Kampf der Generationen?
Demographie und Klima sind nicht generationenneutral

„Warum soll ich mich um meine Nachfahren kümmern? Was haben die je für mich getan?“ (Groucho Marx)

Die Zeit der großen Aufmärsche schien vorbei. Der Klassenkampf hat seine Zukunft hinter sich. Arbeit und Kapital vertragen sich. Auch der Kampf gegen die Atomkraft ist überflüssig geworden. Die Atomkraftwerke werden zeitnah stillgelegt. Ruhig geworden ist es in Deutschland dennoch nicht. Mit „Fridays for Future“ rollt eine neue Protestwelle. Auslöser ist der Klimawandel. Getragen werden die Proteste von der jungen Generation. Vor allem Schüler und Studenten fürchten um ihre Zukunft. Sie wollen eine intakte Umwelt. Damit stoßen sie auf ökonomische Widerstände. Der industrielle Sektor hierzulande ist in der Krise. Vor allem der Automobil- und Maschinenbau leidet. Die Klimapolitik verschärft diese Entwicklung. Es nimmt nicht Wunder, dass die Proteste gegen massenhafte Entlassungen im industriellen Sektor lauter werden. Es ist auf den ersten Blick kurios. Die Kinder protestieren für eine rigorose Klimapolitik ohne Rücksicht auf ökonomische Folgen. Ihre Eltern machen gegen mögliche (auch klimapolitisch bedingte) Entlassungen mobil. Ein Generationenkonflikt liegt in der Luft. Die Angst der Jungen ist groß, dass gegenwärtige Generationen auf Kosten ihrer und künftiger Generationen leben.

Schreit die Gegenwart lauter als die Zukunft?

Der Konflikt zwischen Generationen ist nicht neu. Immer wieder wird vermutet, dass gegenwärtige auf Kosten künftiger Generationen leben. In Demokratien werden Entscheidungen über Ausgaben und Einnahmen mit Mehrheit gefällt. Inter-generativ entstehen Probleme vor allem, wenn Lasten aus kollektiven Entscheidungen in die Zukunft verschoben werden können. Das wichtigste Instrument dafür ist die staatliche Verschuldung. Gegenwärtige Generationen können sich Ausgaben genehmigen, deren Finanzierung über staatliche Kredite künftigen Generationen aufgebürdet werden. Das kann explizit erfolgen. Die kontroverse Diskussion um die Schuldenbremse zeigt, dass Staatsverschuldung immer in Gefahr ist, Lasten inter-generativ zu verschieben, wenn die finanziellen Mittel genutzt werden, staatlichen Konsum zu finanzieren (hier). In entwickelten Sozialstaaten werden (konsumtive) Lasten allerdings regelmäßig vor allem implizit auf künftige Generationen verschoben. Die Systeme der „Sozialen Sicherung“ sind zum größten Teil umlagefinanziert nicht kapitalfundiert. Das öffnet inter-generativer Lastverschiebung immer Tür und Tor.

Tatsächlich protestieren jüngere Generationen gegen umlagefinanzierte Systeme der „Sozialen Sicherung“ aber kaum. Die Lastverschiebung zu ihren Ungunsten beträgt ein Mehrfaches der Lasten, die durch explizite staatliche Verschuldung in die Zukunft verlagert werden. Vor allem in der Gesetzlichen Rentenversicherung werden künftige Generationen von den gegenwärtigen zur Kasse gebeten. Der Widerstand gegen inter-generative Lastverschiebungen entzündet sich aktuell allerdings am Klimawandel. Vor allem die jüngere Generation befürchtet zu Recht, dass gegenwärtiges Umweltverhalten das Klima noch weiter zerstört. Die Leidtragenden sind ihre Generation, noch stärker aber die Generationen nach ihr. Sie fordern schnell wirksame klimapolitische Maßnahmen. Das gelingt allerdings nur, wenn zum einen national eine Mehrheit organisiert werden kann. Zum anderen müssen international die wichtigsten Klimazerstörer zur Umkehr bewegt werden. Es braucht also eine doppelte Mehrheit, national und international. Die Gefahr ist allerdings groß, dass die Gegenwart lauter schreit als die Zukunft (Hansueli Schöchli) und Trittbrettfahrerverhalten dominiert.

Sind in der Alterssicherung die Jungen die Dummen?

