Gastbeitrag:
Option Nord-EURO

Einer Emnid-Umfrage zufolge wünschen sich 50 % der Bundesbürger die alte Deutsche Mark zurück. Wie realistisch ist ein deutscher Ausstieg aus der Währungsunion und die Einführung einer Neuen Deutschen Mark (NDM)? Die Geschichte gescheiterter Währungsunionen (Skandinavische Münzunion 1872; Kronenzone 1918) weist auf die Gefahren eines Zerfalls der politischen Union hin. Mit einem Austritt Deutschlands wäre ein Austrittswettlauf weiterer Länder wahrscheinlich. Der deutsch-französische Motor der europäischen Integration würde auseinander brechen. Selbst die Errungenschaften des freien Binnenmarktes ständen durch Handelssanktionen infrage.

Nichtsdestotrotz ist die Währungsunion gescheitert. Eine Neuordnung der Währungsunion erscheint in diesem Licht als unabwendbar, will die Politik das Risiko eines chaotischen Zusammenbrechens der Eurozone und eine Beschädigung der politischen Integration der EU vermeiden. Die Politik der Alternativlosigkeit bekommt ein anderes Gesicht, wie auch die griechische Volksabstimmung zeigen könnte.

Wie würde der Fahrplan eines geordneten Ausstiegs aussehen? Um Deutschland aus der politisch-moralischen Schussline zu nehmen, müsste die Initiative seitens der Niederlande oder Finnlands gestartet werden. Im Verbund mit Deutschland und Österreich könnte ein entsprechender Nord-EURO (NORDO) eventuell auch für Dänemark und die Tschechische Republik attraktiv sein. Die Ankündigung wäre mit einem nahen Austrittszeitpunkt zu verbinden, um unerwünschten Kapitalbewegungen entgegenzuwirken und den notwendigen Verhandlungsdruck gegenüber den verbleibenden Mitgliedern der Eurozone zu erzeugen. Zugleich müsste ein Veto für alle zukünftigen Anträge für Hilfen aus dem EFSF-Fonds angekündigt werden.

Als erster Schritt müsste eine Rückübertragung der auf die EU übertragenen Währungssouveränität auf die ausscheidenden Staaten erfolgen. Da ein ordentliches Vertragsänderungsverfahren einen sehr zeitaufwendigen Rückbau der Währungsunion im Konsens aller Mitgliedstaaten erfordert (Art. 48 Abs.2 Satz 2 i.V.m. Abs.4 Satz 2 EUV), wären Wege anzustreben, die lediglich einen kurzfristig zu erzielenden Beschluss des Europäischen Rates benötigen. Die Ermächtigung zu einer nationalen gesetzlichen Regelung (Art. 2 Abs. 1 AEUV) sowie die Annullierung des EURO-Ratsbeschlusses und eine Änderung der EURO-Einführungs-Verordnung wären außergewöhnliche, aber vertragskonforme juristische Wege, die der Europäische Rat innerhalb einer kurzen Frist beschließen könnte. Erst nach diesem Prozedere kann der austretende Mitgliedsstaat seine wiedererlangte Währungssouveränität in einem entsprechenden nationalen Währungsgesetz ausführen. Der Bundestag müsste sodann die Übertragung der Währungssouveränität (Art. 88 GG) zur Einführung eines NORDO auf eine Nordeuropäische Zentralbank beschließen. Durch ein EURO-Beendigungsgesetz würde die Eigenschaft des EURO als gesetzliches Zahlungsmittel für das Gebiet der Bundesrepublik aufgehoben und durch den NORDO ersetzt werden. Die drei Lesungen, die erforderliche Abstimmung im Bundesrat, die Gegenzeichnung durch den Bundespräsidenten und die Verkündung im Bundesanzeiger beanspruchen mindestens sechs Tage.

Bei entsprechender Vorbereitung dieses Plans B würde der Zeitbedarf für die vertraglich, parlamentarisch und rechtsstaatlich korrekte Abwicklung mindestens zwei Wochen beanspruchen. Dieser Zeitbedarf ist jedoch zu hoch, um antizipative Kapitalbewegungen aufgrund der Aufwertungserwartung und den Zustrom von ,gebietsfremden“˜ EURO aus den Krisenstaaten auszuschließen. Deshalb sollten in jedem Fall kurzfristig zu errichtende Kapitalverkehrskontrollen zwischen dem Austrittsstaat und den verbleibenden Mitgliedern erwogen werden. Zwar sind Beschränkungen des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs generell verboten (Art. 63 AEUV). Allerdings können Mitgliedstaaten „Meldeverfahren für den Kapitalverkehr zwecks administrativer oder statistischer Information vor[zu]sehen oder Maßnahmen [zu] ergreifen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit gerechtfertigt sind“ (Art. 65 Abs. 1 (b) AEUV). Darüber hinaus sieht Art. 2 Abs. 2 des Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen zeitlich begrenzt nationale Grenzkontrollen vor, wenn „die öffentliche Ordnung oder die nationale Sicherheit es .. erfordern“. Dies könnte helfen, illegale Transfers von Bargeld zumindest zu erschweren. Im Rahmen einer globalisierten Wirtschaft mit gleichzeitig aufrechterhaltenem freiem Waren- und Dienstleistungsverkehr hätten Kapitalverkehrskontrollen jedoch nur begrenzte Wirkungen.

