Die Normalisierung der Geldpolitik rückt in weite Ferne

Am Donnerstag, den 26. Oktober 2017, hat der EZB-Rat unter Vorsitz seines Präsidenten Mario Draghi beschlossen, den Ankauf von Staatsanleihen ab Januar 2018 von bisher 60 Mrd. Euro pro Monat auf 30 Mrd. Euro pro Monat zu halbieren. Ohne allerdings ein konkretes Enddatum zu verkünden, sollen die Anleihenkäufe auf jeden Fall bis September 2018 – gegebenenfalls aber auch darüber hinaus, also mit „offenem Ende“ – fortgeführt werden und damit die Bilanzsumme der EZB auf jeden Fall nochmals um 270 Mrd. Euro auf dann etwa 4800 Mrd. Euro anheben. Begründet wird die weiterhin expansive Geldpolitik damit, dass die Wirtschaft unterstützt und die Inflationsrate in Richtung des EZB-Zielwerts von „unter aber nahe zwei Prozent“ angehoben werden soll.[1] Neben den Neukäufen reinvestiert die EZB zusätzlich die Erträge aus fällig werdenden Anleihen, die im Rahmen des QE-Programms angekauft wurden. Dabei behält sich die EZB vor, bei den Reinvestitionen vom Kapitalschlüssel der EZB abzuweichen und stattdessen  die Erträge wieder in dem Land zu investieren, in dem die fälligen Anleihen ausgegeben wurden.[2] Als Ergebnis der angekündigten Fortführung des Anleihenkaufprogramms zeigte sich kurzfristig ein Anstieg der Börsenkurse, ein Sinken der längerfristigen Anleihenrenditen sowie eine Abwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar (USD), da sich der Zinsvorteil zugunsten der USA (weiter) ausweiten dürfte.

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Die EZB und der Einstieg in den Ausstieg

Am 7. September hat der EZB-Rat zuletzt getagt, ohne allerdings konkrete Entscheidungen hinsichtlich der ultralockeren Geldpolitik insgesamt und insbesondere zum Ausstieg aus der quantitativen Lockerung (Quantitative Easing, QE) zu treffen, der nach gegenwärtigem Stand zum Ende des Jahres 2017 erfolgen müsste. Doch es ist nicht damit zu rechnen, dass es zu einem abrupten Ausstieg aus dem Anleihen-Ankaufprogramm kommen wird – selbst die schärfsten Kritiker wie etwa Jens Weidmann, Präsident der Deutschen Bundesbank, fordern lediglich einen „klaren und zügigen“ Exitplan. Laut Mario Draghi, dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), will der EZB-Rat den „Großteil der Entscheidungen“ über (den Fortgang von) QE im Jahre 2018 auf seiner nächsten Sitzung am 26. Oktober 2017 treffen. Bezüglich der Leitzinsen betont er hingegen immer wieder, dass diese „für längere Zeit und weit über den Zeithorizont unseres Nettoerwerbs von Vermögenswerten hinaus“ auf dem aktuell niedrigen Niveau bleiben werden.[1] Der EZB-Rat hält demnach an seiner Vorstellung fest, dass das „Sequencing“ – also die zeitliche Abfolge des Ausstiegs aus der expansiven Geldpolitik – zunächst zu einem Stop der Anleihenkäufe führen müsse und erst danach mögliche Leitzinserhöhungen erwogen werden. Somit steht für 2018 die Frage im Vordergrund, ob und wie die EZB aus der quantitativen Lockerung aussteigt oder umgekehrt: wie man eine – wie auch immer konkret ausgestaltete – Fortführung des Anleihen-Ankaufsprogramms begründet.

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Die Umverteilungseffekte geldpolitischer Rettungsaktionen

(…) mit jeder Gewährung völliger Sicherheit an eine Gruppe (wird) die Unsicherheit der übrigen notwendigerweise größer (…). Garantiert man jemand eine bestimmte Menge eines Kuchens von veränderlicher Größe, so muß notwendig der Anteil, der für alle anderen übrig bleibt, verhältnismäßig stärkeren Schwankungen unterworfen sein als die wechselnde Größe des ganzen Kuchens.“ Friedrich August von Hayek (1944)

Wir müssen den Zentralbanken dankbar sein! Im Getöse stürmischer Finanzmarktkrisen retten Yellen, Draghi, Kuroda und Co., was noch zu retten ist. Der große Krach, der im Zuge unkontrollierbarer Ansteckungseffekte den schmerzhaften Verlust von unzähligen Arbeitsplätzen nach sich ziehen würde, wird abgewendet. Zur allgemeinen Beruhigung vernehmen wir, dass trotz aufgeblasener Zentralbankbilanzen das Primat der Preisstabilität nicht verletzt wurde. In allen großen Volkswirtschaften (Japan, USA, Euroraum) liegen die Inflationsraten auf historisch niedrigen Tiefständen (Bernanke 2014, Draghi 2014). Unser Wohlstand und die politische Stabilität scheinen gesichert. Der Zwang zum unpopulären Sparen in der Krise scheint abgewendet.

