Kopflose Ökonomen, coole Politiker?
Warum Peer Steinbrück recht hat

Die wirtschaftlichen Einschläge kommen näher. Eine weltweit tiefe Rezession scheint unausweichlich. Lange hatten die Ökonomen den Ernst der Lage nicht erkannt. Nun fordern viele von ihnen hektisch schnelle, umfangreiche und schuldenfinanzierte nachfrageseitige Gegenmaßnahmen. Fast überall in der Welt lässt sich die Politik von der Hektik anstecken, nur nicht in Deutschland. Die Bundesregierung will das konjunkturpolitische Pulver trocken halten. Vor allem der Finanzminister leistet entschiedenen Widerstand gegen alles, was zu einer überbordenden staatlichen Verschuldung führt und zukünftige Generationen noch stärker belastet. Vor seiner bisweilen ätzenden Kritik sind weder opportunistische Ökonomen noch englische Premierminister sicher.


Finanzkrise

Tatsächlich ist die Politik überall in einer misslichen Lage. Sie muss drei Brandherde gleichzeitig löschen, die sie teilweise selbst mit angefacht hat, eine Finanz-, eine Struktur- und eine Konjunkturkrise. Alle drei Krisen befeuern sich wechselseitig. Absolute Priorität muss allerdings der Kampf gegen den weiter schwelenden Flächenbrand auf den Finanzmärkten haben. Der Geldpolitik gelingt es gegenwärtig nicht, der abstürzenden Konjunktur spürbare positive Impulse vermitteln. Eine um sich greifende Kreditklemme verschärft die Strukturkrise und die weltweit rezessiven wirtschaftlichen Entwicklungen. Das ist Öl ins Feuer der ungelösten Finanzkrise, der Strukturwandel verschärft sich, die Konjunktur bricht weiter ein, der Teufelskreis nimmt noch einmal Fahrt auf.

Ein funktionierender Interbanken-Markt ist ein wichtiger Schlüssel in der Finanz-, Struktur- und Konjunkturkrise. Ihn wieder flott zu machen, braucht allerdings Zeit. Die Notenbanken könnten zwar den Interbanken-Markt in eigener Regie organisieren. Das eigentliche Problem wäre damit aber noch nicht gelöst, die Fristentransformation bliebe verzerrt. Es bleibt unabdingbar, dass die Banken die überlangen Hebel kürzen, mit denen sie bisher gearbeitet haben. Investitionen müssen wieder stärker fristenkonform finanziert, schwachbrüstige Eigenkapitalquoten auf privaten Kapitalmärkten gestärkt werden. Die unumgängliche Anpassung, die kurzfristig wohl nur über eine geringere Kreditvergabe erfolgen wird, kommt strukturell und konjunkturell höchst ungelegen.

Damit nicht genug. Bis die Banken ihre Hausaufgaben gemacht haben, bleibt die Geldpolitik impotent. Es sind nicht nur die niedrigen Zinsen, die dafür verantwortlich sind. Zwar stößt die Zinspolitik an Grenzen, wenn sich der Zinssatz der Nullmarke nähert. Den Notenbanken geht dennoch die geldpolitische Munition nicht aus. Mit quantitativen und qualitativen Möglichkeiten der monetären Lockerungen verfügen sie noch über unausgeschöpfte, allerdings fiskalisch riskante Möglichkeiten. Die Achillesferse der Geldpolitik ist keine Liquiditätsfalle, es ist die stark verzerrte Fristentransformation, die sich über eine rückläufige Kreditvergabe der Banken nur langsam auflöst, die Strukturkrise verschärft und der Konjunktur schadet.

Strukturkrise

Sind die Waffen der Geldpolitik in Zeiten der Finanzkrise stumpf, bleibt im Kampf gegen den wirtschaftlichen Niedergang nur noch die Fiskalpolitik. Diese Meinung ist zwar weit verbreitet, überzeugend ist sie dennoch  nicht. Der Grund liegt auf der Hand: Auch diese Wirtschaftskrise hat einen harten strukturellen Kern, sektorale Strukturen sind verzerrt. Der Ölpreisschock im Sommer hat die gravierenden strukturellen Schwächen offen gelegt und die Finanzkrise befeuert. Dagegen hilft auch keine hoch dosierte fiskalische Medizin, die Anreize für mehr private Nachfrage setzt und die Nachfrage des Staates erhöht. Eine wirkliche Hilfe im sektoralen Strukturwandel sind flexible Arbeitnehmer und dynamische Unternehmen.

