Neue Gesetze gegen Staatsfonds?

Ist die deutsche Wirtschaft den Staatsfonds aus dem Nahen und Fernen Osten hilflos ausgeliefert? Bedarf es neuer gesetzlicher Grundlagen, um besser zwischen erwünschten und unerwünschten Unternehmensübernahmen diskriminieren zu können? Die angemessene Antwort darauf ist ein klares „Ja, aber“.

Zunächst zum „aber“: Der freie internationale Kapitalverkehr ist das untrennbare Gegenstück des freien internationalen Warenverkehrs, von dem gerade Deutschland so stark profitiert. Wer den Kapitalverkehr beschränkt, wird auch den Warenverkehr beeinträchtigen und damit den wirtschaftlichen Wohlstand im In- und Ausland schmälern.

Für das deutsche Bruttoinlandsprodukt und die deutschen Arbeitsplätze ist es unerheblich, welche Anteilseigner der in Deutschland tätigen Unternehmen aus dem Inland und welche aus dem Ausland kommen. Auch die Frage, ob es sich um passive Finanzinvestoren handelt oder um Beteiligungsgesellschaften, die aktiv auf die Unternehmensführung Einfluss nehmen, erscheint unerheblich, da letztere in aller Regel eine Steigerung der wirtschaftlichen Effizienz im Auge haben und damit positiv zu Wachstum und Wohlstand beitragen dürften. Schließlich ist es unerheblich, ob das „Smart Capital“ der Beteiligungsgesellschaften aus privaten oder staatlichen Quellen stammt, solange es nach einer möglichst hohen marktwirtschaftlichen Rendite strebt.

Problematisch könnte ein massives Engagement ausländischer Staatsfonds im Inland allenfalls dann werden, wenn die Investoren wettbewerbswidrige oder außerökonomische Ziele verfolgen. Wir nähern uns damit vorsichtig dem „Ja“, doch auch hier sollte über zusätzliche gesetzliche Maßnahmen erst nachgedacht werden, wenn die bestehenden Gesetze nicht ausreichen.

Falls etwa ein finanzkräftiger Staatsfond versuchen würde, durch gezielte Unternehmenskäufe einzelne Märkte zu monopolisieren, wäre die richtige Antwort darauf die konsequente Anwendung des Kartellrechts. Sowohl die deutsche als auch die europäische Fusionskontrolle bieten durchaus die Möglichkeit, bei den Genehmigungsverfahren zu berücksichtigen, wie sich die Wettbewerbsverhältnisse im Ausland darstellen und welche besonderen Gefährdungen des Wettbewerbs aus dem Engagement von Staatsfonds resultieren.

Keinen Schutz bietet das Kartellrecht allerdings gegen den gezielten Unternehmensaufkauf zum Zwecke des Technologietransfers. Nur im Bereich der Wehrtechnik liefert hier das Außenwirtschaftsgesetz Abwehrmöglichkeiten zum Schutz der nationalen Sicherheit. Nationale Interessen können aber auch dann berührt sein, wenn es um den Transfer ziviler Technologien geht: Nach dem Theorem der komparativen Kosten aus der Handelstheorie bringt die internationale Arbeitsteilung allen Beteiligten Vorteile, wenn sie den Regeln von Markt und Wettbewerb folgt; aber sie kann nach der gleichen Logik allen Beteiligten Nachteile bringen, wenn sie diesen Regeln widerspricht. Falls ein ausländischer Staatsfonds wettbewerbsfähige deutsche Unternehmen nur mit dem Ziel aufkaufen würde, deren Technologie künftig nur noch im Ausland und nicht mehr im Inland einzusetzen, gäbe es ein berechtigtes gesamtwirtschaftliches Interesse, sich dagegen zur Wehr zu setzen.

Fraglich ist natürlich, wie eine solche Gegenwehr praktiziert werden könnte. Die Identifizierung derjenigen Technologien, bei denen die deutsche Wirtschaft einen komparativen Vorteil hat, dürfte einer staatlichen Überwachungsinstanz schwer fallen. Bessere Anhaltspunkte könnte die Unterscheidung zwischen privaten und staatlichen Investoren liefern: Bei privaten Beteiligungsgesellschaften ist die Gefahr eines marktwidrigen Technologietransfers gering, denn der Kaufpreis für das Unternehmen wäre in diesem Fall vermutlich höher als der wirtschaftliche Ertrag, der mit dessen Technologie im Ausland erzielt werden kann. Anders gewendet: Die Gefahr eines gesamtwirtschaftlich nachteiligen Aufkaufs inländischer Technologie besteht vorrangig bei wirtschaftlich irrationalem Verhalten von Staatsfonds, die bereit sein könnten, aus politischen Motiven einen überzogenen Kaufpreis zu akzeptieren.

Die Bundesregierung erwägt, das Außenwirtschaftsgesetz dahingehend zu ergänzen, dass der Aufkauf inländischer Unternehmen durch ausländische Investoren nicht nur im Interesse der äußeren Sicherheit, sondern auch im Interesse der Daseinsvorsorge beschränkt werden kann. Dies soll es ermöglichen, über die Rüstungsindustrie hinaus weitere Branchen (die Rede ist von Telekommunikation, Energiewirtschaft und Logistik) unter den Schutz des Außenwirtschaftsgesetzes zu stellen. Bei diesem Ansatz würde also nicht zwischen privaten und staatlichen Beteiligungsgesellschaften unterschieden, sondern nur zwischen strategischen und anderen Branchen. D.h., auch ein privater Investor (wie z.B. der spanische Energieversorger Endesa) könnte ausgebremst werden, wenn er ein deutsches Privatunternehmen aus einer strategischen Branche (wie z.B. E.ON) aufkaufen wollte. Dieser Ansatz hätte den politischen Charme, dass er relativ wenig Widerstand von der Europäischen Kommission hervorrufen würde, da die Kommission gewillt zu sein scheint, den nationalen Regierungen künftig bei Marktinterventionen, die unter das Etikett der Daseinsvorsorge subsumiert werden können, weniger kritisch auf die Finger zu schauen.

Der ökonomische Charme dieser Pläne ist allerdings deutlich geringer. Aus volkswirtschaftlicher Sicht wäre es sinnvoller, den branchenspezifischen Ansatz der Daseinsvorsorge aufzugeben und stattdessen jene Unternehmensaufkäufe einer Genehmigungspflicht zu unterwerfen, bei denen Staatsfonds als Käufer auftreten. Denn die Frage, ob ein Investor marktkonforme oder marktwidrige Ziele verfolgt, wird wesentlich mehr von der Unterscheidung zwischen privaten und Staatsfonds abhängen als von der Branche des Kaufobjekts. Anders gewendet: Nicht das Objekt, sondern das Subjekt des Unternehmensaufkaufs und seine Motive sollten einer Kontrolle unterworfen werden. Nur wenn es sich um einen staatlich dominierten Aufkäufer handelt und nur wenn dieser außerökonomische und für die deutsche Volkswirtschaft nachteilige Ziele verfolgt, sollte ein Aufkauf von Unternehmen mit Sitz in Deutschland untersagt werden können. Dabei sollte der Grundsatz gelten: Im Zweifel für die Investitionsfreiheit. Um die auch bei diesem Ansatz verbleibenden ordnungspolitischen Probleme einzugrenzen, sollte erwogen werden, die Entscheidungen des Wirtschaftsministeriums durch ein unabhängiges externes Kontrollgremium überprüfen zu lassen. Solch ein Gremium könnte beispielsweise die Monopolkommission sein.

Henning Klodt

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