Subventionitis und kein Ende: Neues aus dem Kieler Subventionsbericht

1. Das Konsumbrot

Mit dem Konsumbrot fing alles an: Im Juni des Jahres 1950 wurden auf Druck der Hohen Kommissare die Brotpreise in Deutschland freigegeben und stiegen daraufhin kräftig. Um ärmeren Bevölkerungs­schichten weiterhin den Zugang zu preiswertem Brot zu ermöglichen, wurde am 14. Juli des gleichen Jahres das Konsumbrot-Programm verkündet. Es verpflichtete die Bäcker des Landes, ein Roggen­mischbrot anzubieten, dessen Preis auf 50 Pfennig je Kilogramm festgelegt war.

Zunächst erhielten die Getreidemühlen aus dem Bundeshaushalt einen Vermahlungszuschuss gegen die Zusage, Rog­genmehl zu einem bestimmten Preis an die Bäcker zu verkaufen. Diese wiederum mussten sich ver­pflichten, das Konsumbrot zum vorgeschriebenen Preis an die Endkunden abzugeben. Da dies nicht funktionierte, wurde der Vermahlungszuschuss später gestrichen und durch einen Zuschuss an die Bäcker für jedes gebackene Konsumbrot ersetzt. Dafür mussten die Bäcker detailliert aufzeichnen, welche Menge an Konsumbrot sie an welchen Tagen verkauft hatten, um Monat für Monat den ihnen zustehenden Zuschuss beantragen zu können. Dieses Programm lief in Westdeutschland bis zum Februar 1953 und kostete den Bundesfinanzminister insgesamt 446 Mill. DM. In Westberlin, wo das Programm bis zum März 1958 fortgeführt wurde, kamen zusätzlich 94 Mill. DM an Subventionen durch den Berliner Senat hinzu. Am Ende des Programms erreichte der Verbrauch des subventionier­ten Konsumbrots rund ein Drittel des gesamten Brotverbrauchs in der Bundesrepublik Deutschland (ausführlicher beschrieben ist das Konsumbrot bei K.-P. Schmid, 50 Pfennig das Kilo. Die Zeit vom 28. Mai 2003).

Bereits dieses erste größere Subventionsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik Deutsch­land war also mit einer Vielzahl der typischen Mängel behaftet, die auch heute noch die Subventions­politik prägen: ein hoher Verwaltungsaufwand sowohl auf der Seite des Staates als auch der Subven­tionsempfänger und eine hohe Zielungenauigkeit, da das sogenannte „Armeleutebrot“ auch in vielen Haushalten mit höheren Einkommen konsumiert wurde. Selbst das Problem des Subventionsbetrugs blieb dem Konsumbrot nicht erspart. Manche Bäcker nahmen es mit den Zahlenangaben der von ihnen gebackenen Brote nicht so genau, so dass die Kontrolleure der Bundesregierung am Ende 37 Mill. DM zurückforderten.

Schon damals hätte es also gute Gründe für einen Subventionsabbau gegeben. Man kann sich zu Recht fragen, warum es dennoch im Laufe der Jahrzehnte zu einem derartigen Anschwellen des Sub­ventionsvolumens kommen konnte.

2. Der Kieler Subventionsbericht

Das Kieler Institut für Weltwirtschaft hat es sich seit vielen Jahren zur Aufgabe gemacht, einen nachhaltigen Subventionsabbau zu fordern. Dafür wird – ebenfalls seit vielen Jahren – ein detaillierter Kieler Subventionsbericht erstellt, dessen neueste Ausgabe im März 2013 veröffentlicht worden ist (C.-F. Laaser, A. Rosenschon, Subventionen in Deutschland 2000 bis 2011/2012. Kieler Diskussionsbeiträge 516/517, Institut für Weltwirtschaft, 2013).

In diesem Bericht werden Subventionen zunächst einmal im Einklang mit der finanzwissenschaftlichen Literatur definiert als staatliche Leistungen an Unternehmen, denen keine entsprechenden Gegenleistungen gegenüberstehen. Dabei ist es unerheblich, ob die staatlichen Leistungen als direkte Zahlungen (Finanzhilfen), als Steuervergünstigungen, als Kauf von Wirtschaftsgütern zu überhöhten Preisen, als Bürgschaften oder wie auch immer gewährt werden.

Die Quantifizierung ist nicht immer leicht. So müsste zum Beispiel das Subventionsäquivalent einer staatlichen Bürgschaft im Prinzip anhand des Zins-Vorteils ermittelt werden, der sich für das begünstigte Unternehmen ergibt und der in der Praxis nur schwer zu ermitteln ist. Auch die Frage, ob die vom Staat gekauften Güter ihren Preis tatsächlich wert sind oder ob sie Subventionselemente enthalten, lässt sich von außen oftmals nur schwer nachvollziehen, wobei diese Form der Subventionierung etwa im Militärhaushalt eine durchaus nennenswerte Rolle spielt.