Die sektoralen Strukturen sind verzerrt, weil der Finanzsektor in der Vergangenheit ein  wichtiger Treiber wirtschaftlichen Wachstums war. Länder wie die USA, Großbritannien, die Schweiz oder Island, die sich stärker in diesem Sektor engagierten, haben erheblichen sektoralen Korrekturbedarf, manche stehen am Rande des Staatsbankrotts. Daneben haben aber auch große globale Ungleichgewichte im internationalen Handel verzerrte sektorale Spuren hinterlassen. Länder mit dauerhaften Leistungsbilanzüberschüssen haben einen künstlich aufgeblähten industriellen Sektor. In Defizitländern leben private Haushalte und Staat auf viel zu großem Fuß. Die private Sparquote ist gering, die Immobilienkrise besonders ausgeprägt. Der sektorale Anpassungsbedarf ist bei Ländern mit großen Ungleichgewichten in der Leistungsbilanz erheblich.

Die seit Anfang 2007 stark steigenden Ölpreise setzten einen weiteren nicht-keynesianischen Akzent. Unternehmen kamen von der Kostenseite her unter Druck. Vor allem mit dem explosionsartigen Anstieg im Juni und Juli 2008 auf über 140 Dollar pro Barrel wuchs die Angst vor höherer Inflation und steigenden Zinsen. Im Doppelpack lösten Ölpreis- und Zinsschock den Crash auf den Finanzmärkten aus und setzte die Finanzkrise in Gang. Dieser Teil des weltweiten wirtschaftlichen Niedergangs ist strukturell. Eine nachfrageorientierte Medizin schlägt nicht an, sie hat im Gegenteil gravierende Risiken und Nebenwirkungen für Wachstum und Beschäftigung. Die Anpassung über flexible Löhne, bewegliche regionale, sektorale und qualifikatorische Lohnstrukturen, beruflich, räumlich und sektoral mobile Arbeit und inter-sektoral mobiles Kapital wird behindert.

Konjunkturkrise

Ein Unglück kommt selten allein. Spätestens seit Sommer 2007 befindet sich die Weltwirtschaft auf breiter Front konjunkturell auf Talfahrt. Hoffnungen auf eine weiche Landung haben sich nicht erfüllt. Die Finanzkrise kam dazwischen. Seither befeuern sich Finanz-, Struktur- und Konjunkturkrise gegenseitig. Das ist für viele die Stunde der Fiskalpolitik, trotz wenig ermutigender Erfahrungen. Prozyklische Effekte, verschwendete Steuermittel und höhere staatliche Schuldenberge pflastern den fiskalischen Weg der Konjunkturpolitik. Dennoch will die Politik weltweit nicht kleckern, sondern klotzen. Allein Deutschland bleibt vorsichtig, zumindest bisher.

Den fiskalpolitischen Aktivisten geht es nicht mehr um das Ob, allenfalls noch um das Wie. Unklar ist nur, wo der makroökonomische Stabilisierungseffekt größer ist, bei höheren staatlichen Ausgaben oder niedrigeren Steuern. Für Theoretiker einfacher keynesianischer Makro-Mechanik ist der Fall klar: Der Ausgabenmultiplikator ist immer größer als der Steuermultiplikator. Wie so oft ist die Empirie aber weniger eindeutig. Vieles spricht dafür, dass der Steuermultiplikator dominiert. Wie groß er wirklich ausfällt, hängt nicht nur davon ab, welche Steuern gesenkt werden. Wichtig ist auch, ob dies dauerhaft oder nur temporär geschieht.

