Seit Jahren betreiben große Notenbanken weltweit eine extreme Politik monetärer Aufblähung. Dieses Regime wurde in der Corona-Krise nochmals massiv verstärkt – durch Einführung „offener monetärer Finanzierung“ (OMF). Der monetäre Superzyklus aus extremer Notenbankpolitik, exzessiver Geldschöpfung und rapide steigenden Geldmengen hat bereits starke Preisanstiege bei Vermögenswerten ausgelöst. Zukünftig ist zu erwarten, dass inflationäre Effekte auch auf die Realwirtschaft überspringen. Die Gefahr struktureller Inflation, die das Vertrauen in Notenbanken und Geldwerte nachhaltig erschüttern könnte, ist nicht länger zu übersehen.
Die Frage nach einer Rückkehr der Inflation gewinnt aktuell an Brisanz. Oft wird dabei, auch von führenden Notenbankern, vor allem auf steigende Ölpreise oder gestörte Lieferketten verwiesen, was einen nur vorübergehenden Inflationsanstieg nahelegen würde. Diese milde Interpretation ist jedoch aus mehreren Gründen irreführend, denn der entscheidende Einfluss eines anderen zentralen Faktors wird dabei geflissentlich übersehen: Die Rolle der großen Notenbanken bei der Aufblähung des „monetären Superzyklus“ – und dessen Wirkung als globaler Inflationstreiber.
Zum besseren Verständnis ein kurzer Rückblick in die Vergangenheit: Der monetäre Superzyklus des westlichen Finanzsystems nahm mit der Aufkündigung des Goldstandards durch die USA vor genau 50 Jahren seinen Anfang. Dadurch entstanden die heutigen fiat money-Systeme, die quasi unlimitierte Geldschöpfung ermöglichen. Der monetäre Superzyklus expandiert seitdem in bislang sechs großen Wellen, hat sich in letzter Zeit aber nochmals dramatisch verstärkt. Was noch vor wenigen Jahren absolut undenkbar war, ist heute das „New Normal“. Große Notenbanken übernehmen einen wachsenden Teil der Staatsausgaben und Staatsschulden, indem sie durch „Quantitative Easing“ massiv neues Geld schöpfen. Diese Inflationierung des Finanzsystems erzeugt jedoch einen fatalen Teufelskreis, der sich mit jeder neuen Krise weiter verstärkt. Zu den wahrscheinlichen Risiken der nächsten Jahre zählen strukturell ansteigende Inflation, relative Entwertung von Staatsschulden sowie soziale Verwerfungen als Folge asymmetrischer Effekte des monetären Superzyklus.
Massive monetäre Aufblähung – und zuletzt noch OMF
Der Ursprung des monetären Superzyklus reicht genau 50 Jahre zurück: Im August 1971 erklärte der damalige US-Präsident Richard Nixon der Weltöffentlichkeit, dass die USA die Bindung des US-Dollars an den Sachwert Gold einseitig außer Kraft setzen. Fortan konnten westliche Regierungen und Notenbanken in beliebigem Umfang neues Papiergeld ohne intrinsischen Wert schaffen („fiat money“). Von dieser Möglichkeit haben viele Staaten seitdem ausgiebig Gebrauch gemacht. Im Rückblick wird deutlich, dass es – beginnend mit der weltweiten Ölkrise bis zur gegenwärtigen Corona-Krise – vor allem die großen Wirtschaftskrisen waren, die den Zyklus massiver Geldschöpfung auslösten und verstärkten. Diese Eskalationsspirale hat sich in jüngster Zeit gefährlich zugespitzt. Die „monetären Wellen“ kommen nun in immer kürzeren zeitlichen Abständen; gleichzeitig übertrifft jede neue Welle die jeweils vorhergehende in Ausmaß und Intensität um ein Mehrfaches (vgl. Abb. 1).
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Die Konturen einer neuen, ultraexpansiven Geldpolitik traten erstmals in den 1990er Jahren unter Alan Greenspan hervor. Der damalige Chef der US-Notenbank Fed steuerte das US-Finanzsystem mit immer stärkeren Dosen frischer Notenbankliquidität scheinbar virtuos durch die Krisen der späten 1990er und beginnenden 2000er-Jahre. Greenspan, oft als „Maestro“ verehrt, bereitete damit den Weg für die gigantische Spekulationsblase am US-Immobilienmarkt, die 2008 direkt zur Großen Finanzkrise führte.
Danach waren noch größere monetäre Rettungsmaßnahmen erforderlich, und die Notenbanken entwickelten in der Folge immer kreativere Formen der Geldschöpfung. Von 2008 bis 2012 setzte die US-Fed unter Ben Bernanke erstmalig auf das damals noch neuartige Quantitative Easing, also den Ankauf von Wertpapieren in großem Stil am offenen Markt. Im Zuge der Euro-Krise folgte später auch die Europäische Zentralbank mit einer massiven Ausdehnung solcher Q.E.-Maßnahmen. Trotz offiziell symmetrischer Ausgestaltung der Q.E.-Politik wurden dabei bestimmte EWU-Länder systematisch begünstigt. Obwohl die EZB damit klar die Grenzen ihres Mandats überschritt, wurden Bedenken und Vorbehalte gegen diese Form der verdeckten Staatsfinanzierung stets beiseite gewischt.
