernehmen.
2. Fiskaldach, Stabilitätspakt: Wir bräuchten die in der Tat nicht, wenn die Risikoprämien frei spielen könnten. Steigende nationale Risikoprämien können aber über die nationalen Vertreter im EZB-Rat einen Druck auf eine laxere Geldpolitik ausüben. Je höher die Staatsverschuldung, desto größer die Anfälligkeit zur Entschuldung über Inflation. Noch stimmt es, daß der „Becket-Effekt“ in der EZB wirksam ist.
3. Der Trend zur politischen Harmonisierung und administrativen Zentralisierung in der EU ist spätestens seit Maastricht doch nicht mehr zu übersehen: Die Gemeinschaft fühlt sich für immer mehr nationale Politikbereiche zuständig und drängt auf Harmonisierung und Mindeststandards. Das mindert den innereuropäischen Institutionenwettbewerb, der aber in einer sich heterogenisierenden EU immer notwendiger wird.
4. Man muß zwischen Zahlungsbilanz „ex ante“ und „ex post“ unterscheiden. Nur die zweite ist stets ausgeglichen. Die erste bedeutet den Saldo der Zentralbank-Devisenbilanz. Und natürlich nichts gegen Böhm-Bawerks Zahlungsbilanztheorie.
5. Es mag richtig sein, daß Feldstein ein arroganter USD-Interessenvertreter ist. Aber er ist sicher auch kein schlechter Ökonom – ebenso wenig wie Eichengreen und Friedman.
6. Kein Dissens zum Hinweis auf Opportunitätskosten in Bezug auf Opting-out-Strategien. Die werden alle Kandidaten sicher kalkulieren. Es ist interessant, sich mit den Bestimmungsgründen von Opting-outs und Sezessionen in der Literatur zur Clubtheorie zu beschäftigen. Wachsende Heterogenitäten der Clubmitglieder spielen u. a. eine entscheidende Rolle.
6. Im Euro-Szenario für die Zukunft steckt natürlich viel Spekulation. Im Hinterkopf behalten sollte man aber doch auch die Gründe, die zum Scheitern (fast) sämtlicher größerer nicht-natonaler Währungsunionen der Historie geführt haben ( z. B. Lateinische, Skandinavische Währungsunion). Man sollte sie nicht wirksam werden lassen.
7. Der Euro ist erst 10. Er wird sicher auch noch erheblich älter, wenn: siehe 6. Mich freut der Optimismus von Braunberger, denn Optimismus ist auch hier wohl Pflicht.
Ich würde gerne zu zwei Punkten Stellung nehmen.
1. EZB und Thomas-Beckett-Effekt.
Natürlich weiß niemand, was die Zukunft noch alles bringen wird, aber ein wesentlicher Punkt, der einem Euro-Befürworter Befriedigung verschafft, ist das Verhalten der EZB bis heute. Man mag über einzelne Entscheidungen der EZB trefflich streiten, aber es bleibt doch festzuhalten:
– Die EZB hat sich als Organisation innerhalb kurzer Zeit „gefunden“, was nicht selbstverständlich war. Hier hat die Integrationskraft Wim Duisenbergs sicherlich eine wesentliche Rolle gespielt und Otmar Issing hat der Geldpolitik mit der Zwei-Säulen-Strategie (was immer man von ihr halten mag) ein solides Gerüst gegeben.
– Die EZB-Führung tritt nach außen geschlossen auf, was für ihre Glaubwürdigkeit von erheblicher Bedeutung ist. Vergessen die Zeiten, als vor allem LZB-Präsidenten zu Zeiten der Bundesbank für eine Kakophonie der Meinungen in der Öffentlichkeit sorgten und das von uns Journalisten so geliebte Ratespiel um „Falken“ und „Tauben“ im Zentralbankrat motivierten. Diese Loyalität gegenüber der eigenen Institution ist umso bemerkenswerter, als die EZB zwei sehr verschiedene Führungsmodelle kennengelernt hat: Duisenberg war eher Moderator, Trichet führt autoritärer.
– Der „Thomas-Beckett-Effekt“ lässt sich gerade in der Finanzkrise besichtigen: Die EZB hätte sich bei den Politikern mit einer Politiik, wie sie die Fed betreibt, sicherlich beliebter gemacht. Stattdessen ist ihre Zinspolitik weitaus weniger hektisch und zumindest bisher ist von „quantative easing“ keine Rede. Die EZB ist auch souveräner als die Bank of England: Nach meinen Informationen, die ich für zuverlässig halte, wurde die britische Geldpolitik der vergangenen Monate von der Downing Street gemacht und von der Bank of England nur mehr exekutiert.
