Am 17.12.2014 hat das Bundesverfassungsgericht zum wiederholten Male Regelungen der Erbschaftsteuer für unvereinbar mit der Verfassung erklärt. Die VerfasÂsungsÂrichter bemängeln Teile der Sonderregeln für UnternehÂmensvermögen (§§ 13a und 13b ErbStG) und forÂdern eine Neuregelung bis zum 30. Juni 2016.
Entsprechend der ersten Reaktionen wird die Politik wohl ausschließlich die vom Verfassungsgericht bemängelten Punkte angehen, ohne die Erbschaftsteuer grundsätzlich zu reformieren. Das ist aus ökonomischer Perspektive zu bedauern, da das aktuelle Erbschaftsteuerrecht einige Schwächen aufweist, die bestehen bleiben dürften.
Kombination aus Erbschaft- und Einkommensteuer vorteilhaft
Bei identischem Steueraufkommen kann eine KombinaÂtion aus Erbschaft- und Einkommensteuer mit moderaten Steuersätzen für die Bürger zu einer geringeren Belastung führen als eine ausschließliche EinkomÂmensbesteuerung mit hohen Steuersätzen. Die Intuition hierfür ist, dass hohe Steuersätze die Bürger zu besonders starken VerÂhaltensänderungen bewegen, um die Steuerlast wenigsÂtens teilweise zu vermeiden, wohingegen die Steuerlast als weniger drückend empfunden wird, wenn sie sich auf mehrere Steuerarten mit geringeren Sätzen verteilt.
Allerdings setzt das voraus, dass die BemessungsÂgrundÂlage der Erbschaftsteuer möglichst breit und die Steuer-sätze möglichst niedrig angesetzt werden. Die Politik hat mit der Reform von 2008 jedoch den entgegengesetzten Weg eingeschlaÂgen: Die Bemessungsgrundlage wurde durch großzügige persönliche Freibeträge und spezifische VerschonungsreÂgelungen (z. B. für UnternehmensvermöÂgen) verringert, während die Steuersätze bis auf 50 ProÂzent erhöht wurÂden. 2010 wurden die Steuersätze ledigÂlich für einen Teil der Erwerber nach unten korrigiert.
Die persönlichen Freibeträge für die Erwerber sind eine Reaktion auf den grundsätzlichen gesellschaftspolitischen Konflikt, der mit der Erbschaftsteuer einhergeht: BefürÂworter der Erbschaftsteuer sehen in dem scheinbar leisÂtungslosen Erwerb von Vermögen durch Erbschaften eine hohe Verpflichtung des Erwerbers für die AllgeÂmeinheit. Auch solle die ErbÂschaftsteuer eine hohe Vermögens- und daraus resultierende Machtkonzentration verhindern und somit letztlich die demokratische GrundÂordnung schütÂzen. Die Gegner der Erbschaftsteuer fühÂren hingegen an, dass die Erbschaftsteuer den familiären Zusammenhalt und damit die Keimzelle der Gesellschaft gefährde.
Die persönlichen, nach dem Verwandtschaftsgrad gestafÂfelten Freibeträge erlauben einen gewissen VermögensbeÂtrag steuerfrei auf die nächste Generation zu übertragen, während der darüber hinausgehende Teil der Besteuerung unterworfen wird. Unabhängig von der ökoÂnomischen Bewertung der persönlichen Freibeträge sind diese nach Ansicht des BVerfG Ausdruck des verfasÂsungsrechtÂlichen Schutzes von Ehe und Familie und steÂhen daher nicht zur Disposition.
Unsystematische Begünstigung von UnternehmensÂvermögen verfassungswidrig
Im Fokus der aktuellen Entscheidung des BVerfG steht die Privilegierung des Unternehmensvermögens: GrundÂsätzlich bleiben gegenwärtig 85 Prozent des UnternehÂmensvermögens frei von Erbschaftsteuer, wenn der BeÂtrieb vom Erwerber fünf Jahre fortgeführt wird und die Lohnsumme während dieses Zeitraums 400 Prozent der durchschnittlichen Lohnsumme der letzten fünf Jahre vor Entstehung der Steuerpflicht nicht unterschreitet. Eine vollständige Steuerbefreiung für das UnternehmensverÂmögen wird gewährt, wenn der Betrieb mindestens sieben Jahre vom Erwerber fortgeführt wird und die Lohnsumme in diesem Zeitraum mindestens 700 Prozent des AusÂgangswertes beträgt. Das Verfassungsgericht kritisiert, dass zum einen Betriebe mit weniger als 21 Beschäftigten das Steuerprivileg unabhängig von der Entwicklung der Lohnsumme gewährt wird und dass zum anderen neben kleinen und mittleren Unternehmen auch GroßunternehÂmen davon Gebrauch machen können. Grundsätzlich halten die Richter jedoch eine auch vollständige FreistelÂlung von Unternehmensvermögen für gerechtfertigt, wenn dies dem Erhalt von Arbeitsplätzen dient.
