Gastbeitrag
Deutschland im Immobilienfieber

Trotz der Corona-Krise hat sich der Anstieg der Preise für Wohnimmobilien noch einmal verstärkt, und ein Ende des Booms ist angesichts einer weiterhin äußerst expansiven Geldpolitik nicht in Sicht. Dabei wird die Pandemie durchaus dauerhafte Folgen für den Immobilienmarkt haben: Der Trend zu mehr Homeoffice bremst die Nachfrage nach Büroimmobilien, gleichzeitig werden Wohnimmobilien in ländlichen Gebieten attraktiver. Die Preise für Einzelhandelsimmobilien sollten ihre Talfahrt beenden, sobald sich die Innenstädte wieder nachhaltig beleben.

Corona schiebt die Häuserpreise zusätzlich an, …

Die Häuserpreise gehen durch die Decke! Im dritten Quartal 2021 waren die Preise für Wohnimmobilien satte 12% höher als ein Jahr zuvor (Abbildung 1). Das ist der stärkste Anstieg in dem mittlerweile zehn Jahre laufenden Boom, nachdem die Häuserpreise im zweiten Quartal bereits um 10,8% gestiegen waren. Für das vierte Quartal zeichnet sich ebenfalls ein starker Zuwachs im knapp zweistelligen Bereich ab. Damit haben sich Wohnimmobilien im Durchschnitt des Corona-Jahrs 2021 voraussichtlich um 101/2% verteuert.

Der aktuelle Boom ist inzwischen der mit Abstand längste seit Beginn der Statistik. Während die Preisanstiege der 1970er und Anfang der 1990er Jahre jeweils nach rund acht Jahren zu Ende gingen, läuft die derzeitige Preisrallye mittlerweile seit zehn Jahren.

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… auch in den ländlichen Gebieten

Dabei wird der Boom schon lange nicht mehr nur von der starken Nachfrage in den großen Metropolregionen getrieben. Hier haben die Preise sogar seit Ausbruch der Pandemie etwas weniger stark zugelegt als zuvor. (Grafik 2). Dafür hat sich zuletzt der Preisauftrieb außerhalb der Metropolen spürbar beschleunigt, selbst in den dünn besiedelten ländlichen Kreisen. Dort steigen die Preise für Eigentumswohnungen mittlerweile ähnlich schnell wie in den Metropolen und damit doppelt so rasch wie vor Corona. Ein ähnliches Bild ergibt sich für die nicht in Abbildung 2 gezeigten Ein- und Zweifamilienhäuser.

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Geldpolitik schiebt weiter an …

Ein Ende des Immobilienbooms ist zumindest in diesem Jahr nicht in Sicht. Denn sein wichtigster Treiber ist die lockere Geldpolitik. Zwar rückt das Ende der Nettokäufe von Staatsanleihen näher, und angesichts der derzeit hohen Inflationsrate wird über eine möglicherweise bald anstehende Zinserhöhung seitens der EZB spekuliert. Aber selbst eine Zinserhöhung noch in diesem jahr würde vorerst nichts daran ändern, dass die Geldpolitik nach wie vor für den Immobilienmarkt weitaus zu locker ausgerichtet ist.

Das zeigt auch die Projektion unseres Erschwinglichkeitsindex (Abbildung 3).[1] Trotz eines zu erwartenden Anstiegs im laufenden Jahr bleibt ihm zufolge die Erschwinglichkeit von Wohnimmobilien im historischen Vergleich hoch. Die leichte Verschlechterung an dieser Stelle mag zwar dies den Preisanstieg etwas abbremsen, dürfte aber kaum ausreichen, um die Preisrally zu beenden.

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… und Homeoffice bleibt erhalten

Die Preise in den ländlichen Gebieten dürften dabei – wie schon in den beiden vergangenen Jahren – durch den Trend zum Homeoffice Rückenwind erhalten. Von verschiedenen Forschungsinstituten durchgeführte Umfragen und auf der vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) initiierten Corona-Datenplattform veröffentlichte Auswertungen belegen, dass seit April 2020 mehr als ein Viertel der Mitarbeiter zu einem Gutteil oder vollständig im Homeoffice gearbeitet hat. Damit werden ländliche Gegenden als Wohngebiete attraktiver. Denn längere Arbeitswege werden eher in Kauf genommen, wenn diese nur an einzelnen Tagen in der Woche zurückgelegt werden müssen.

