Das Thema „europäische Super League“ im Profifußball ist ein Dauerbrenner. Bereits 1998 zwang der Wettbewerbsdruck durch die Planung einer privaten europäischen Superliga den europäischen Fußballverband UEFA zu einer Reform der Mannschaftswettbewerbe (hierzu Kipker und Parensen 1999). Augenscheinlich rissen die Bestrebungen zur Gründung einer Eliteliga in privater Eigentümerschaft nie gänzlich ab. Nach den Enthüllungen der Plattform „Football Leaks“ im Jahr 2018 (https://footballleaks2015.wordpress.com/) entfachte sich die Diskussion erneut. Eine Orientierung an nordamerikanischen Sportarten wurde bereits damals aufgrund der Unterschiede zwischen den Präferenzen der europäischen Fußballfans und denen des Publikums in den US-Major Leagues skeptisch beäugt (etwa Berthold 2018). In der Literatur wurden die erwarteten Kosten und der Nutzen eines solchen Projekts sowohl auf individueller (Follert 2019), institutioneller (Follert und Emrich 2019) und wettbewerbsökonomischer Ebene (Drewes und Rebeggiani 2019) diskutiert. Aus Sicht der Spitzenklubs in Deutschland, insbesondere aus Sicht des FC Bayern München und von Borussia Dortmund, ließe sich möglicherweise ein breiterer Einkommensstrom generieren, der bspw. durch die Erschließung weiterer Absatzmärkte in Asien zustande käme. Auch die Kritiker, die oftmals die „Dauermeisterschaft“ des FC Bayern München anführen, dürften tendenziell froh sein, wenn sich der Primus der Bundesliga verabschiedete. Allerdings stehen diesem individuellen Nutzen erhebliche Kosten für die nationalen Ligen gegenüber, die sich mittelfristig auch auf die Nachfrage auswirken könnten. Nun steht die UEFA abermals vor der Aufgabe, ihre Position zu verteidigen. Nun sollte die Champions League erneut reformiert werden (https://www.zeit.de/sport/2021-04/super-league-uefa-champions-league-reform-fussball-europa). Diesem Ansinnen kam jedoch die Ankündigung der Gründung einer privaten und teilweise geschlossenen Super League durch 12 Clubs aus Großbritannien (sechs), Spanien (drei) und Italien (zwei) dazwischen.
Diese European Super League (ESL) soll aus 20 Teams bestehen (BBC 2021). Neben den bereits vorhin genannten Teams sollen also noch weitere acht hinzustoßen. Dabei ist vorgesehen, dass 15 Teams dauerhaft in der Liga bleiben und nicht absteigen können. Fünf Teams hingegen sollen sich in jeder Saison neu qualifizieren müssen. Die zwanzig Teams sollen in zwei Gruppen aufgeteilt werden; in den Gruppen finden zwischen den Gruppenteams Hin- und Rückspiele statt. Am Ende qualifizieren sich aus jeder Gruppe die drei besten Teams für das Viertelfinale. Die beiden weiteren Plätze für das Viertelfinale werden durch „double elimination“-Spiele zwischen den fünft- und sechstplazierten Teams jeder Gruppe ausgespielt. Während für das Viertel- und Halbfinale Hin- und Rückspiele vorgesehen sind, soll das Finale in einem Spiel erfolgen. Die Initiatoren der ESL, zu denen der Präsident von Real Madrid Florentino Pérez und der Vorstand von Juventus Turin Adrea Agnelli gehören, erwarten sich erheblich höhere Einnahmen und eine Stärkung des Fußballs. Zudem wird kolportiert, dass die amerikanische Großbank JP Morgan Chase das Vorhaben finanziell absichert.
Dieser Vorgang verursachte bei vielen Stakeholdern im Fußballbereich erheblichen Unmut (Krapf 2021). So protestieren nicht nur die Fans und andere Klubs dagegen, sondern die UEFA erwägt rechtliche Schritte, um das Vorhaben zu eliminieren. Insbesondere wird von Seiten der UEFA erwogen, die an der ESL beteiligten Klubs von den anderen Wettwerben der UEFA und der FIFA auszuschließen. Gleiches gilt für die Spieler, die bei den beteiligten Clubs unter Vertrag stehen.