Seit Jahrzehnten ist absehbar, dass demographische Veränderungen die Gesellschaft umpflügen werden. Für umlagefinanzierte Systeme der Alterssicherung bedeuten die demographischen Schocks nichts Gutes. Der Rentnerquotient steigt. Die Systeme geraten in finanzielle Schwierigkeiten. Und die Politik setzt noch einen drauf. Umverteilung in den Systemen der Alterssicherung (beitragsfreie Zeiten; versicherungsfremde Leistungen; Leistungen für Kindererziehung; Mütterrente; Rente mit 63 etc.) verstärken die Ungleichgewichte. Die Gefahr ist groß, dass sich ältere Generationen einen schlanken Fuß machen und demographische und distributive Lasten auf künftige Generationen verlagern. Was wäre notwendig, die finanziellen Defizite zu beseitigen? Die Strategien sind schnell aufgezählt (hier): Lasten können aus den Systemen der Alterssicherung ausgelagert werden. Sie können aber auch durch politische Entscheidungen verringert werden. Wo dies alles nicht ausreicht, müssen sie von den Generationen getragen werden, möglichst „fair“. Damit aber die Generationen von den Lasten nicht erdrückt werden, müssen sie wirtschaftlich gekräftigt werden. Die Lasten müssen tragbarer werden.

Ein Konflikt zwischen den Generationen ist denkbar. Er kann nur vermieden werden, wenn gesellschaftlicher Konsens besteht, wie die Lasten inter-generativ aufgeteilt werden. In der Alterssicherung haben sich bestimmte Leitplanken der „Fairness“ herausgebildet. Eine ist die (Teilhabe)Äquivalenz. Die gesellschaftlich gewünschte Umverteilung soll nicht in der Alterssicherung, sondern über das Steuer-Transfer-System organisiert werden. Mit dieser inter-personellen Verteilungsregel werden die größten distributiv induzierten inter-generativen Verzerrungen beseitigt. Bei den demographischen Lasten hat sich ein Konsens herausgebildet, wie die stark gestiegene Lebenserwartung aufgeteilt wird. Sie wurde in der Vergangenheit mehr oder weniger im Verhältnis 2:1 auf eine längere Lebensarbeitszeit und einen längeren Rentenbezug aufgeteilt. In der großen Rentenreform aus dem Jahr 2007 verständigte man sich auf den „Da Vinci-Code“ (22-43-67-4) (hier). Dieser gesellschaftliche Konsens ist die Richtschnur, demographische Lasten auf die Generationen aufzuteilen. Allerdings ist diese inter-generative Verteilungsnorm nicht in Stein gemeißelt. Sie kann jederzeit mit Mehrheit im Parlament geändert werden.

Ist damit in den nächsten Jahrzehnten zu rechnen? Die Regel, wie Lasten in der umlagefinanzierten Alterssicherung inter-generativ aufgeteilt werden, hängt von ökonomischen und politischen Faktoren ab. Auf den ersten Blick lässt die veränderte Altersstruktur nichts Gutes für die jüngere Generation erwarten. Mit steigender Alterung verbessert sich die Position der älteren Generationen in Wahlen. Die Politik orientiert sich stärker an den Präferenzen der Alten. Die Jungen sind die Dummen. Dieses Bild ist zu einseitig. Einfache Anreiz- und Akzeptanzprobleme verhindern, dass Junge oder Alte krass bevorzugt werden. Steigen die Beiträge zu stark, sinken die Anreize der Jungen zu arbeiten. Das ist (auch) nicht im Sinne der Alten. Sinkt das Rentenniveau zu stark, wird die umlagefinanzierte Alterssicherung vor allem von Geringqualifizierten grundsätzlich in Frage gestellt. Auch die Alten haben kein Interesse daran, dass die Alterssicherung zerstört wird. Der Generationenkonflikt zwischen Jungen und Alten wird trotz veränderter Altersstruktur nicht eskalieren. Sie brauchen einander. Nationale Lösungen zwischen den Generationen sind weiter möglich.

Setzen sich die Jungen beim Klimawandel durch?

Ein neues Konfliktfeld zwischen Jung und Alt tut sich in der Klimapolitik auf. Vor allem die ganz jungen Generationen fordern in weltweiten Protestaktionen („Fridays for Future“; „Extinction Rebellion“) schnelle und nachhaltige Schritte gegen den Klimawandel. Der klimatische Wandel ist nicht generationenneutral. Er belastet jüngere (künftige) Generationen stärker als ältere. Weniger CO2 weltweit zu emittieren, ist ein Gebot der Stunde. Es ist keine Option, klimapolitische Lasten in Regionen mit niedriger CO2-Belastung auszulagern. Dem Klima ist es (fast) egal, wo CO2 weltweit emittiert wird. Es kann nur darum gehen, klimapolitische Lasten zu verringern. Die negativen externen Effekte müssen internalisiert werden. CO2 muss weltweit einen adäquaten, einheitlichen Preis erhalten. Steuern auf CO2 und weltweiter Emissionshandel sind mögliche Instrumente. Klimapolitische Lasten müssen von denen getragen werden, die sie verursachen. Das ist die allgemeine Regel. Sie garantiert Generationenneutralität. Neue Umwelttechnologien können helfen, die unvermeidbaren klimapolitischen Lasten tragbarer zu machen. Das macht es allerdings notwendig, offen zu bleiben und sich nicht vorab auf bestimmte Technologien festzulegen. Ein weltweiter Emissionshandel bietet dafür die besten Chancen.

