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Der Bundestag hat das Bundes-Klimaschutzgesetz der Bundesregierung vor wenigen Tagen beschlossen. Das Gesetz ist Teil eines größeren Klimapakets, das nun ebenfalls Schritt für Schritt umgesetzt wird. Aber was ist von diesem Klimapaket zu halten?
Zunächst ist der Bundesregierung ausdrücklich zuzustimmen, wenn sie einen dringenden Handlungsbedarf beim Thema Klimaschutz konstatiert. Gerade die Dimension des Problems erfordert es aber, die zur Verfügung stehenden politischen Instrumente so effizient wie möglich zu nutzen. Es ist wichtig, die Kontrolle der globalen Erwärmung zu so geringen gesellschaftlichen und ökonomischen Kosten wie möglich zu erreichen — nicht zuletzt auch, um die Akzeptanz der Politik in der Bevölkerung so weit wie möglich abzusichern.
Das verabschiedete Gesetz und das Klimapaket in seiner aktuellen Form leisten dies aber bisher leider nicht in überzeugender Weise. Die aus ökonomischer Sicht bedeutenden Kritikpunkte werden in den folgenden Abschnitten kurz zusammengefasst.
Einführung der CO2-Bepreisung
Die Bundesregierung geht mit ihren Beschlüssen einen ersten Schritt in Richtung CO2-Bepreisung. Dies ist zu befürworten, da die ökonomische Forschung eindeutig eine Bepreisung von negativen externen Effekten als effizientesten Weg identifiziert hat, um diese auf ein gesellschaftlich effizientes Niveau zu reduzieren.
Auf der Grundlage der naturwissenschaftlichen Modelle zu den Auswirkungen des anthropogenen Klimawandels, sowie auf der Grundlage einer ökonomischen Bewertung dieser Effekte, schätzt das Umweltbundesamt einen Wert von rund 180 € pro t CO2 als sinnvollen Zielwert für einen CO2-Preis. Selbstverständlich sind solche Schätzungen immer mit einer gewissen Unsicherheit behaftet. Allerdings kommen auch andere plausible Berechnungen zu Ergebnissen in dieser Größenordnung.
Die im Klimaschutzprogramm 2030 angegebenen Preispfade erscheinen verglichen mit diesem Zielwert deutlich zu flach. Der für 2021 avisierte Festpreis von 10 € pro t CO2 kann als homöopathische Symbolpolitik gelten, auch der Festpreis von 35 € pro t im Jahr 2025 erscheint noch deutlich zu niedrig, ebenso wie der für 2026 geplante Höchstpreis von 60 €. Die Anreizwirkung zur Vermeidung von CO2-Emissionen, die von diesen Preisen ausgeht, ist in den ersten Jahren vernachlässigbar und wird auch bei 60 € pro t noch gering sein. Ab 2027 ist weder eine Freigabe der Preisbestimmung am Markt, noch ein automatischer Anstieg von Höchstpreisen vorgesehen. Stattdessen behält sich die Politik die erneute, diskretionäre Setzung eines Preiskorridors vor. Hier ist zu befürchten, dass auch nach 2027 die Wirkung der CO2-Bepreisung politisch gebremst wird.
Die Form der CO2-Bepreisung
Die Bundesregierung sieht in ihrer Unterrichtung nominell einen CO2-Handel vor. Ein Emissionshandel mit Fixpreis wirkt jedoch ökonomisch exakt wie eine Steuer. Hier handelt es sich letztlich um einen Etikettenschwindel; um die Bezeichnung als CO2-Steuer zu vermeiden, wird stattdessen von einem Emissionshandel mit Fixpreis gesprochen.
Aus einer grundsätzlichen Perspektive ist die Frage zweitrangig, ob besteuert werden oder ob ein Emissionshandel etabliert werden soll. Beide Systeme können theoretisch äquivalent implementiert werden, sofern z.B. notwendige Informationen über die Preiselastizitäten vorliegen, die messen, wie stark die Bürgerinnen und Bürger mit ihrem Verhalten auf Preiserhöhungen reduzieren. In der aktuellen Situation würden allerdings einige Argumente dafürsprechen, einen echten Emissionshandel zu installieren.
Das Pariser Klimaabkommen sieht einen Reduktionspfad der emittierten Menge von CO2 vor. Gegeben eine unvollständige Information über empirische Preiselastizitäten wären solche Mengenziele über einen Emissionshandel leichter und eindeutiger durchzusetzen. Es könnte schlicht die Zielmenge eines Jahres festgelegt und die Preisbildung dem Marktmechanismus im Emissionshandel überlassen werden. Dies würde gleichzeitig Effizienz in dem Sinne sicherstellen, dass die Emissionsrechte automatisch von denjenigen gekauft würden, die selbst relativ hohe Vermeidungskosten haben, während diejenigen, die geringe Vermeidungskosten haben, ihre Zertifikate verkaufen und Emissionen vermeiden. Das Ziel, eine möglich kosteneffiziente Kontrolle des Klimawandels zu gewährleisten, würde automatisch erreicht.
Aus ökonomischer Sicht wäre es zu präferieren, eine zulässige Gesamtmenge von Zertifikaten für alle nicht im EU-ETS enthaltenen Sektoren zu definieren und diese in einem nationalen Emissionshandel ohne Höchstpreis zuzuteilen.
Die Rückerstattung von Einnahmen aus der CO2-Bepreisung
Die Bundesregierung plant, unerwünschte Verteilungseffekte der ausgeweiteten CO2-Bepreisung durch drei Maßnahmen abzufedern: i) eine Senkung der EEG-Umlage und damit des Strompreises, ii) eine Erhöhung der Pendlerpauschale und iii) eine Erhöhung des Wohngeldes. Die erste Maßnahme soll ausdrücklich aus den Einnahmen des Emissionshandels finanziert werden, bei den beiden anderen ist vermutlich eine Finanzierung aus allgemeinen Haushaltsmitteln vorgesehen.
Eine Senkung des Strompreises ist grundsätzlich zu befürworten. Dafür spricht neben im engeren Sinne ökonomischen Gründen vor allem, dass CO2-sparende Technologien oft eine Elektrifizierung voraussetzen, wie etwa beim Umstieg von Verbrennungsmotoren auf E-Mobilität. Sinkt der Strompreis, so wird es für Verbraucher und Unternehmen attraktiver, in einen solchen Umstieg zu investieren. Es wäre aber wünschenswert, wenn dies aus sonstigen Haushaltsmitteln finanziert würde, während die Mittel aus der CO2-Bepreisung direkt an die Haushalte zurückverteilt werden sollten.
Dies wäre technisch einfach möglich, indem etwa in jedem Jahr die Einnahmen durch die Einwohnerzahl geteilt und dann zu gleichen Beträgen pro Kopf ausgeschüttet würden. Ein solcher, sehr einfacher Mechanismus würde dazu führen, dass die unteren Dezile der Einkommensverteilung unmittelbar profitieren würden, während höhere Einkommensschichten, die typischerweise auch durch einen höheren CO2-Ausstoß gekennzeichnet sind, netto belastet würden. Es ist außerdem zu vermuten, dass ein solcher einfacher und transparenter Mechanismus die Akzeptanz der CO2-Bepreisung in der Bevölkerung steigern würde.
Indem der Umweg über die EEG-Umlage gegangen wird, werden stattdessen gerade gutverdienende Haushalte mit hohem Stromverbrauch besonders stark entlastet. Es ist dabei wichtig zu sehen, dass die Alternative der pauschalen Rückerstattung immer noch mit starken Anreizwirkungen zur Vermeidung von CO2-Emissionen verbunden wäre. Die Bürger würden nämlich sehen, dass der pauschale Rückerstattungsbetrag nicht vom eigenen Emissionsniveau abhängt und hätten daher aufgrund des gestiegenen relativen Preises von CO2-intensiven Konsumoptionen weiterhin einen Anreiz, weniger stark belastete Optionen zu wählen.
Das fehlende Vertrauen in die Anreizwirkung von Preisen
Wie oben beschrieben, wäre es unter Effizienzgesichtspunkten sinnvoll, einen einheitlichen CO2-Preis zu haben, der sich am Markt bildet und lediglich durch die zuvor erfolgte Festlegung einer Zielmenge gesteuert wird. Anstatt aber auf die effiziente Anreizwirkung von Preisen zu vertrauen, sieht der Gesetzentwurf des Bundes-Klimaschutzgesetzes Sektorziele vor. Dies bedeutet, dass die Politik das Gesamt-Reduktionsziel für die Emissionen auf einzelne Sektoren aufteilt. Dies ist aber bei einer CO2-Bepreisung schlicht unsinnig und schädlich, denn die Bürger und Unternehmen sollen ja gerade erst in Anpassung an den Preis herausfinden, wo sich Emissionen relativ kostengünstig vermeiden lassen. Sektorziele sind dagegen das Resultat einer ineffizienten Anmaßung von Wissen durch die Politik; sie tut so, als wüsste sie schon im Vorhinein, wo eine besonders effiziente Emissionsvermeidung zu erreichen ist.
Je stärker dieses politische Mikromanagement ausgeprägt ist, desto mehr wird der Sinn eines Emissionshandels oder einer CO2-Steuer ad absurdum geführt. Man kann nicht sinnvoll beides tun. Entweder man überlässt es den Haushalten und Unternehmen, als Reaktion auf die CO2-Bepreisung selbst nach sinnvollen Lösungen zu suchen, oder man betreibt CO2-Planwirtschaft. Beides gleichzeitig zu tun funktioniert jedoch nicht. Insbesondere § 8 des Gesetzentwurfs ist vor diesem Hintergrund äußerst kritisch zu sehen.
Wiederum wäre es wünschenswert, wenn die Bundesregierung stattdessen einen Emissionshandel ohne Höchstpreise installieren würde. Um es nochmals zu sagen: In diesem Fall wäre durch das strikte Mengenlimit eine Erreichung des angestrebten Emissionsziels garantiert. Der Umweg, stattdessen Ministerien zu beauftragen, innerhalb ihrer Ressorts politisch festgelegte Emissionsreduktionen durchzuführen, kann nicht effizient sein und führt dazu, dass die Klimaziele (wenn überhaupt) zu deutlich höheren ökonomischen und gesellschaftlichen Kosten erreicht werden, als es eigentlich nötig wäre.
Die polit-ökonomischen Probleme
Die Politik legt offensichtlich viel Wert darauf, die direkte Kontrolle auch über die Details der Entwicklungen zu haben. Es reicht nicht, es den Marktteilnehmern zu überlassen, einen effizienten Weg zur Emissionsvermeidung zu finden. Stattdessen müssen einzelnen Sektoren, gespiegelt durch die jeweiligen Ressortministerien, je eigene Emissionsziele zugewiesen werden. Auch in der politischen Rhetorik scheint dies oft auf, wenn etwa die Rede davon ist, dass dieser oder jener Sektor unbedingt eine bestimmte Leistung an CO2-Vermeidung erbringen solle und dazu bestimmte Regulierungen nötig seien.
Einen Preis, oder noch besser: einen Emissionsdeckel zu setzen und abzuwarten widerspricht dagegen den vorherrschenden politischen Instinkten. Denn hier würden die Pfade für eine effiziente Anpassung von den Bürgern selbst gesucht. Wer gewohnt ist, Weisungen zu erteilen, wird mit einem solchen Vorgehen immer fremdeln. Es gibt allerdings noch zwei weitere Gründe, wieso der CO2-Preis nun eine untergeordnete Rolle spielt.
Ein Grund ist, dass das Klimaproblem als Hebel genutzt wird, um Detailregelungen durchzusetzen, die man sich schon immer gewünscht hat. Wenn etwa im Verkehrssektor einmal das Emissionsziel gerissen wird, dann wird das allgemeine Tempolimit unausweichlich erscheinen. Wenn in der Landwirtschaft zu wenige Emissionen vermieden werden, dann könnte man doch Fleischproduktion und -konsum ordnungsrechtlich drosseln. Und so weiter. Das Abrücken vom CO2-Preis schafft in Kombination mit den Sektorzielen scheinbare Legitimationsgründe für zukünftiges regulatorisches Handeln. In all diesen Fällen wäre ein einheitlicher CO2-Preis effizienter. Aber er ist politisch weniger attraktiv.
Der zweite Grund ist, dass die Politik ein Problem damit hat, einen höheren und tatsächlich wirksamen CO2-Preis gegenüber den Wählern zu vertreten. Dies wiederum dürfte vor allem am Unwillen liegen, eine pauschale Rückerstattung durchzuführen. Dabei hätte diese sogar politisch attraktive Verteilungseffekte. Aber hier wirkt der Fluch der bösen Tat: Die katastrophal ineffiziente Gestaltung des EEG fällt der Politik nun auf die Füße. Eine Absenkung der EEG-Umlage erscheint auch ökologisch geboten, aber in Zeiten enger werdender Haushaltsspielräume müssen nun die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung dafür herhalten – anstatt effizient zurückverteilt zu werden.
Fazit
Das Klimapaket der Bundesregierung ist in seiner aktuellen Form eine Enttäuschung. Der Einstieg in die Bepreisung fällt zu flach aus, eine effiziente Rückverteilung der Einnahmen an die Bürger gibt es nicht und der Abhängigkeit von ordnungsrechtlichen Interventionen wird der Weg geebnet. Mit diesem Ansatz wird Deutschland kaum als Vorbild für effizienten Klimaschutz taugen. Stattdessen werden den Bürgern und Unternehmen deutlich höhere Anpassungskosten aufgebürdet, als dies eigentlich nötig wäre. Die Politik müsste direkte Kontrolle aufgeben, um mehr zu erreichen. Aber hierzu scheint sie nicht bereit.
Blog-Beiträge zum Thema:
Manuel Frondel (WF): Das Klimapaket. Ein Schritt in die richtige Richtung, aber leider auch viele Fehltritte
Rupert Pritzl (WF): Was bringt das „Klimapaket 2030“? „Klima-Planwirtschaft“ und Diskreditierung des marktwirtschaftlichen Gedankens
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