Die Lebensversicherungen werden oft als der Deutschen liebste Anlageform bezeichnet. Trotz aller Diskussionen aufgrund der momentan niedrigen Zinsen spielen sie bei der Altersvorsorge nach wie vor eine wichtige Rolle. Dabei erscheint es uns heute völlig normal, dass unterschiedliche Kunden unterschiedliche Beiträge zahlen müssen. Ein wichtiger Faktor ist dabei natürlich das Alter. Das war aber nicht immer so. So wurden noch zu Beginn des 17. Jahrhunderts Leibrenten in der Regel unabhängig vom Alter des Käufers ausgegeben, was dazu führte, dass Nachfrager und Anbieter konträre Interessen hatten. Und so bildete die Frage, wie man den Preis solcher Versicherungsprodukte zumindest vom Alter des Versicherten abhängig machen sollte, eine der wesentlichen Triebfedern der modernen Statistik. Es wurden in der Folge an unterschiedlichen Stellen in Europa Statistiken zu den Todesfällen nach Alter differenziert erstellt.
Dabei wurde zu Beginn erwartet, dass eine ältere Person eine niedrigere Lebenserwartung haben müsste als eine junge. Das kam aber keineswegs heraus. So fand etwa der englische Astronom und Mathematiker Edmond Halley anhand von Daten aus der Stadt Breslau heraus, dass die mittlere Lebenszeit dort 26 Jahre betrug. Gleichzeitig starb aber die Hälfte der Neugeborenen vor dem achten Lebensjahr. Die Ergebnisse der Statistik waren für viele Zeitgenossen derart paradox, dass ihre Verwendung hochumstritten war. Aber wie lassen sich die scheinbaren Widersprüche erklären? Der Grund ist aus heutiger Sicht schnell einzusehen: Die Kindersterblichkeit in der Zeit war sehr hoch. Wenn nun aber eine Person das Kindesalter überlebt hatte, dann blieb sie oft noch viele Jahrzehnte am Leben. Die Lebenserwartung eines Zehnjährigen konnte also durchaus höher sein als die eines Neugeborenen. Und es gab immer wieder Menschen, die das Durchschnittsalter von 26 Jahren um ein Vielfaches überschritten, mit entsprechenden Auswirkung auf die Versicherungen.
Das Unverständnis über dieses statistische Paradoxon und die sich daraus ergebenden Anpassungen der Versicherungsbeiträge war der Auslöser wilder Streitereien. So soll eine vom holländischen „Ratspensionär“ Johan de Witt veranlasste Tarifanpassung aufgrund von Statistiken einen Volksaufstand provoziert haben, in dessen Folge Witt 1672 gelyncht wurde. Für de Witt wurden Sterbetafeln also zur tödlichen Gefahr, heute stellen sie allerdings die unumstrittene Basis zur Kalkulation jeder Lebensversicherung dar.
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