BVerfG-Urteil (2)
Global einheitlicher CO2-Preis statt nationale Klimaschutzziele!

Es war ein Novum: Kürzlich fällte das Bundesverfassungsgericht sein erstes Klima-Urteil. Es erklärte das Klimaschutzgesetz in Teilen für verfassungswidrig, da es lediglich Emissionsminderungsziele bis zum Jahr 2030 setzt. Das Gericht hat deshalb den Gesetzgeber verpflichtet, auch für die Zeit nach 2030 Minderungsziele für Treibhausgasemissionen vorzugeben.

Die Sorge des Gerichts, dass spätere Generationen in ihren Freiheitsrechten verletzt werden könnten, wenn die Politik wirksame Maßnahmen gegen den Klimawandel auf die lange Bank schiebt, ist berechtigt. Doch es darf stark bezweifelt werden, dass es für den Klimaschutz förderlich ist, nationale Klimaschutzziele festzulegen. Von Minderungszielen haben wir in Deutschland bereits jetzt mehr als genug. Schließlich macht das Klimaschutzgesetz nicht nur Vorgaben für Deutschland bis zum Jahr 2030 insgesamt, sondern beinhaltet sogar individuelle Emissionsminderungspfade für sechs Sektoren: Industrie, Verkehr, Gebäude, Energie-, Land- und Abfallwirtschaft. Bis zum Jahr 2030 ist für jeden einzelnen dieser Sektoren Jahr für Jahr festgelegt, wie viel Emissionen dort entstehen dürfen. Nachfolgende Generationen dürfte es jedoch kaum interessieren, welches Minderungsziel Deutschland für seinen Gebäudesektor für das Jahr 2029 ausgerufen hat und welches für den Verkehrssektor für das Jahr 2027.

Diese Generationen dürfte stattdessen vor allem interessieren, ob der Klimawandel aufgehalten bzw. die globalen Treibhausgasemissionen verringert werden konnten. Doch diese steigen, von Ausnahmejahren wie 2009 und 2020, in denen weltweite Finanz- bzw. Gesundheitskrisen herrschten, einmal abgesehen, bislang beständig an. So erhöhten sich die globalen Emissionen an Kohlendioxid (CO2) zwischen 1990 und 2019 von rund 23 auf 38 Mrd. t. Insbesondere in China stiegen die CO2-Emissionen in diesem Zeitraum massiv an, von 2,4 auf rund 12 Mrd. t. Die weltweit einzige Region, die ihre CO2-Emissionen seit 1990 senken konnte, war die Europäische Union. Hier verringerten sich die Emissionen zwischen 1990 und 2019 zwar um 25 %, von 4,4 auf 3,3 Mrd. t. Diese Emissionsminderung wurde aber bei weitem überkompensiert durch den Emissionsanstieg in China.

Nationale oder gar sektorale Minderungsziele, auch wenn höchstrichterlich für die ferne Zukunft eingefordert, helfen daher ebenso wenig wie unilaterale freiwillige Selbstverpflichtungen reicher, minderungswilliger Staaten wie Deutschland. Nötig ist vielmehr internationale Kooperation in Form eines weltweiten Abkommens über einen global einheitlichen CO2-Preis, dem die größten Emittenten beitreten, vor allem China und die USA, die beiden Länder, die mehr als ein Drittel zum jährlichen Ausstoß an Treibhausgasen beitragen. Ein globales CO2-Preis-Abkommen ist das von vielen renommierten Ökonomen bevorzugte Klimaschutzinstrument, darunter die Alfred-Nobel-Gedächtnispreisträger William Nordhaus und Joseph Stiglitz. Neben Kosteneffizienz hätte ein solches Abkommen viele Vorteile, insbesondere dass die politische Umsetzung eines global einheitlichen CO2-Preises jedem Land individuell überlassen bleiben und in der Praxis relativ einfach erfolgen kann, etwa mittels der Einführung von CO2-Steuern.

Tatsächlich ist es dem sich im EU-Emissionshandel ergebenden CO2-Preis in Form von Emissionszertifikatpreisen zu verdanken, dass Deutschland sein nationales Klimaschutzziel für das Jahr 2020 wider Erwarten doch noch erreichen konnte und mit einer Senkung der Treibhausgasemissionen um 40,8% gegenüber 1990 sogar leicht übererfüllen konnte (UBA 2021). Das nationale Ziel lautete, die Emissionen bis 2020 um 40% gegenüber dem Basisjahr des Kyoto-Protokolls zu senken. Es galt lange Zeit als kaum erreichbar. Die große Koalition hatte sich bei ihrem Amtsantritt bereits von diesem Ziel verabschiedet.

