Verdient Ronaldo zuviel?

Profifußballer konnten ihre Einkommen in den vergangenen Jahren überproportional steigern. Als bestbezahlter Fußballer der Welt gilt derzeit Christiano Ronaldo (Real Madrid) mit einem Jahreseinkommen von 13 Millionen EUR (zzgl. Einkünfte aus privaten Werbeverträgen), gefolgt von Zlatan Ibrahimovic (FC Barcelona) mit 12 Millionen p. a. Der deutsche Nationalspieler Philipp Lahm erspielt sich als bestbezahlter Bundesligaprofi acht Millionen.

Vor diesem Hintergrund stellt sich für viele die „Gerechtigkeits“-Frage: Ist es gerecht, daß ein Fußballspieler, der vielleicht nicht einmal eine Lehre abgeschlossen hat, ein Vielfaches dessen verdient, was ein habilitierter Philosoph als Einkommen erhält?

Nun, es ist gerecht, denn der Maßstab dafür kann mangels eines „objektiv“ richtigen Lohns wohl nur der Sachverhalt sein, ob jemand bereit ist, für eine derartige Leistung soviel zu zahlen. Das ist hier der Fall, denn die betreffenden Spieler erwirtschaften offensichtlich ihren Arbeitgebern Summen, die das Gehalt der Spieler überschreiten. So liegt die Gehaltsquote (Anteil der Gehaltsausgaben am Umsatz) in den bedeutenden europäischen Profi-Fußballigen zwischen 45% (Deutschland) und 64% (Frankreich) (Deloitte 2008).

Aus ökonomischer Sicht verfügen professionelle Fußballspieler mit ihrem Spielgeschick über eine äußerst seltene Ressource, was man daran sieht, daß ein extrem kleiner Teil der Jugend- und Amateurspieler den Sprung in den Profi-Bereich schafft. Diese Ressource erfordert außergewöhnliches Talent und muß durch Training und Spielpraxis in einem fortwährenden, hochgradig risikobehafteten Prozeß (Stichwort: Sportinvalide) entwickelt werden. Zudem ist dieses Humankapital nur eine sehr begrenzte Zeit nutzbar. Die daraus resultierende Knappheit an Spitzenspielern trifft auf erhebliche Skaleneffekte bei der Produktion: So läßt sich die Unterhaltungsdienstleistung Fußballmatch durch die Medien zu vernachlässigbaren Grenzkosten an eine riesige Anzahl von Nachfragern absetzen; die Kapazitätsbeschränkung des Austragungsortes (Stadien, Hallen, etc.) wird also durch die Massenmedien gänzlich beseitigt. Das Wertgrenzprodukt eines Spitzenfußballers ist also sehr hoch und rechtfertigt damit auch eine entsprechend hohe Entlohnung.

Deloitte (2008), Annual Review of Football Finance, Manchester.

7 Antworten auf „Verdient Ronaldo zuviel?“

  1. Einspruch: Was die Unterhaltungsdienstleistung Fussballmatch tatsächlich im Rahmen der Bundesliga wert ist, werden wir nie erfahren, da bei den Verhandlungen der TV-Rechte immer zwei Bieter mit unerschöpflich tiefen Taschen (GEZ) am Tisch sitzen. Gut möglich, dass der eine oder andere Zweitligaspieler auf den Drittporsche verzichten müsste, gäbe es kein Staatsfernsehen.

  2. In anderen Ländern haben die Privaten (Free- und Pay-TV) die Rechte und bezahlen deutlich mehr.

  3. Möchte man Haarspalterei betreiben und sich am Wort „verdienen“ aufhalten, dann sind 13, 12 oder 8 Millionen € zuviel.
    ABER! Für gewöhnlich erhalten die Spieler ein Gehalt, dass irgendjemand auch zahlen muss. Und die Vereine haben dieses Geld, u.a. weil wir – Hobbyfußballer und Heldenverehrer – es ihnen in die Stadien tragen. Einmal im Jahr, einmal im Leben oder wann auch immer zahlen wir viel Geld und hoffen darauf nicht enttäuscht zu werden. „Schließlich zahlt man ja!“ Dann ist es natürlich ärgerlich, wenn z.B. die Nationalmannschaft in einem Freundschaftsspiel Wechselorgien, Taktikvarianten und Spielzüge erfolglos ausprobieren will. Sich darüber aufzuregen zeugt aber, meiner Meinung nach, von fehlendem Weitblick… Ich kann nicht zu diesen aberwitzigen Gehältern beitragen und mich dann darüber beschweren, dass die Leistung nicht entsprechend ist. Viele Spieler würden vielleicht auch für weniger Geld Fußball spielen?!

  4. Sorry, aber ganz so einfach geht’s nicht. Das ist ein klassisches libertäres Argument (Das Wilt Chamberlain Argument [1]). Es gibt einige übliche Kritiken. Zwei eher theoretische sind:

    1. Der Anspruch an eine Gerechtigkeitstheorie ist, dass sie entscheidungs-sensitiv sein soll und ausstattungs-insensitiv (–> Leistungsprinzip). D.h. wenn es um Verdienst geht, ist es Leistung die zählt, nicht dass man zB von Natur aus besonders sportlich ist. Alleine durch eine „seltene Ressource“ wie besonderes Talent aus dem Markt herausstechen reicht absolut nicht um das was man verdient auch zu verdienen. Auch wenn der ökonomische Zusammenhang stimmt.

    2. Das Argument sagt aus, dass der Fußballer sein Gehalt verdient hat, weil der Vertrag von beiden Seiten freiwillig geschlossen wurde – was soll daran ungerecht sein? Die Kritik sagt, dass schon der Ausgangszustand ungerecht gewesen sein kann. Und wir wissen ja „die Welt ist ungerecht“, wie kann dann ein simpler Vertragsabschluss zu Gerechtigkeit führen..

    Davon abgesehen gibt es einige andere und „bessere“ Gerechtigkeitsmaßstäbe als den freien Markt. Vor dem Hintergrund scheint folgendes nicht überzeugend:

    „Nun, es ist gerecht, denn der Maßstab dafür kann mangels eines „objektiv“ richtigen Lohns wohl nur der Sachverhalt sein, ob jemand bereit ist, für eine derartige Leistung soviel zu zahlen.“

    [1] Nozick R. Anarchy, state, and utopia. Oxford: Blackwell Publishers; 1974. S. 161ff.

  5. Aus der Tatsache, dass es keine Möglichkeit gibt einen Lohn objektiv zu bestimmen, folgt nicht, dass es keine Möglichkeit gibt den Unterschied zwischen einem Hungerlohn und der „Ronaldo Steuer“ ( niemand sollte sich der Illusion hingeben, dass nicht am Ende diejenigen, die die Hungerlöhne erhalten, auch Ronaldo bezahlen werden ) für ungerecht zu halten, sondern bloß, dass es keine Möglichkeit gibt, diese Ungerechtigkeit auch objektiv zu messen. Man kann der subjektiven Willkür der Preisfestlegungen, eine andere Willkür entgegen setzen, z.B. die der räuberischen Gewalt, wenn einen die kollektivistische, von revolutionären Gleichheitsideen beflügelte, schon nicht mehr animiert. Der bürgerliche Staat ist diesbezüglich etwas friedfertiger und setzt auf die Willkür der Steuern und betätigt Umverteilungsapparate. Er reguliert damit u.a. das Verhältnis zwischen der Exorbitanz einzelner und den moralischen Empfindungen der Massen.

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