Konjunkturpolitisch macht es wenig Sinn, auf höhere staatliche Ausgaben für öffentliche Güter zu setzen. Solche Ausgaben für Schulen, Universitäten, Forschung und Infrastruktur können sich zwar langfristig rechnen. Wegen des langen Planungshorizontes sind sie aber konjunkturell ungeeignet. Wer einen starken Anstieg der Arbeitslosigkeit vermeiden will, muss Beschäftigung möglichst schnell attraktiver machen. Damit stärkt er Angebot und Nachfrage. Geringere Kosten der Arbeit sind das A und O. Bei den direkten Lohnkosten sind die Tarifpartner gefordert, Löhne zu flexibilisieren und nach Betrieben zu differenzieren. Staatliche Hilfe bei den Lohnnebenkosten ist problematischer. Niedrigere Sozialversicherungsbeiträge verrringern zwar die Steuer- und Abgabenschere. Wirklich helfen können sie allerdings nur, wenn sie dauerhaft sind und langfristig glaubwürdig über Reformen auf der Ausgabenseite gegenfinanziert werden. Genau das dürfte aber das Problem sein.

Fazit

Die deutsche Politik hat bisher eher besonnen auf die Krise reagiert. Leitlinie war das Motto der Bundeskanzerlin: erst denken, dann handeln. Das sollte trotz europäischen Drucks auch so bleiben. Nach wie vor gilt die Regel: Ordnungs- geht vor Prozesspolitik. Die Fristentransformation muss entzerrt, die Eigenkapitalquote der Banken erhöht, alte Bankgrundsätze müssen wieder eingehalten werden. Weltweit muss der Zugang zu Güter- und Faktormärkten offen bleiben. Subvention und Protektion sind Teufelszeug. Vorsicht bei diskretionärer Fiskalpolitik ist weiter unerlässlich. Ein großes Strohfeuer zu entzünden, das einige jetzt etwas wärmt aber alle morgen wegen der Lasten eines noch größeren staatlichen Schuldenbergs frieren lässt, ist töricht. Ein deutscher Finanzminister, der an zukünftige Generationen denkt, verdient Unterstützung, auch gegen seine Freunde.

Update

Garry S. Becker zum Opportunismus von Ökonomen:

„As Posner and others have indicated, there appears to have been a huge conversion of economists toward Keynesian deficit spenders, but the evidence that produced such a „conversion“ is not apparent (although maybe most economists were closet Keynesians all along). This is a serious recession, but Romer and Bernstein project a peak unemployment rate without the stimulus of about 9%. The 1981-82 recession had a peak unemployment rate of about 10.5%, but there was no apparent major „conversion“ of economists at that time. What is so different about the present recession compared to that one, and to other recessions since then, that would greatly raise the estimated stimulating effects of government spending on various types of goods and services?“

11 Antworten auf „Kopflose Ökonomen, coole Politiker?
Warum Peer Steinbrück recht hat

  1. Norbert Berthold stellt zwei nachvollziehbar klingende Forderungen an dieBankpolitik:

    1. Reduzierung der Fristentransformation; das heißt, mehr fristenkongruente Finanzierungen

    2. Erhöhung der Eigenkapitalbasis am privaten Kapitalmarkt, das heißt im wesentlichen Ausgabe neuer Aktien (oder anderer Finanzprodukte, die eigenkapitalähnlichen Charakter besitzen).

    So vernünftig diese Forderungen klingen: Das Problem ist, dass Banken keinen Anreiz besitzen, das eine wie das andere zu tun. Deshalb wäre meine Frage an den Autor, wie er die beiden Forderungen umsetzen will. Durch zusätzliche Regulierungen, wenn es freiwillig nicht geht?

    1. Banklehrlinge lernen zwei Dinge (das war bei mir so und bei vielen anderen):
    a) Die Goldene Bankregel besagt, dass sich Banken fristenkongruent finanzieren sollen.
    b) Banken halten sich traditionell nicht daran, weil man mit fristenkongruenter Finanzierung kaum etwas verdient. Das Musterbeispiel waren früher die deutschen Hypothekenbanken, die langfristige Kredite durch die Ausgabe von Pfandbriefen refinanzierten: Diese Banken besaßen riesige Bilanzsummen, deshalb hohe Eigenkapitalien, machten aber kaum Gewinne, weil die Margen so gering waren. Für einen Investore war es meist sinnvoller, Pfandbriefe zu kaufen statt die Aktien dieser Hypothekenbanken. Das Aktienkapital dieser Banken befand sich überwiegend bei den Großbanken, der „free float“ war gering, weil es kaum Interesse anderer Investoren für solche Aktien gab.

