In den nordamerikanischen Profiligen treten des öfteren umfangreiche Arbeitskämpfe auf. So kam es in der Vergangenheit sowohl in der Eishockeyliga NHL als auch in der National Basketball Association (NBA), in der Major League Baseball (MLB) sowie im American Football (NFL) zu verschiedenen Lockouts und Streiks, die sich teilweise über mehr als ein halbes Jahr hinzogen (z. B. der Streik in der MLB vom 12. August 1994 bis 2. April 1995). Ursache dieses langen MLB-Streiks war, daß der bisherige MLB-Tarifvertrag auslief und die Eigentümer der Teams vorschlugen, eine Gehaltsobergrenze in den nächsten Tarifvertrag aufzunehmen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, warum ein derartiges Phänomen in den amerikanischen Profiligen recht häufig und in den europäischen Profiligen – hier ist vor allem die Sportart Fußball interessant, da sie die einzige auf vergleichbarem Gehaltsniveau ist – kaum zu beobachten ist.
Um den Unterschied zu verstehen, lohnt ein Blick auf die Arbeitsmarktverfassung der amerikanischen Profiligen und auf deren Gehaltsniveau. Die amerikanischen Spitzenligen kennen verschiedene Spielerbindungsmechanismen, von denen zum einen die sog. Reserve Clause und zum anderen das sog. Draft-System von besonderer Bedeutung sind (Daumann 2019).
Mit der Reserve Clause gelingt es einem Klub, den Spieler für die Laufzeit des Vertrages und ein weiteres Jahr zu reservieren, sofern sich der Spieler und der Club nicht auf die weiteren Vertragskonditionen einigen können. Diese Regelung verlängert sich automatisch, wenn wiederum keine Einigung eintritt. Der Spieler hat also, solange er unter die Reserve Clause fällt – die Reserve Clause gilt für Profispieler maximal vier bis sechs Jahre –, nur die Wahl zwischen dem Verbleib beim bisherigen Club oder dem Verlassen der Liga insgesamt. Seine Entscheidungsalternativen werden also durch die Regulierung begrenzt. Dadurch erhält der Club erhebliche Marktmacht bei den Gehaltsverhandlungen bei den Gehaltsverhandlungen, da die Reserve Clause ein temporäres Monopson etabliert.
Ergänzt wird diese Spielerbindungsklausel durch die sog. Draft – einem Instrument, das das Monopson auf die sog. Rookies, also die Spieler, die bislang noch nicht in der Liga gespielt haben, ausdehnt. Das System funktioniert dergestalt, daß alle neuen Spieler in einem Pool zusammengefaßt werden und die Clubs aus diesem Topf Spieler ziehen können. Meist ist das Draft-System als sog. Inverse Order Picking ausgestaltet, so daß der in der Vorsaison am unteren Ende der Tabelle stehende Club als erster zugreifen darf usw. Der Club, der einen Spieler zieht, hat das alleinige Recht, mit diesem Spieler einen Arbeitsvertrag auszuhandeln.
Insbesondere diese beiden Mechanismen führen dazu, daß die Spieler unter ihrem Wertgrenzprodukt entlohnt werden.
Wenn man sich nun neben der Arbeitsmarktverfassung die Gehaltshöhe anschaut, dann stellt man fest, daß die Vergütung der Spieler in den amerikanischen Major Leagues (mit Ausnahme der Major League Soccer) erheblich besser ausfällt als in vergleichbaren ausländischen Ligen, sofern es diese überhaupt im nennenswerten Umfang gibt.
Vor diesem Hintergrund bleibt den Spielern im Sinne Hirschmans (1970) die Option Abwanderung weitgehend verwehrt und es bleibt bei Unzufriedenheit nur die Option Widerspruch offen. Die Folge dieser eingeschränkten Optionen ist, daß sich im amerikanischen Sportsystem vergleichsweise früh mächtige Spielergewerkschaften gebildet haben (Major League Baseball Players Association – MLBPA, National Football League Players Association – NFLPA, NBA Players Association – NBPA, National Hockey League Players’ Association – NHLPA), die die Interessen der Spieler gegenüber der Eigentümerseite vertreten. Die institutionelle Ausformung auf der einen Seite, um die Interessen der Spieler durchzusetzen, und die Verfassung der Clubs als gewinnorientierte Kapitalgesellschaften auf der anderen Seite bilden den Nährboden für intensive Arbeitskämpfe.
Die europäischen Profifußballigen kennen diese Form der Spielerbindungsmechanismen jedoch nicht. Insbesondere durch das wegweisende Bosman-Urteil wurde die Arbeitnehmerfreizügigkeit gestärkt. Im europäischen Fußball gibt es weder eine Reserve Clause noch ein Draft-System. Vielmehr kann jeder Spieler bzw. sein Berater das Gehalt mit dem Club frei aushandeln. Es existiert also keine monopsonistische Position der Clubs, wie sie in den USA durch Reserve Clause und Draft-System geschaffen werden. Die Spieler können damit einen größeren Teil ihres Wertgrenzproduktes appropriieren als die Spieler der amerikanischen Major Leagues. Zudem gibt es zwischen den verschiedenen Profi-Fußballigen in Europa starken Wettbewerb um die besten Spieler und die Gehaltsunterschiede in den Top5-Ligen sind nicht zu groß. Für die Spieler wird damit die Option Abwanderung eher interessant. Deutlich wird das auch daran, daß es beispielsweise kaum nennenswerte Spielergewerkschaften gibt. Die in den Vereinigten Staaten beobachtete Machtasymmetrie ist im europäischen Fußball eher umgekehrt. Gerade Spieler mit hohem Humankapital, die wechselwillig sind, setzen ihre Clubs zunehmend unter Druck, so daß Verträge oftmals nicht bis zum Ende der Laufzeit erfüllt werden (Follert 2017). Mit anderen Worten: Die Arbeitsmarktverfassung der europäischen Profi-Fußballigen ist für die Entstehung von Arbeitskämpfen nicht förderlich.
Literatur:
Daumann, F. (2019), Grundlagen der Sportökonomie, München.
Follert, F. (2017), Vertragstreue im Profifußball – eine entscheidungs- und spieltheoretische Betrachtung. Wirtschaftswissenschaftliches Studium 46(10), 29-34.
Hirschman, Albert O., Exit, Voice, and Loyalty: Responses to Decline in Firms, Organizations, and States (Cambridge, Mass.: Harvard University Press, 1970).
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