Die Bundesregierung hat sich in ihrem Sparpaket vorgenommen, eine Steuer auf die Brennelemente der noch Strom produzierenden Atomkraftwerke zu erheben. Angesichts der enormen Volatilität in den politischen Absichtserklärungen der aktuellen Koalition kann man sich zwar nicht ganz sicher sein, ob sie wirklich noch will, was sie vor wenigen Monaten im Sparpaket beschlossen hat. Aber nehmen wir einmal an, es bliebe dabei: Was haben wir von einer solchen Steuer zu halten?
Technisch gesehen ist die Bemessungsgrundlage rekordverdächtig klein. Bis die Steuer tatsächlich erhoben wird, werden vielleicht noch vierzehn oder fünfzehn Atomkraftwerke am Netz sein. In den Reaktoren befinden sich jeweils zwei, dreihundert Brennelemente, die nach einigen Jahren immer wieder ausgetauscht werden. Trotz dieses überschaubaren Steuerobjektes soll das Steueraufkommen gut zwei Milliarden Euro im Jahr betragen. Der Steuerbetrag pro Brennstab dürfte also in die Millionen gehen. Es handelt sich hier außerdem um eine Produktionssteuer: Ein sehr spezifisches Zwischengut – die Brennstäbe – wird recht hoch besteuert und die Produktion von Strom in Atomreaktoren wird kostspieliger. Die Tatsache, dass es sich um eine Produktionssteuer handelt, ist nicht ganz unwichtig, wie wir gleich sehen werden.
Aus einer politisch-ökonomischen Sicht kann diese Steuer einfach als politisches Tauschgeschäft verstehen. Es ist absehbar, dass die Energiekonzerne eine Gegenleistung in Form verlängerter Laufzeiten für ihre Reaktoren erhalten werden. Die Steuer ist dann einfach ein gutes Beispiel für das, was in den Lehrbüchern unter dem Stichwort rent-seeking zu finden ist: Die Politik liefert den Unternehmen diesen genehme Marktregulierungen, die es ermöglichen, zusätzliche Gewinne abzuschöpfen. Zumindest ein Teil der so politisch abgesicherten Gewinne wird sodann als Gegenleistung ins politische System zurück transferiert. Immerhin: In diesem konkreten Fall haftet dem Gegengeschäft einmal kein Gschmäckle der persönlichen Bereicherung an, sondern die zurück transferierten Renteneinkommen fließen ganz transparent in den Bundeshaushalt.
Der Haken an der Belastung der Stromkonzerne in Form einer Produktionssteuer ist allerdings, dass die Zeche nicht nur die Stromkonzerne selbst, sondern auch die Verbraucher zahlen. Aus Sicht der Stromerzeuger steigen mit einer Besteuerung der Brennstäbe ihre Grenzkosten, was sich über steigende Preise bemerkbar machen wird. Bei einer direkten Besteuerung der Gewinne der Stromanbieter sähe dies anders aus. Auf den Energiemärkten gibt es, wie die Monopolkommission ausführlich darlegt, erhebliche Marktmacht. Paradoxerweise erleichtert aber gerade dies die Überwälzung einer Gewinnsteuer auf die Konsumenten nicht: Die Unternehmen bemühen sich, ihren Gewinn maximierende Preise und Mengen zu setzen. Diese sind aber unabhängig davon, ob ein Teil des Gewinns am Ende in die Kassen des Staates oder der Unternehmen fließt. Eine Gewinnsteuer ändert also nicht das Verhalten der Stromanbieter am Markt (oder allenfalls langfristig, wenn etwa neue Investitionen weniger attraktiv werden); aus der Sicht der Konsumenten bleibt sie zunächst unbemerkt.
Nun kann man sich leicht vorstellen, dass eine branchenspezifische Sondersteuer auf Unternehmensgewinne in der Bewertung durch Steuerjuristen scheitern würde, da sie schlicht willkürlich wäre. Von ihren ökonomischen Wirkungen aus gesehen ist eine sehr spezifische Steuer auf Brennelemente nicht weniger willkürlich, dennoch wird sie vielleicht den formal-juristischen Test eher bestehen. Insofern ist die Steuer auf Brennelemente also eine Verlegenheitslösung mit Nebenwirkungen, die von der Politik genutzt wird, weil der direkte fiskalische Weg zu den Monopolrenten der Stromkonzerne institutionell verschlossen ist.