    Kurz: Fristentransformation ist ein Kerngeschäft der Banken und bei einer normalen Zinsstrukturkurve auch recht einträglich. Freiwillig verzichten sie nicht darauf.

    (Eine andere Frage, die ich hier aus Platzgründen nicht ausführlich behandeln kann, lautet, ob die Fristentransformation wirklich eine bedeutende Ursache der Krise war. Meines Erachtens war das eigentliche Problem die schwindende Bonität vieler Assets auf der Aktivseite der Bilanzen. Sie hat erst den kurzfristigen Geldgebern den Anreiz gegeben, ihre Einlagen abzuziehen. Selbst bei einer fristenkongruenten Refinanzierung hätten wir eine Vertrauenskrise der Banken untereinander mit Verspannungen am Geldmarkt erlebt, weil es Zweifel der Banken an der Bonität ihrer Partner gegeben hätte.)

    2. Kapitalerhöhungen durch Ausgabe neuer Aktien funktionieren nur dann zu akzeptablen Konditionen für die Banken, wenn die Kapitalgeber attraktive Renditen erwartenkönnen. Bei einem Verzicht auf Fristentransformation versiegt eine wichtige Ertragsquelle. Um dennoch den Renditeerwartungen der Kapitalgeber zu entsprechen, könnten sich die Banken veranlasst sehen, andernorts höhere Risiken einzugehen. Da sich sichere Gebühreneinnahmen aus Dienstleistungen wie der Beratung und der Vermögensverwaltung zumindest auf kurze Sicht nicht erheblich steigern lassen, würden die Banken auf der Suche nach Erträgen höhere Risiken eingehen zum Beispiel durch die Kreditvergabe an Schuldner minderer Bonität oder durch eine Zunahme der Geschäfte an den Kapitalmärkten, zum Beispiel durch größere Engagements im Eigenhandel oder durch die Anwendung von Strategien, wie sie Hedge-Fonds betreiben. Zu solchen Geschäften können sich vor allem solche Banken veranlasst sehen, die bisher hauptsächlich von der Fristentransformation leben und gar keine große Expertise in Kapitalmarktgeschäften besitzen: Die IKB war ein solches Beispiel.

  2. Die Frage, die Herr Braunberger aufgeworfen hat, ist interessant. Um es vorweg zu sagen, ich plädiere nicht für mehr staatlichen Zwang, wohl aber für wirksamere Regulierungen.

    1) Fristentransformation
    – Fristeninkongruenz muss nicht zu höheren Erträgen führen. Die Erträge sind eine Kompensation für das Risiko, das durch Fristeninkongruenz entsteht. Es handelt sich um eine Prämie für das Zinsänderungsrisiko, das die Bank trägt. Je größer das Risiko, desto höher die Prämie.

    – Die Fristentransformation wird von einem Intermediär gegen eine Vergütung vorgenommen. Das muss nicht zwingend eine Bank sein. Obwohl die Fristentransformation in der jüngsten Vergangenheit sehr lukrativ war, kann man darüber streiten, ob das die Kernaufgabe einer Bank ist. Deren eigentliche Aufgabe ist eher darin zu sehen, dass sie als Informationsintermediär auftritt.

    – Betreiben Banken das Geschäft mit der Fristentransformation, stellt sich die Frage, ob dies gesamtwirtschaftlich wünschenswert ist. Das muss nicht sein, vor allem dann nicht, wenn das Management der Bank primär an kurzfristigen Gewinnsteigerungen interessiert ist. In diesem Fall werden für einen kurzfristigen Gewinn oft zu hohe langfristige Risiken in Kauf genommen. Die Fristentransformation kann zum Problem werden.

