Gastbeitrag
US-Arbeitsmarkt – Worauf schaut die Fed?

Vor allem die Entwicklung am Arbeitsmarkt wird darüber entscheiden, wann die Fed ihre Anleihekäufe herunterfährt. Dabei hat die US-Notenbank schon angekündigt, dass sie hierbei nicht nur auf die Arbeitslosenquote schauen, sondern ihr Urteil auf breiter Basis treffen wird. Wir stellen die Indikatoren vor, die dabei eine wichtige Rolle spielen dürften.

Fed fordert Fortschritte am Arbeitsmarkt

Gemäß ihrer erstmals im Dezember 2020 veröffentlichen Guidance will die Fed ihre Anleihenkäufe mindestens im gegenwärtigen Umfang weiterführen, bis „erhebliche weitere Fortschritte“ bei der Erreichung ihrer Ziele Vollbeschäftigung und einer Inflationsrate von 2% erzielt sind. Während bei der Inflation klar ist, dass sich die Zielmarke auf den Preisindex für die Konsumausgaben bezieht, lässt sich die Lage am Arbeitsmarkt schwerer erfassen. Die Fed hat angekündigt, ihr Urteil über die Lage am Arbeitsmarkt anhand eines breiten Tableaus von Indikatoren zu treffen.

Es fehlen noch 9,5 Millionen Jobs

In den Medien stehen die monatlichen Zahlen zur Beschäftigung außerhalb der Landwirtschaft („Nonfarm Payrolls“) im Mittelpunkt. So nahm die entsprechende Zahl der Jobs im Februar um 379 Tsd zu. Von dem zwischenzeitlichen Beschäftigungsrückgang um 22,4 Mio ist damit aber erst 60% wettgemacht worden (Abbildung 1).

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Arbeitslosenquote malt ein zu rosiges Bild,…
Dagegen zeigt die Arbeitslosenquote, zumindest auf den ersten Blick, dass der Arbeitsmarkt das Schlimmste schon hinter sich hat. Im Februar lag sie bei 6,2% und damit deutlich unter dem Hoch von 14,8% im April 2020 (Abbildung 2).

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Allerdings ist der deutliche Rückgang zu einem guten Teil darauf zurückzuführen, dass viele Arbeitslose aus der Statistik herausgefallen sind. So ist die Partizipationsquote (Beschäftigte und Arbeitslose in % der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter) von 63,3% im Februar 2020 auf 60,2% im April gefallen. Hätte diese Quote auch im April noch bei 63,3% gelegen, so hätte die Arbeitslosenquote damals etwa 20% betragen, also gut fünf Prozentpunkte mehr als tatsächlich ausgewiesen. In den vergangenen Monaten hat sich die Partizipationsquote zwar etwas erholt, liegt aber mit 61,4% weiterhin deutlich unter ihrem Vorkrisenniveau. Wäre sie im Februar 2021 – bei gleicher Beschäftigung – noch genauso hoch wie ein Jahr zuvor gewesen, hätte die Arbeitslosenquote bei 9,4% gelegen (Abbildung 3).

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… weshalb die Fed auf Beschäftigungsquoten schaut

Am einfachsten lassen sich diese Probleme umgehen, indem man auf Beschäftigungsquoten schaut. Diese messen den Anteil der Beschäftigten an der Bevölkerung. Dann spielt es keine Rolle, ob diejenigen, die ihren Arbeitsplatz verloren haben, in der Statistik auftauchen (und somit in der Arbeitslosenquote) oder ob sie aus der Erwerbsbevölkerung herausfallen. Um ein möglichst unverzerrtes Bild zu erhalten, sollte man sich dabei auf die Beschäftigungsquote für das „beste“ Alter 25-54 Jahre konzentrieren. Denn dort sind die Beschäftigungsquoten am höchsten und weniger von der Alterung beeinflusst. Am Höhepunkt der beiden letzten Konjunkturzyklen lag die Beschäftigungsquote dieser Altersklasse bei 79,9% (Dezember 2007) bzw. bei 79,8% (Februar 2020). Im Tiefpunkt der Pandemie-Krise war die Quote auf nur noch 69,6% gefallen und hat sich seither auf 76,5% erholt (Abbildung 4).

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Fokus auf Minderheiten …
Das Urteil der Fed über die Lage am Arbeitsmarkt wird auch dadurch beeinflusst werden, dass sie zunehmend die sozialpolitischen Auswirkungen der Geldpolitik im Blick hat. So haben ihre Vertreter zuletzt häufiger darauf hingewiesen, dass die Coronakrise die hart erkämpften Fortschritte der „African Americans“ zunichte machen könnten. Am Ende der letzten Aufschwungphase hatte sich der lange Zeit hohe Abstand der Arbeitslosenquote der Schwarzen zu der bei Weißen gemessenen Quote merklich verringert. In der Krise schossen zwar die Arbeitslosenquote aller Bevölkerungsschichten nach oben, aber der Abstand bei der Arbeitslosenquote von Schwarzen und Weißen hat sich wieder vergrößert (Abbildung 5).

