Die Einführung von Studiengebühren schreitet voran. Ihnen wird eine wichtige Rolle bei der Entwicklung einer leistungsfähigen, wettbewerbsorientierten Hochschullandschaft in Deutschland zugerechnet. Doch ob die Maßnahmen der verschiedenen Bundesländer dazu tatsächlich einen Schritt in die richtige Richtung darstellen, darf bezweifelt werden. Die Kritik aus der Wissenschaft richtet sich derzeit vor allem auf die geplante Höhe der Gebühren, die mit maximal 500 Euro pro Semester als zu niedrig angesehen wird. Am Kern des Problems geht diese Kritik allerdings vorbei.
Das deutsche Hochschulsystem hat eine Reihe unübersehbarer Schwächen: (1) Die Hochschulen müssen jeden Bewerber, dem seine Schule die Hochschulreife bescheinigt hat, unabhängig von seiner fachspezifischen Studierfähigkeit akzeptieren. (2) Zumindest in den ZVS-Fächern bekommen die Bewerber ihre Studienplätze in einem planwirtschaftlichen Verfahren zugeteilt. (3) Die Ein¬nahmen der Hochschulen hängen nicht von der Qualität ihres Lehrangebots ab, sondern unterliegen den Haushaltsnöten der Landespolitik, die immer stärker zur Verwaltung des Mangels zwingen.
Wo kein Wettbewerb um das beste Bildungsangebot herrscht, rekrutieren Hochschulen ihr Lehrpersonal nicht nach Lehrqualifikation, sondern rein nach Forschungsqualifikation (und der daran geknüpften Hoffnung auf mehr Drittmittel) oder schlicht nach Seilschaften. Und wer es geschafft hat, einen Lehrstuhl zu bekommen, kann es sich anschließend aussuchen, ob er für den Rest seines Berufslebens Dienst nach Vorschrift machen will. Auch die für das deutsche Hochschulsystem so typische Anonymität zwischen Lehrenden und Lernenden hat ihre Wurzeln letztlich darin, dass Studierende nicht als zahlende, qualitätsbewusste Kunden auftreten können, sondern der staatlichen Hochschulbürokratie und ihrem Lehrpersonal eher als Bittsteller gegenüberstehen.
Um all diesen Mängeln abzuhelfen, wäre vieles nötig: Die Anbieter und Nachfrager von Bil¬dung müssten frei sein in der Wahl ihrer Vertragspartner, d.h. die Hochschulen müssten ihre Studierenden und die Studierenden ihre Hochschule frei auswählen können. Die Hochschulen müssten aus dem öffentlichen Dienstrecht entlassen werden, um stärkere Leistungsanreize für ihr Lehrpersonal setzen zu können. Und sie müssten Studiengebühren erheben, die ihnen zusätzlich zu einer staatlich garantierten Grundfinanzierung eine finanzielle Autonomie geben würden, und zwar aus drei Gründen:
Erstens könnte auf diese Weise ohne Zugangsbeschränkungen und andere dirigistische Eingriffe auf Engpässe und Überkapazitäten mit einer Erhöhung oder Senkung der Studiengebühren reagiert werden.
Zweitens würden finanzielle Mittel verfügbar, die von den Hochschulen dazu eingesetzt werden könnten, ihr Lehrangebot zu verbessern und damit in einen Leistungswettbewerb mit anderen Hochschulen des In- und Auslandes einzutreten.
Drittens würden die Studierenden in die Lage versetzt, für ihr gutes Geld auch gute Leistung verlangen zu können, wovon die Qualität der Ausbildung profitieren würde. Zudem würden sie ihr Studium weniger als Konsum- und mehr als Investitionsgut begreifen.
Keine einzige dieser Lenkungsfunktionen wird erreicht, wenn die Entscheidung über die Erhebung von Studiengebühren nicht bei den Hochschulen, sondern bei den Bundesländern liegt und wenn die Höhe der Gebühren nicht nach Angebot und Nachfrage an der jeweiligen Hochschule und im jeweiligen Studienfach differenziert wird.
Das derzeit vorgesehene Modell führt also nicht zu mehr Wettbewerb, indem es den Hochschulen einen preislichen Wettbewerbsparameter an die Hand geben würde, sondern wirkt wie eine Zusatzsteuer auf Bildung. Es ist deshalb verständlich, wenn Studierende gegen die geplante Einführung von Studiengebühren in Deutschland auf die Straße gehen, da sie wohl zu Recht vermuten, dass es hier nicht um den Einstieg in eine grundlegende Reform des Hochschulwesens geht, sondern eher um ein Stopfen allgemeiner Haushaltslöcher zu Lasten der Bildung insgesamt.
Es ist eine allgemeine Erfahrung, dass staatliche Monopole nicht aus ihrem Kern heraus, sondern von den Rändern her erodieren. Immer mehr private Hochschulen machen es vor, wie mit weitgehender Autonomie und differenzierten Studiengebühren ein qualitativ hochwertiges Lehrangebot erstellt werden kann. Und sie demonstrieren zugleich, wie mit intelligenten Kon¬zepten von Stipendien und Studiendarlehen sichergestellt werden kann, dass Hochschulbildung auch in einem System mit Studiengebühren nicht zum Privileg für die Kinder von Besserverdienenden werden muss.
Über zusätzliche Instrumente – etwa die Ausgabe von Bildungsgutscheinen – sollte nachgedacht werden, damit die Einführung von Studiengebühren nicht den unerwünschten Nebeneffekt nach sich zieht, die Zahl der Studierenden insgesamt zu reduzieren. Denn im internationalen Vergleich ist der Anteil der Hochschulabsolventen an den Erwerbspersonen in Deutschland immer noch niedrig. Auch der Strukturwandel bei der Arbeitsnachfrage und die Entwicklung der qualifikationsspezifischen Arbeitslosenquoten machen deutlich, dass Investitionen in die Bildung längerfristig der beste Garant für Wachstum und Beschäftigung darstellen.
Es wäre dringend geboten, dass sich die deutschen Hochschulpolitiker bei ihren Plänen zur Einführung von Studiengebühren mehr am Leitbild des Wettbewerbs und weniger an den fiskalischen Prinzipien der Steuerpolitik orientieren würden.
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Ich kann Ihnen inhaltlich nur zustimmen. Ob aber die Einschätzung über die Motivation der Studentendemonstrationen ins Schwarze trifft, möchte ich bezweifeln. Im allgemeinen wird schlicht die Tatsache beklagt, für eine Hochschulausbildung selbst zahlen zu müssen. Dies wird in der Regel ad hoc im Rückgriff auf Argumente der sozialen Gerechtigkeit und dem Vorwurf ungleicher Bildungschancen begründet. Akademische Bildung als individuelle Investition in die Zukunft zu betrachten, deren Kosten man ebenso trägt, wie man von den Erträgen profitiert, scheint noch lange keinen Weg ins Bewusstsein der heutigen Generation von Studierenden zu finden.
Das Problem mit Chancengleichheit in der privaten Bildung lässt sich aber nicht so einfach ausräumen und das liegt in der Tatsache daß eine Bildungsinvestition mit Fremdkapital einfach teurer ist – insbesondere für einen Studenten dessen einzige Sicherheiten gute Abiturnoten sind.
Wenn die Entscheidung zu studieren von einer individuellen Kosten-Nutzen Rechnung abhängt, dann hat das eigenartige Effekte zur Folge. Nehmen wir an, der Nutzen durch das Studium beträgt 200000. für Student E(igenkapital) kostet das Studium 150000, für F(remdkapital) 210000. F und E sind gleich begabt.
F verzichtet jetzt wegen der Kosten-Nutzen Geschichte und wird Taxifahrer. Da es nun weniger Studenten gibt, wird das Studium für E billiger. Und da es in der Folge weniger Graduierte geben wird, wird E mehr Gehalt kassieren als erwartet. Der Vorteil für E erhöht sich also weiter.
Da aber nun die Gesamtqualifikation niedriger ist als wenn F auch studiert hätte, hat das auch eine Auswirkung auf den Gesamtoutput: der sinkt nämlich.
Gesamtgesellschaftlich wäre es also besser, wenn F auch studiert hätte: höherer Output und geringere Produktionskosten wären die Folge. Aber sowohl E als auch F machen ein Minusgeschäft dabei – und da muss jemand ausgleichen.
Im Grunde ist die gleiche Geschichte mit der man eine Schulpflicht begründen kann: Bildung erzeugt eine positive Externalität, weil es die Produktivität eine Volkswirtschaft hebt, selbst wenn individuell die K-N Rechnung nicht aufgeht.
„Das derzeit vorgesehene Modell führt also nicht zu mehr Wettbewerb, indem es den Hochschulen einen preislichen Wettbewerbsparameter an die Hand geben würde, sondern wirkt wie eine Zusatzsteuer auf Bildung.“
Dies nur um mit dem einen richtigen Satz in Ihrem Beitrag anzufangen.
1. Sie schreiben: „Die Einführung von Studiengebühren schreitet voran. Ihnen wird eine wichtige Rolle bei der Entwicklung einer leistungsfähigen, wettbewerbsorientierten Hochschullandschaft in Deutschland zugerechnet.“
Hier wäre es angezeigt zu definieren, ob die deutschen Hochschulen
a) nicht schon leistungsfähig sind und
b) in welche Richtung die Steigerung der Leistungsfähigkeit gehen sollte.
Oft werden die deutschen Hochschulen mit den in den USA verglichen. Dabei wird auch oft gesagt, dass wir keine Ivy-Universität wie in den USA, aber auch nicht so schlechte Universitäten, wie es viele in den USA sind, haben. Kurz: schlechter in der Spitze, besser in der Breite.
Sie mögen hier anderer Meinung sein, aber dies bleibt unklar.
2. Sie schreiben: „Die Einführung von Studiengebühren schreitet voran. Ihnen wird eine wichtige Rolle bei der Entwicklung einer leistungsfähigen, wettbewerbsorientierten Hochschullandschaft in Deutschland zugerechnet.“
Was ist wettbewerbsorientiert denn für ein Ziel? Das mag ein Mittel sein, um ein bestimmtes Ziel besser zu erreichen, aber doch kein Ziel (außer man argumentiert ideologisch). Interessanterweise erwähnen sie ein anderes häufig genanntes Ziel hier nicht: einen höheren Anteil an Studierenden innerhalb eines Jahrgangs.
