Der Gesetzliche Mindestlohn ist „en vogue“. 21 von 28 EU-Staaten kennen einen landesweit einheitlichen Mindestlohn, der für alle Wirtschaftsbranchen Gültigkeit hat. Deutschland wird 2015 einen gesetzlichen Mindestlohn von € 8.50 einführen. Die USA hat den Mindestlohn kürzlich von $ 7.25 auf $ 10.10 pro Stunde erhöht. Am 18. Mai war nun das Schweizer Stimmvolk aufgerufen, sich ebenfalls zu einem gesetzlichen Mindestlohn zu äussern. Das Ergebnis der Volksabstimmung steht allerdings im Gegensatz zur Entwicklung in Europa oder den USA: 76% der Stimmenden lehnen den gesetzlichen Mindestlohn ab. Selbst die Befürworter waren von der Deutlichkeit des Ergebnisses überrascht. Kein einziger Kanton will den flächendeckenden Mindestlohn als Verfassungsvorgabe. Was könnten die Gründe für das deutliche Ergebnis sein? Was können wir aus dem Ergebnis lernen?
- Aus theoretischer Sicht ist unbestritten, dass der Effekt des Mindestlohns auf den Arbeitsmarkt im Wesentlichen von der Höhe abhängt. Die in der Schweiz zur Diskussion gestandenen 22 CHF pro Stunde bzw. 4“˜000 CHF pro Monat wären ein internationaler Spitzenwert gewesen. Dies gilt sowohl gemessen im Verhältnis zum Medianlohn als auch am Anteil der potenziell Betroffenen. Aufgrund der regional unterschiedlichen Lohnstrukturen, wäre der Effekt ausserdem je nach Kanton sehr unterschiedlich ausgefallen. Im landesweiten Vergleich wäre das gesetzliche Minimum bei 66,9% des schweizerischen Medianlohns zu stehen gekommen. Im italienischsprachigen Landesteil Tessin wären es sogar knapp 80% des Medianlohnes gewesen. Allem Anschein konnten die Befürworter des Mindestlohns bei dieser Höhe keine Sympathien beim Volk wecken. Zu unplausibel war die Argumentation der Befürworter, der Arbeitsmarkt wäre von dieser Regulierung der Lohnfindung unbeeindruckt. Zu stark waren die Befürchtungen, dass nicht nur die Arbeitsnachfrage zurückginge, sondern auch ein eigentlicher Sog auf das Angebot von niedrigqualifizierter Arbeit eintreten könnte.
- Im Vorfeld zur Volksabstimmung vom 18. Mai fand eine intensive Debatte zwischen den Befürworten und den Gegnern eines gesetzlichen Mindestlohns statt. Nicht selten stand die Studie von David Card und Alan Krueger aus dem Jahr 1994 als Kronzeuge für die segensreichen Effekte des gesetzlichen Mindestlohns auf die Beschäftigung im Zentrum der Auseinandersetzung. Die in dieser Studie ermittelten positiven Beschäftigungseffekte ausgelöst durch eine Erhöhung des Mindestlohns von $ 4.25 auf $ 5.05 im Gliedstaat New Jersey war damals Auslöser einer intensiven wissenschaftlichen Debatte. Nachfolgestudien konnten einerseits wichtige Datenmängel aufdecken, die dem unplausiblen Ergebnis zu Grunde lagen. Andererseits stellte sich die Frage der Übertragbarkeit der Ergebnisse und damit die wirtschaftspolitische Einordnung. Am Ende blieb von den kontraintuitiven Ergebnissen nicht mehr viel übrig. Das hat wohl auch das schweizerische Stimmvolk so gesehen und war bei diesem Wissensstand nicht bereit als Versuchslabor für die Effekte eines rekordhohen gesetzlichen Mindestlohn zu dienen.
- Die neue Studie von Piketty um die Frage der Einkommens – und Vermögenskonzentration bewegte auch die Diskussion in der Schweiz. Gerne wurde von den Befürwortern konstatiert, dass sich in den letzten Jahren die Spitzeneinkommen von den übrigen Einkommen abgehoben hätten und dass eine Schrumpfung der Mittelschicht zu beklagen wäre. Dass dieser Befund aus der Entwicklung der Einkommenskonzentration in den USA seit den 1980er Jahren nicht unbesehen auf die Schweiz übertragbar ist, wurde in der öffentlichen Debatte schnell klar und beeindruckte das Stimmvolk nicht. Ganz abgesehen davon, dass der gesetzliche Mindestlohn wohl kaum als Instrument zur Beschränkung der Spitzeneinkommen dient.
Alles in allem kann die Volksabstimmung zum gesetzlichen Mindestlohn in der Schweiz als ein gutes Beispiel dafür gesehen werden, dass eine wirtschaftspolitische Debatte im Rahmen der direktdemokratischen Beschlussfassung wesentlich anders verlaufen kann als in einer parlamentarischen Demokratie. Dem Volksentscheid war eine intensive Debatte vorausgegangen. Wir können also davon ausgehen, dass der Entscheid wohlinformiert gefasst wurde. Vielleicht wäre auch in dem einen oder anderen europäischen Staat das Ergebnis zum gesetzlichen Mindestlohn anders ausgefallen, hätte sich das Volk direkt dazu äussern können. Gerade vor dem Hintergrund persistenter Arbeitslosigkeit in der Eurozone könnte die Anreicherung der parlamentarischen Beschlussfassung durch plebiszitäre Elemente ein Gedanke wert sein.
Blogbeiträge zum Mindestlohn:
Manfred J.M. Neumann: Professorale Preiskommissare drängen in die Mindestlohnkommission
Thomas Apolte: Mindestlohn: Viel Lärm um nichts!
Norbert Berthold: Denn sie wissen, was sie tun. Mindestlöhne zerstören die Marktwirtschaft
Norbert Berthold: Die Wendehälse der CDU. Mindestlöhne statt Marktwirtschaft
Norbert Berthold: Eine unendliche Geschichte. Mindestlöhne, Arbeitslosigkeit und Strukturwandel
Norbert Berthold: Gesetzliche Mindestlöhne – wehret den Anfängen
Wolfgang Franz: Der trügerische Charme des Mindestlohnes
Thorsten Polleit: Warum ein Mindestlohn keine gute Idee ist
- Freiheit, Ordnung und Macht - 25. November 2023
- 38 Mrd. Franken Subventionen
Privilegien für die wenigen, finanziert von den vielen - 10. August 2023 - Staat verdient mehr als privatDie Lohnprämie beim Bund beträgt 12% - 6. Juni 2023
Oder vielleicht haben die „Schweizer“ ( wer wählt da gleich nochmal ?? ) einfach an ihre Zentralbank gedacht und sich gesagt: nein, was der Herr „Marc Meyer“ dazu gesagt hat, das wollen wir nicht bei unseren Unternehmen:
http://www.snb.ch/de/ifor/media/webtv/id/webtv_archive
Ab 1:27:00
Also ich tranformiere hier einfach mal gewisse politische Aktionen zu dem Mittel des Mindeslohnes. Die Aktionen die nach einer Einführung des Mindeslohnes von allen „Stakeholdern“ zu erbringen sind, sind also durchaus mit der Geldpolitik zu vergleichen ( Outputangleichung durch Kapitalsubstitut oder -export oder Verschuldung und Kreislaufanpassungen in der Volkswirtschaft ).