Unabhängig von den wohl tendenziell negativen Auswirkungen auf die Stabilität des Wettbewerbs in nationalen Ligen stellt sich freilich die Frage, wie diese Situation aus wettbewerbsökonomischer Sicht zu beurteilen ist. So agieren die internationalen Verbände UEFA und FIFA weitgehend als Monopolisten auf dem Feld internationaler Unterhaltungsdienstleistungen im Bereich des Fußballsports. Aus wettbewerbsökonomischer Perspektive dürften sowohl die Fußball-Europameisterschaft als auch die -Weltmeisterschaft sowie die von der UEFA ausgerichtete Champions League (als auch deren andere internationale Wettkämpfe) Unterhaltungsdienstleistungen sein, die für die Fans im Fußballbereich kaum substituierbar sind und damit monopolitische Züge aufweisen. Vor diesem Hintergrund entfacht eine Konkurrenzveranstaltung, wie sie die ESL darstellt, den Wettbewerb und ist daher aus dieser Perspektive zu begrüßen. Mit der ESL wird die monopolistische Verbandsstruktur aufgebrochen und es werden innovative Formate auf den Weg gebracht. Ob diese Formate aus Sicht der Fußballkonsumenten den etablierten UEFA-Wettbewerben überlegen sind, können nur diese anhand ihrer subjektiven Präferenzen entscheiden. Die Sinnhaftigkeit des Vorhabens wird sich also an der Nachfrage nach diesem neuen Produkt entscheiden. Aufgabe der Wettbewerbspolitik sollte es in diesem Fall vielmehr sein, die UEFA und die FIFA daran zu hindern, ihre monopolistische Stellung ausnutzen, um die Einsatzfaktoren dieser neuen Liga zu beschränken und um dadurch das Vorhaben ESL zu unterbinden. Diese Behinderung würde – wie bereits oben erwähnt – darin bestehen, ESL-Klub-Spielern und/oder ESL-Klubs die Teilnahme an den internationalen UEFA- und FIFA-Wettbewerben zu untersagen. Eine europäische Wettbewerbspolitik müsste den ESL-Klubs und den ESL-Spielern diesen Weg offenhalten und damit der FIFA und der UEFA die Verwirklichung des Drohszenarios untersagen. Dass durch die ESL der Fußball zerstört würde, ist Unsinn, da schließlich der Konsument der Souverän ist und dem neuen Format durch Verlagerung der Nachfrage die Existenzbedingung entziehen kann. Zerstört würden vielmehr die monopolistischen Strukturen der UEFA und der FIFA, die beide wohl keine blütenweiße Weste haben. Und dass die an der ESL beteiligten Klubs bzw. ihre Eigentümer Geld verdienen wollen, ist doch nur legitim. Wer will das nicht.
Literatur
BBC (2021), European Super League: Premier League’s ‚big six‘ agree to join new league, Zugriff (20.4.2021): https://www.bbc.com/sport/football/56795811
Berthold, N. (2018), Super League in Europa? Das letzte Wort haben die Fans. Wirtschaftliche Freiheit – Das ordnungspolitische Journal vom 4. November 2018. http://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=24030
Drewes, M & Rebeggiani, L. (2019), Die Europäische Super League im Fußball: Mögliche Szenarien aus sport- und wettbewerbsökonomischer Sicht. Sciamus – Sport und Management 10(4), 127-142
Follert, F. (2019), Europäische Fußball-Superliga aus sportökonomischer Sicht. Wirtschaftsdienst – Zeitschrift für Wirtschaftspolitik 99, 148-150.
Follert, F. & Emrich, E. (2020), Was wäre wenn…? – Ein mikroökonomisches Gedankenexperiment zu einer Superliga im europäischen Fußball. List Forum für Wirtschafts- und Finanzpolitik 45, 347-359.
Kipker, I.O. & Parensen, A. (1999), Strukturierungsprobleme europäischer Fußballwettbewerbe am Beispiel Champions League und European Super League. Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis 51, 136-150
Krapf, C. (2021), JP Morgan finanziert die europäische Super League mit vier Milliarden Euro, das britische Investmentunternehmen Centricus soll seinerseits 6,6 Milliarden für die Champions League bieten, Zugriff (20.4.2021): https://www.nzz.ch/sport/real-juve-und-manu-wollen-super-league-statt-champions-league-ld.1612654.
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