Es wäre auch schwierig zu begründen, wie ein solches Ziel mit einem solchen Mittel erreicht werden sollte. Für die Allgemeinheit mag dies hierdurch ja günstiger werden, aber für den Nachfrager des Gutes (den potentiell Studierenden) wird das Gut (Studium) hierdurch teurer. Und in der Regel sinkt die Nachfrage nach einem Gut, wenn das Gut teurer wird.
Am Schluss Ihres Beitrags gestehen Sie es ja auch zu: „Über zusätzliche Instrumente – etwa die Ausgabe von Bildungsgutscheinen – sollte nachgedacht werden, damit die Einführung von Studiengebühren nicht den unerwünschten Nebeneffekt nach sich zieht, die Zahl der Studierenden insgesamt zu reduzieren.“
Die Einführung von Studiengebühren bedeutet – das sehen Sie offentlichlich auch so -, dass die Zahl der Studierenden sinken wird. Dies wäre auch für Sie schlecht und damit dies nicht geschieht, sollte „über zusätzliche Instrumente … nachgedacht werden“. Man muss dies genau lesen: „zusätzliche“ Instrumente, d.h. die anderen Instrumente sind vorrangig. Und „nachgedacht“, d.h. die Umsetzung fordern Sie nicht zwingend, wenn man beim „Nachdenken“ zu einem ablehnenden Urteil kommt.
Denn Ihr Hauptziel ist offensichtlich nicht die Steigerung der Studierendenzahl sondern die Steigerung des Wettbewerbsfähigkeit der Universitäten.
Warum auch immer.
3. Sie schreiben: „Zweitens würden finanzielle Mittel verfügbar, die von den Hochschulen dazu eingesetzt werden könnten, ihr Lehrangebot zu verbessern“
Wenn Sie wollen, dass dies geschieht, müssten Sie auch folgendes fordern:
a) Die staatlichen Zuschüsse werden nicht gesenkt (auch nicht real) sondern erhöhen sich mit der Inflation.
b) Das Geld müsste auch zwingend zur Verbesserung des Lehrangebots eingesetzt werden. Schon jetzt wollte z.B. die Uni Ulm das Geld für die Heizkosten ausgeben (ähnliches angedacht war auch in Freiburg und Mannheim). Auch müsste geklärt werden, was genau denn unter „Verbesserung des Lehrangebots“ zu verstehen ist.
c) Auch müsste geklärt werden, wie gegen einen solchen Missbrauch leichter, schneller und sicherer als über Proteste von Studierenden vorgegangen werden kann.
4. Sie schreiben: „Drittens würden die Studierenden in die Lage versetzt, für ihr gutes Geld auch gute Leistung verlangen zu können,“
Verlangen können sie es, aber wie können sie dieses Verlangen auch durchsetzen? Wenn ich als Lidl-Kunde mit den Leistungen von Lidl nicht mehr zufrieden bin, wechsel ich problemlos zu Aldi (und umgekehrt). Wenn ich als Studierender der Uni Münster mit den Leistungen meiner Uni nicht mehr zufrieden bin, wechsel ich dann zur Uni Dresden?
Sicherlich möglich, aber dieser Wechsel bedarf eines recht hohen Aufwandes (auch finanziell: Suchkosten, Umzugskosten etc.). Auch ist dies kaum möglich, wenn ich schon weit fortgeschritten im Studium bin, denn die von mir gewählten Schwerpunkte im Hauptstudium werden woanders eventuell so nicht angeboten.
Daher wäre es sicherlich sinnvoll, wenn die Studierenden nicht nur mehr zahlen müssten sondern gleichzeitig der Asta auch einen deutlich höheren Einfluss auf die Gestaltung seiner Uni bekäme. Eine solche Forderung höre ich aber nirgends.
Lesen Sie z.B. mal dies hier: http://www.innovation.nrw.de/Hochschulen_in_NRW/Recht/HFG.pdf und sagen Sie mir dann, wie Studierenden ihre Forderungen auch durchsetzen können.
5. „Immer mehr private Hochschulen machen es vor, wie mit weitgehender Autonomie und differenzierten Studiengebühren ein qualitativ hochwertiges Lehrangebot erstellt werden kann.“
Beispiele? Die Privatuni Witten-Herdecke ist praktisch kurz vor dem Konkurs aufgekauft worden. Die Privatuni Bremen ist kurz vor der Pleite aufgekauft worden. Von Autonomie kann hier also keine Rede mehr sein, allenfalls von staatlicher Autonomie. Welche private Universität in Deutschland haben Sie im Blick, die ähnlich viele Studierende ausbildet und einen ähnlich breiten Fächerkanon hat wie z.B. die durchaus nicht ungewöhnliche staatliche Universität Osnabrück?
Es ist ein ziemliches Kreuz mit den Studiengebühren. Ich selbst bin aus dieser Geschichte zwar längst raus, habe aber Freunde, die noch studieren. Viele von denen hätten (entgegen der offiziellen Aussagen) nichts gegen die Gebühren, würden sie auf eine andere, faire Art erhoben. Aus persönlichen Gesprächen hat sich ein für alle relativ akzeptables Modell herausgestellt: Der Staat finanziert die Gebühren vor, ggf. auch für einen Platz im Studentenwohnheim, und Rückzahlungen müssen erst ab einem bestimmten, relativ großzügigem Nettoeinkommen geleistet werden. Beispiel: Rückzahlungsgrenze ab 1500 Euro Netto. Abhängig davon, was der Student in Anspruch genommen hat (Studienfach, Dauer, evtl. gebührenfinanzierter Wohnplatz im Studentenheim) muss von jedem zusätzlichen Euro ein gewisser prozentualer Betrag gezahlt werden, z.B. 50%. (Die genaue Prozentzahl ist dem Studenten vorher bekannt.) Wer also 2000 Euro Netto erhält, muss z.B. 250 Euro abgeben. Sobald das Geld zurückgezahlt ist, bleibt nur noch ein allgemeiner Satz, z.B. 10%, bestehen, mit dem Verluste mit anderen Studenten ausgeglichen, und weitere Investitionen finanziert werden können. Ach ja, und die individuellen Rückzahlungen sollten mindestens zu 50% direkt an die betroffenen Lehranstalten gehen, damit sich deren individuelle Leistung lohnt.
Der große Vorteil eines solchen Modells, wo der Staat in Vorleistung gehen muss, besteht darin, dass dieser Staat an exakt einer Sache interessiert ist, die ihm heute (kurzfristig) herzlich egal sein kann: Nämlich daran, dass seine Studenten im Anschluss Geld verdienen. Die Universitäten im Osten haben teilweise 4 Semester kürzere Regelstudienzeiten, als die im Westen. Im Durchschnitt! Das ist für einen Durchschnittswert eine Hammerzahl. Sind die Oststudenten genetisch überlegen? Wunderkinder? Oder spricht dies für eine weitaus bessere Organisation der Studiengänge dort? Zwei Jahre weniger Studiendauer bedeuten zwei Jahre weniger Kosten, aber ggf. zwei Jahre mehr Einkommen. Es wäre von einem Augenblick auf den anderen für die Universitäten nicht mehr scheißegal, ob der Student mit seinem Lehramtsstudium doch nur auf den Taxischein studiert, oder ob das, was er da tut, einen Sinn macht. Der Staat hätte Interesse an einem frühen Studienbeginn (zwölf Schuljahre, Wehrpflicht ökonomisch betrachten), und so weiter, und so fort. Vor allem wäre dieses Interesse auch, und gerade bei den Universitäten vor Ort gegeben. Gleichzeitig hätten die Studenten weit weniger Angst vor den Folgen ihrer Entscheidung, weil es für die meisten vollkommen in Ordnung ist, ab einem gewissen soliden Grundeinkommen zur Bezahlung anzutreten. Sogar eine Art Bildungssoli selbst nach Abbezahlung der Schulden wäre für die meisten in Ordnung. Der wahre Horror der Leute besteht darin, entweder keinen Job zu kriegen, oder aber einem Gebührenmodell ausgesetzt zu sein, in dem sie immer noch wie Dreck behandelt werden, und die Rückzahlung faktisch ab Erreichen des Existenzminimums anfängt. Wenn man dann nämlich nach erfolgreichem Studium feststellen muss, dass man dank staatlicher Inkompetenz ohne Studium und mit McDonalds-Job weitaus besser gefahren wäre, dann erst werden die Leute verbittert. Keine unberechtigte Angst, wenn man z.B. Durchschnittslohn und Arbeitszeiten eines ausgebildeten Informatikers mit dem des Fließbandarbeiters bei einem Automobilkonzern vergleicht.
> Drittens würden die Studierenden in die Lage versetzt, für ihr gutes Geld auch gute Leistung verlangen zu können, wovon die Qualität der Ausbildung profitieren würde.
Naja, Theorie und Praxis: Verlangen kann man immer irgendwas, nur welches Druckmittel hat man denn als Student wirklich? „Sonst geh ich woanders hin?“ Dazu sind viele Studiengänge zu speziell, zumindest im technischen Bereich ist es keineswegs selbstverständlich, einfach so die Universität wechseln zu können ohne ganze Semesterleistungen komplett zu verlieren. Für „normale“, also mit Ziel eines Abschlusses studierende sicher keine ernstzunehmende Option.
Etwas anderes wäre es, wenn man diverse Zusatzleistungen direkt bezahlen könnte, so dass ganz offensichtlich ein Mehrwert dabei herauskommt.
Im Augenblick konnte ich jedenfalls noch keine Verbesserung durch die Einführung von Studiengebühren an meiner Universität feststellen, abgesehen von einem neu angeschafften TFT-Bildschirm, der nun im Flur hängt… auf solche Verbesserungen kann ich allerdings verzichten, das ist mir keine 500 Euro pro Semester wert.
@ Ben,
klingt gut, hat aber auch sein Haken.