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Die große Illusion von Expansion
Zur Geldpolitik der EZB

Seit längerem haben Wissenschaftler, Journalisten und Banker vor einer weltweit zu expansiven Geldpolitik gewarnt,[1] und im Unterschied zu ihrem Vorgänger Ben Bernanke spricht Janet Yellen, die neue Präsidentin des Federal Reserve Board, nicht nur über einen notwendigen Ausstieg der Fed aus dem expansiven Kurs der amerikanischen Geldpolitik, sondern sie hat mit Amtsantritt begonnen, die monatlichen Anleiheankäufe von fast 100 auf gut 40 Mrd. US-Dollar zurückzufahren. Das ist ein Einstieg in den Ausstieg, aber sehr viel mehr wird von der Fed zu tun sein. Neuerdings mahnt sogar die ,Zentralbank der Zentralnotenbanken“˜, also die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), dass die Normalisierung der „äußerst lockeren“ Geldpolitik nicht nur in den Vereinigten Staaten „zu spät und zu langsam“ erfolgen könnte.[2] Das alles kontrastiert bemerkenswert mit der in Deutschland von einigen Beobachtern gern vorgetragenen Sorge, die Eurounion könnte demnächst in einen Deflationsprozess abrutschen, nachdem die gemessene Preissteigerungsrate inzwischen auf nur noch 0,4 Prozent zurückgegangen ist. Allerdings handelt es sich derzeit um einen Prozess der Disinflation, der mit einer gefährlichen Deflation nicht zu verwechseln ist. Ohne eine kumulative, deutliche Abwärtsentwicklung aller Geldmengenaggregate gibt es keine Deflation, und die bisher vorliegenden monetären Daten zeigen nichts dergleichen.

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Der Chefvolkswirt
Risiken der ultraexpansiven Geldpolitik nehmen zu

Krisenbekämpfung mit Sondermaßnahmen und Niedrigzinspolitik

Im Zuge der Finanzkrise und der darauffolgenden Staatsschuldenkrise hat die Geldpolitik eine zentrale Rolle bei der Eindämmung der Krisen übernommen. Zur Vermeidung einer Liquiditätskrise wie nach dem Zusammenbruch der US-Bank Lehman Brothers stellte die EZB den Geschäftsbanken zunächst über zahlreiche Sondermaßnahmen Liquidität zur Verfügung, nachdem die normalen Finanzierungskanäle nicht mehr funktionierten (vgl. ECB, 2013). Zu diesen sogenannten unkonventionellen Maßnahmen zählen die Vollzuteilung bei Refinanzierungsgeschäften, Refinanzierungsgeschäfte mit längeren Laufzeiten, die Einführung von Linien für Fremdwährungsswaps sowie Erleichterungen bzgl. der notenbankfähigen Sicherheiten. Zwischen Mitte 2009 und Mitte 2010 kaufte die EZB darüber hinaus gedeckte Schuldverschreibungen (Covered Bonds) an, um den für die Refinanzierung der Banken sehr wichtigen Markt wiederzubeleben. Im Frühjahr 2010, als sich infolge der Finanzkrise und der darauffolgenden Rezession massive Belastungen in den Staatshaushalten zeigten und einzelne Segmente des Staatsanleihemarktes austrockneten, implementierte die EZB schließlich ein Ankaufprogramm für Staatsanleihen (Securities Markets Programme – SMP). Im Rahmen dieses Programms erwarb sie Staatsanleihen im Volumen von insgesamt gut 210 Mrd. Euro. Nachdem das SMP auslief, verkündete die EZB im Sommer 2012 ein neues Ankaufprogramm für Staatsanleihen (Outright Monetary Transactions – OMT). Die geschilderten unkonventionellen Maßnahmen sind im Kern bis heute weiterhin in Kraft und haben zu einer Ausweitung der Zentralbankbilanz um zeitweise rund 160 % geführt.

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Chefvolkswirt
Unabhängigkeit der Notenbank – wie lange noch?

Hierzulande noch weitgehend unbemerkt ist weltweit eine neue Debatte um die Unabhängigkeit der Notenbank ausgebrochen. Die neue japanische Regierung hat die Notenbank mit der Drohung geradezu erpresst, die im Gesetz festgelegte Unabhängigkeit aufzuheben, falls diese nicht bereit ist, einen extrem expansiven geldpolitischen Kurs einzuschlagen. Die Notenbank wird dem Druck nachgeben, von der de jure Unabhängigkeit wird damit de facto kaum etwas übrig bleiben. In den USA sieht sich die Federal Reserve seit jeher der latenten Drohung ausgesetzt, der Kongress habe es in der Hand, das entsprechende Gesetz zu ändern.

Chefvolkswirt
Unabhängigkeit der Notenbank – wie lange noch?“
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Ist dieses Mal alles anders?
Inflation gestern, heute und morgen

„Inflation is always and everywhere a monetary phenomenen.“ (Milton Friedman)

„Um die bürgerliche Gesellschaft zu zerstören, muss man ihr Geldwesen verwüsten.“ (Wladimir I. Lenin)

Das geldpolitische Geschäft der Notenbanken ist gegenwärtig nicht einfach. Sie sind in einer Zwickmühle. Die Arbeitslosigkeit in den USA und in weiten Teilen der EU ist persistent hoch, nur nicht in Deutschland. Eine restriktivere Geldpolitik ist vor allem für Keynesianer, wie Paul Krugman, ein rotes Tuch. Gleichzeitig nistet sich die Inflation nachhaltig ein, in Europa und den USA. Das lässt bei der FED und der EZB die Alarmglocken läuten. Notorische Inflationsgegner, wie Allan Meltzer, fordern die Notenbanken immer wieder auf, endlich aus der extrem lockeren Geldpolitik auszusteigen. Die Notenbanken zögern, die FED mehr als die EZB. Dieses Mal sei alles anders. Der Aufschwung stehe auf wackligen Beinen. Die Fiskalpolitik habe ihr Pulver verschossen. Eine restriktive Geldpolitik sei verfrüht, Inflationsgefahren bestünden gegenwärtig nicht. Ziehe die Konjunktur wider Erwarten stark an, stünden die bewährten geldpolitischen Folterwerkzeuge uneingeschränkt zur Verfügung.

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Inflation gestern, heute und morgen
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