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… sowie auf Langzeitarbeitslose
Viele Langzeitarbeitslose sind eher schwer in Beschäftigung zu bringen. Auch diese Gruppe würde – wie die Minderheiten – daher besonders von einem heißlaufenden Arbeitsmarkt profitieren. In den USA gelten Personen, die seit mindestens 27 Wochen arbeitslos sind, als langzeitarbeitslos. Zuletzt war dies bei fast die Hälfte der offiziell registrierten Arbeitslosen der Fall. Die Langzeitarbeitslosenquote beträgt damit 2,5% bei weiter steigender Tendenz (Abbildung 6). Auch wenn die Gesamtarbeitslosigkeit in den letzten Monaten gesunken ist, rutschen offensichtlich immer mehr Personen, die während der Pandemie ihren Job verloren haben, in die Langzeitarbeitslosigkeit.

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Offene Stellen und Wechselbereitschaft
Ein eher positives Bild vom Arbeitsmarkt zeichnen zwei alternative Maßzahlen, die auf einer gesonderten Erhebung (JOLTS) beruhen und mit einer leichten Verzögerung veröffentlicht werden:

  • Zahl der offenen Stellen: Unmittelbar vor der Coronakrise waren 7 Millionen Stellen offene Stellen gemeldet. Dies entsprach 4,4% der Beschäftigung (zzgl. der ausgeschriebenen Jobs). Nach einem relativ moderaten Rückgang im Frühjahr 2020 hat sich die Lage rasch normalisiert. Es stehen jetzt wieder 6,6 Millionen Stellen offen. Damit ist die Quote mit 4,5% sogar geringfügig höher als vor der Krise, was allerdings alleine auf den deutlich niedrigeren Nenner – die Beschäftigung – zurückzuführen ist (Abbildung 7).
  • Kündigungen seitens der Arbeitnehmer: Die Kündigungsquote ist, wenig überraschend, im Frühjahr 2002 deutlich gefallen, hat sich aber dann recht zügig nahezu auf das alte Niveau erholt. Dies deutet darauf hin, dass Beschäftigte relativ einfach neue Jobs finden und ist damit ein positives Signal für die Lage am Arbeitsmarkt.

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Erstanträge: „Echtzeitindikator“ mit Problemen
Als einer der besten Indikatoren für die Lage am Arbeitsmarkt werden traditionell die wöchentlichen Erstantragsdaten auf Arbeitslosenhilfe angesehen. Schließlich werden sie mit lediglich einwöchiger Verzögerung veröffentlicht, und sie sind eine relativ „saubere“ Zahl, die – außer durch die Saisonbereinigung – nicht mit statistischen Modellen bearbeitet wird. Zudem beruht sie im Gegensatz zu fast allen anderen US-Wirtschaftsdaten nicht auf Umfragen, sondern auf den tatsächlich von den Ämtern erfassten Zahlen.

Zuletzt wurden 745 Tsd Erstanträge gemeldet. Dies liegt zwar weit unter den im Frühjahr 2020 erreichten Rekorden von fast 7 Millionen, aber immer noch über dem Höchststand während der „Großen Rezession“ von 2007/09 (Abbildung 8). Seit Oktober hat es hier auch keine Verbesserung gegeben, sondern die Antragsdaten bewegen sich nahezu seitwärts.

Allerdings scheint die Datenqualität der „Claims“ nachgelassen zu haben. So haben die im Rahmen der Konjunkturprogramme erhöhten Zahlungen den Anreiz erhöht, sich auch offiziell arbeitslos zu melden. Zudem gab es in einigen Bundesstaaten offenbar größere Betrugsversuche und einen erheblichen Bearbeitungsrückstau. Einige dieser Probleme sollten zwar zwischenzeitlich gelöst sein, die Erstanträge sollten aber weiter mit erhöhter Vorsicht interpretiert werden. Eine Wiederaufnahme des Abwärtstrends wäre dennoch eine gute Nachricht.

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Stundenlöhne: Besser ignorieren
Mit Vorsicht zu interpretieren sind auch die Angaben zur Entwicklung der durchschnittlichen Stundenlöhne im Rahmen des monatlichen Arbeitsmarktberichts. Denn sie sind nicht um Veränderungen in der Zusammensetzung der Beschäftigung bereinigt. Zuletzt wurden aber vor allem niedrig bezahlte Arbeitnehmer entlassen, wodurch die durchschnittliche Entlohnung der verbliebenen Arbeitskräfte merklich stieg (Abbildung 9).

Um solche Zusammensetzungeffekte bereinigt ist der Arbeitskostenindex. Ihm zufolge hat der Lohndruck seit Beginn der Krise etwas nachgelassen, womit er ein völlig anderes Bild zeichnet als die Stundenlöhne. Allerdings werden die Daten nur auf Quartalsbasis und daher mit einiger Verzögerung berechnet.

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Fed mit geänderter Reaktionsfunktion
Zwar hat die Fed auch schon früher den Arbeitsmarkt anhand einer Vielzahl von Indikatoren beurteilt. Mit der stärkeren Berücksichtigung sozialpolitischer Aspekte bei ihrer Geldpolitik dürfte die Notenbank aber noch später mit den Fortschritten am Arbeitsmarkt zufrieden sein. Auch wenn wir insgesamt eine kräftige Erholung der US-Wirtschaft prognostizieren, erwarten wir, dass sich die Fed Zeit lassen wird, bis sie den Fuß etwas vom Gaspedal nimmt. Eine Rückführung der Anleihekäufe steht wohl erst Mitte 2022 an, und die Zinsen dürften noch deutlich länger unverändert bleiben.

Bernd Weidensteiner und Christoph Balz
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