1. Die heutigen Studiengebühren sind doch erst der Einstieg. In GBR haben sich die Studiengebühren in wenigen Jahren verdreifacht, auf nun über 4500 Euro pro Jahr (maximal, wird aber meistens verlangt). Rechnen wir mit 4 Studienjahren sind dies 18000 Euro Schulden zum Berufseinstieg (höher natürlich, wenn man während des Studiums arbeiten musste). Bei deinem Modell würde jemand, der 2000 Euro netto (!) verdient, immerhin 6 Jahre benötigen, um dies zurückzuzahlen. Wenn man aber darüberhinaus noch Geld aufnehmen musste, um seinen Lebensunterhalt während des Studiums zu finanzieren, kann auch leicht deutlich länger dauern. Kredite zum Berufseinstieg (oder auch zur Familiengründung nach dem Studium) wie häufig üblich, sind dann da nicht mehr drin.
2. Es hört sich ja gut an, dass der, der weniger als 1500 Euro verdient, (erst einmal) nichts zurückzahlen muss, aber die Schulden bleiben bestehen. Natürlich dürfte die Kreditwürdigkeit dieser Person sehr gering sein. Eigentlich kann man den Personen in einem solchen Fall nur empfehlen (v.a. wenn die Schulden – siehe 1. – wegen der Lebenshaltungskosten während ihres Studiums höher sein sollten) nach ihrem Studium erst einmal Privatinsolvenz anzumelden.
Ergo: eine Methode, dass mehr Personen eines Jahrgangs ein Studium aufnehmen, dürfte dies sicherlich nicht sein.
Wenn man nun versucht die finanziellen Möglichkeiten der Hochschulen dadurch zu verbessern, daß man auf angelsächsische Modelle auszuweichen sucht, ist dies im Grunde eine Bankrotterklärung der deutschen Bildungspolitik, denn es verneint die Verantwortung des Staates für die allgemeinen Bildungschancen und überantwortet diese wieder dem Einzelnen. Gerade so, als hätte die Gesellschaft keine Vorteile von Hochschulabsolventen. Ich jedenfalls hätte ein Studium um den Preis einer langfristigen Verschuldung nicht aufgenommen. Und ich möchte in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß wir mit weniger Studenten wohl kaum besser auf die Herausforderungen der arbeitsteilig organisierten Welt gerüstet sind…
@Dr. Henrichs
Das von mir beschriebene Modell ist in einigen Punkten sogar noch wesentlich brutaler, als Sie es darstellen, und dennoch halte ich es für fair. Brutaler, weil ich für diese Sorte Schulden die Wirksamkeit der Privatinsolvenz per Gesetz ausschließen lassen würde, und weil ich sogar über sehr viel gewaltigere Studiengebühren, als „nur“ 2000 Euro im Jahr nachdenke. Dennoch glaube ich, und eben auch viele Studenten aus meinem Freundeskreis, dass es fair wäre. Warum? Ihr Einwand mit den Schulden klingt zutreffend, ist es aber nicht ganz, weil das keine „normalen“ Schulden sind. Normale Schulden schnüren dem Schuldner bis zum Existenzminimum oder sogar weiter ein, er kann nichts mehr auf die Beine stellen. Die von mir skizzierten Schulden wären anders: Sie würden erst ab einem Einkommen bemerkbar, wo der Student allmählich sagen kann, dass sich das Studium gelohnt hat. Kreditwürdigkeit würde man dennoch behalten. Jemand, der 2000 Euro Netto bekäme, und davon 250 für Rückzahlungen aufbringen müsste, hätte eben die Kreditwürdigkeit eines Menschen mit 1750 Euro Nettoeinkommen. Vielleicht mit einem ganz leichten Abschlag, weil das Risiko, einen 2000 Euro-Netto-Job nicht zu halten eventuell geringfügig höher ist, als das Risiko einen 1750-Euro-Job zu verlieren.
Theoretisch, und das ist der große Unterschied zur normalen Schuldsituation, könnte man nach diesem Modell sogar eine Million Euro Schulden haben, und wäre dennoch nicht ewig von den Chancen des Lebens ausgeschlossen. Nur der eigene Einkommensanstieg wäre gebremst, aber eben erst auf einem höheren Niveau. Genau deshalb ist es aber so enorm wichtig, dass die Rückzahlungsverpflichtung nur für deutlich über dem Existenzminimum liegende Nettoeinkommen einsetzt. Die Strategie, die ich hier beschreibe, ist extrem defensiv gewählt, aber das passt zur Zeit. Die meisten Leute, gerade jüngere, haben eine Heidenangst, dass hier alles implodiert. Dass sie sich den Rest ihres Lebens mit ausbeuterischen Praktika, mies bezahlten Jobs und allgemeiner Chancenlosigkeit rumschlagen müssen. Das ist es, was die Leute *richtig* fertig macht. Wer hingegen erst einmal auf einer halbwegs soliden Basis steht, wie z.B. 1500 Euro Netto, der ist heilfroh, dass er das geschafft hat. Und dann ist es auch egal, wenn von jedem Zusatzeuro Netto nur noch die Hälfte ankommt.
Wohlgemerkt, man kann dieses Modell sofort ins Asoziale drehen, indem man die Rückzahlungsgrenze niedriger ansetzt, oder -vielleicht perfider- sie einfach nicht an die allgemeine Preisentwicklung anpasst. Das darf natürlich nicht sein – die faire Grenze für das nächste Jahr läge eher bei ca. 1530 Euro als bei 1500. Das ist der Punkt, wo Wachsamkeit geboten ist, ebenso in vielen Details.* Hingegen macht es den meisten Studenten nichts aus, wenn sie die Aussicht, als Taxifahrer oder Hartz IV-ler zu enden, deutlich reduzieren können, auch wenn der Preis darin besteht, dass sie vielleicht nicht ganz so reich werden können, wie ohne die Gebühren. Viel, viel wichtiger als richtig reich zu werden, ist den Meisten aber eine deutliche Verringerung ihres Armutsrisikos. Wenn dazu dann noch eine deutliche Verbesserung der Studienbedingungen käme, wäre das für die Meisten eine fantastische Gewinnsituation.
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*Im Sinne der Übersichtlichkeit mächte ich nicht zu sehr auf Details eingehen. Aber so sollten z.B. Eltern, während sie Kinder großziehen, einen höheren Freibetrag erhalten als Kinderlose.
Der abschliessende Hinweis des Artikels, dass der Anteil der Hochschulabsolventen international noch niedrig sei, ist in diesem ansonsten recht guten Beitrag ziemlich überflüssig. In Deutschland ist Bildungspolitik nach wie vor Planwirtschaft pur. Zu Recht fordert der Autor mehr Autonomie, Freiheit und Wettbewerb für die Universitäten. Dies kann allerdings nicht funktionieren, wenn zugleich planwirtschaftliche Endziele, wie ein bestimmter Absolventenanteil an der Erwerbsbevölkerung ausgegeben werden.
Bildung ist eine Dienstleistung. Es kann unterschiedliche Gründe geben, diese in Anspruch zu nehmen – Interesse, Freude am Lernen, bessere Berufschancen etc. Was genau die Motivation ist, ist eigentlich auch gleich – in jedem Fall geht es um eine individuelle Entscheidung über die Gestaltung des eigenen Lebens. Das ist eine Entscheidung, die den Staat, die „Gesellschaft“ nicht das geringste angeht. Und natürlich ist es eine Entscheidung, für die der Kunde – also bspw. Student – voll selbst aufzukommen hat.
Menschen sind nie Mittel zum Zweck. Bürger werden nicht durch die Universität geschleust, damit es dem Staat besser geht. Das ist vielleicht in menschenverachtenden Systemen wie dem (National)Sozialismus der Fall – man sollte meinen, dass gerade die BRD sich von diesem Menschenbild gelöst habe… Menschen nehmen auch nicht ein Bildungsangebot in Anspruch, weil sie „der Gesellschaft“ dienen wollen, sondern weil sie ihr eigenes Leben verbessern wollen. Jeder Versuch, Bildung zentral zu lenken und zu steuern, die Studenten damit zu Schachbrettfiguren in einem grossen gesellschaftspolitischen Spiel um Wachstum und Reichtum zu degradieren, ist inhuman.
Der Versuch, die staatliche Finanzierung etwa eines Studiums mit Wohlstandseffekten zu begründen, ist darüber hinaus unglaublich verlogen. Nur in einem freiwilligen Tausch stellen sich beide Transaktionspartner subjektiv besser, wird also Wert geschaffen. Ist ein Tauschpartner jedoch zu der Transaktion gezwungen, so ist davon auszugehen, dass er nicht freiwillig daran teilnehmen würde. Er stellt sich durch den Tausch also schlechter, nur der Tauschpartner profitiert. Wenn also Studenten das Studium steuerfinanziert wird, so stellen sie sich damit vermutlich besser. Sie sollten aber ihr Gewissen nicht mit unsinnigem Firlefanz beruhigen können, wie dass sie damit anderen effektiv nützten. Nein, sie bereichern sich durch diese Transaktion auf Kosten anderer. Andere Menschen werden durch den Staat gewzungen, einen Teil ihrer Lebenszeit dafür aufzuwenden, um fremden Menschen ein Studium zu finanzieren – ob sie wollen oder nicht. Es ist absurd zu behaupten, dass dies ein Nutzen für diese faktisch partial-versklavten Menschen sei. Es mag sein, dass die berufliche Tätigkeit eines gut ausgebildeten Menschen effizienter und damit wohlstandfördernder ist, als die eines ungebildeten. Dies ist allerdings nicht grundsätzlich der Fall – ein hervorragend ausgebildeter Bankräuber etwa trägt mit Sicherheit nicht zum Wohlstand einer Gesellschaft bei. Nur auf einem freien Bildungs- und Arbeitsmarkt kann durch einen freien Preismechanismus sichergestellt werden, dass optimal ausgebildete Personen an den richtigen Stellen einen maximalen Wohlstandsoutput erwirtschaften. Planwirtschaft zerstört jedoch den Preismechanismus – d.h. in Deutschland lässt sich überhaupt nicht sagen, wieviel Bildung in welcher Qualität wirklich notwendig wäre. Der mögliche Wohlstandsgewinn durch Bildung kann tatsächlich längst mehr als aufgewogen werden durch die Fehlallokationen im staatlichen Bildungssystem. Daher nochmal: Kein Student soll sich einbilden, er tue etwas für die Gesellschaft, wenn er sich von Steuerzahlern aushalten lässt!
