Gastbeitrag:
Die Umverteilungsunion wird allseits deutlich

Viele Kommentatoren befürchten, dass die Währungsunion zur Umverteilungsunion verkommt. Weniger unverantwortliche Regierungen retten dauerhaft durch Transfers die verschwenderischsten Staaten. Die Anreize gleichen jenen des deutschen Finanzausgleichs. Sparsamkeit zahlt sich nicht aus, denn Überschüsse werden abgezogen. Verschwendung wird mit Zuschüssen belohnt. Was die wenigsten verstehen ist, dass das Eurosystem von Anbeginn an eine Umverteilungsunion gewesen ist. Denn durch seine Fehlkonstruktion ermöglicht es eine monetäre Umverteilung zugunsten der defizitärsten Staaten.

Das Eurosystem gleicht einer Tragödie der Allmende. Daher habe ich auch mein Buch zur Eurokrise mit „Die Tragödie des Euro“ betitelt. Bei einer Tragödie der Allmende werden Eigentumsrechte nicht adäquat definiert oder verteidigt. Mehrere Individuen nutzen eine Ressource und können die Kosten ihrer Nutzung auf andere teilweise abwälzen. Es kommt zur Überausbeutung. Ein typisches Beispiel sind Fischschwärme im Ozean, deren Eigentumsrechte nicht definiert sind. Jeder darf den Schwarm befischen. Der Nutzen des Fangs geht an den Fischer. Die Kosten der verringerten Schwarmgröße treffen jedoch alle potentiellen Fischer. Der Anreiz besteht, so viel und so schnell wie möglich zu fischen, denn andernfalls besteht die Gefahr, dass andere Fischer zuvorkommen. Überfischung ist die Folge.

Die Tragödie die Euro liegt darin, dass es sich zum einem bei der Währung um ein staatliches Zwangsgeld handelt. Währungswettbewerb wird nicht zugelassen. Eigentumsrechte nicht bewahrt. Zum anderen können nicht eine, sondern mehrere Regierungen ihre Defizite über das Bankensystem monetisieren.

Das geht folgendermaßen ab. Gibt eine Regierung mehr aus als sie einnimmt, emittiert sie für die Differenz Staatsanleihen. Das Bankensystem kauft einen großen Teil dieser Staatsanleihen, weil diese Papiere von der EZB (genauer: vom Eurosystem) als Sicherheit für neue Darlehen akzeptiert werden. Die Banken nehmen die erworbenen Staatsanleihen und dienen sie der EZB als Sicherheit für neue Darlehen an. Dadurch erhalten die Banken neues Zentralbankgeld und können die Kredite ausweiten. Die Geldmenge steigt und die Preise ziehen tendenziell an, und zwar nicht nur im Defizitland, sondern in der gesamten Währungsunion.

Es kommt so zur monetären Umverteilung. Die Erstempfänger des neuen Geldes, vor allem die Regierung des Defizitlandes, gewinnen auf Kosten der Letztempfänger im EWU-Ausland, deren Einkaufspreise schneller steigen als ihre Einkommen.

Gibt es ein Land pro Zentralbank werden die Kosten der Monetisierung in Form von Kaufkraftverlust der Währung nur im Inland getragen. In der Währungsunion kann jedoch ein Teil der Kosten der Defizitmonetisierung ins EWU-Ausland externalisiert werden in Form höherer Preise.

Zudem gelingt einem Land die Externalisierung desto besser, je höher das Defizit im Vergleich zu den anderen EWU-Ländern ist. Ein Beispiel: Deutschland hat ein Defizit von 3% des BIP. Die restlichen EWU-Staaten fahren ein Defizit von durchschnittlich 10% des BIP. Das Bankensystem kauft die Staatsanleihen und reicht sie gegen neue Kredite bei der EZB ein, was ihnen Spielraum zur Kreditausweitung schafft. Als Folge der Monetisierung der Defizite von 3% und 10% steigen die Preise (Konsumgüter, Immobilien, Aktien) um 8% in der EWU. Obwohl Deutschland ein Defizit hat, können die realen deutschen Staatsausgaben sogar zurückgehen. Deutschland profitiert nicht vom Defizit, sondern verliert, weil andere Länder ein noch höheres Defizit haben.