– Wie stark der „Thomas-Beckett-Effekt ist, zeigt gerade das Beispiel Jean-Claude Trichets: Trichet war als Leiter des Pariser Schatzamts in den Maastricht-Verhandlungen zuerst ein Gegner einer unabhängigen Zentralbank, und als sie sich nicht verhindern ließ, hat er das „gouvernement économique“ erfunden (im Nachhinein ein Treppenwitz der Geschichte). Von Trichet stammt übrigens auch das 3-Prozent-Kriterium. Nachdem Trichet 1993 Gouverneur der unabhängigen Banque de France wurde, änderte er seine Ansichten total: Er betrieb eine streng stabilitätsorientierte Geldpolitik, mit der er sich die gesamte politische Elite Frankreichs sowie zahlreiche Manager und Journalisten zum Feind machte. Chirac hat ihn sogar einmal in seiner Ansprache zum Nationalfeiertag öffentlich niedergemacht. In den Medien wurde er damals als „Ayatollah des Monetarismus“ und als „Sklave der Bundesbank“ bezeichnet. Als FAZ-Korrespondent für Frankreich habe ich Trichet seinerzeit häufig getroffen und als ich ihn fragte, wie er mit der scharfen Kritik an ihm zurechtkomme, sagte er nur: „Je suis blindé.“ (Ich bin gut gepanzert). Als EZB-Präsident ist er heute ein entschiedener Gegner eines „gouvernement économique“.
– Ich war vor einigen Monaten peinlich berührt, als eine Gruppe deutscher „EZB-Watcher“, von denen zumindest einzelne wohl auch schon in diesem Forum geschrieben haben, den Beitritt Maltas und Zyperns kritisch beurteilte mit der – sinngemäßen – Begründung, auf diese Weise könnten die weniger soliden Mitglieder des „Club Med“ eher eine schädliche Mehrheit im Zentralbankrat bekommen. Gerade in der Ökonomie sollte doch nicht die Nationalität zählen, sondern die berufliche Qualifikation. Etwas abfällig, aber wohl sachlich nicht ganz falsch könnte man darauf antworten, dass der gegenwärtige Zentralbankpräsident Zyperns ein international hoch angesehener monetärer Ökonom ist, der in international renommmierten Fachzeitschriften vermutlich mehr Papiere veröffentlicht hat als alle Mitglieder dieser deutschen „EZB-Watcher“ zusammen.
2. Feldstein ist natürlich ein renommierter Ökonom so wie es Milton Friedman noch viel mehr war. Meine zwanzigjährige Erfahrung als Wirtschaftsjournalist hat mich allerdings gelehrt, dass amerikanische Ökonomen nicht nur im Nebenberuf Patrioten sein können (was ich ihnen gar nicht vorwerfe.) Es ist in diesem Zusammenhang fast schon erschütternd, John Taylors Memoiren aus seiner Zeit als Staatssekretär zu lesen. Und eine letzte Episode: In der ersten Hälfte dieses Jahrzehnts hatten wir schon einmal einen Crash, der unter anderem deutsche Versicherer hart getroffen hat. Damals war Alan Greenspan zu Gast bei der Bank of England, wo man ihn fragte, warum denn die amerikanischen Versicherer nicht so hart getroffen seien. Worauf Greenspan hämisch antwortete: „Wir haben unsere Schrottpapiere rechtzeitig den europäischen Versicherern angedreht.“ Die Episode hat später ein ehemaliges Führungsmitglied der Bank of England geschildert.
Toller Post und tolle Kommentare!
Da sind eigentlich fast alle Argumente ausgetauscht, so dass ich nur noch eines korrigieren möchte:
Herr Braunberger schreibt: „Es ist vielleicht kein Zufall, dass liberale amerikanische Ökonomen wie Ed Prescott das Drei-Prozent-Kriterium für abwegig halten und es in den USA kein solches Kriterium gibt.“
Ich kenne die Position von Herr Prescott nicht, aber in den USA gibt es so ein ähnliches Kriterium. Für viele, zugeben nicht alle, gibt es ein Verschuldungsverbot. Es ist sogar ein hartes 0%-Kriterium, dass diese Bundesstaaten einhalten müssen. Viele von ihnen sind daher gezwungen in die aktuelle Krise hineinzusparen. Ein Teil der US-Stimuli existiert daher nur auf dem Papier, weil sie eigentlich um die Sparanstrengungen der Bundesstaaten bereinigt werden müssten.
Der Anteil der Ausgaben der Bundesstaaten am BIP beträgt ca. 5%. Das ist natürlich weniger bei den Staaten der Eurozone.
Siehe z.B.
http://www.handelsblatt.com/archiv/schwache-konjunktur-zwingt-us-bundesstaaten-zum-sparen;552976