Der Weg der künftigen Klimapolitik ist vorgezeichnet. Da Klimawandel nicht generationenneutral ist, pushen die jüngeren Generationen, die von ihm besonders betroffen sind. Es ist allerdings eine Illusion zu glauben, der Kampf gegen den Klimawandel sei kostenlos. Neben Gewinnern (vor allem künftige Generationen) morgen gibt es auch heute schon Verlierer. Die Kosten einer wirksamen Klimapolitik liegen in höheren Kosten der Produktion heute. Sie sind umso höher, je klimaneutraler produziert werden muss. Das geht nicht spurlos am Strukturwandel vorbei. Vor allem Länder, die wie Deutschland, den strukturellen Wandel hinaus gezögert haben, sind nun besonders betroffen. Der industrielle Sektor, vor allem Automobil- und Maschinenbau, wird noch schneller schrumpfen. Arbeitsplätze werden massenhaft verloren gehen. Ein süddeutscher Rostgürtel wird entstehen. Die heutige erwerbstätige Generation wird sich dagegen zur Wehr setzen. Ein Generationenkonflikt ist kaum zu vermeiden. Die Kinder plädieren für eine rigorose Klimapolitik, die Eltern für einen sanfteren Übergang zu klimaneutralerer Produktion.

Möglicherweise spielt die veränderte Altersstruktur der jüngeren Generation klimapolitisch in die Hände. Das relative Gewicht im politischen Prozess verändert sich zugunsten der älteren Generation. Ist sie im Ruhestand, spielen eigene Arbeitsplatzsorgen keine Rolle mehr. Der Kampf gegen den Klimawandel gewinnt an Gewicht. Jung und Alt könnten sich politisch gegen die erwerbstätigen Mittelalten verbünden. Damit haben sie aber in der Klimapolitik noch nichts gewonnen. Der Kampf gegen den Klimawandel wird nicht national, er wird nur weltweit gewonnen. Das größte Hindernis ist klimapolitisches Trittbrettfahrerverhalten. Es nützt wenig, wenn in Ländern wie Deutschland die Klimapolitik erfolgreich ist. Das ändert den Treibhausgasausstoß weltweit kaum, ganz im Gegenteil. Die Vorteile erfolgreicher nationaler Klimapolitik kommen allen zugute, die Kosten werden national getragen. Gelingt es nicht, weltweit die größten Klimasünder zum gemeinsamen klimapolitischen Handeln zu bewegen, laufen nationale Anstrengungen in Ländern wie Deutschland klimapolitisch ins Leere. Und es spricht wenig dafür, dass der Konflikt zwischen „alter“ (reicher) und „neuer“ (junger) Welt beigelegt werden könnte.

Sind generationenneutrale Verträge möglich?

Das Problem der inter-generativen Verschiebung von Lasten in der umlagefinanzierten Alterssicherung ist schwierig aber lösbar. Im Gegensatz zu den klimatischen Lasten lassen sich die (demographischen) Lasten national in den Griff bekommen. Die Anreizstruktur ist so, dass sie konsensuale Lösungen nicht verhindert. Der wichtigste Ansatzpunkt, demographische Lasten zu verringern, ist eine automatische Anbindung der allgemeinen Altersgrenze in der Rentenversicherung an die Lebenserwartung. Viel wäre auch erreicht, wenn staatliche Umverteilung effizienter organisiert und aus den Systemen der Alterssicherung ausgelagert würde. Bei nicht wegreformierbaren (demographischen) Lasten sollte das Verursacher-Prinzip stärker zum Einsatz kommen, wenn es darum geht, wer die Lasten tragen soll. Dabei ist auch zu überlegen, Beiträge oder Renten stärker nach Kinderzahl zu differenzieren. Entscheidend dürfte allerdings sein, die eintretenden Lasten tragbarer zu machen. Notwendig sind mehr Investitionen in Human- und Realkapital. Beides setzt die Bereitschaft voraus, vermehrt Ersparnisse zu bilden. Die umlagefinanzierte Alterssicherung muss verstärkt um eine kapitalfundierte Alterssicherung ergänzt werden. Eine höhere Mitarbeiterbeteiligung der Arbeitnehmer würde diese Entwicklung beschleunigen.