Ordnungspolitisch betrachtet ist die Steuer auf Brennelemente aber noch aus einem ganz anderen Grund sehr kritisch zu beurteilen. Wie bei allen zum rent-seeking zählenden Aktivitäten wird auch hier der Staat letztendlich zum Teilhaber am Geschäft des Besteuerten, und zwar – und das ist das Problem – Â in einer ausdrücklich nicht-neutralen Art und Weise. Die Politik ist in diesem Fall kein stiller, sondern ein höchst aktiver Teilhaber. Sie sorgt zunächst, meist in Form von Wettbewerbsbeschränkungen aller Art, dafür, dass überhaupt Monopolrenten abgeschöpft werden können und partizipiert anschließend selbst an diesen Renten. Der ordnungspolitisch akzeptable Weg, die Gewinne der Stromkonzerne zum Schmelzen zu bringen, bestünde stattdessen natürlich darin, eine sinnvolle Marktordnung mit einer höheren Wettbewerbsintensität für den Strommarkt zu schaffen, was durchaus möglich wäre (auch hier sei nochmals auf die Monopolkommission verwiesen).
Aus der statischen, buchhalterischen Sicht der Politik hätte dies natürlich einen entscheidenden Nachteil: Die Gewinner des ordnungspolitischen Ansatzes wären zunächst einmal die Stromverbraucher, nicht aber die öffentlichen Budgets oder die politischen Repräsentanten selbst. Auch ist es politisch wohl effektvoller, wenn man darauf verweisen kann, die eher unbeliebten Stromkonzerne mittels einer Sondersteuer jährlich um Milliarden zu erleichtern. Vielleicht kommen die Konsumenten in ihrer Rolle als Wähler diesem populistischen Ansatz aber doch noch auf die Schliche. Es ist eigentlich ganz einfach: Dauerhafte, über Jahre oder Jahrzehnte nicht wegkonkurrierte Monopolgewinne sind ein Fall für die Wettbewerbspolitik, nicht für die Steuerpolitik.
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Liebe Leserinnen und Leser,
hinsichtlich des angeführten juristischen Aspekts des Kernbrennstoffsteuergesetzes ist anzumerken, dass es sich keineswegs um eine Sondersteuer auf branchenspezifische Unternehmensgewinne im Sinne einer Ertragsteuer handelt. Auch ökonomisch ist zweifelhaft, dass eine Verbrauchsbesteuerung in ihrer Wirkung ertragsteuerliche Charakteristika annimmt.
Hinsichtlich einer ersten juristischen Einschätzung lässt sich auf die Bewertung durch Prof. Dr. Birk der Universität Münster im Steuerboard des Handelsblattes verweisen (http://blog.handelsblatt.com/steuerboard/2010/07/21/kommt-die-kernbrennstoffsteuer/). Anzumerken bleibt, dass diese Ansicht nicht unumstritten ist und einige auch die Verfassungsmäßigkeit bejahen. Hier bleiben aber weitere wissenschaftliche Beiträge abzuwarten.
Beste Grüße
Christian Sternberg
„…Die Politik ist in diesem Fall kein stiller, sondern ein höchst aktiver Teilhaber. Sie sorgt zunächst, meist in Form von Wettbewerbsbeschränkungen aller Art, dafür, dass überhaupt Monopolrenten abgeschöpft werden können und partizipiert anschließend selbst an diesen Renten…“
Auf den Punkt gebracht. Aber irgendwie wundert mich bei dem Staat nichts mehr. Was gibt es denn eigentlich dazu zu sagen, dass beim Atomausstieg beschlossen bzw. vereinbart wurde, die Kraftwerksbetreiber nicht mit zusätzlichen direkten, verbrauchsabhängigen Steuern wie der nun diskutierten Brennelementesteuer zu belasten? Mich würde es mal interessieren, wann sich unsere Regierung an einmal gemachte Zusagen hält.