Die fortgesetzten Tabubrüche gipfeln zuletzt in der völlig entfesselten Geldpolitik während der Corona-Pandemie. Zur Finanzierung pandemiebedingt steigender Staatsausgaben wurden die großen Notenbanken herangezogen, die dafür in enormem Umfang neu geschöpftes Geld bereitstellten. Das Ausmaß der neuen Geldschöpfung durch Notenbanken entspricht seit 2020 in vielen westlichen Ländern mindestens dem Volumen der neu hinzugekommenen Staatsschulden (vgl. Abb. 2)
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Mit anderen Worten: Staatliche Schulden und (Mehr-)Ausgaben werden inzwischen ungeniert mit der Notenpresse finanziert. Damit begehen westliche Notenbanken den ultimativen Tabubruch und setzen seit kurzem dezidiert auf „Monetisierung“ und offene monetäre Staatsfinanzierung. Infolgedessen bewegt sich der monetäre Superzyklus seit 2020 auf einer völlig neuen Stufe und entspricht nun dem höchst brisanten Regime des Overt Monetary Financing (OMF).
Im Gegensatz zu früheren Phasen des monetären Superzyklus dient das neu geschöpfte Geld nicht mehr nur zur Stabilisierung des Bankensystems, sondern wird unmittelbar nachfragewirksam. Dieser Punkt ist für die zukünftige Inflationstendenz von großer Bedeutung. Um die beunruhigende Dimension dieser Entwicklung zu begreifen, genügt ein Blick auf die Bilanzen der großen Zentralbanken: Seit 2008 hat sich die Bilanzsumme der US-Notenbank durch das gewaltige Volumen neu gedruckten Geldes verzehnfacht; die Europäische Zentralbank hält heute sechsmal so viele Aktiva in ihrer Bilanz wie vor 13 Jahren. Der größte Expansionssprung erfolgte jedoch in sehr kurzer Zeit, von 2020 bis heute (vgl. Abb. 3).
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Asset Inflation als klares Warnsignal
Die anhaltende monetäre Verwässerung des Finanzsystems zeigt sich bereits klar in einer strukturellen Inflation von Vermögenswerten (Asset Inflation). Die seit Jahren fortschreitenden Aufwertungen der Aktien- und Anleihemärkte sowie die starken Preissteigerungen vieler Immobilienmärkte sind Ausdruck monetärer Aufblähung, letztlich also eine Form von Geldillusion (vgl. Abb. 4).
Das Inflationsrisiko in der Realwirtschaft wird hingegen noch immer stark unterschätzt. Zum einen waren steigende Verbraucherpreise, also Inflation im üblichen Sinne, in den zurückliegenden 20 Jahren tatsächlich kein kritisches Thema. Im Gegenteil dominierten oft Befürchtungen vor einer „säkularen Stagnation“ und „Deflation“. Megatrends wie Globalisierung, Demographie und Digitalisierung trugen bislang dazu bei, die Preise für Güter und Dienstleistungen niedrig zu halten. All dies hat dazu geführt, dass Inflationsrisiken in der öffentlichen Wahrnehmung in den Hintergrund getreten sind.
Dass die lange Phase des monetären Superzyklus spurlos an den Rohstoff-, Güter- und Arbeitsmärkten vorbeizieht ist jedoch äußerst unwahrscheinlich. Eine Ausdehnung des verfügbaren Geldangebots durch Geldschöpfung entspricht einer relativen Abwertung des Geldbestandes und hat somit stets einen Anstieg bestimmter Preisniveaus zur Folge. Dies gilt erst recht im Fall einer offenen „Monetisierung“ staatlicher Ausgaben und Schulden, die das allgemeine Preisgefüge anheben könnte. Die jüngste OMF-Politik, geprägt durch massive Zunahme neu gedruckten Geldes bei gleichzeitig direkter Nachfragewirkung, wird diesen Zusammenhang sehr klar sichtbar machen. Die klassische Inflation ist somit nicht aus der Welt, sondern bislang nur verschleiert und systematisch unterschätzt.
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Zuletzt ist die Inflationsrate in den USA auf über 5 Prozent und damit auf den höchsten Wert seit 13 Jahren gestiegen. Auch in Deutschland markiert die aktuelle Inflation einen 28-Jahres-Höchstwert (vgl. Abb. 5). Diese starke Preisdynamik liegt deutlich über vielen bisherigen Annahmen und Erwartungen. Die US-Notenbank Fed betont zwar noch den „transitorischen“ Charakter der Preissteigerungen, gerät dabei jedoch zunehmend in Erklärungsnotstand. Hierin liegt ein ernsthaftes Problem, das auch für die Finanzmärkte erhebliche Brisanz hat: Sollte die Inflation in den kommenden Jahren spürbar ansteigen, könnte das Vertrauen in die Solidität und Integrität heutiger Finanzsysteme erodieren. Damit würde auch die Wahrscheinlichkeit für schockartige Korrekturen an den Kapitalmärkten deutlich steigen. Bekanntlich belastet steigende Inflation sowohl die Anleihenmärkte als auch die meisten Aktiensektoren, speziell die hoch bewerteten Technologiewerte. Dies lässt für die kommenden Jahre eher schwierige Marktentwicklungen erwarten. Da Kapitalmärkte stets die Zukunft antizipieren, könnte ein entsprechender Regimewechsel an den Märkten sogar schon in Kürze beginnen.
