Staatshilfen für Opel: Europäische Zwickmühlen

Ende vergangenen Jahres hatte es bereits den Anschein, als sei die Subventionierung der deutschen Opel-Standorte vom Tisch. In beispielloser Offenheit hatte der Mutterkonzern General Motors versucht, die Regierungen der Länder, in denen Opel und Vauxhall präsent sind, gegeneinander auszuspielen, um möglichst hohe Staatszuschüsse zu seinem Restrukturierungsprogramm herauszuholen. Damals war es die EU-Kommission, die alle beteiligten europäischen Regierungen an einen Tisch holte und sie gemeinsam dazu brachte, mit einer Stimme die Erpressungsversuche aus Detroit abzuwehren. Ein Nutznießer war der damals frischgebackene Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle, dem damit ein nationaler Alleingang gegen die Subventionsbegehren aus Detroit erspart blieb.

Jetzt hat General Motors einen zweiten Anlauf gestartet. Der erste Schritt dabei war die Aufstockung der Mittel, die der Konzern selbst in die Sanierung von Opel stecken will. Bei einem Gesamtumfang des Restrukturierungspakets von 3,3 Mrd. Euro wollte General Motors ursprünglich lediglich 600 Mio. Euro selbst tragen und erhoffte sich deutsche Staatsbürgschaften in Höhe von 2,7 Mrd. Euro. Anfang März 2010 stockte der Konzern seine eigenen Finanzierungszusagen überraschend auf 1,9 Mrd. Euro auf, so dass vom deutschen Steuerzahler jetzt nur noch 1,4 Mrd. Euro als Bürgschaft begehrt werden. Adressat dieser Forderungen ist der „Deutschlandfonds“, der im Rahmen der Konjunkturpakete zur Bekämpfung der Finanz- und Wirtschaftskrise aufgelegt worden ist.

Hilfen aus dem Deutschlandfonds sind allerdings nur zulässig zur Überwindung von Schwierigkeiten, die auf die Finanzkrise zurückzuführen sind. Das muss im Fall Opel nachhaltig bezweifelt werden, wie ein Blick auf die längerfristige Absatzentwicklung zeigt: Im Jahr 2000 konnte Opel noch 410.000 Neuzulassungen in Deutschland verbuchen und lag damit an zweiter Stelle hinter Volkswagen (640.000) und gleichauf mit Mercedes (410.000). Bis zum Jahr 2008 sanken die Opel-Neuzulassungen auf 260.000, und der Marktanteil in Deutschland fiel von 12,8 Prozent auf 8,4 Prozent. Einen ähnlich drastischen Absatzeinbruch musste in jener Periode nur noch Saab hinnehmen (Zahlenangaben nach Justus Haucap, Michael Coenen, Industriepolitische Konsequenzen der Wirtschaftskrise, März 2010, mimeo).

Opel ist damit eindeutig kein Fall für den Deutschlandfonds. Die Probleme haben ihre Wurzeln nicht in der Finanzkrise, sondern sind in erster Linie hausgemacht. Offenkundig ist Opel das Opfer von gravierenden Managementfehlern, für die nicht der Steuerzahler, sondern der Konzern selbst geradestehen sollte. In diesem Sinne hat sich auch der Bundeswirtschaftsminister wiederholt geäußert.

Für die ablehnende Haltung gegen das Hilfsersuchen aus Detroit sprechen nicht zuletzt die allgemeinen Überkapazitäten in der Automobilindustrie, die nicht nur Opel zu schaffen machen. Damit wird jeder gerettete Arbeitsplatz bei Opel zu einem potentiellen Arbeitsplatzverlust bei Volkswagen, Ford oder anderswo. Wenn sich dann auch diese Unternehmen hilfesuchend an den Staat wenden würden, könnte ein Subventionskarussell in Gang gesetzt werden, das nur schwer wieder zu stoppen wäre.

Vertrackt wird die Lage des Bundeswirtschaftsministers allerdings durch die Interessenkonflikte mit anderen europäischen Regierungen. General Motors versucht bewusst, einen Keil zwischen die Regierungen zu treiben, indem die Arbeitsplatzzusagen für die jeweiligen Standorte mit den Hilfszusagen der jeweiligen Regierungen verknüpft werden. Einen ersten Erfolg kann der Konzern bereits verbuchen: Im März 2010 teilte der britische Wirtschaftsminister Peter Mandelson mit, dass seine Regierung eine Kreditbürgschaft in Höhe von 270 Mio. Pfund zur Verfügung stellt, um die Produktionsstandorte von Vauxhall auf der Insel zu sichern. Damit gerät die deutsche Bundesregierung in eine unangenehme Zwickmühle. Sie muss nicht mehr abwägen, ob sie Arbeitsplätze in Rüsselsheim zu Lasten von Arbeitsplätzen in Wolfsburg oder Köln erhalten will, sondern die Alternative liegt jetzt zwischen Rüsselsheim und Luton.

Einen Ausweg aus der Zwickmühle könnte abermals die EU-Kommission bieten. Sie hat wiederholt erklärt, dass sie staatlichen Rettungsmaßnahmen für die europäischen GM-Töchter nicht grundsätzlich ablehnend gegenübersteht, dass die Hilfe aber auf gar keinen Fall an den Erhalt nationaler Arbeitsplätze zu Lasten anderer Standorte geknüpft werden dürfe. Rainer Brüderle wäre demnach gut beraten, nicht nur mit General Motors zu verhandeln, sondern auch mit der EU-Kommission, und zwar darüber, der geplanten britischen Bürgschaft für Vauxhall die Genehmigung im Rahmen der EU-Beihilfenaufsicht zu versagen. Dies würde es für ihn weitaus leichter machen, seine ablehnende Haltung gegen Staatshilfen aus deutschen Steuergeldern in den kommenden Wochen erfolgreich durchzuhalten.

Henning Klodt

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