Es besteht somit der Anreiz höhere Defizite als der Rest zu haben, ähnlich den Fischern des öffentlichen Schwarms. In diesem Sinne handelt es sich bei der EWU um eine Tragödie der Allmende und es kommt zur Umverteilung. Dies ist die „versteckte“ Transferunion.

Selbstverständlich war man sich dieser Anreize vor Euroeinführung bewusst. Anstatt die öffentliche Ressource zu privatisieren und Wettbewerb privater Währungen in Europa zuzulassen, entschied man sich die Tragödie auf Druck Deutschlands anderweitig zu begrenzen.

Anstatt die Privatisierung der Ressource zuzulassen, werden bei öffentlichen Fischschwärmen zur Verhinderung einer Überfischung oft Fangquoten eingeführt. Die Ausbeutung der Kaufkraft des Euro zur Staatsausgabenfinanzierung sollte durch ähnliche Quoten eingeschränkt werden, nämlich durch ein Maximum der Staatsdefizite im Stabilitäts-und Wachstumspakt  in Höhe von 3% des BIP. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt ist jedoch grandios gescheitert, weil die „Fangquoten“ nicht durchsetzbar sind. Die Sünder sitzen über sich selbst zu Gericht. Automatische Strafen gibt es nicht.

So blieb der Anreiz zu Defiziten bestehen. Die Schuldenberge türmten sich auf bis die Finanzkrise die Entwicklung beschleunigte. Die Staatsausgaben explodierten in einer allgemeinen Rettungsmanie, die Einnahmen brachen weg und die Defizite schossen in die Höhe. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Bereitschaft der EZB die Defizite weiterhin zu akkommodieren und vor allem die Duldung und Hilfe Deutschlands bezweifelt. Die Zinsen der Peripherieländer schossen in die Höhe. Es kam zur Staatsschuldenkrise.

Die Staatsschuldenkrise führte dann zu Rettungen und Transfers zugunsten Griechenlands, Irlands und Portugals.  Die EZB stützt durch Anleihekäufe auch Spanien und Italien. Dadurch wurde die Umverteilung in der EWU, die durch die Tragödie des Euro begründet ist,  offensichtlich. EFSF, ESM, Eurobonds und Fiskalunion sind nur die Folge der zuvor bestehenden Umverteilungsunion. Sie garantieren und verfestigen, was vorher schon angelegt war.

 

2 Antworten auf „Gastbeitrag:
Die Umverteilungsunion wird allseits deutlich“

  1. „Als Folge der Monetisierung der Defizite von 3% und 10% steigen die Preise (Konsumgüter, Immobilien, Aktien) um 8% in der EWU.“

    Wieso ist das so?

  2. @frage : der Ankauf von Staatsanleihen durch das Eurosystem führt zu einer direkten Erhöhung von M1,M2 und M3, da hier die Nichtbankenliquidität erhöht wird. dies ist auch der wesentliche Unterschied durch den indirekte Staatsfinanzierung und Quantitative Easing klar voneinander abgrenzbar sind. durch letzteres wird ja nur die Bankenliquidität erhöht. dieses Zentralbankgeld läuft also nur im Interbankenverkehr um und nicht in der Realwirtschaft. der Ankauf von Staatsanleihen ist m.E. kein QE.
    somit kann bei indirekter Staatsfinanzierung bzw. Monetisierung der Staatsverschuldung das bereitgestellte Geld nachfragewirksam in der Realwirtschaft verausgabt werden. also: Nachfrageinflation kann sich bei ausgelasteten Kapazitäten als übrigbleibende folge ergeben…

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