Im Fall hartnäckiger Inflation hätten Notenbanken zudem ein ernstes Glaubwürdigkeitsproblem, das durch „unkonventionelle Geldpolitik“ nur weiter verstärkt würde. Die nächste große Krise des globalen Finanzsystems könnte somit eine Krise des Vertrauens in Geldwerte und Währungen sein. Dieses Szenario würde völlig neue Herausforderungen und Risiken mit sich bringen. Mit schlichtem „Gelddrucken“, so wie bisher, werden die Probleme dann jedoch nicht mehr lösbar sein.
Hinweis: Dieser Artikel basiert in Teilen auf einer neuen Studie des FERI Cognitive Finance Institute mit dem Titel „The Monetary Supercycle – Ursachen, Bedeutung und mögliche Konsequenzen der massiven monetären Aufblähung“, abrufbar unter https://www.feri-institut.de/content-center
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Ich denke, man sollte deutlicher zwischen der Inflation der Vermögenswerte und der der Konsumprodukte unterscheiden und nicht beides miteinander vermengen. Die Zentralbanken scheinen auf das Zweite keinen Einfluss zu haben, denn ein Jahrzehnt ohne Inflation der Konsumgüter haben das bewiesen. Der Ansatz eine Inflation der Konsumgüter zu stoppen war bisher eine Rezession von den Zentralbanken künstlich herbei zu führen. Ich habe ein Problem zu glauben, dass das jetzt das Richtige wäre. Also: Inflation der Vermögenswerte beenden – ja, Inflation der Konsumgüter beenden – nein (das regelt der Markt plus die den Rahmen festlegende Politik, zB. mit der Wohnungsbaupolitik).
Ich denke, die Differenzierung von Inflation und „Asset Price Inflation“ ist im Text durchaus enthalten und nachvollziehbar. Der Rückblick auf Inflationsraten der letzten 10 Jahre ist jedoch wenig hilfreich, wenn sich seit 2020 sowohl die Wucht (vgl. Grafiken zum Text) als auch das Instrumentarium der Geldpolitik (seit 2020: Offene monetäre Finanzierung/OMF, mit direkter Nachfragewirksamkeit neuer Geldschöpfung) ganz entscheidend verändert haben. Sicherlich wird der Markt die erforderliche Anpassung regeln, aber eben in Form steigender Preise.
Die sogenannte Kernteuerungsrate in Euroland lag im September bei 1,9 % und im Oktober bei 2,1%. Mit Energie lag die Inflation in Euroland bei 4,1%. In der USA ist die Kernteuerungsrate doppelt so hoch. Ich glaube nicht dass die Zentralbanken mit ihren zusätzlichen Käufen ab 2020 beim Ölpreis eine besondere Wirkung hatten. Auch da dürfte – genau wie beim Lieferengpass – die Pandemie Schuld sein. Anderseits könnte der Inflationsschub durch Covid19 der Zünder sein, der jetzt eine Lohn-Preis-Spirale in Gang setzt, die eventuell in der USA schon weiter als bei uns ist. Jetzt aus Angst vor der Inflation die Wirtschaft abzuwürgen, halte ich aber für die falsche Maßnahme. Anderseits glaubt niemand mehr den Zentralbanken; ich auch nicht.
PS: Auch ein Zurück zur schwarzen Null würde dem Entstehen einer Lohn-Preis-Spirale entgegen wirken. Genauso wie das Ende der negativen Zinsen. Die wollte die EZB, damit Geld nicht auf dem Konto liegt, sondern ausgegeben oder in zB Aktien investiert wird.
PPS: Der Ölpreis wird sicher nicht wieder fallen, aber der Preisanstieg wird nächstes Jahr aus der Statistik fallen. Preise für andere Rohstoffe sinken bereits wieder. Bis auf welches Niveau, ist allerdings nicht voraus zu sehen. Auch bei Transportkosten für Container ist der Höhepunkt überschritten. Bei zB Chips ist dagegen noch kein Ende des Nachfrageüberhangs zu erkennen.
Die aktuellen Inflationsdaten im Jahr 2022 haben meine damaligen Aussagen zur Inflationsdynamik inzwischen zweifelsfrei bestätigt. Und daran ist ganz sicher nicht nur der Krieg in der Ukraine schuld. Das muss sogar die EZB konzedieren, die heute als letzte bedeutende Notenbank die Zinsen anhebt und sich damit endllich aus der fatalen Negativzins-Politik verabschiedet.