Mindestens ebenso verlogen ist die Behauptung, staatliche Studienfinanzierung sei „sozial“, weil sie Armen das Studium ermögliche. Tatsache ist, dass der Staat gar nichts finanziert, nur der Steuerzahler kann dies. Unser Bildungssystem hat trotz Planwirtschaft eine enorme soziale Undurchlässigkeit. D.h. im Zweifelsfall sudieren die Kinder von Studierten. Besserverdienende könnten jedoch ihren Kindern das Studium auch privat finanzieren. Effektiv drauf zahlt in diesem System der gering qualifizierte Arbeiter, dessen Kinder eben nicht studieren. Wir erleben also eine Umverteilung von unten nach oben. Das hat nichts mit Chancengleichheit oder Leistungsgerechtigkeit zu tun – nichts ist unsozialer als unser staatliches Bildungssystem.
Diese Kommentare beziehen sich zugegebenermassen mehr auf die Beiträge der anderen Leser, als auf den Beitrag. Der Beitrag erkennt zumindest richtig, dass nur mehr Markt unser Bildungssystem leistungsfähiger und auch gerechter (!) gestalten könnte. Die sozialpolitischen Mythen und gesellschaftsklempnerischen Grossmachtsphantasien, die in einigen Kommentaren durchklingen, sind jedoch schwer zu ertragen.
Meine Herren, ich finde es schade, dass Sie alles in Ihrer Diskussion nur auf einen Preis-Leistungsvergleich reduzieren. Ihre Thesen beschränken sich darauf, was bekomme ich für mein Geld. Das ist leider eine Diskussion über das Mittelmaß. Wenn ein junger Mensch weiß, das er was kann und weiß, was er will, dann wird er sich auch die besten Bildungschancen aussuchen, um nach seinem Studium die bestmöglichen Aussichten auf einen Job zu haben, der ihn nicht nur finanziell absichert sondern auch vielleicht noch Spaß bereitet. Warum sollte dieser junge Mensch auf seinem Weg nicht auch einen Kredit o.a. aufnehmen, um an sein Ziel zu gelangen. Denn anders herum zahlt für jedes Studium der Steuerzahler bei steigenden Hochschulkosten. Sicher hat der Staat etwas davon, wenn der Bildungsgrad im Land hoch ist. Das Problem dabei ist nur, dass der Staat pleite ist. (Bitte jetzt keine Diskussionen darüber, dass ein Staat nie bankrott sein kann).
Ihr macht es mir überraschend einfach, die Ideologie aufzuzeigen. Mehr will ich ja gar nicht, denn mehr kann ich nicht erreichen. Ich halte es jedenfalls für unwahrscheinlich, dass ich z,B. Christian Hoffmann davon überzeugen könnte, dass der blanke Marktfetischismus auch ökonomischer Unsinn ist.
Konkret:
@ Ben,
Ihr Modell mag ja besser sein als das nun praktizierte (das will ich gar nicht diskutieren, wobei nur eine Anmerkung: Wie attraktiv wird ein Studium, wenn man sehr viel mehr als 2000 Euro im Jahr zahlen soll und Privatinsolvenz sogar ausgeschlossen wird?), aber auch bei Ihnen vermisse ich eine Zieldefinition. Was wollen Sie eigentlich erreichen?
Das Ziel „mehr Studierende“ dürften Sie verglichen mit einem gebührenfreien Studium sicherlich verfehlen. Das Ziel „bessere Studienausstattung“ wird nur erreicht, wenn der Staat sich nicht zurückzieht sondern die Gebühren wirklich zusätzlich sind. Da Sie sich aber nur zu Ihrem Modell äußern, weiss ich nicht, ob Sie dafür sind. Oder ob es Ihnen vor allem darum geht, dass die Nutzer zahlen und Sie sich über die Folgen keine Gedanken machen.
@ Christian Hoffmann,
„Jeder Versuch, Bildung zentral zu lenken und zu steuern, die Studenten damit zu Schachbrettfiguren in einem grossen gesellschaftspolitischen Spiel um Wachstum und Reichtum zu degradieren, ist inhuman.“
Danke dafür. Besser hätte ich Ihre Position auch nicht herausarbeiten können. Ihr Hauptziel ist also nicht „mehr Studierende“ oder „bessere Studienbedingungen“ sondern schlicht kein Einfluss des Staates auf die Bildungspolitik. Wenn dies Ihr Ziel ist, dann ist Ihre Position selbstverständlich konsequent und richtig. Natürlich sehen Sie nicht, dass wenn der Staat sich zurückzieht, andere Kräfte Einfluss auf die Bildung gewinnen und Studierende eventuell genauso (oder noch stärker) als „Schachfiguren“ missbrauchen. Aber egal, Hauptsache es ist nicht der Staat.
@ Uwe B.
auch bei Ihnen ist die Frage zu stellen: was ist Ihr Ziel? Sicherlich kann ein junger Mensch einen Kredit aufnehmen, um sein Ziel zu erreichen. Aber glauben Sie, dass wir mehr Studierende bekommen, wenn dieser Mensch einen Kredit aufnehmen muss als wenn er dies kostenlos bekommt? Glauben Sie, dass das Studium dadurch besser wird? Wenn nicht: was ist Ihr Ziel?
Im übrigen: ich habe den Administrator versprochen beim Thema zu bleiben. Daher hätte ich gar nicht darüber diskutiert, ob der Staat pleite ist oder nicht. Aber erlauben Sie mir doch kurz zu sagen, dass diese Aussage kompletter Schwachsinn ist. Aber vielleicht kann man darüber ja mal bei anderer Gelegenheit diskutieren.
*seufz*
Auftritt der Neoliberalen (und NICHT der Ordoliberalen!), und schon rauscht das Diskussionsniveau in den Keller – inklusive des nie fehlen dürfenden Grundvorwurfs, dass natürlich jeder, der sich Gedanken über gesellschaftliche Auswirkungen macht, im Prinzip schon so was wie ein Nazi ist, mindestens aber inhuman. Insbesondere für Sie, Herr Hoffmann, sage ich jetzt mal was grundsätzliches: Die persönliche Freiheit des Menschen ist mir extrem wichtig. Ich weiß aber auch, dass Freiheiten in dieser Gesellschaft an Status und Besitz gekoppelt sind. Beispiele: Wer wenig Geld hat, trägt oft ein unakzeptabel hohes Risiko, seine Rechte vor Gericht einzuklagen, und wird es ggf. selbst bei einer Gewinnchance von 80% sein lassen. Weil eine Niederlage einem Totalverlust gleichkäme. Das Paradebeispiel hierfür sind die tagtäglichen Abmahnwellen mit ihren absurd hohen Streitwerten. Wer einen Job annehmen muss, weil er ansonsten in Gefahr gerät, auf der Straße zu landen und zu verrecken, dessen reale Veretragsfreiheit ist extrem eingeschränkt. Das waren Beispiele, wo Freiheiten an Besitz gekoppelt sind; das Studium hingegen hängt mit einer an Status gekoppelten Freiheit zusammen. Sie könnten sich in jeglichem Rechtsgebiet exzellent auskennen, besser als die meisten Anwälte und Richter, und dennoch wäre es Ihnen bei Strafandrohung (!) nicht gestattet, als Richter, (Staats-)Anwalt, oder auch nur als Rechtsberater zu arbeiten. Nicht ohne ein vorher abgeschlossenes Staatsexamen, welches Sie wiederum nur ablegen dürfen, wenn Sie studiert haben. Wer dann niemanden findet, der ihm das Studium finanziert, dessen reale Freiheit der Berufswahl ist extrem eingeschränkt.
Ich denke an solche Nebeneffekte. Mir ist Freiheit im Sinne von Chancengleichheit die wichtigste. Nicht absolut, es muss immer Abwägungen geben (sonst dürfte auf Autobahnen nur Tempo 30 gefahren werden, um möglichst viele tödliche Unfälle zu vermeiden), aber eine Gesellschaft, in der die Begabung eines Menschen zu stark hinter dessen Herkunft zurück rutscht, wäre inhuman. Es gibt weitere Facetten, aber diese eine reicht mir persönlich schon als Grund, wieso ich mir sehr wohl Gedanken zu den gesellschaftlichen Auswirkungen gewisser Entscheidungen mache. Ich bitte Sie, Herr Hoffmann (aber auch alle anderen mit ähnlicher Argumentation) die Legitimität dieser Motive ein für allemal anzuerkennen, und die Nazivergleiche, Vorwürfe der Inhumanität etc., die Sie dieser Haltung entgegen bringen, ebenfalls ein für allemal stecken zu lassen. Ist dies für Sie akzeptabel? Oder kommen Sie darauf nicht klar? Können Sie ohne solche Nazivergleiche Ihre Argumentation nicht entfalten, oder geht es auch mal eine Nummer tiefer? Ein Statement dazu wäre mal nett.
Nun zur Sache selbst. Ich sehe, dass der Staat hierzulande diverse Rahmenbedingungen vorgibt. Unter anderem bestimmt er eigenmächtig darüber, wer einen gewissen Beruf ausüben darf, und wer nicht, und koppelt dies in vielen Fällen an ein Studium. Gleichzeitig sorgt er dafür, dass der aus einem Studium erzielbare Realgewinn deutlich niedriger ist, als in vielen anderen Ländern. Die Medizinerausbildung sei hier mal stellvertretend als ein Beispiel von vielen genannt. So lang dies der Fall ist, erscheint es mir nur rechtmäßig, dass er im Sinne der Freiheit der Berufswahl für möglichst viel reale Chancengleichheit sorgt. Ich verstehe aber auch das Bestreben, diejenigen, die ein Studium in Anspruch nehmen, dies eigenständig bezahlen zu lassen. Mein Modell liegt in Grundzügen auf dem Tisch. Wer ein Studium finanziert bekommen möchte, kann hierfür auf den Staat zurückgreifen. Die dabei entstehenden Kosten muss er gemeinsam mit seinen Mitstudenten zurückzahlen. Die Rückzahlungsmodalitäten treten erst ab einem gewissen Nettoeinkommen in Kraft, sagen wir mal grob geschätzt ab dem eineinhalbfachen des Existenzminimums. Ab dieser Schwelle muss er 50% jedes darüber hinausgehenden Euros zur Rückzahlung der Vorleistungen verwenden. Zudem wird er auch nach Rückzahlung seines persönlichen Studentenkredits für den Rest seines Lebens einen gewissen Anteil, z.B. 10% jeglichen über dem Schwellwert liegenden Einkommens weiterbezahlen, um die in diesem Kreditmodell entstehenden Ausfälle zu kompensieren. Natürlich wäre jeder frei, dieses Angebot des Staates anzunehmen, oder es bleiben zu lassen. In meinen Augen wäre das ein faires Angebot. Die persönliche Chancenfreiheit der Menschen bliebe erhalten, der Staat würde für die Folgen der von ihm gesetzten Regeln mit in die Pflicht genommen, und das Studium würde weitestgehend auf eine Form der Kreditfinanzierung umgestellt. Alles in Ihrem Sinne also. Oder etwa nicht?
