Achtung: Statistik
Fruchtbarkeit und Alter

Statistiken können dabei helfen, Risiken in dieser Welt besser zu verstehen. Was bei der Interpretation von Statistiken schief gehen kann, haben wir in dieser Kolumne schon ein ums andere Mal gezeigt. Aber auch die beste Interpretation kann nur so gut sein wie die zugrundeliegenden Daten. Wenn also die Daten schlecht sind, dann kann man auch mit der besten Statistik keine sinnvollen Ergebnisse erwarten. Soweit, so klar. Problematisch wird es aber, wenn keiner mehr so genau weiß, woher die Daten eigentlich stammen.

Einen solchen Fall stellt eine weitverbreitete Statistik zur Fruchtbarkeit von Frauen bei fortschreitendem Alter dar. So ist bekannt, dass es in höherem Alter für Frauen tendenziell schwieriger wird, schwanger zu werden. Dabei taucht auch in seriösen Quellen immer wieder die Zahl auf, dass jede dritte Frau ab dem 36. Lebensjahr trotz regelmäßigen ungeschützten Geschlechtsverkehrs innerhalb eines Jahres nicht schwanger wird. Aber wie ist man zu dieser Zahl gekommen? Schließlich ist es – gerade aufgrund der verbreiteten Verhütung – schwierig, dies genauer zu messen.

Das hat sich die Psychologin Jean Twenge von der San Diego State University auch gefragt und ging der Sache auf den Grund. Sie fand dabei heraus, dass die Frage der Verhütung nicht das Hauptproblem bei dieser Statistik sein dürfte: Sie basiert nämlich auf Zahlen, die 300 Jahre alt sind. Konkret wurden die kirchlichen Geburtsregister aus Frankreich vom Beginn des 18. Jahrhunderts ausgewertet. Und da Verhütung damals noch keine so wichtige Rolle spielte, rechnete man daraus die Fertilitätsrate der Frauen im Alter von 35 Jahren hoch. Schon dieses Vorgehen kann man sicher kritisch hinterfragen. Aber selbst wenn dies wirklich die richtige Quote in Frankreich vor 300 Jahren war, so ist doch äußerst fraglich, welche Relevanz diese Zahlen für unsere modernen Gesellschaften von heute haben. Schließlich sind die Gesundheitsversorgung, die Hygiene, die Lebensmittelversorgung und die sexuelle Aufklärung wohl kaum mit der historischen Situation in Frankreich um 1700 vergleichbar. Und in der Tat gibt es neuere Untersuchungen, die darauf hindeuten, dass die heutige Fertilitätsrate bei Frauen Mitte 30 deutlich höher liegen dürfte. Wenn Statistiken also schon lange im Umlauf sind, so sollte wenigstens überprüft werden, wie übertragbar die Ergebnisse auf die heutige Zeit sind.

Björn Christensen und Sören Christensen
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