Der Deutsche Bundestag hat just die Absenkung der sogenannten EEG-Umlage zum 1. Juli 2022 auf null beschlossen. Damit wird die Förderung erneuerbarer Stromerzeugungstechnologien, die bislang mittels EEG-Umlage in Form eines Aufschlags auf den Strompreis finanziert wurde, jedoch nicht abgeschafft. Vielmehr werden die daraus erwachsenden Lasten von bislang rund 25 Milliarden Euro pro Jahr lediglich anders verteilt: Künftig kommen dafür die Steuerzahler auf, anstatt wie bislang die Stromverbraucher.
Diese Maßnahme zur Entlastung der Stromverbraucher ist aus zahlreichen Gründen höchst angebracht, nicht zuletzt auch, weil diese unter den aus marktwirtschaftlichen, klimapolitischen und krisenbedingten Gründen sehr stark gestiegenen Energiepreisen augenblicklich sehr zu leiden haben. Doch auch unabhängig von den derzeit hohen Energiepreisen ist aus vielen weiteren Gründen eine flächendeckende Entlastung der Verbraucher beim Strompreis, insbesondere auch der Unternehmen, durch die Senkung von Steuern und Abgaben wie der EEG-Umlage geboten (Frondel et al. 2022).
Erstens ist dies förderlich für die sogenannte Sektorkopplung, bei der zur Reduktion der Treibhausgasemissionen von Sektoren wie dem Verkehr und dem Gebäudebereich vermehrt alternativ erzeugter, grüner Strom eingesetzt werden soll. Sollen der Verbrauch von Strom in diesen Sektoren gesteigert und Anreize gesetzt werden, um die Elektromobilität im Verkehrssektor sowie die Verwendung von Wärmepumpen, Infrarotheizungen und anderen strombasierten Heizungstechnologien im Wärmesektor voranzubringen, wie dies politisch gewünscht wird, ist eine substanzielle Verringerung der Steuer- und Abgabenlast auf den Strompreis unabdingbar. Steuern und Abgaben machen bei privaten Verbrauchern derzeit über 50 Prozent des Strompreises aus. Anstatt immens hohe Subventionen zur Förderung der Elektromobilität und von Wärmepumpen zu gewähren, durch die vorwiegend wohlhabendere Haushalte begünstigt werden, wäre es aus verteilungspolitischer Sicht weitaus besser, die Sektorkopplung dadurch zu forcieren, dass die Steuern und Abgaben auf den Strompreis gesenkt und dadurch insbesondere einkommensschwache Haushalte entlastet werden.
Stattdessen wird zum Zwecke der Sektorkopplung der Einbau von Wärmepumpen staatlich gefördert, im Altbau durch einen Investitionszuschuss in Höhe von 35% bis zu einer maximalen Investitionssumme von 60.000 Euro, im Falle des Ersatzes einer Ölheizung liegt der Investitionszuschuss sogar bei 45%. Würden in den kommenden Jahren tatsächlich 2 Millionen Wärmepumpen im Altbau gefördert, wie es das Wahlprogramm von Bündnis 90/Die Grünen vorsah, würde das den Staat mindestens 42 Milliarden Euro kosten. Eine solche Summe ist durch nichts zu rechtfertigen, vor allem nicht durch Klimaschutzargumente: Die Vermeidungskosten liegen nach Berechnungen von Weimann (2021) bei über 600 Euro je Tonne Kohlendioxid (CO2) – ein Vielfaches des Preises für Emissionszertifikate, der bislang unter 100 Euro notierte. Mit knapp 2.400 Euro je Tonne sind die CO2-Vermeidungskosten infolge der Subventionen für Elektroautos, die sich auf bis zu rund 23.000 Euro belaufen können, laut Weimann (2021) noch deutlich höher als bei der Wärmepumpe — siehe dazu auch Schmidt (2020).
Zweitens ist es äußerst fragwürdig, warum für energie- und klimapolitische Maßnahmen wie die Förderung der Kraftwärmekopplung oder der erneuerbaren Energieerzeugungstechnologien die Stromverbraucher – also auch einkommensschwache Haushalte – aufkommen müssen, anstatt diese Maßnahmen aus dem Staatshaushalt zu finanzieren. Es ist aus verteilungspolitischer Sicht ein fundamentaler Konstruktionsfehler, dass derartige Maßnahmen von den Stromverbrauchern finanziert werden, anstatt gemäß des Leistungsfähigkeitsprinzips von den Steuerzahlern und damit im hohen Maße von den einkommensstarken Haushalten. Stattdessen werden Abgaben wie die EEG-Umlage von allen Bürgerinnen und Bürgern bezahlt. Da einkommensschwache Haushalte einen höheren Anteil ihres Einkommens zur Deckung ihres Stromverbrauchs auszugeben haben als wohlhabende Haushalte, haben einkommensschwache Haushalte in Relation zu ihrem Einkommen aktuell sogar einen höheren Beitrag zur Finanzierung von Maßnahmen wie der Förderung der Erneuerbaren via EEG-Umlage zu leisten als einkommensstarke Haushalte (Frondel, Sommer 2018). Dieselbe Kritik gilt für sämtliche weiteren Abgaben auf den Strompreis, etwa die Offshore-Umlage zur Finanzierung des Netzanschlusses von Offshore-Windparks oder die KWKG-Umlage zur Förderung der Kraftwärmekopplung, um nur zwei der zahlreichen Abgaben auf den Strompreis zu nennen.