@Ben: Sie können sich Gedanken über gesellschaftliche Auswirkungen machen, soviel Sie wollen, klar. Das mache ich auch. Aber meine Zustimmung werden Sie eben nie erhalten, für Massnahmen, die Menschen (Individuen!) instrumentalisieren, um das „höhere Wohl der Gemeinschaft“ zu erreichen. Und genau das ist die Argumentation derjenigen, die die Bildung staatlich lenken wollen, um „immer mehr Bildung für immer mehr Bürger“ zu erreichen, weil dies den Staat vermeintlich reicher mache. (Was, wie gesagt, auch ökonomisch Quatsch ist.)
Wie schon bei einer anderen Diskussion wundert es mich erneut, dass Sie anfängliche Missstände sehr klarsichtig erkennen, doch statt diese beheben zu wollen, versuchen, sie auf andere Bereiche auszuweiten. Ja, der Staat stört durch verschiedene Regulierungen den freien Berufszugang (hierzu zählen m.E. auch etwa Kammern- und Meisterzwänge). Folglich sollten diese abgeschafft werden – da wäre ich ganz an Ihrer Seite. Aber ich kann nicht erkennen, wie ein staatlich-planwirtschaftlicher Bildungssektor hier Abhilfe schaffen soll. Gleiches gilt für das Senken der erzielbaren Realgewinne aus einem Studium.
Zu Ihrem Modell: Ich kann nicht erkennen, warum es die Aufgabe des Staates sein soll, solche Kredite anzubieten. Es dürfte ja klar sein, dass damit ein Crowding Out-Effekt auftrtitt, der private Bildungsfinanzierung verdrängt. Sicher, private Bildungsfinanzierung wäre eine individuelle Investition und hätte keinen Umverteilungseffekt. Aber genau dieser Umverteilungseffekt ist m.E. der grösste Fehler an ihrem Modell. Faktisch belohnt das Modell diejenigen Studenten, die keine sinnvolle Investition tätigen. Wer also bspw. 40 Semester studiert um anschliessend Strassenkehrer zu werden (ein ehrenhafter Beruf, aber einer, der vermutlich unter der genannten Einkommensschwelle liegt), wird enorme Ressourcen auf Kosten der Allgemeinheit verschwendet haben. Und er wird lange Zeit auf Kosten seiner (auch nicht-studierenden) Mitmenschen gelebt haben. Gleichzeitig werden gute Investitionen bestraft. Es ist ja einzusehen, dass Studenten ihren Kredit auch wieder zurückbezahlen müssen. Aber warum ist dies mit einer 10%-Dauersteuer verbunden? Ihr Modell würde dazu führen, dass ehrgeizige und zielstrebige Studenten dieses Umverteilungsmodell vermeiden würden – diese würden im Zweifelsfall bessere private Finanzierungsmöglichkeiten finden – während „schlechte Risiken“ zuhauf angezogen würden. Das System würde sich nicht aus sich selbst heraus finanzieren können und würde absehbar zu einem enormen Zuschussgeschäft für die Steuerzahler. Was wäre damit gewonnen?
Ich halte da sogar ein staatliches Bildungsgutscheine-System für sinnvoller, weil es zumindest nicht gezielt die schlechten Risiken unterstützt (was nicht heisst, dass ich Bildungsgutscheine gutheisse – diese haben ihre eigenen Nachteile).
Ironischerweise widerspricht Ihr Modell genau der o.g. Behauptung, mehr Bildung mache einen Staat immer wohlhabender. Denn genau diejenigen Studenten, die auf einem freien Bildungsfinanzierungsmarkt keine Unterstützung finden würden und durch Ihr Modell belohnt werden, machen die Gesellschaft offensichtlich nicht „reicher“. Genau hier handelt es sich bei der Studienfinanzierung nicht um eine sinnvolle Investition. (Wobei, wie gesagt, eine solche Investitionsentscheidung ohnehin nicht dem Staat, sondern nur dem betroffenen Individuum selber obliegen sollte).
Ich vermute, Ihr Modell zielt im Grunde darauf ab, dass bspw. Kinder aus geringverdienenden Haushalten für private Bildungsfinanzierer ein höheres Risiko darstellen würden. D.h. für diese würde es vermutlich schwieriger sein, einen Bildungskredit zu erhalten, als für Kinder aus wohlhabendem Hause mit entsprechenden Sicherheiten. Das ist sicher wahr. Aber dieses Problem löst man nicht, indem man die Kreditvergabe verstaatlicht. Es handelt sich hier um einen klassischen Fall der Informationsasymmetrie. Der potentielle Student weiss ja, dass er ein Studium schaffen und den Kredit zurückzahlen kann. Aber wie signalisiert er das dem Kreditgeber? Hier gibt es mehrere Möglichkeiten: Er kann sich bspw. schon vor dem Studium durch hervorragende schulische und ausserschulische Leistungen qualifiziert haben. Oder er kann einen anspruchsvollen Test ablegen, der seine Qualifikation untermauert. Es gibt viele Möglichkeiten, Informationsasymmetrien abzubauen, die keinen staatlichen Zwang erfordern.
Im Falle derjenigen Studenten, die tatsächlich aus ihrem Lebenseinkommen ein Studium nicht finanzieren können (und ich rede hier nicht von evntl. Unfallopfern bzw. Fällen der Berufsunfähigkeit, dafür gibt es Rückversicherungen), muss ich mich schon fragen, warum diese überhaupt für ihre berufliche Qualifikation ein Studium benötigen? Kennen Sie, Ben, tatsächlich eine Reihe von Berufen, die ein Studium unbedingt erfordern, aber so gering bezahlt werden, dass eine nachgelagerte Studienfinanzierung unmöglich ist?
Abschliessend sei angemerkt, dass die Studienfinanzierung nur eine Seite der Medallie ist. Natürlich müssen Universitäten auch in einen Wettbewerb um qualifizierte zahlende Studenten entlassen werden. Wie im Hauptbeitrag erwähnt, muss hierfür auch das öffentliche Dienstrecht fallen.
@Dr. Ralf Henrichs:
Sie haben methodisch natürlich vollkommen recht, wenn Sie nach den Zielen fragen. Schließlich lässt sich nur so beurteilen, ob eine Maßnahme zur Erreichung dieser Ziele geeignet ist, oder nicht. Hier also meine Ziele im Einzelnen:
– Ich möchte, dass sich die Situation der Studierenden verbessert.
– Die Qualität der Lehre soll steigen.
– Die Studenten sollen leichter Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten.
– Gleiches gilt für notwendige Lehrmittel, Bücher etc.
– Die Durchschnitts-Studiendauer soll kürzer werden.
– Ein Studium sollte sich finanziell mehr lohnen, als momentan.
Für diese Ziele würde ich Studiengebühren und auch einige Erfolgskontrollen in Kauf nehmen, aber nur mit Einschränkungen:
– Die Gebühren müssen mehr Geld in das System bringen.
– Das Studium soll weiterhin jedem offen stehen.
– Die Rahmenbedingungen sollten für Leute mit wenig
. Geld bzw. mit ärmeren Elternhäusern attraktiver werden.
– Falls der Student nach dem Studium in eher prekäre
. Verhältnisse gerät, soll ihm der Studienkredit nicht
. gefährlich werden. Der Staat ist maßgeblich für etliche
. Rahmenbedingungen verantwortlich. Die Rückzahlungs-
. verpflichtungen eines Studenten aus einer ärmeren
. Schicht sollten unter dem Motto „Sorgen, die ich gerne
. hätte“ verlaufen.
Ich halte jedes dieser Ziele mit meinem Vorschlag für erreichbar, insbesondere auch das letzte. Am massivsten dürften nämlich heutzutage die Abiturienten mit ärmeren Elternhäusern von der Tatsache abgeschreckt werden, dass sie einerseits ihren Lebensunterhalt im Studium nicht finanzieren können, andererseits aber nach dem Studium ein Risiko besteht, keinen gut entlohnten Job zu finden, und DANN noch auf einem Berg Schulden zu sitzen. Wenn dieser Berg Schulden sich aber immer nur dann moderat „meldet“, wenn der Ex-Student vernünftig Geld verdient, dann ist er nicht weiter gefährlich. Wenn ich Angst vor ewigen 800-Euro-Praktikantenjobs habe, dann gehört die Aussicht, bei einem Netto ab 1500 Euro im Monat von jedem Zusatzeuro Netto die Hälfte zur Rückzahlung verwenden zu müssen, ganz eindeutig zur Kategorie „Sorgen, die ich gerne hätte“. Dann ist es mir auch egal, wenn ich bei Herrn Jauch hunderttausend Euro gewinne, und davon die Hälfte zur Rückzahlung meines Kredits verwendet wird. Ich glaube, Sie müssen sich den Unterschied zwischen dieser Sorte Schulden, und „normalen“ Schulden genauer betrachten, sonst ziehen Sie falsche Schlussfolgerungen. Ansonsten gilt für Sie, wie für alle anderen: Wenn Sie bei diesem oder anderen Zielen meinen Optimismus nicht teilen, sagen Sie den Grund, und ich versuche, es zu erläutern.
Ich habe in Indien und in U.S.A. studiert und lebe seit über 30 Jahren in Deutschland/ Europa.