Ökonomischer Vorteil der Begünstigung von UnterÂnehmensvermögen unsicher
Dabei ist es ökonomisch fraglich, ob und in welchem Umfang Arbeitsplätze bei WegÂfall der Ausnahme-regelungen gefährdet wären. Als Rechtfertigung für die UnÂternehmensprivilegien wird ein Rückgang der InvestitiÂonstätigkeit und damit eine Gefährdung der Arbeitsplätze angeführt, sollten diese entfallen. Das klingt zunächst plausibel, ist ökonomisch jedoch nicht zwingend: Bei einer gleichmäßigen BelasÂtung aller Vermögensarten mit Erbschaftsteuer ohne Privilegien für bestimmte VermöÂgensarten erfolgt die InvestitionsentÂscheidung ausÂschließlich aufgrund der betriebswirtschaftÂlichen RentaÂbilität, was grundsätzlich wünschenswert ist. Kommt es bei Wegfall der Privilegien für UnternehmensÂvermögen tatsächlich zu einem RückÂgang der InvestitioÂnen, ist das Ausdruck von zuvor bestehenden ÜberinvestiÂtionen in diesem Segment – hervorgerufen durch die AusnahmereÂgelungen. Eine massive Verlagerung von UnternehÂmen in das Ausland als SteuervermeidungsmoÂdell bei Wegfall der Privilegien im Inland, die ebenfalls als ArÂgument für die Ausnahmeregeln genannt wird, erscheint aufgrund der hohen gesetzlichen Hürden (so müssten neben dem UnÂternehmensvermögen auch ErblasÂser und Erwerber Deutschland rechtzeitig und dauerhaft vor dem Erbfall verlassen haben) unrealistisch.
Von größerer Bedeutung ist der Einwand, dass die ErbÂschaftsteuer zu Liquiditätsengpässen führen könne, die die Existenz des Betriebs gefährdeten. Solche Fälle sind nicht auszuschließen. Allerdings stellt sich die Frage nach den ökonomischen Konsequenzen. Bei perfekten KapiÂtalmärkten sollte es dem Erwerber möglich sein, den LiÂquiditätsengpass durch die Aufnahme von Fremd- oder Eigenkapitalmitteln zu überbrücken. Auf imperfekten Kapitalmärkten kann es jedoch sein, dass das benötigte Kapital nicht aufgenommen werden kann – z. B. weil Banken die Kreditvergabe aufgrund von InformationsÂproblemen einschränken oder weil mit Aufnahme zusätzÂlicher Eigenkapitalgeber die Eigentümerschaft verwässern würde. Indes ist bei einem Verkauf in Folge von LiquidiÂtätsproblemen aufgrund der grundsätzlich gegebenen Rentabilität des Unternehmens nicht mit ArbeitsplatzverÂlusten zu rechnen. Die Verschonungsregeln schützen soÂmit eher die Unternehmerfamilie als Arbeitsplätze.
Auch wenn man das Liquiditätsargument für unternehÂmensvermögensspezifische Ausnahmeregelungen gelten lässt, sind die damit verbundenen Nebenwirkungen zu beachten. Durch die einseitige Begünstigung des BeÂtriebsvermögens steigt die Gefahr der Überinvestition in diese Anlageklasse, da die Rendite im Vergleich zu andeÂren Anlagegütern um die ersparte Erbschaftsteuer steigt. Die Ausgestaltung der Regeln bevorzugt zudem spezifiÂsche Rechts- und Finanzierungsformen, die andernfalls vielleicht nicht gewählt worden wären. Auch ist es keiÂneswegs sicher, dass der Verbleib des Betriebs in der Familie des Erblassers ökonomisch die beste Alternative ist – vielfach wäre es für das Unternehmen vorteilhaft, wenn der neue Unternehmenseigentümer von außen käme. Langfristig könnte die Anzahl der Arbeitsplätze geraÂde aufgrund der Verschonungsregeln sinken – zumal die Behaltefristen und die Lohnsummenregeln ggf. notwendige Strukturmaßnahmen verzögern bzw. unmöglich machen.
Um die entgangenen Steuereinnahmen aufgrund der PriÂvilegierung von Unternehmensvermögen auszugleichen, müssen die Steuersätze an anderer Stelle erhöht werden. Dadurch wird die potenziell wohlfahrtsteigernde Wirkung der Kombination von Einkommens- und Erbschaftsteuer konterkariert.
Ein weiteres Problem wird durch die Verschonungsregeln erzeugt: Der Fiskus muss zwischen produktivem AnlageÂvermögen und unproduktivem Verwaltungsvermögen differenzieren, um Steuergestaltungsspielräume zu schließen. Andernfalls ist die Versuchung groß, auch nicht mit dem Unternehmenszweck verbundene VermöÂgensgegenstände in das Unternehmen einzubringen, um in den Genuss der Ausnahmeregelungen zu gelangen. Diese Gefahr sehen die Verfassungsrichter bei der geÂgenwärtigen Ausgestaltung der Erbschaftsteuer für gegeÂben an und fordern eine Änderung. Allerdings ist die notwenÂdige Abgrenzung von gutem und schlechtem Vermögen immer problematisch und fehleranfällig, da sie von der Finanzverwaltung getroffen werden muss und nicht über den Wettbewerbsprozess erfolgt.
Fazit
Es wäre daher wünschenswert, wenn die Politik die Kraft fände, das Erbschaftsteuerrecht grundlegend zu reformieÂren, statt Stückwerk zu betreiben. Der wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium hat geschätzt, dass bei Streichung der Unternehmensprivilegien und BeibeÂhaltung der persönlichen Freibeträge der Steuersatz pauschal auf 12,5 Prozent gesenkt werden könnte. AlterÂnativ könnten die Steuersätze weiterhin nach dem VerwandtÂschaftsgrad gestaffelt werden. Diese MaßnahÂmen würden die Wohlfahrtsverluste hoher Steuersätze vermeiden, Steuergestaltungsmodellen das Wasser abgraÂben und insbesondere hohe Vermögen der Erbschaftsteuer unterÂwerfen, während die persönlichen Freibeträge die ÜberÂtragung von Vermögen an nahe Verwandte zu einem guÂten Teil freistellen. Möglichen Liquiditätsproblemen könnte mit Stundungsregeln begegnet werden.
Dieser Text ist zugleich als Ausgabe Nr. 01/2015 der Reihe Ordnungspolitischer Kommentar des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln und des Otto-Wolff-Instituts für Wirtschaftsordnung erschienen.
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