Sodann müsste die Bundesregierung die nächsten beiden Tage als Bankfeiertage festlegen, an denen die Geldinstitute die administrative Umstellung der Konten und des Zahlungsverkehrs vornehmen können. Da das NORDO-Bargeld kurzfristig nicht verfügbar ist, lassen sich die Geldvermögensbestände (Bargeld und Kontokorrent) lediglich registrieren. Dabei könnte das Buchgeld sofort zum gesetzlich festgelegten Umtauschkurs in die Nordwährung transformiert werden. Die vorgelegten EURO-Banknoten wären mit magnetischer Tinte fälschungssicher zu stempeln, um nur sie späterhin als zum Umtausch berechtigt auszuweisen. Damit verkörpern die gestempelten EURO-Noten bereits NORDO zum gesetzlichen Umtauschkurs. Mit Öffnung der Banken würde der Wechselkurs des NORDO gegenüber dem EURO bereits aufwerten, entweder frei am Markt mit geschätzten 15-25 % oder aber mit einer festgelegten Rate von vielleicht 10 %. Deshalb wird man aufgrund des unterschiedlichen inneren Wertes mit der gestempelten 50-EURO-Banknote mehr Waren erwerben können als mit dem EURO-Original.

Innerhalb eines Zeitraumes von drei Monaten könnten die Bundesregierung und die Bundesbank mit der EZB die Austrittskonditionen aus der EWU aushandeln. Diese betreffen zum einen die Rückführung der EURO-Banknoten und im Gegenzug die Freigabe der deutschen Währungsreserven. Zum anderen wäre die Beteiligung Deutschlands an den möglichen Verlusten der EZB durch die bisherigen Anleiheankäufe und weiterer Leihgeschäfte an das Bankensystem der Krisenländer zu klären. Durch den rechnerischen Anteil von 27 % könnte dies den Steuerzahler bei Zahlungsausfällen und einem Währungsschnitt von 50 % bis zu 90 Mrd. € kosten. Darüber hinaus muss Deutschland bestrebt sein, aus den Verträgen zur Griechenlandhilfe und des Rettungsschirms auszusteigen, notfalls durch ein permanentes Veto bei zukünftigen Hilfeanträgen. Die bereits ausgesprochenen Kredithilfen/-zusagen von 75 Mrd. € belasten die Bundesrepublik bei Insolvenz dieser Staaten mit etwa 10 Mrd. €.

Wegen des langen Zeitbedarfs für das Design, die fäl­schungssicheren Entwürfe sowie die Produktion und die Auslieferung der Banknoten ist mit der Einführung des NORDO-Bargeldes frühestens in 12-18 Monaten zu rechnen. Eine konzeptionelle Anlehnung an die alte EURO-Währung hätte neben einem Zeit- und Kostenvorteil vor allem auch einen Erfahrungs- und Akzeptanzvorteil. Während bei einer Neukonzeption die Leseköpfe der Prüfgeräte der Automaten in einem ein- bis eineinhalb-jährigem Arbeitsprozess entwickelt und ausgetauscht werden müssten, reicht im anderen Fall eine nur mehrere Tage bis Wochen dauernde Software-Umstellung.

Bei der EURO-Einführung beliefen sich die Kosten der Umstellung in der Bundesrepublik auf etwa 20 Mrd. €. Davon entfielen auf die Deutsche Bundesbank für die 4,3 Mrd. EURO-Banknoten und 17 Mrd. EURO-Münzen im Wert von 150 Mrd. € Druck- und Prägekosten in Höhe von 1,9 Mrd. €.

Welche realwirtschaftlichen Konsequenzen hätte ein Ausstieg? Wurden exportintensive Branchen wie der Maschinenbau oder die chemische Industrie bislang durch reale Abwertungseffekte innerhalb des EURO-Raumes begünstigt, so drohen infolge einer aufwertenden Währung zumindest kurzfristig Überkapazitäten. Exportabhängige Unternehmen könnten bei der Rückzahlung ihrer Kredite gegenüber heimischen Banken in Schwierigkeiten geraten. Während der Kredit auf den NORDO umgestellt wird, refinanzieren sich die Unternehmen über ihre Exporte mit einem abgewerteten EURO.

