Da sich derzeit alles um den Euro dreht, hätte einem diese Meldung glatt entgehen können. In der Kabinettssitzung Anfang November wurde neben der „Steuerreform light“ (wäre einen eigenen Blogeintrag wert) und dem Pflege-Bahr in Anlehnung an die Riesterrente (zu wenig Details bisher bekannt, um hier wirklich Stellung nehmen zu können) auch eine Herabsenkung der Einkommensschwelle für hochqualifizierte Zuwanderer von zuvor 66.000 Euro auf nunmehr 48.000 Euro beschlossen.
Dies ist sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung, musste ein – evtl. sogar mit deutschen Steuermitteln an einer hiesigen Universität ausgebildeter – ausländischer Bewerber doch auf eine Stelle bei einer führenden Unternehmensberatung hoffen, um eine Arbeits- und Bleibeerlaubnis zu bekommen. Denn selbst die Chemie- und Pharmabranche, laut FAZ vom 21.10.2010 die Höchstzahler bei Ingenieuren, zahlten keine 66.000 Euro im Durchschnitt für ihre neueingestellten Mitarbeiter in den vergangenen Jahren. Doch um eine wirkliche Veränderung der Zuwanderungsstruktur zu erreichen, reicht eine einfache Senkung der Einkommensschwelle wohl kaum aus.
Im Gegensatz zur landläufigen Meinung ist und war Deutschland in den letzten Jahren gar kein Zuwanderungsland. Diesen Fakt illustriert die unten stehende Tabelle des Statistischen Bundesamtes. Selbst wenn man die Wanderungsbewegungen deutscher Staatsbürger ignoriert, kommt es zu keiner nennenswerten Nettozuwanderung. Dabei brauchen wir in den kommenden Jahren und Jahrzehnten Zuwanderung, um den demografischen Druck auf die sozialen Sicherungssysteme wenigstens etwas zu lindern.
– zum Vergrößern bitte auf die Grafik klicken –
Die meisten Bevölkerungsprojektionen für Deutschland gehen von einer Nettozuwanderung von 100.000 bis 200.000 Menschen aus und zeigen trotzdem ein starkes Ansteigen des Anteils der älteren Bevölkerung. Wie die Tabelle zeigt, sind wir von solchen Zahlen weit entfernt. Dabei wirkt, wie Stefan Moog, Bernd Raffelhüschen und ich in einem Artikel für die Zeitschrift für Wirtschaftspolitik zeigen, Zuwanderung sich auf zwei Wegen positiv auf die Staatsfinanzen aus (den Arbeitsmarkt blenden wir hierbei sogar aus).
Einmal wird die bestehende Staatsschuld auf mehr Köpfe verteilt, wenn die Bevölkerung größer ist – ein recht trivialer Zusammenhang. Der zweite Effekt ist umstrittener, doch wir zeigen, dass bereits die derzeitige Zuwanderungsstruktur einen positiven Effekt auf zukünftige Primärdefizite hat und somit schon heute Zuwanderung einen insgesamt positiven Effekt hat. Zugegeben, dieser steht und fällt mit den Annahmen zur Integration der zweiten Zuwanderergeneration, doch unbestritten ist, dass sich der Effekt beträchtlich steigern würde, wenn z.B. die Zuwanderung mit dem gleichen Qualifikationsprofil erfolgen würde wie wir ihn im Schnitt in der Bevölkerung der Bundesrepublik haben. Es spricht also viel für eine geregelte, qualifizierte Zuwanderung.
Um aber im internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe (und eben nicht nur die „Hochqualifizierten“ mit einem Starteinkommen von 66.000 Euro) zu bestehen, reicht eine Senkung der Einkommensschwelle wohl kaum aus. Hier gilt es ein Gesamtkonzept zu erarbeiten, welches mit deutschen Schulen im Ausland anfängt und bei den Integrationsmaßnahmen und Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse aufhört. Im Vergleich zu Ländern wie Kanada sind wir leider schon seht langem im Verzug mit solchen Maßnahmen.
Literatur
HAGIST, C./ MOOG, S./RAFFELHÜSCHEN, B. (2011): Die fiskalische Nachhaltigkeit der Zuwanderung in Deutschland – Eine Analyse anhand der Generationenbilanzierung, in: Zeitschrift für Wirtschaftspolitik, 60(1), 24-47.
- Gesundheitspolitik am Scheideweg - 21. November 2013
- Der King bzw. die Queen of Beamtenversorgung - 8. September 2013
- Die Praxisgebühr: Reformieren statt Abschaffen - 19. August 2012
Was muessen das denn fuer „hochqualifizierte“ sein, die nicht mal 66k bekommen? Da sind wir in Bereichen, die auch in Brasilien oder China gezahlt werden.
Es gbt doch jetzt schon keine Jobs mehr. Da gibt es Firmen, die schreiben oeffentlich von „Fachkraeftemangel“ und bekommen knapp 100 Bewerber auf eine Stelle.
Es ist legitim Lobbyismus zu betreiben. Es ist aber auch legitim dies als Bullshit zu entlarven und abzulehnen.