Ich werde das Gefühl nicht los, daß die Menschen in Deutschland Bildung als Anspruch und nicht als Privileg betrachten. Sehr frühzeitig fängt man an, eine Verbindung zwischen Bildung und Verdienst herzustellen – ein Lehrling mit Berufsschulabschluss verdient weniger aber dafür länger im vergleich zu jemandem mit akademischr Bildung. Wenn ich aber den Stundenlohn der Heizungsinstallateure oder Automechaniker sehe, würden sich sicherlich viele Berufstätige mit Universitätabschluss glücklich schätzen, diese Stundenlöhne zu verdienen. Ich bin grundsätzlich der Meinung, daß Bildung losgelöst von dieser Finanz- Äquivalenz betrachtet werden muss.
Fragt man ein Kind in Indien was es werden will, gehört der Beruf des Automechanikers nicht dazu. Jeder hat höhere Bildungsziele, sowohl Jungen wie Mädchen. Die Bereitschaft aller Eltern, unabhängig vom gesellschaftlichen Status, ist riesig, ihrem Kind zu ermöglichen, ein Ingenieur oder Arzt zu werden und einen Abschluss möglichst von einem guten und namhaften Institut zu bekommen. Circa 20% und Tendenz steigend, sind diese Institute in Indien gebührenpflichtig. Die Höhe der Schul/College/ Universitäts Gebühren, relativ betrachtet, ist eher höher als der Betrag von dem derzeit in Deutschland die Rede ist. Dafür sparen die indische Studenten in dem Sie bei den Eltern oder Verwandten wohnen. Nur wenige sind motorisiert und wiederum gibt es viele, die ihr Studium durch Nachhilfe für jüngere Schüler finanzieren. Förderungswürdige Studenten erhalten Stipendien. Ähnlich verhält es sich in den Vereinigten Staaten, wo Studenten durch Jobs bei McDonalds & Co, Aufgaben in der Uni oder als Bürogehilfen nicht nur ihr Studium finanzieren sondern auch wichtige Lebenserfahrungen sammeln. Lernen findet nicht nur im Klassenzimmer statt.
Die jungen Deutschen, die im eigenen Land, der EU und in der globalen Welt Erfolge erzielen wollen, müssen sich in einem freien Bildungssystem bewegen lernen. Die Samen für eine leistungsstarke Gesellschaft können nicht früh genug gesät werden. Wenn wir ernsthaft der Meinung sind, daß die freie Gesellschaftsform besser ist als die Plan Gesellschaft, dann sollen wir weder an den Universitäten und noch den Schulen akribisch an Besitzständen festhalten.
Unser Bildungsniveau weist Defizite in der Qualtät auf, trotz derzeit kostenlosem Bildungssystem. Das zentrale Studienplatz Vergabesystem ist sanierungsbedürftig. Andere Aufnahmekriterien braucht man nicht neu zu erfinden; diese werden in vielen Ländern erfolgreich praktiziert. Gute Universitäten sollen Geld kosten. Das gilt auch für die Schulen.
Wenn auch angeblich die Privatuni Witten-Herdecke praktisch kurz vor dem Konkurs aufgekauft worden ist, wäre es unverantwortlich, dies als systemimminent zu betrachten. Deutschland wird ohne eine positive Einstellung und einem offenen Klima für Privatisierung im Bildungswesen die nötigen Qualitätsverbesserungen nicht relaisieren können. Wir brauchen gesunden Wettbewerb um sowohl hinsichtlich der Finanzierung als auch der Qualität Verbesserungen zu erreichen und zwar auf allen Bildungsebenen – vom Kindergarten bis zur akademischen Ausbildung.
Ich finde es etwas schade, daß der Wettbewerbsdruck völlig ausgeblendet wird, dem wir uns als Land stellen müssen. Die deutsche Hochschullandschaft ist historisch gewachsen möchte ich annehmen und ihre Eigenheiten sind in dem Denken der Bevölkerung ebenso verwurzelt. Ich denke daher, daß man Vergleiche mit anderen Ländern (und Kulturen) nicht so ohne weiteres ziehen kann.
Zur Frage des Ziels einer Bildungspolitik: Ich denke es wäre wünschenswert, wenn jeder seinen Neigungen nachgehen kann, da er er – und das ist meine Überzeugung – nur so auf Dauer gute Leistungen erbringen kann. Auch hier sehe ich Studiengebühren nicht als hilfreich an, da es auch im Zusammenhang mit unserer Mentalität und der in Deutschland außergewöhnlich hohen Risikoaversion sicher zu spürbaren Rückgängen führt und so zuletzt auch die Freiheit des einzelnen beschneidet. Und ja: Ich bin vom volkswirtschaftlichen Nutzen quantitativ sowie qualitativ hoher Studentenzahlen überzeugt.
MfG
Ein Anonymus
Irgendwie ist mir bei vielen Kommentaren ein Punkt aufgefallen, der mich doch ziemlich verwundert: Direkt bringt der Student bringt dem Staat nur Kosten. Dazu nochmal stellvertretend ein Auszug aus einem Kommentar von Christian Hoffmann
„Andere Menschen werden durch den Staat gewzungen, einen Teil ihrer Lebenszeit dafür aufzuwenden, um fremden Menschen ein Studium zu finanzieren – ob sie wollen oder nicht. Es ist absurd zu behaupten, dass dies ein Nutzen für diese faktisch partial-versklavten Menschen sei.“
Ich würde die Meinung vertreten, dass auch der Student an sich sein Studium finanziert, selbst ohne Studiengebühren.
Natürlich muss ein anderer Mensch mit seinen Steuergeldern für das Studium aufkommen, doch wenn man mal zeitlich weitergeht, wird doch der Student nach seinem Studium durch unser Steuersystem wieder mehr bezahlen, als wenn er nicht studiert hätte, da er in der Regel ja auch über ein höheres Einkommen verfügen wird. Somit finanziert er zum Beispiel Kindertagesstätten, neue Studierende usw., er trägt also nicht nur zum allgemeinen Wohlstand bei, sondern stellt den Kosten, den er beim Staat (den Steuerzahlern) verursacht hat auch Leistungen gegenüber. Ich kenne zwar keine Untersuchungen, würde aber behaupten, dass die direkten Kosten und Leistungen (also nur Steuer-Mehreinnahmen, ohne sonstige externe Effekte) sich die Wage halten werden, wenn nicht sogar die Leistungen überwiegen werden. Natürlich werden also andere Menschen dazu gezwungen den Student zu finanzieren, doch auch er wird nachher dazu gezwungen andere zu finanzieren, die dadurch auch einen Vorteil haben. Noch ein anderer Punkt dazu:
„Es mag sein, dass die berufliche Tätigkeit eines gut ausgebildeten Menschen effizienter und damit wohlstandfördernder ist, als die eines ungebildeten. Dies ist allerdings nicht grundsätzlich der Fall – ein hervorragend ausgebildeter Bankräuber etwa trägt mit Sicherheit nicht zum Wohlstand einer Gesellschaft bei.“
Diese Beispiel finde ich ziemlich aus der Luft gegriffen. Erstens kenne ich keine Ausbildung zum Bankräuber und selbst wenn es so etwas indirekt geben würde, reden wir doch über die Masse bzw. den Durchschnitt. Jeder einzelne Student trägt mit Sicherheit nicht zum Wohlstand bei, der durchschnittliche aber schon. Genauso wird nicht jeder Student seine Kosten amortisieren können, doch der durchschnittliche Student wird auch diese schaffen!
@ Christian Hoffmann,
grundsätzlich ist Ihnen zuzustimmen, WENN man Ihre Ziele akzeptiert. Ihr Ziel ist es (so ich Sie richtig verstanden habe), dass der Markt ausgeweitet werden sollte. Insofern erübrigt sich eine Diskussion darüber, ob dies mit mehr Markt oder mehr Staat besser zu erreichen ist. Das ist ja tautologisch.
Dennoch: „Aber meine Zustimmung werden Sie eben nie erhalten, für Massnahmen, die Menschen (Individuen!) instrumentalisieren, um das “höhere Wohl der Gemeinschaft“ zu erreichen.“
Das klingt natürlich schön, ist aber Unsinn. Auch Sie schlagen ja eine Massnahme vor (mehr Markt) und auch Sie versprechen sich davon ja ein „höheres Wohl der Gemeinschaft“ und natürlich müssen sich auch bei Ihnen die Menschen dieser Massnahme anpassen. Ob also mehr Markt oder mehr Staat gewählt wird, in beiden Fällen wird das Individuum „instrumentalisiert“. Wenn Sie es denn so bezeichnen wollen.
Allerdings gibt es einen Unterschied: Bei „mehr Staat“ kann sich das Individuum wehren. Über Petitionen an den Bundestag oder Wahlen, über die Bildung von Gemeinschaften und Demonstrationen. Oder Gründung einer eigenen Partei. Sicherlich mühselig, selten erfolgreich oder bestenfalls langfristig. Aber immerhin theoretisch kann man sich gegen die Instrumentalisierung wehren.
Wenn auf den Markt gesetzt wird und das Individuum will sich wehren. An wen richtet es dann seinen Protest und Widerstand? Bill Gates? Die EZB? Die Deutsche Bank?
In beiden Fällen findet eine Instrumentalisierung statt. Im einen Fall (Staat) hat die Macht aber ein Gesicht (und sei es das von Angela Merkel), im anderen Fall (Markt) ist es eine anonyme Macht. Und genau das treibt gegenwärtig so viele Leute in die Verzweiflung und Resignation.
An anderer Stelle können wir uns (hoffentlich) noch mal darüber unterhalten, ob, will man mehr Freiheit, man auf mehr Markt oder mehr Staat setzen sollte. Ich denke, dass Ihr Freiheitsbegriff falsch ist, aber das nur nebenbei. Das ist hier nicht das Thema.
@ Ben,
auch Ihnen stimme ich unter Ihren Prämissen zu. Interessanterweise nennen Sie „mehr Studierende“ ja nicht als Ziel.
Dennoch eine Frage. Sie setzen als Ziel:
„- Ich möchte, dass sich die Situation der Studierenden verbessert.
– Die Qualität der Lehre soll steigen.“
Sehen Sie dann die Zahlungen der Studierenden als zusätzlich an, d.h. der Staat senkt seine heutigen Zahlungen auch inflationsbereinigt nicht? Oder sollen die Studierenden die heutigen staatlichen Zahlungen auch übernehmen?
Und wie sichern Sie, dass die Zahlungen in die Lehre fliessen? Würden Sie die Macht des Asta (d.h. der Studierenden) stärken wollen?