Dass dieses Ziel dennoch übererfüllt werden konnte, ist jedoch nicht etwa der Corona-Pandemie und den sich daraus ergebenden Emissionsminderungen zu verdanken. Laut Umweltbundesamt ist die Pandemie lediglich für etwa ein Drittel der Emissionsminderung von rund 70 Millionen Tonnen gegenüber dem Vorjahr zu verdanken (UBA 2021). Vielmehr gehen mehr als die Hälfte dieser Minderung auf die Verringerung der Emissionen in der Energiewirtschaft zurück, die gegenüber 2019 um 38 Mio. Tonnen sanken. Fast ausschließlich dafür verantwortlich war der Rückgang der Emissionen aus der Braun- bzw. Steinkohleverstromung, die sich um 23 bzw. 13. Mio. Tonnen verringerten.

Dies ist aber nicht dem in Deutschland beschlossenen Kohleausstieg geschuldet, denn dieser Beschluss wirkt sich erst ab dem Jahr 2021 aus. Vielmehr gibt es den Trend zu einer starken Verringerung der Emissionen aus der Kohleverstromung bereits seit mehreren Jahren. Dieser Trend ist sehr wesentlich auf die seit Ende 2017 stark gestiegenen Preise für Emissionszertifikate zurückzuführen, welche die Kohleverstromung immer weniger wirtschaftlich werden lassen und zu einer vermehrten Schließung von Kohlekraftwerken geführt haben. So hat sich der Preis für Emissionszertifikate aufgrund von Reformen des EU-Emissionshandels, vor allem aufgrund der Einführung der Marktstabilitätsreserve, von rund 5 Euro je Tonne CO2 im Jahr 2017 auf derweil annähernd 50 Euro je Tonne vervielfacht.

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Vor diesem Hintergrund wäre es sehr zu begrüßen, wenn die Politik stärker auf die Effektivität des CO2-Preises setzen würde und versuchen würde, diesen möglichst weltweit einheitlich zu etablieren, statt nun höchst übereilt neue Klimaschutzziele für die Zeit nach 2030 zu setzen und die bestehenden Ziele für das Jahr 2030 deutlich zu verschärfen — Letzteres wurde vom Bundesverfassungsgericht gar nicht gefordert und für die Zielsetzung nach 2030 hat das Gericht der Legislative bis Ende 2022 Zeit gegeben. Es wäre schön, wenn sich die Politik mit derselben Vehemenz und Geschwindigkeit, wie sie neue Klimaschutzziele setzt und alte Ziele verschärft, für eine global einheitliche CO2-Bepreisung einsetzen würde. Immerhin hat Bundeskanzlerin Merkel auf dem Petersberger Klimadialog einen Vorstoß dazu gemacht und dafür geworben, in der ganzen Welt eine CO2-Bepreisung einzuführen.

Quellen:

UBA (2021) Treibhausgasemissionen sinken 2020 um 8,7 Prozent — Positiver Trend der Vorjahre setzt sich fort, 40,8 Prozent Rückgang seit 1990. Pressemitteilung von Umweltbundesamt und Bundesumweltministerium.  https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/treibhausgasemissionen-sinken-2020-um-87-prozent

Blog-Beitrag zum Thema:

Hartmut Kliemt: Luftschlösser der Klimapolitik?

 

4 Antworten auf „BVerfG-Urteil (2)
Global einheitlicher CO2-Preis statt nationale Klimaschutzziele!“

  1. Déjà-vu. Schon vor zwei Jahren plädierte Manuel Frondel in diesem Blog für den einheitlichen CO2-Preis. Ich schlug vor, rein zivilrechtlich das Angebot zu verknappen, indem man die Bodenschätze aufkauft und im Boden belässt: http://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=24314#comment-248320

    Das können Staaten oder auch Stiftungen ohne weltweite Koordination tun.

    Um mit dem vorhandenen Geld möglichst viel Bodenschätze aufzukaufen, muss man an preiswerten Alternativen zu fossilen Brennstoffen forschen. Laut Bjørn Lomborg und seinem Copenhagen-Consensus-Center ist diese Forschung massiv unterfinanziert, weil sie sehr langfristig angelegt ist. Man denke etwa an Small-Modular-Reaktors.

    Sobald eine preiswerte Alternative in einem Anwendungsbereich gefunden ist, setzt sie sich ohne staatlichen Zwang weltweit durch.

    Wenn alle Stricke reißen, könnte Deutschland seine aufgekauften Rohstoffvorkommen doch fördern, um Anpassungsmaßnahmen durchzuführen. Beispielsweise Bagger und Zementwerke betreiben, um Deiche zu bauen.

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