Darüber hinaus gibt es staatliche Leistungen, die auf den ersten Blick als Transfers an Privathaushalte erscheinen mögen, aber gleichwohl die Produktionsstrukturen verzerren. Ein Beispiel dafür sind staatliche Subventionen für Theater, die in der Regel den großen Bühnen zugutekommen und die Kleinkunstbühnen vernachlässigen oder ganz und gar leer ausgehen lassen. Dabei werden manche Kleinkunstbühnen durchaus als private Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht geführt (auch wenn sich diese Gewinne nicht immer einstellen mögen). Durch die Subventionierung der großen Opern und Schauspielhäuser wird den Kleinkunstbühnen das Leben schwer gemacht, so dass auch diese staatlichen Leistungen aus gesamtwirtschaftlicher Sicht als allokationsverzerrend eingeordnet werden können. Im Kieler Subventionsbericht werden solche Zahlungen als Subventionen in erweiterter Abgrenzung deklariert und gesondert ausgewiesen.

Nach dem offiziellen Subventionsbericht der Bundesregierung, der alle zwei Jahre vom Bundesministerium der Finanzen herausgegeben wird, machten die Subventionen an Unternehmen in Deutschland im Jahre 2012 einen Betrag von 49,3 Milliarden Euro aus. Nach dem Kieler Subventionsbericht betrugen die Subventionen in enger Abgrenzung, die definitorisch weitgehend mit der Abgrenzung des Subventionsberichts der Bundesregierung übereinstimmt, 81,3 Milliarden Euro. Das ist fast doppelt so viel wie die offiziell ausgewiesenen Subventionen. Genau das ist der Grund, warum unsere Subventionsberichte einerseits von der Politik immer wieder als Stachel im Fleisch empfunden und andererseits von den Medien dankbar aufgegriffen werden. In erweiterter Abgrenzung kommen wir in unserem Subventionsbericht sogar auf eine Gesamtsumme von 166,7 Milliarden Euro für das Jahr 2012.

Einen Überblick über die Entwicklung der Subventionen im engeren Sinne im Zeitablauf bietet Abbildung 1. Es macht deutlich, dass es einen gewissen, aber keinen durchgreifenden Subventionsabbau gegeben hat. Seit dem Jahr 2000 sind sie von 93 Mrd. Euro auf 81 Mrd. Euro zurückgegangen. In Relation zum Bruttoinlandsprodukt machten die Subventionen an Unternehmen im Jahre 2000 4,6 Prozent aus, im Jahre 2012 immerhin noch 3,1 Prozent.

Subventionen
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Es kann vermutet werden, dass die Triebfeder hinter dem zaghaften Subventionsabbau die Ebbe in den öffentlichen Kassen war. Diese Ebbe ist in den vergangenen Jahren nicht kleiner, sondern eher noch größer geworden. Man muss sich deshalb fragen, weshalb überhaupt noch in derartigem Umfang Subventionen gewährt werden und weshalb das Potenzial eines durchgreifenden Subventionsabbaus als Beitrag zur Haushaltskonsolidierung nicht entschlossener genutzt wird.

3. Subventionsabbau tut not

Eine Antwort auf die Frage, warum ein durchgreifender Subventionsabbau auf sich warten lässt, könnte lauten, dass es durchaus Subventionen gibt, die im Rahmen einer funktionsfähigen Marktwirtschaft ihren Platz haben und deshalb gar nicht abgebaut werden sollten. Das sind Subventionen, die geeignet sind, Marktversagen auszugleichen. Beispiele dafür sind staatliche Förderungen von Forschung und Entwicklung oder von unternehmerischen Ausbildungsleistungen, da derartige Aktivitäten in aller Regel nicht nur den Unternehmen zugutekommen, die sie finanzieren, sondern positive Ausstrahlungswirkungen auf andere Unternehmen und Wirtschaftsbereiche ausüben.

Bei der ganz überwiegenden Mehrzahl der Subventionen geht es jedoch nicht um das Gemeinwohl, sondern um das Wohl gut organisierter Interessengruppen. Solche Subventionen sind in aller Regel gesamtwirtschaftlich nachteilig. Wenn diese Nachteile für alle transparent wären, könnten sie die Wahlchancen der subventionsgewährenden Politiker durchaus beeinträchtigen.  Doch diese Transparenz fehlt zumeist, da die Gewinner von Subventionsmaßnahmen aus eng abgegrenzten Personenbereichen bestehen, deren Mitglieder sich der Vorteile der Subventionsgewährung sehr wohl bewusst sind. Auf der Verliererseite dagegen steht die breite Masse der anonymen Steuerzahler, für die jede einzelne Subvention nur zu einer unmerklich kleinen Zusatzbelastung führt und die sich der Gesamtlast, die sie mit ihren Steuerzahlungen zur Finanzierung der Subventionspolitik tragen müssen, nicht bewusst sind.

Als Konsequenz dieser Überlegungen ergibt sich die eindeutige und nachdrückliche wirtschaftspolitische Empfehlung, das Gestrüpp all jener Subventionen, die nicht der Kompensation von Marktversagen dienen, möglichst vollständig zu roden. Dass die Gesellschaft insgesamt davon nur profitieren kann, wusste schon Ludwig von Mises. In seiner im Jahr 1940 in Genf erschienen  Nationalökonomie heißt es auf Seite 664: „Auf dem unbehinderten Markt sind Kräfte wirksam, die jedes Produktionsmittel in die Verwendung bringen, in der es für die Versorgung den höchsten Dienst zu leisten vermag. Wenn die Obrigkeit in das Getriebe eingreift, um eine andere Verwendung der Produktionsfaktoren zu erzwingen, dann kann sie die Versorgung nur verschlechtern, nicht verbessern.“

Henning Klodt

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