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Ausgerechnet im Klimaprogramm für das Jahr 2030 ist für Windkraftanlagen an Land ein Abstandshaltegesetz vorgesehen: Für den Bau neuer Windräder soll, ungeachtet individueller Regelungen in den einzelnen Bundesländern, ein pauschaler Mindestabstand von 1000 Metern zu Siedlungen mit einer Größe ab fünf Häusern gelten. Betroffen wären davon auch bestehende Standorte, an denen alte Windräder durch neue, leistungsfähigere Anlagen ersetzt werden (Repowering). Strengere Regelungen, wie etwa in Bayern, wo der die zehnfache Höhe von Windkraftanlagen den Mindestabstand von Siedlungen bestimmt, bleiben davon unberührt. Allerdings dürfen Bundesländer innerhalb von 18 Monaten nach Inkrafttreten der Neuregelung auch geringere Mindestabstände gesetzlich festlegen.
Das Gebot von Mindestabständen ist wenig verwunderlich angesichts massiver Proteste gegen den Bau nahezu jedes neuen Windparks. Diese Proteste resultieren daraus, dass mit Windkraftanlagen einige Nachteile verbunden sind, etwa die Lärmbelästigung für Anwohner oder die Gefährdung von Vögeln. Zudem stellt die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes ein erhebliches Problem dar: Allein die bloße Existenz der Anlagen sorgt für gravierende Vermögensverluste bei den unmittelbaren Anwohnern, weil deren Grundstücke und Immobilien mit der Errichtung von Windkraftanlagen in ihrer Nähe deutlich an Wert verlieren. Die große Zahl von rund 1000 Bürgerinitiativen gegen die Windkraft in Deutschland ist ein starkes Indiz für derartige negative externe Effekte.
Obwohl sicherlich kein Mangel an negativen Erfahrungen und anekdotischer Evidenz über die Vermögensverluste von Anwohnern von Windkraftanlagen herrscht, hat erst eine Studie des RWI – Leibniz Institut für Wirtschaftsforschung mit dem Titel „Local Cost for Global Benefit: The Case of Wind Turbines“ (Frondel et al. 2019) empirische Evidenz dafür geliefert, dass Windkraftanlagen zu sinkenden Preisen von Einfamilienhäusern in unmittelbarer Umgebung führen können. Der Wert eines Hauses in einem Kilometer Entfernung zu einer Windkraftanlage sinkt nach dieser Studie im Durchschnitt um gut 7 Prozent. In absoluten Werten betrachtet kann demnach die Installation einer Windkraftanlage für Hausbesitzer einen Vermögensverlust von mehreren zehntausend Euro bedeuten. Mit zunehmendem Abstand von der Windkraftanlage verringert sich der Effekt. Bei einem Abstand von acht bis neun Kilometern haben Windkraftanlagen keine Auswirkungen mehr auf die Immobilienpreise.
Diese Ergebnisse legen nahe, den pauschalen Mindestabstand von Siedlungen über die avisierten 1000 Meter hinaus zu erhöhen, trotz des bereits jetzt starken Gegenwinds gegen dieses Gesetzesvorhaben. So fürchtet die Windbranche, deren Lage derzeit nicht gerade rosig ist, dadurch eine starke Beschränkung der zukünftigen Ausbaupotentiale für Windkraft an Land. Laut einer jüngst für das Bundeswirtschaftsministerium angefertigte Studie würde sich durch einen pauschalen Mindestabstand von 1000 Metern die verfügbare Fläche für den Bau von Windrädern um 10 bis 40 Prozent reduzieren (Navigant Energy, IEE, 2019).
Der aktuelle Gegenwind sollte die Politik jedoch nicht dazu verführen, auf den pauschalen Mindestabstand zu verzichten. Denn mittlerweile sollte die Politik längst erkannt haben, dass Investitionen in Windkraftanlagen, von denen lediglich einige wenige profitieren, für die aber nicht zuletzt alle privaten Stromverbraucher zu zahlen haben und worunter viele Anwohner in erheblichem Maße leiden, kein sozialverträgliches Modell für eine nachhaltige Stromversorgung der Zukunft sind.
Vor diesem Hintergrund ist es höchste Zeit, die Windbranche dem Markt zu überlassen. Schließlich währt deren Subventionierung bereits beinahe drei Jahrzehnte, erst durch das Stromeinspeisegesetz ab Anfang der 1990er, ab dem Jahr 2000 dann durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Wäre die Branche wettbewerbsfähig und auf den Weltmärkten fest etabliert, sollte deren Existenz nicht mehr in kritischem Maße von Subventionen oder der Größe des heimischen Marktes abhängig sein. Dass dem nicht so ist, ist angesichts von bislang geflossenen Subventionen im hohen zweistelligen Milliardenbereich äußerst bedauerlich, sollte die Politik jedoch nicht zu besonderen Hilfen für die Windbranche verleiten. Eine Marktbereinigung ist längst überfällig und von anderen Branchen, die im Wettbewerb stehen, wohlbekannt. Eine Dauersubventionierung wäre hingegen eine schlechte Lösung für Verbraucher, Steuerzahler und Wettbewerber zugleich.
Zitierte Literatur
Frondel, M., Kussel, G., Sommer, S., Vance, C. (2019) Local Cost for Global Benefit: The Case of Wind Turbines. Ruhr Economic Paper #791. http://www.rwi-essen.de/publikationen/ruhr-economic-papers/976/
Navigant Energy, IEE (2019) Wissenschaftliche Fundierung der Beratungen zu Abstandsregelungen bei Windenergie an Land“ Bericht an: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi). Oktober 2019, Navigant Energy Germany GmbH, Berlin, in Zusammenarbeit mit Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE, Kassel https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Studien/wissenschaftliche-fundierung-der-beratungen-zu-abstandsregelungen-bei-windenergie-an-land.pdf?__blob=publicationFile&v=4
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