    – Diesem Problem kann auf zwei Wegen begegnet werden: durch staatliche Regulierung oder bessere ordnungspolitische Leitlinien auf dem Markt für Manager. Mehr Regulierung ist sicher notwendig, wenn es um Zweckgesellschaften geht, die weder einer Berichtspflicht, noch einer Eigenkapitalregulierung und auch keiner Regulierung der Fristentransformation unterlagen.

    – Aber auch der Ordnungsrahmen auf dem Markt für Manager ist überholungsbedürftig. Die Kontrolle des Managements ist zu verbessern. Wichtig ist etwa die Stärkung der Aktionäre, notwendig ist aber auch eine höhere Haftung der Wirtschaftsprüfer. Ziel muss sein, die Anreize so zu verändern, dass Manager am langfristigen Unternehmenserfolg interessiert sind.

    2) Eigenkapitalquoten
    – Die spannende Frage bleibt, warum die Eigenkapitalquoten von Banken so niedrig sind. Dabei muss es sich nicht a priori um Marktversagen handeln, wie vielfach unterstellt wird, es kann auch Politikversagen sein, das zu dem unerwünschten Ergebnis führt.

    – Die Eigenkapitalrendite steigt, wenn günstig Fremdkapital aufgenommen werden kann. Allerdings erhöht sich mit einem höheren Anteil an Fremdkapital auch der Zins. Fremdkapitalgeber erhalten nur eine fixe Zahlung, wenn es gut läuft. Sie gehen leer aus, wenn der Laden pleite geht. Da durch einen höheren Hebel das Risiko einer Pleite größer wird, steigt auch der Zins.

    – Ein möglicher Grund, warum zu viel gehebelt wird, liegt darin, dass Eigen- und Fremdkapital steuerlich unterschiedlich behandelt werden. Da Eigenkapital üblicherweise gegenüber Fremdkapital diskriminiert wird, besteht ein Anreiz, den Anteil von Eigenkapital eher klein zu halten.

    – Es ist sicher richtig, die Zeit traumhafter Renditen einer nur scheinbar risikolosen Fristentransformation ist vorbei. Ob es für Banken bei stärker fristenkongruenten Finanzierungen schwerer wird, die Eigenkapitalbasis am privaten Kapitalmarkt zu stärken, ist nicht sicher. Wie gut das gelingt, hängt entscheidend von der Geschäftsidee der einzelnen Bank ab. Dabei wird sich die Spreu vom Weizen trennen.

  3. Ich erlaube wenige Anmerkungen zu Norbert Bertholds Kommentar.

    „Eine Bank ist nicht eine Anstalt zur Aufnahme und zum Ausleihen von Geld, sondern eine Anstalt zur Erzeugung von Kredit.“
    Macleod, Theory of Credit, Seite 594

    1. Die Fristentransformation ist kein Geschäft, das notwendigerweise aus dem Ziel kurzfristiger Gewinnmaximierung entsteht. Es war jahrzehntelang Grundlage des Bankgeschäfts, als es noch keinen „shareholder value“ gab. Solange die Zinsstrukturkurve „normal“ ist, garantiert sie Gewinne.

    2. Die Frage, warum die Eigenkapitalquoten von Banken so niedrig sind, ist interessant. Meines Erachtens erklärt sich das weder aus Markt- noch aus Staatsversagen, sondern einfach aus dem Geschäftsmodell einer Bank: Sie erzeugt ihr Fremdkapital selbst durch ihr Kerngeschäft, die Vergabe von Krediten, als deren Folgen Einlagen auf der Passivseite der Bilanz entstehen. Das ist weder in der Industrie noch im Handel so. Wenn diese Unternehmen Fremdkapital benötigen, müssen sie es aufnehmen. Bei der Bank entsteht es sozusagen automatisch im täglichen Geschäft.

    Hinzu tritt das Eigeninteresse der bestehenden Aktionäre: Ich habe als Aktionär doch gar kein Interesse an einer Vergrößerung des Aktienkapitals, solange die Bank mehr Fremdkapital erzeugen kann (jedenfalls solange mehr Eigenkapital nicht aus Bonitätsgründen geboten erscheint), weil durch mehr Eigenkapital mein Anteil (und damit mein Gewinnanspruch) verwässert wird. Die höchsten Eigenkapitalrenditen haben nicht zufällig Hedge-Fonds mit riesig gehebelten Bilanzen erzielt. Wir befinden uns in der Praxis nicht in der Welt des Modigliani-Miller-Theorems.