@Daniel Nowak: Ich bin mir jetzt nicht sicher, ob Sie damit für oder gegen staatliche Bildungsfinanzierung argumentieren. Selbst wenn ein Durchschnittsstudent im Schnitt mehr Steuern zahlt, als sein Studium kostet, heisst das ja nicht, dass staatliche Studienfinanzierung besser wäre als private.
Darüber hinaus erinnert mich ihre Argumentation an Frederic Bastiat – die Dinge, die man sieht und die Dinge, die man nicht sieht. Sie sehen den Wohlstand, der durch unser Bildungssystem geschaffen wird. Aber Sie sehen nicht den Wohlstand, der durch dieses System vernichtet wird. Staatliche Studienfinanzierung führt zu einer enormen Ressourcenverschwendung. Warum? Es setzt die Signalfunktion der Preise, die sich aus Angebot und Nachfrage ergeben, ausser Kraft. Es ist kaum nachvollziehber, wie teuer ein bestimmtes Studium tatsächlich ist. Darüber hinaus müssen diese Kosten auch nicht in ein Verhältnis zu einem möglichen Ertrag gesetzt werden, da das Studium ja nicht aus den daraus erwachsenden Erträgen finanziert werden MUSS. Es existiert keine individuelle Verantwortung für die in Anspruch genommene Bildungsdienstleistung. In unserem System lässt sich schlicht nicht sagen, wieviel Bildung in welcher Qualität tatsächlich notwendig wäre, nachgefragt würde und damit tatsächlich Mehrwert schaffen kann.
Die Frage ist ja nicht Studium oder kein Studium, bzw. Universitäten oder keine Universitäten – natürlich führt höhere Bildung im Schnitt zu höherer Produktivität und damit mehr Wohlstand. Die Frage ist, private oder staatliche Bildungsfinanzierung? Und gerade wenn man das Ziel verfolgt, durch Bildung den Wohlstand einer Gesellschaft zu steigern (was ich nicht tue), ist dieses Ziel sinnvoll nur auf einem freien Bildungsmarkt zu erreichen. Nur hier kann sichergestellt werden, dass wirklich sinnvoll in Bildung investiert wird. Und dann würde eben nicht mehr – wie jetzt – der Student „im Schnitt“ zum Wohlstand beitragen, sondern tatsächlich praktisch jeder. Das ist der Wohlstandsverlust im heutigen System, den Sie übersehen.
Das Beispiel des Bankräubers sollte auch kein Plädoyer für eine Bankräuberausbildung darstellen, sondern nur verdeutlichen, dass im heutigen System nicht die geringste Sicherheit besteht, dass eine Bildungsinvestition tatsächlich auch nachgefragt bzw. sinnvoll eingesetzt wird. Nochmal: Diese Verschwendung geht v.a. auf Kosten derjenigen, die die Bildungsdienstleistung gar nicht in Anspruch nehmen. Und das soll „gerecht“ sein?
@ Christian Hoffmann,
„Staatliche Studienfinanzierung führt zu einer enormen Ressourcenverschwendung. Warum? Es setzt die Signalfunktion der Preise, die sich aus Angebot und Nachfrage ergeben, ausser Kraft.“
Das kann man so sehen, allerdings ist dies in Ihrem Modell ja ebenso. Denn wenn Sie auf das Preissystem setzen, dann müssen Sie ja ALLE Kosten und Erträge berücksichtigen. Sie schreiben ja selbst: „natürlich führt höhere Bildung im Schnitt zu höherer Produktivität und damit mehr Wohlstand.“
Nun, wenn Sie aber ausschließlich auf private Finanzierung setzen, dann geht in die Kalkulation der Person, die sich überlegt, ob sie studieren solle oder nicht, nur ihre privaten Kosten und Erträge ein. Die gesellschaftlichen Erträge werden aber nicht berücksichtigt.
Beispiel:
1. Die Person rechnet aus, dass ein Studium ihr 50.000 Euro kosten würde.
2. Die Person rechnet aus, dass ihr das Studium ein diskontierten Einkommenszugewinn von 40.000 Euro verschaffen würde.
Ergo: Die Person wird nicht studieren.
Gleichzeitig würde der Gesellschaft (höhere Produktivität und Wohlstand, wie Sie ja selbst zugestehen) 20.000 Euro Ertrag erzielen, wenn die Person studieren würde. Würde sie diesen Ertrag an die Person zu Studienbeginn weiterreichen, würde die Person studieren. Eine klassische Win-Win Situation.
Natürlich sind die Zahlen willkürlich und andere Zahlen würden ein anderes Ergebnis erzielen. Es bleibt aber, dass nicht einzusehen ist, warum, wenn die Gesellschaft einen Gewinn davon hat, dass eine Person studiert, die Gesellschaft die Studierenden nicht finanziell unterstützt. Gerade bei rein ökonomischer Betrachtungsweise ist das von Ihnen dargestellte Ergebnis zwar möglich, aber nicht zwingend (Stichwort: externe Effekte).
@Dr. Henrichs: Es geht in meiner Argumentation ja nicht um meine politische Philosophie, sondern um die Frage, ob staatliche oder private Bildungsfinanzierung gerechter und/oder effektiver/effizienter ist. Da sehe ich von Ihnen kein Gegenargument. Der Punkt ist doch, dass die Ziele etatistischer Bildungspolitik eben mit Planwirtschaft nicht erreicht werden können.
Ich stimme Ihnen zu, dass die von Ihnen angerissenen Fragen zu weit vom Thema wegführen. Dennoch sozusagen eine „formale Widerrede“: Auf dem Markt treffen Tauschpartner aufeinander. Getauscht wird, wenn der Tausch für beide vorteilhaft ist – das ist das Wesen der Freiheit und Freiwilligkeit. Auf dem Markt ist der Mensch daher nie willenloses Instrument, sondern willensstarker Akteur, der von seinen Tauschpartnern auch so ernstgenommen werden muss. Andernfalls kommt der Tausch nicht zustande. Auf einem freien Bildungsmarkt sind Studenten nicht Mittel zum Zweck der Bereicherung des Staates. Sie sind Kunden. Als solche sind sie von den Dienstleistern (Schulen, Unis,..) ernstzunehmen. Sie verfolgen ein individuelles Ziel mit den eigenen Mitteln, sind also souverän und autonom – und nicht eine Karteikarte oder Fallnummer bei der ZVS.
Wo beschwert sich der Student, wenn sein Tauschpartner sich nicht an einen Vertrag hält? Nun, erstmal bei der Kunden/Studentenbetreuung. Und falls diese sich unnachgiebig zeigt, bei Gericht. Es läge dann schliesslich ein Vertragsbruch vor. Worauf kann sich denn der Student im heutigen System berufen? Staatliche Willkür? Sie glauben wirklich, dass das privatwirtschaftliche Vorgehen komplizierter oder anonymer ist, als die Gründung einer Partei (von deren Finanzierung mal ganz abgesehen) oder der Einreichung einer Petition? Wer ist denn in Ihrem Alltag anonymer: der Metzger, Bäcker oder Reifenhändler, bei dem Sie einkaufen – oder die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten, EP-Abgeordneten, die Bürokraten in Berlin und Brüssel? Eine Privatisierung der Bildung ist auch eine Dezentralisierung der Bildung – sie ist verbunden mit Subsidiarität und bringt die Entscheidungen zurück dorthin, wo sie hingehören: zum Studenten und zum Professor/Lehrer.
@ Christian Hoffmann,
„Es geht in meiner Argumentation ja nicht um meine politische Philosophie, sondern um die Frage, ob staatliche oder private Bildungsfinanzierung gerechter und/oder effektiver/effizienter ist. Da sehe ich von Ihnen kein Gegenargument.“
Kein Problem. Sie schreiben doch selbst: „natürlich führt höhere Bildung im Schnitt zu höherer Produktivität und damit mehr Wohlstand.“
1. Wenn die Gesellschaft einen Nutzen vom Studium einer Person hat, dann ist es doch (rein ökonomisch betrachtet!) gerecht, wenn die Gesellschaft sich finanziell am Studium der Person beteiligt. Es ist also selbst in Ihrer Argumentation nicht die Frage, ob es zu einer staatlichen Förderung kommen sollte sondern nur in welcher Höhe (d.h. wie hoch ist der Nutzen der Gesellschaft aus dem Studium).
2. Wenn ihr Satz stimmt und wenn weniger Leute studieren, wenn sie dafür einen Beitrag leisten müssen als wenn sie dies umsonst bekommen (wovon ja auszugehen ist) und der Wohlstand der Gesellschaft dadurch sinkt, dann sind staatliche Bildungsausgaben natürlich effizienter als private.
„Auf dem Markt treffen Tauschpartner aufeinander. Getauscht wird, wenn der Tausch für beide vorteilhaft ist – das ist das Wesen der Freiheit und Freiwilligkeit.“
Ein häufiger Irrtum der Neoliberalen. Damit der Tausch für beide frei und freiwillig ist, muss man erst noch bestimmte Prämissen setzen. Ansonsten wäre auch jede Erpressung („Geld oder Leben!“) frei und freiwillig.
„Auf dem Markt ist der Mensch daher nie willenloses Instrument, sondern willensstarker Akteur, der von seinen Tauschpartnern auch so ernstgenommen werden muss. Andernfalls kommt der Tausch nicht zustande. Auf einem freien Bildungsmarkt sind Studenten nicht Mittel zum Zweck der Bereicherung des Staates. Sie sind Kunden.“
Genau hier springen Sie zu kurz. Sie sind Kunden. Und aus diesem Kundenzustand können Sie nicht heraus, der ist bei Ihnen gesetzt. Und damit können sie INNERHALB ihres Instruments ihren Willen ausdrücken, aber gegenüber den Regeln, die sich aus der Setzung des Instruments ergeben, sind sie willenlos. Mehr Markt führt also nicht zu mehr Freiheit, bestenfalls zu anderer Freiheit.
INNERHALB der staatlich gesetzten Regeln kann ich auch meinen Willen ausdrücken. Und ich kann (schwer, aber theoretisch) sogar die staatlich gesetzten Regeln ändern. Die Regeln einer freien Marktwirtschaft kann ich nicht ändern (nicht einmal theoretisch). Ändere ich sie, ist es keine freie Marktwirtschaft mehr. Somit ist die Freiheit eines Individuums in einer freien Marktwirtschaft geringer als in einem staatlich gesetzten System.