Es ist unbestritten, die klimapolitischen Lasten müssen verringert werden. Dabei kommt es zu einem Konflikt zwischen klimapolitischem Nutzen und ökonomischen Kosten. Neue Technologien können künftig helfen, diesen Zielkonflikt zu verringern. Aber auch alte, wie die Atomkraft, entschärfen den Konflikt. Diese Zielkonflikte haben aber nicht nur eine nationale, sie haben auch eine internationale Dimension. Nur wenn weltweit die größten Emittenten von Treibhausgasen mitmachen, kann die Klimapolitik erfolgreich sein. Internationale Vereinbarungen sind unabdingbar. National unterschiedliche Präferenzen und klimapolitisches Trittbrettfahrerverhalten („Carbon Leakage“) erschweren multilateralen Lösungen. Das Klimaabkommen von Paris war ermutigend. Die Kündigung des Abkommens durch die Vereinigten Staaten ist ein schwerer Rückschlag auf diesem Weg. Ob ein „Club der Willigen“ den Weg zu multilateralen Vereinbarungen ebnet oder eher als Bremsklotz wirkt, ist unklar. Die handelspolitische Diskussion um Konflikte zwischen regionale Integrationsräume und weltweitem Freihandel mahnt eher zur Vorsicht.

Fazit

Die Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen, dass heutige Generationen auf Kosten künftiger leben. Unvollkommene politische Märkte begünstigen die Verschiebung von Lasten in die Zukunft. Das gilt für den demographischen und klimatischen Wandel. Ein Konflikt der Generationen liegt in der Luft. Die Mehrheit der Wähler zieht umlagefinanzierte Alterssicherungssysteme kapitalfundierten vor. Das ist die Basis, Lasten des demographischen Wandels in die fernere Zukunft zu verschieben. Auch beim Klimawandel besteht die Gefahr, dass künftige Generationen den Kürzeren ziehen. Dem Median-Wähler ist im Zweifel das wirtschaftliche Hemd näher als der klimapolitische Rock. Dennoch sind Generationenkonflikte in beiden Fällen unterschiedlich wahrscheinlich. Der demographisch bedingte Konflikt lässt sich auf nationaler Ebene anreizkompatibel in den Griff bekommen. Das ist beim Klimawandel anders. Er lässt sich nur international entschärfen. Es steht aber zu befürchten, dass national unterschiedliche Präferenzen und internationales Trittbrettfahrerverhalten zu keinem Konsens führen. Künftige Generationen sind die Dummen.

3 Antworten auf „Kampf der Generationen?
Demographie und Klima sind nicht generationenneutral

  1. In der Tat: Ich frage mich schon lange, warum es neben den „Fridays for Future“ keine „Wednesdays for (OUR!) Pensions“ gibt – die sollten angesichts der dramatisch geringeren Irrtumswahrscheinlichkeit von einschlägigen Katastrophenszenarien in diesem Bereich gegenüber globalen Wasserstandsmeldungen 2100 viel näher liegen, aber das ist halt medientechnisch und auch ansonsten viel weniger sexy. Jeder Autofahrer ist ein viel griffigeres Feindbild, gegen das es anzumarschieren gilt, als Norbert Blüms unvergessene Parole „Die Rente ist sicher!“.

  2. „Es steht aber zu befürchten, dass national unterschiedliche Präferenzen und internationales Trittbrettfahrerverhalten zu keinem Konsens führen. Künftige Generationen sind die Dummen.“

    Man sollte bei alldem nicht vergessen, dass zukünftige Generationen allen Prognosen nach sehr viel reicher sein werden als gegenwärtige, weil sie davon von den Früchten der Investitionen vergangener und gegenwärtiger Generationen in Sachkapital, Humankapital und technologisches Wissen profitieren werden: Das IPCC geht davon aus, dass der Klimawandel einen mäßigen Einfluss auf das Wirtschaftswachstum haben wird. Das IPCC prognostiziert, dass die die Pro-Kopf Einkommen im Jahr 2100 um 300 bis 500 Prozent größer sein wird als heute. Das IPCC ( https://www.ipcc.ch/site/assets/uploads/2018/05/SYR_AR5_FINAL_full_wcover.pdf ) und auch William Nordhaus ( https://data.nber.org/reporter/2017number3/nordhaus.html ), sagen voraus, dass eine Erwärmung von 2,5°C und 4°C das Pro-Kopf Bruttoinlandsprodukt (BIP) im selben Zeitraum um 2 Prozent und 5 Prozent verringern würde.

    Greta Thunberg schreibt in ihrem Buch „No One Is Too Small to Make a Difference“ (S.59) „Around the year 2030, 10 years 252 days and 10 hours away from now, we will be in a position where we set off an irreversible chain reaction beyond human control, that will most likely lead to the end of our civilization as we know it.“ Wehe jemand wagt es etwas anderes zu behaupten!

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