Zwar dürften die meisten Arbeitnehmer nach einem Abklingen der Pandemie wieder häufiger ins Büro kommen. Der Anteil des Homeoffice dürfte aber höher bleiben als vor der Pandemie. Denn ebenfalls im Rahmen der Corona-Datenplattform durchgeführte Umfragen zeigen, dass die überwiegende Mehrheit der Befragten unabhängig von Corona mindestens einen Tag pro Woche im Homeoffice arbeiten möchte. Auch die Arbeitgeber wollen diesen Weg gehen. Laut einer Ifo-Umfrage und einer Erhebung des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) will eine Mehrheit der Firmen (54% bzw. 58%) mehr Homeoffice als vor der Pandemie ermöglichen. Dies dürfte den Markt bzw. Preisauftrieb für Wohnimmobilien außerhalb der Großstädte beflügeln.

Gewerbeimmobilien durchlaufen eine Durststrecke

Anders als bei Wohnimmobilien hat die Pandemie bei Büroimmobilien den Preisanstieg gestoppt, nachdem sich die Preise in den knapp zehn Jahren zuvor annähernd verdoppelt hatten (Abbildung 4). Besonders dynamisch war der Preisauftrieb in den Jahren 2016 bis 2019.

Auf diesen Trend werden die Preise für Büroimmobilien wohl auf absehbare Zeit nicht zurückkehren. Angesichts der fortdauernden Pandemie dürften die Preise zunächst weiter stagnieren; mittel- bis langfristig dürfte zudem der Trend zu mehr Homeoffice die Aufwärtsbewegung der Büroimmobilienpreise spürbar dämpfen.

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Auch bei den Preisen von Einzelhandelsimmobilien dürfte sich das Aufwärtspotenzial in Grenzen halten. In diesem Sektor hat es in den vergangenen zehn Jahren nie einen solchen Preisboom gegeben wie bei den Büroimmobilien. Seit Beginn der Pandemie haben sie sogar um 5½% nachgegeben.

Nach einer Eindämmung der Pandemie dürften sich die Innenstädte und Geschäfte aber wieder nachhaltig beleben. Der lokale Einzelhandel dürfte sich auch deshalb wieder erholen, weil auf Dauer das Einkaufs-Erlebnis und die Vorzüge des Ladengeschäfts die Vorteile der Online-Bestellungen zumindest teilweise ausgleichen, auch weil sich Trends wie Social Shopping zunehmender Beliebtheit erfreuen. Laut einer Umfrage des Marktforschungsinstituts YouGov unter mehr als 19.000 Personen in 17 Ländern [2] im Januar und Februar 2021 ist für 38% der deutschen Kunden das soziale Element ausschlaggebend für einen Ladenbesuch. Darüber hinaus wollen 63% der Befragten auf „Tuchfühlung“ gehen; für sie ist es wichtig, Produkte anfassen und anprobieren zu können. Die Menschen schätzen also den Besuch eines Ladengeschäfts nach wie vor, so dass sich die Preise für Einzelhandelsimmobilien mittelfristig stabilisieren und auf lange Sicht sogar wieder leicht steigen sollten.

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[1] Unser Erschwinglichkeits-Index setzt die Höhe des Schuldendienstes ins Verhältnis zum verfügbaren Einkommen pro Kopf. Dabei legen wir eine Eigenkapitalquote von 20% sowie eine Tilgungsrate von 2% zugrunde. Als Zinssatz dient der durchschnittliche Effektivzinssatz für Wohnungsbaukredite an private Haushalte mit einer Zinsbindung über 10 Jahre, der von der Bundesbank ausgewiesen wird.

[2] Die untersuchten 17 Länder sind: Australien, China, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Hongkong, Indien, Indonesien, Italien, Mexiko, Polen, Singapur, Spain, Schweden, Vereinigte Arabische Emirate, USA.

Eine Antwort auf „Gastbeitrag
Deutschland im Immobilienfieber“

  1. Gut auf den Punkt gebracht.
    Die Homeoffice-Regelung kann für ausgestorbene Dörfer auch wieder zum Revival führen. Wenn sich mehr Menschen dort niederlassen, wo die Preise noch günstig sind, kommen auch mehr Handels-Unternehmen (Gaststätte, Bäcker, Dorfladen) in die Gegend.

    Auch die Unternehmen benötigen nicht mehr so viel Büroflächen.
    Der Vorteil liegt klar auf der Hand.

    Leider wird es noch einige Zeit dauern, bis viele Dinosaurier-Unternehmen das verstanden und umgesetzt haben.

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