„Wo beschwert sich der Student, wenn sein Tauschpartner sich nicht an einen Vertrag hält? Nun, erstmal bei der Kunden/Studentenbetreuung. Und falls diese sich unnachgiebig zeigt, bei Gericht.“
Das kann man auch heute schon. Hier ist kein Unterschied.
„Wer ist denn in Ihrem Alltag anonymer: der Metzger, Bäcker oder Reifenhändler, bei dem Sie einkaufen – oder die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten, EP-Abgeordneten, die Bürokraten in Berlin und Brüssel?“
Auch hier springen Sie zu kurz. Der Metzger ist ein lokaler Akteur, der Bundestagsabgeordnete ein bundesweiter. Da kann ich Sie auch fragen: wer ist für Sie anonymer der Bundestagsabgeordnete oder der Chef eines bundesweit agierenden Unternehmens wie Edeka (wie heisst der Chef von Edeka, wissen Sie es?).
Aber mir ging es ums System: wer ist „der Markt“? Der Staat hat einen Kopf (Merkel) und den kann man sogar abwählen und damit den staatlich gesetzten Regeln eine völlig andere Richtung geben.
Nachtrag @ Dr. Henrichs: Selbst wenn Ihre Überlegung richtig wäre, wäre es schlicht nicht möglich, zu errechnen, welcher Student „der Gesellschaft“ wieviel Mehrwert schafft. Der von Ihnen kalkulierte externe Effekt ist eine schöne Idee – aber eben auch nicht mehr. Um den tatsächlichen möglichen gesellschaftlichen Mehrwert durch ein Studium zu bestimmen, müssten Sie mindestens jeden Steuerzahler befragen, welchen Merhwert er durch den finanzierten Studenten erzielt, und davon die subjektiven Kosten abziehen. Dies ist offensichtlich unmöglich. Daher ist ökonomische Kalkulation nur auf individueller Ebene möglich. D.h. jeder Student kann sich seine Kosten und seinen erwarteten Nutzen errechnen. Die Kosten und Nutzen, die er bei anderen auslöst, KÖNNEN schlicht nur indirekt über Preissignale berücksichtigt werden. Weitere Externalitäten lassen sich, wenn überhaupt, nur durch freiwilligen Austausch ansatzweise internalisieren (Zahlungs- oder Spendenbereitschaft).
D.h. in der Praxis könnte bspw. DaimlerChrysler einige Ingenieurswissenschaftler sponsern oder Greenpeace könnte Umwelttechniker unterstützen oder der DGB einen keynesianischen Lehrstuhl finanzieren – weil sie einen subjektiven Nutzen daraus ziehen, der über den des Studenten hinaus geht. Aber ein „Messen“ und anschliessendes „Erheben“ (etwa durch Steuern) von externen Effekten ist nicht möglich.
Hinzu kommt, dass Zwang – selbst in Ihrem scheinbar so eindeutigen Beispiel – Nutzenfunktionen verändert. Es mag ja sein, dass Bürger ein hohes Bildungsniveau begrüssen, aber dennoch dieses nicht zwangsweise finanzieren wollen. Beispielsweise weil sie die Gelderverteilung nicht direkt beeinflussen können. Oder weil zwangsfinanzierte Studienplätze verzerrte Studienanreize bieten. Oder weil die notwendige Bürokratie Zusatzkosten aufwirft. Wie integrieren Sie eine Veränderung subjektiver Nutzenfunktionen durch Zwang in eine (ohnehin unmögliche) kollektive Nutzenkalkulation?
Es mag sein, dass der eine oder andere positive externe Effekt bei privater Bildungsfinanzierung verpufft. Gleiches gilt für den einen oder anderen negativen externen Effekt. Das lässt sich schlicht nicht vermeiden. Denn Sie werden wohl auch nicht behaupten, dass ein steuerfinanziertes Studensystem tatsächliche negative und positive externe Effekte internalisiert? Ein steuerfinanziertes Studiensystem ist der Willkür der politischen Willensbildung (Mehrheiten, Minderheiten, Interessengruppen, öffentliche Aufmerksamkeit) ausgesetzt. Nutzenkalkulationen spielen hier weder auf individueller noch auf kollektiver Ebene eine Rolle. Die Tatsache, dass für die Aufrechterhaltung der planwirtschaftlichen Bildung Zwang notwendig ist, lässt sogar darauf schliessen, dass in diesem System die negativen externen Effekte die positiven überwiegen.
Es bleibt also dabei, dass nur ein freier Markt mit einem funktionierenden Preissystem die subjektiven Nutzen und Kosten der Teilnehmer aggregieren und signalisieren kann. Nur so kann nährungsweise bestimmt werden, welche Qualität und Quantität der Bildung tatsächlich gesellschaftlich erwünscht und nachgefragt wird. Soweit ich weiss, ist kein System bekannt, dass diese Funktion besser erfüllen kann. Dass gelenkte Preise dies nicht können, darf ja wohl als ökonomisches Faktum bezeichnet werden.
„Selbst wenn Ihre Überlegung richtig wäre, wäre es schlicht nicht möglich, zu errechnen, welcher Student “der Gesellschaft“ wieviel Mehrwert schafft.“
Ist auch unwichtig. Ihr Gegenargument besteht ja darin, dass die Gesellschaft nicht weiss, ob sie vom Studium des Studierenden Meier und nicht eher vom Studium des Studierenden Müller profitiert. Und dass es ineffizient ist, wenn sie den „Falschen“ unterstützt.
Ja und? Wenn die Gesellschaft aber – wie Sie ja auch sagen – einen Mehrwert daraus erzielt, dass genügend Akademiker ausgebildet werden, dann finanziert die Gesellschaft eben nicht Müller oder Meier sondern die Universitäten insgesamt.
„Es mag ja sein, dass Bürger ein hohes Bildungsniveau begrüssen, aber dennoch dieses nicht zwangsweise finanzieren wollen.“
Es geht nicht um „begrüssen“ sondern darum, dass die Bürger – wie Sie selbst zugestanden haben! – hieraus einen finanziellen Nutzen haben. Und gerade wenn man ökonomisch argumentiert, ist es doch schlicht ungerecht, wenn jemand einen finanziellen Vorteil aus dem Verhalten einer Person zieht und diese hierfür nicht entschädigt.
„Dass gelenkte Preise dies nicht können, darf ja wohl als ökonomisches Faktum bezeichnet werden.“
Natürlich darf man das. Wer wäre ich, dass ich dies verbieten würde? Es ist nur falsch. Das Gegenteil ist richtig: die von ihnen so bezeichneten „gelenkten“ Preisen können Quantität und Qualität der Bildung besser ausdrücken, als die ausschließliche Bewertung durch ein ausschließlich privates Preissystem ohne Berücksichtigung der externen Effekte.
@Dr. Henrichs: Ich glaube, die Diskussion führt nicht mehr viel weiter. Ich möchte dennoch abschliessend auf einen Widerspruch hinweisen: Wenn Ihr Ziel ist, die Gesellschaft durch Bildung wohlhabender zu machen, können Sie doch nicht ernsthaft ein Finanzierungssystem fordern, das dieses Ziel nicht erreicht. Nicht nur das undiferenzierte Fördern von Müller und Meier vernichtet Wohlstand, dasselbe gilt natürlich auch für das undifferenzierte finanzieren von Unis. Die staatliche Bildungsfinanzierung kann IM SCHNITT den Wohlstand fördern. Das erfreut Sie offensichtlich. Die Betonung liegt aber auch auf „KANN“. Da sie das Preissystem ausschaltet, lässt sich dies nicht erheben, nicht messen und auch nicht theoretisch herleiten. Es ist gut möglich, dass sie effektiv mehr Wohlstand vernichtet als schafft. Wir wissen mit Sicherheit, dass sie durch Fehlallokationen Wohlstand vernichtet. Der Netto-Effekt ist nicht bekannt. Die private Bildungsfinanzierung fördert dagegen den gesellschaftlichen Wohlstand dank der Signalfunktion eines freien Preissystems mit Sicherheit.
Bis Sie oder sonst wer also eine Methode erfunden haben, externe Effekte effektiv zu messen und internalisieren, und damit auf einen Schlag das Problem der Unmöglichkeit intersubjektiver Nutzenvergleiche zu lösen, muss private Finanzierung als effizienter angesehen werden.
Wenn Sie also das o.g. Ziel verfolgen, werden Sie dieses durch eine staatliche Bildungsfinanzierung nicht sinnvoll erreichen können. Sie können natürlich auch immer andere Ziele verfolgen, das wäre dann eine andere Diskussion.
Da es in der Politik aber ohnehin nicht um allgemeine Wohlfahrt, sondern um Willkür, Mehrheiten und Stimmungen geht, wird dieses Argument sicher am Status Quo nichts ändern…
@ Christian Hoffmann,
„Bis Sie oder sonst wer also eine Methode erfunden haben, externe Effekte effektiv zu messen und internalisieren, und damit auf einen Schlag das Problem der Unmöglichkeit intersubjektiver Nutzenvergleiche zu lösen, muss private Finanzierung als effizienter angesehen werden.“
Das bleibt falsch. Es reicht zu wissen, dass positive externe Effekte vorhanden sind. Weil spätestens dann weiss man, dass staatliche Bildungsförderung ZWINGEND effizienter ist als REIN private. Die Frage ist dann nur, wie hoch die staatliche Bildungsförderung ausfallen sollte. Sie KANN zu hoch sein, aber ein völliger Verzicht auf staatliche Bildungsförderung ist GARANTIERT zu wenig und ineffizient.
Ich vermisse hier den Qualitativen Anspruch: Einfach aus dem Wettbewerb mehr Qualität zu folgern scheitert an der Realität – andernfalls gäbe es keine Discounter auf dem Markt, gleich zu welcher Dienstleistung oder Produkt. Bildung ist Volkswirtschaftliches Gut, entsprechend sollten Politiker Ihr Augenmerk darauf richten, dass die Ausbildung inhaltlich Qualitativ ausgerichtet ist. Der Wettbewerb mag dazu kommen, doch vermisse ich die Auslassungen zu diesem Aspekt in dem Artikel hier zu sehr.