Drittens ist neben der Abschaffung dieser Umlagen die Verringerung der Stromsteuer, möglichst auf den EU-Mindestsatz, längst überfällig: Die Stromsteuer ist bereits seit Einführung des EU-Emissionshandels im Jahr 2005 redundant, schließlich zielt der Emissionshandel ebenfalls auf die Absenkung der Emissionen in den darin integrierten Sektoren ab, wozu insbesondere der Stromerzeugungssektor gehört. Die entgangenen Einnahmen aus der Stromsteuer, mit denen unter dem Schlagwort der doppelten Dividende seit ihrer Einführung im Jahr 1999 die Rentenbeitragssätze auf einem geringeren Niveau gehalten werden können als ohne eine Stromsteuer, sollten mit Hilfe der Mittel des Energie- und Klimafonds ausgeglichen werden. Dieser Fonds wird unter anderem aus den Einnahmen der Versteigerung von Emissionszertifikaten im Rahmen des EU-Emissionshandels und der nationalen CO2-Bepreisung fossiler Brenn- und Kraftstoffe zum Zwecke des Klimaschutzes gespeist.
Die Senkung der Stromsteuer auf den EU-Mindestsatz wäre, ebenso wie die Abschaffung der EEG-Umlage, besonders hilfreich für solche Unternehmen, die nicht zu den stromintensivsten gehören und daher nicht von der Zahlung der Stromsteuer durch die Spitzenausgleichsregelung weitgehend befreit sind und bislang auch nicht durch die Besondere Ausgleichsregelung bei der Zahlung der EEG-Umlage begünstigt werden. Es sind insbesondere mittelständische Unternehmen, die nicht zuletzt wegen der Zahlung der Stromsteuer und EEG-Umlage in voller Höhe im internationalen Vergleich hohe Stromkosten zu tragen haben. Mit der Senkung der EEG-Umlage auf null wird einer der wesentlichen Nachteile, den deutsche mittelständische Unternehmen gegenüber ihren Wettbewerbern im internationalen Handel haben, beseitigt.
Dabei sollte es allerdings nicht bleiben: Durch die Senkung der Stromsteuer auf die für private Haushalte und Unternehmen gültigen jeweiligen EU-Mindestsätze würde ein weiterer Nachteil für deutsche Unternehmen abgeschafft: würde das ständige Bangen um die beihilferechtliche Genehmigung des Spitzenausgleichs für die stromintensive Industrie bei der Zahlung der Stromsteuer durch die Europäische Kommission ein Ende haben. . Zugleich wäre eine weitere Entlastung des Strompreises durch die dauerhafte weitgehende Abschaffung der Stromsteuer für einkommensschwache Haushalte eine unter der Perspektive der Verteilungsgerechtigkeit zielgerichtetere Hilfe als die temporäre Senkung der Energiesteuern auf Kraftstoffe, da ein Gutteil der einkommensschwachen Haushalte keinen PKW besitzen.
Ob die Senkung der EEG-Umlage von aktuell noch rund 3,7 Cent pro Kilowattstunde auf null zum 1. Juli 2022 jedoch dazu führt, dass der Endkundenpreis für Strom substanziell und dauerhaft sinkt, ist angesichts stark gestiegener Stromerzeugungskosten fraglich. Bereits die Senkung der EEG-Umlage zum 1. Januar 2022 um 2,8 Cent wurde von den steigenden Kosten der Stromerzeugung aufgrund gestiegener Erdgas- und Emissionszertifikatpreise überkompensiert. Eine weitere Entlastung der Verbraucher durch die weitgehende Abschaffung der Stromsteuer wäre vor diesem Hintergrund dringend geboten.
Referenzen
Frondel, M. und S. Sommer (2018), Der Preis der Energiewende: Anstieg der Kostenbelastung einkommensschwacher Haushalte. List Forum für Wirtschafts- und Finanzpolitik 44 (3): 335-356. DOI: 10.1007/s41025-018-0112-z.
Frondel, M., V. Helmers, L. Mattauch, M. Pahle, S. Sommer, C. M. Schmidt und O. Edenhofer (2022), Akzeptanz der CO2-Bepreisung in Deutschland: Die Bedeutung der Rückverteilung der CO2-Preiseinnahmen. Perspektiven der Wirtschaftspolitik 23(1), 1-16. DOI: 10.1515/pwp-2021-0050.
Schmidt, U. (2020) Elektromobilität und Klimaschutz: Die große Fehlkalkulation, IWF Policy Brief, Nr. 143, Juni 2020. https://www.ifw-kiel.de/de/publikationen/kiel-policy-briefs/2020/elektromobilitaet-und-klimaschutz-die-grosse-fehlkalkulation-0/
Weimann, J. (2021) CO2-Preise und Kosten der CO2-Vermeidung bei Anwendung ordnungsrechtlicher Maßnahmen im Vergleich zur Erweiterung des EU-ETS. Kurzgutachten im Auftrag der Freien Demokratischen Partei. August 2021. https://www.fdp.de/sites/default/files/2021-09/Kurzgutachten_CO2_Weimann.pdf