Bei einer differenzierten Betrachtung relativieren sich diese vermeintlichen Negativeffekte allerdings erheblich. Durchschnittlich beinhalten deutsche Exporte etwa 40 % Vorleistungsimporte. Vorteile durch sinkende Einkaufspreise erfahren deshalb neben dem Automobilbau auch energieintensive und elektronische Bauteile benötigende Produktionen. Konsumenten kommen in den Genuss günstigerer Importgüter. Die Produktvielfalt und die reale Kaufkraft steigen. Der Wettbewerbsdruck der Importkonkurrenz auf inländische Produzenten hinsichtlich innovativer und kostengünstiger Produkte wächst. Des Weiteren spiegeln sich die Exportüberschüsse Deutschlands in den teilweise erheblichen Importüberschüssen gerade der mediterranen Krisenstaaten wider. Einher geht eine Gläubigerposition Deutschlands, deren Erfüllung durch die Schuldnerstaaten nicht gewährleistet ist. Bei einem Ausfall der Forderungen wären die Exportüberschüsse verschenkt. Ein Rückgang dieses Außenbeitrages kann für zusätzliche inländische Investitionen genutzt werden. Statt in den griechischen Konsum fließen die Ersparnisse in profitable Investitionen in Deutschland und erhöhen hier die Beschäftigung.

Aufwertungen des NORDO würden die in EURO nominierten Auslandsschulden entwerten und den überschuldeten Staaten die Tilgung erleichtern. Diese Lastenverteilung würde zugleich die Notwendigkeit staatlicher oder privater Zwangsrekapitalisierungen der Banken mindern. Bei einem Nettoauslandsvermögen Deutschlands von 900 Mrd. € käme es per Saldo zu einem Vermögensverlust von 135 und 225 Mrd. €, der insbesondere institutionelle Anleger treffen würde. Eine schrittweise Aufwertung würde diese Effekte abmildern. In einem EURO-Beendigungsgesetz könnte der Finanzminister zudem eine Klausel unterbringen, die die Staatsschulden weiterhin in EURO belässt. Ob dieser enteignungsgleiche Schuldenschnitt jedoch politisch durchsetzbar ist, bleibt fraglich. Allerdings könnte eine eskalierende europäische Schuldenkrise neben Vermögensabgaben hierzu zwingen, um den deutschen Staat zukünftig handlungsfähig zu belassen.

Die volkswirtschaftlichen Lasten eines Austritts durch Umstellungskosten, EZB-Abschreibungen, bereits eingegangene Verpflichtungen aus Kredit-/Gewährleistungen sowie den Vermögensverlusten auf Auslandsanlagen summieren sich auf 250 bis 340 Mrd. €. Dies entspricht etwa 10 bis 14 % des deutschen BIP. Sie sind das Lehrgeld für die Anmaßung einer Klasse von EURO-philen Politikern, die glauben, die ökonomischen Wahrheiten missachten zu können. Diese Kosten bieten jedoch auch eine Chance, denn sie fallen einmalig an und setzen einen Neubeginn. Die Alternativkosten einer Transferunion mit jährlichen Wachstumsverlusten von 1 %-Pkt., einem Anstieg der inländischen Zinssätze von ebenfalls 1 %-Pkt. und der Übernahme von Zinssubventionen und Ausfallkosten für die Krisenstaaten würde sich unter den derzeitigen Bedingungen hingegen auf jährlich etwa 60 bis 80 Mrd. € summieren. Nicht die Gesinnungsethik ,Rettung des EURO um jeden Preis’, sondern die Verantwortungsethik ,Schadensbegrenzung und Wiederaufbau des Europäischen Hauses’ sollte Leitlinie sein.

2 Antworten auf „Gastbeitrag:
Option Nord-EURO“

  1. Meiner Meinung nach ist es noch viel mehr als das. Die Abschreibungen, Ok, da muss man eben durch. Aber viel schlimmer ist der sozio-kulturelle Schock, der damit einhergeht. Eine „Politik“ ( und das ist ja das bescheidene daran ), die jetzt auf Verknappung und Einengung setzt, wirkt natürlich kontraproduktiv und sozial destruktiv. Das verstehen die Keynsianer. Aber wir wissen ja, dass es der Regierungsgeld induzierte Boom war, der all das erst möglich gemacht hat. Tja, es sieht nicht gut aus. Das psychologisch zu verkraften wird schwer werden und den gesellschaftlichen Zusammenhalt angreifen.

    Wir sind doomed.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert