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Klima-Notstand, Green Deal, Klimakonferenz und nun das Klimapaket: Die Klimapolitik war in den vergangenen Wochen sehr präsent. Aber sind die einzelnen Projekte bloßer Aktivismus oder ein wirklicher Fortschritt?
In den vergangenen Wochen gab es gleich vier klimapolitische Top-Ereignisse. Zunächst erklärte das Europäische Parlament (EUP) den Klima-Notstand. Das war zunächst einmal nicht mehr als eine Meinungsäußerung. Danach stellte die neue Europäische Kommission den „Green Deal“ der Europäischen Union (EU) vor. Drittens wurde die Klimakonferenz in Madrid am vergangenen Sonntag mehr oder weniger ergebnislos abgebrochen; es war das schwächste Resultat seit dem Desaster in Kopenhagen vor genau 10 Jahren. Und schließlich hat die Bundesregierung in den Verhandlungen mit den Bundesländern ihr Klimapaket nachgebessert in dem Sinne, dass der Preis für die Tonne ausgestoßenen CO2s deutlich ansteigt.
Diese Gemengelage lässt etliche Rückschlüsse auf die Haltung und das Verständnis der Beteiligten für die Prozesse und Probleme zu. Das EUP hat sich offenbar dazu entschlossen, mit dem Begriff „Klima-Notstand“ hysterisch auf den Klimawandel zu reagieren. Außerdem lässt der Begriff Notstand Zweifel aufkommen, wie demokratisch die Mehrheit im Hohen Haus denkt. Offenbar wird das Problem als so drängend angesehen, dass die herrschenden Gesetze keine Einschränkung europäischen Aktionismus bilden sollte. Diese Erklärung des Parlaments wird wohl nicht dazu beitragen, die Debatte um den Klimaschutz zu versachlichen. Schade!
Die EU-Kommission ist da schon weiter. In einem recht langen Papier auf der Website der Kommission vom 11. Dezember wird „Der europäische Green Deal“ vorgestellt. Dieser zeigt ebenfalls ein gerüttelt Maß an Aktionismus, indem für alle Sektoren Einzelmaßnahmen und Förderpakete avisiert werden – noch gibt es keine konkreten Vorschläge, das ist alles für das kommende Frühjahr geplant. Einige Pfeiler sind jedoch zu erkennen:
1. Sehr positiv ist zu vermerken, dass die Kommission recht klar den Engpass der europäischen Klimapolitik bei der Zustimmung der Verlierer einer Emissionsreduktion erkennt und Maßnahmen anbieten will, diese Verlierer zu kompensieren.
2. Ebenfalls positiv fällt auf, dass aus Sicht der Kommission eine stärkere und umfassendere CO2-Bepreisung notwendig geworden ist.
3. Allerdings will die Kommission noch zahlreiche Eingriffe und Verhaltensvorschriften einbauen, die bei einer konsequenten CO2-Bepreisung gar nicht nötig wären. So ist von einem geplanten Umbau der Industrie in den kommenden 25 Jahren, die es zu unterstützen gelte, die Rede. Ergäbe sich die nicht von allein, wenn der Preis für Emissionen stark stiege, oder besser noch die zur Verfügung stehende Menge an CO2-Zertifikaten sich stark verknappen würde? Alle bisherigen Erfahrungen mit drastischen Preissteigerungen legen dies nahe.
4. Genauso verwundert die Inkonsistenz der Argumentation, wenn die Kommission auf Seite 11 der deutschen Version des Dokuments die Emissionen von Gebäuden in den Emissionshandel aufnehmen will. Es reicht aber völlig, die Inputs (also Gas und Heizöl oder Holzpellets) entsprechend in den Emissionshandel oder die an CO2-Steuer aufzunehmen. Dann wird der Input irgendwann so teuer, dass viele Hauseigentümer von alleine renovieren.
5. Richtig hingegen scheint es zu sein, auch importierte Produkte mit schlechter Klimabilanz abzuweisen oder zu besteuern. So soll die sogenannte „Carbon Leakage“ verhindert werden, also die simple Auslagerung von klimaintensiver Produktion ins Ausland als Reaktion auf die Bepreisung der Emissionen in der EU. Gerade wenn andere Länder nicht bereit sind, eine globale und sinnvolle Klimapolitik mitzutragen, sollte die EU Trittbrettfahrern Einhalt gebieten.
Geht es nach der Kommission, soll die EU Vorreiter in der Klimapolitik werden; das ist zumindest gewagt. Denn wenn das Experiment scheitert, machen die anderen bedeutsamen Emittenten von CO2 erst recht nicht mit. Das hat das dritte Ereignis deutlich gemacht: der gescheiterte Klimagipfel in Madrid. Dort konnten sich die Delegationen der über 200 vertretenen Länder nicht darauf einigen, den Emissionshandel zu konkretisieren. Immerhin: Anstatt eines flauen Kompromisses, der dann nur schwer zu korrigieren wäre, hat man sich daraufhin geeinigt, im nächsten Jahr etwas mehr erreichen zu wollen – eine von der EU mitgetragene Strategie.
Vor diesem Hintergrund ist die Kombination aus ambitionierter eigener Politik und aggressiver Antwort auf Carbon Leakage angemessen. Wenn es tatsächlich gelingt, Klimaschutz mit steigendem Wohlstand zu kombinieren, kann eine Vorbildfunktion eingenommen werden – und die ist doch viel besser als eine Vorreiterposition.
Ähnliches strebt ja auch die deutsche Klimapolitik an, obwohl gerade in den letzten Jahren wenig Dynamik im Land zu spüren war. Entsprechend dürftig war auch der erste Entwurf des sogenannten Klimapaktes. Auf 10 Euro pro Tonne CO2 war die Steuer für den Einstieg in 2021 festgelegt worden; ein Anstieg bis auf 35 Euro im Jahr 2025 war geplant. Nun wird mit 25 Euro begonnen, und in 2025 soll der Preis mindestens 55 Euro betragen. Dafür soll die Pendlerpauschale erhöht und die EEG-Umlage gesenkt werden.
Auch hier wäre es besser gewesen, eine nationale Höchstausstoßmenge festzulegen und die vielen Einzelmaßnahmen auf sektoraler Ebene zu streichen. Nun wird es sehr viele Einfallstore für Lobbyisten geben, sowohl für als auch gegen strengeren Klimaschutz, ohne dass die ökologische Effektivität garantiert ist.
Insgesamt war das eine schlechte Zeit für den Klimaschutz. Hier dominiert Hysterie und Aktionismus, anderswo Attentismus und Verleugnung des Problems. Das ist keine gesunde Mischung. Hysterie wird die Skeptiker nicht überzeugen, und Nichtstun steigert nur die Hysterie. Man kann nur hoffen, dass sich die Rationalität bald wieder Bahn bricht.
Hinweis: Der Beitrag erschien am 20. Dezember 2019 in der Online-Ausgabe der Wirtschaftswoche.
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Vielleicht liegt es ja daran, dass die Grundlagen der Klimapsychose auf Lügen beruhen.
weil in der Klimadiskussion Ideologie mit den Fakten der Realität, den Naturgesetzen kollidieren.
Wunschdenken ist nicht Wahrheit, deswegen!