    Steuerliche Regelungen mögen am Rande eine Rolle spielen, aber da die Eigenkapitalquoten in allen Ländern niedrig sind unabhängig von den jeweiligen steuerlichen Regelungen, bin ich mir nicht sicher, ob dieses Argument bei Banken von großer Bedeutung ist.

  4. Interessantes Thema. Da ich auch mit der Bankenwelt vertraut bin, erlaube ich mir ein paar Anmerkungen.

    zu 1) Fristentransformation ist meiner Meinung nach zwar üblich bei Banken, aber nicht sinnvoll. Zwar hat Herr Braunberger recht, dass es in „normalen Zeiten“ Gewinne garantiert, aber in schlechten Zeiten garantiert es Verluste. Ein nicht unwesentlicher Teil der Milliardenverluste des Hypo Real Estate Konzerns kommen aus der Fristentransformation. Ein Geschäftsmodell, dass darauf aufbaut ist nicht nachhaltig. Insbesondere deswegen, weil es schwierig zu erkennen ist, wo der Wettbewerbsvorteil der Bank in dem Markt liegen soll.

    zu 2) Die niedrigen Eigenkapitalquoten stammen meiner Meinung nach aus der viel zu niedrigen Kosten des Fremdkapitals. Was jetzt nach Marktversagen klingt, ist aber eher eine ordnungspolitische Schwäche.

    Ein Grund: Weil die Fremdkapitalgeber stets mit einer Rettungsaktion des Staates retten können, verlangen sie viel zu niedrige Risikoprämien. Ich kenne aus eigener Anschauung einige Ratingverfahren mit denen Banken bewertet werden: Da ist die Größe der Bank entscheidender Faktor. Grund: Je größer die Bank, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass im Zweifel der Staat das Steuersäckle aufmacht. Die Ratingverfahren wurden alle vor der Finanzkrise entwickelt. Und die Entwickler der Verfahren sehen sich nun bestätigt. Der Faktor wird in Zukunft noch höher gewichtet…

    Ein anderer Grund ist auch ordnungspolitisch: Der Regulator versucht den Banken dauernd einzureden, dass Kredite an Banken oder Staaten in irgendeiner Form weniger riskant seien als solche an Unternehmen. Das war schon in Grundsatz I so, in dem Bankkredite nur mit 20% des Eigenkapitals unterlegt werden mussten – Staaten oft gar nicht. In Basel II wird die Sache leider nicht besser. Die im Basel-Modell verwendeten Assetkorrelationen sind viel zu niedrig für Banken. Zudem ist eine empirisch nicht belastbare Abhängigkeit der Korrelation von der Ausfallwahrscheinlichkeit einmodelliert worden – vermutlich auch nur um die Kapitalanforderung für Kredite an Banken zu reduzieren.

    Meine Meinung dazu: Banken sind sehr sehr hoch korreliert mit dem Gesamtsystem. Daher sind Kredit an Banken riskanter als Kredite an Unternehmen. Zudem stellt sich aus ordnungspolitischer Sicht ein prinzipielles Problem aus dem Interbankenhandel: Wenn die Banken untereinander in finanzieller Abhängigkeit stehen, kann der Staat kaum eine Pleite gehen lassen ohne eine Kettenreaktion auszulösen in der alle Banken Pleite gehen. Also der Regulator sollte den Interbankenhandel durch höhere Kapitalanforderungen unattraktiver machen. Dann kann er auch mal eine Bank pleite gehen lassen, ohne dass gleich eine systemische Krise entsteht und dann erhöhen auch die Fremdkapitalgeber ihre Risikoprämien bei Krediten an Banken und die EK-Quoten der Banken steigen.

  5. Wir sehen ja wie „cool“ unsere Politiker sind. Wurde nicht gestern ein 50 Mrd Paket auf den Weg gebracht mit einem neuen Schuldenschub von runden 40 Mrd ?

    Wie „cool“ ist das?

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