Ordnungspolitischer Unfug (14)
Handelskriege sind leicht zu gewinnen?

„When the law of the jungle prevails, the weak have little choice than to accept their fate.“ (Olivier Blanchard)

Die Zunft der Ökonomen ist meist uneins. Nicht so bei Freihandel. Da sind sie sich weitgehend einig. Protektionismus ist kein sinnvolles Instrument der Wirtschaftspolitik. Die Gefahr, sich und alle anderen zu schädigen, ist hoch. Das sieht Donald Trump ganz anders. Für ihn ist Zoll das schönste Wort. Und er hantiert großmäulig, freihändig und dreist mit „reziproken“ Zöllen gegen den Rest der Welt.

Welt spielt „unfair“

Er pflegt die Vorstellung, dass die USA in der Vergangenheit vom Ausland über den Tisch gezogen wurden. Das würde in der seit langem defizitären Handelsbilanz der USA offensichtlich. Sie sei das Ergebnis „unfairer“ Politik des Auslandes. Diese Fehlentwicklung gelte es zu korrigieren. Das beste Mittel seien Zölle. Nur so gelänge es, wieder „faire“ Bedingungen auf den Weltmärkten herzustellen.

Multilaterale Vereinbarungen seien Teufelszeug. Sie hätten die USA erst in die handelspolitische „Schieflage“ gebracht. Globale Institutionen, wie die WTO, würden amerikanische Interessen nicht adäquat vertreten. Dazu brauche es bilaterale Verträge. Erst Stärke, ökonomische wie militärische, verschaffe Vorteile. Von beidem habe die USA genug. Handelskriege seien leicht zu gewinnen.

„Liberation Day“

Seit dem 2. April 2025, dem „Liberation Day“, ist Donald Trump handelspolitisch erneut auf dem Kriegspfad. Er überzieht die Welt mit Zöllen, willkürlich und maßlos. Die Grundregeln der WTO spielen keine Rolle mehr, nicht einmal zum Schein. Zölle werden als Druckmittel in Verhandlungen über „unfaire“ Handelsbedingungen, Drogen, irreguläre Einwanderung, politische Missliebigkeit eingesetzt.

Und Donald Trump eilt von „Sieg zu Sieg“. Er verlangt „Mondzölle“, setzt die Länder unter Druck, kombiniert ökonomische mit militärischen Aspekten, droht bei Widerstand mit noch höheren Zöllen. Und die Verhandlungspartner spuren, alle bis auf zwei. Großbritannien, Japan und auch die EU kapitulierten, sie ließen sich zu „Deals“ erpressen. Nur zwei Länder leisten Widerstand, Kanada und China.

Sieg auf der ganzen Linie

Stolz präsentiert Donald Trump der Weltöffentlichkeit die handelspolitischen Skalps der Vertragspartner. Das eine sind die Zolleinnahmen der USA, die sich für 2025 prognostiziert auf 240 Mrd. Dollar belaufen. Das andere sind die Versprechen des Auslandes, zusätzliche Investitionen in den USA vorzunehmen und massenhaft Energie von dort zu beziehen, beides in schwindelerregenden Milliardenhöhen.

Von den ausländischen Milliardeninvestitionen in den USA verspricht sich Donald Trump positive Impulse für die inländische Wirtschaft, auch für den angeschlagenen industriellen Sektor. Ausländische Nettoinvestitionen in den USA vergrößern allerdings das amerikanische Handelsbilanz-Defizit. Auch hieran zeigt sich, dass eine ausgeglichene Handelsbilanz kein sinnvolles wirtschaftspolitisches Ziel sein kann.

Pyrrhussiege der USA

Allerdings: Der Schein des „Sieges“ trügt. Tatsächlich zahlt das Ausland die zollpolitische Zeche nicht. Die Erfahrung zeigt, ausländische Unternehmen tragen, abhängig von der Preiselastizität der Nachfrage nach ihren Produkten, nur einen Bruchteil der höheren Zölle über geringere Gewinnspannen. Der Löwenanteil der Zolleinnahmen der USA wird über höhere Preise von den eigenen Leuten, den amerikanischen Konsumenten aufgebracht.

Die Gefahr steigender Preise wächst, weil US-Unternehmen mehr für ausländische Vorprodukte zahlen müssen. Zölle schwächen den Wettbewerb in den USA. Der Überwälzungsspielraum für Unternehmen steigt. Schließlich: Die Vielfalt an Gütern sinkt. US-Konsumenten müssen auf minderwertigere amerikanische Produkte zurückgreifen. Kurzum: Die Preise steigen, die Qualität sinkt.

Unsicherheit lähmt Weltwirtschaft

Der Preis des „Sieges“ steigt weiter, weil ein „Deal“ mit Donald Trump kein Handelsabkommen ist. Es ist eine Vereinbarung auf Regierungsebene. Sie kann jederzeit widerrufen werden. Und Donald Trump bricht gerne Verträge (Mexiko, Kanada). Diese (Zoll)Unsicherheit hemmt Investitionen. Die Gefahr ist groß, dass ausländische Investoren einen Bogen um die USA machen. Das Wachstum leidet.

Donald Trump hat die Rechnung ohne die Finanzmärkte gemacht. Mehr Unsicherheit, mehr Inflation, weniger Wachstum dämpfen die Ertragsaussichten. Die Risikoprämie für amerikanische Staatspapiere steigt, die Staatsverschuldung wird teurer. Aktienkurse fallen, Staatspapiere verlieren an Wert. Die kapitalfundierte Alterssicherung vieler (Mittelschicht)Amerikaner gerät ins Wanken.

Groteske Ergebnisse

Die Zollpolitik führt zu grotesken Ergebnissen. Donald Trump will die breite Mittelschicht besserstellen. Höhere Zölle sollen Arbeitsplätze im Industriesektor erhalten, vielleicht neue schaffen. Davon würde die (industrielle) Mittelschicht profitieren. Nur: 90 % der US-Mittelschicht arbeitet im Dienstleistungssektor. Für sie ist die Zollpolitik ein Verlustgeschäft. Die Preise steigen, ihre Realeinkommen sinken.

Ein Element der neuen Handelsvereinbarungen mit den USA ist der zollfreie Zugang für amerikanische Waren. Halten sich die „Verlierer“ an die WTO-Regel der Meistbegünstigung, müssten sie diese Zollfreiheit auch allen anderen Ländern gewähren. Das wäre der Startschuss für eine neue Runde von Zollsenkungen außerhalb der USA, ein „WTO – 1“ (Gabriel Felbermayr). Die USA würden Marktanteile auf den Weltmärkten verlieren. Die Realität dürfte (leider) anders aussehen: Die Länder werden das WTO-Recht brechen. Das beschleunigt das Ende der WTO.

Fazit

Donald Trump läuft handelspolitisch Amok. Er schädigt nicht nur das Ausland, er macht auch die USA ärmer. Die Gefahr der Stagflation – höhere Inflation, stagnierende Wirtschaft – in den USA wächst. Es mag aus der verengten Sicht von Donald Trump wie ein „Sieg“ der USA aussehen. Tatsächlich ist es aber eine Niederlage. Die Lehrbücher der Ökonomie müssen nicht umgeschrieben werden: Höhere Zölle kennen keine Gewinner, alle verlieren. Handelskriege sind nicht zu gewinnen!

Hinweis: Der Kommentar erscheint in gekürzter Form als Leitartikel in Heft 9 (2025) der Fachzeitschrift WiSt.

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