„Grüne“ Transformation (2)
Der 6 Punkte Plan des IWH kritisch kommentiert

Reint Gropp und Oliver Holtemöller (im Folgenden GH) haben einen 6 Punkte Plan für eine „effiziente grüne Transformation“ vorgelegt (hier). Es ist natürlich sehr zu begrüßen, dass damit auch das IWH in der klimapolitischen Diskussion eine klare Position bezieht und vielem von dem, was der Plan vorsieht, ist unbedingt zuzustimmen. Allerdings treffen die Autoren nicht immer den Nagel auf den Kopf. Manchmal geht es knapp daneben und manchmal ziemlich weit.

Ihr erster Punkt betrifft die Klimaziele Deutschlands und der EU. Völlig zurecht kritisieren GH, dass die Bundesregierung noch ehrgeizigere Ziele definiert hat als die EU. Das macht wirklich keinen Sinn und gehört so bald wie möglich korrigiert. Deutschland ist Teil der EU und sollte sich auch so benehmen. Der einzige Effekt dieses Überehrgeizes ist, dass bei der Realisierung des EU Ziels Deutschland höhere Lasten tragen muss als der Rest der EU. Bis dahin ist GH uneingeschränkt zuzustimmen. Leider unterlassen sie es aber, die EU Ziele auf ihre Sinnhaftigkeit zu untersuchen. Ist das Ziel, in den nächsten rund 25 Jahren klimaneutral zu werden, wirklich sinnvoll? Und ist die EU wirklich die „relevante Instanz“ für den Klimaschutz? Die letzte Frage ist leicht zu beantworten. Für den Klimawandel relevant ist ausschließlich die Entwicklung der globalen Emissionen. Und da gilt leider, dass sich weder die Anstrengungen Deutschlands (Stichwort Energiewende) noch die der EU abbilden, wie die folgende Graphik deutlich zeigt:

Die EU hat gegenüber 1990 ihre CO2-Emissionen um mehr als ein Viertel gesenkt – ohne dass sich das in den globalen Daten niederschlägt. Die Abbildung zeigt Episoden, in denen die CO2-Emission tatsächlich zurückging – aber das waren allesamt weltweite Krisenepisoden: Die zweite Ölkrise, die Finanzkrise und die Corona Pandemie. Die EU zur einzigen relevanten Instanz zu erklären hat zur Folge, dass die Wirkungslosigkeit nicht global wirksamer Nachfragereduktionen nicht erkannt werden kann. Spart Europa fossile Brennstoffe ein, sinkt deren Weltmarktpreis und andere Regionen steigern ihre Nachfrage. Die EU verschiebt die Emission nur, ohne einen Einspareffekt zu erzielen. Das gilt für die deutschen Einsparungen gleich zweimal: Erstens sind diese innerhalb Europas redundant, weil die durch Einsparungen im Energiesektor nicht mehr benötigten Emissionszertifikate verkauft werden und die in Deutschland eingesparten Emissionen dann in anderen EU Ländern stattfinden. Zweitens sind die durch den EU Emissionshandel eingesparten Mengen einem globalen Substitutionsprozess ausgesetzt, der sie wirkungslos werden lässt.

Wie steht es um das Ziel der Klimaneutralität bis 2050? Das bedeutet nicht weniger, dass wir alle fossilen Brennstoffe konsequent vermeiden, also alle Heizungen, Autos und industriellen Prozesse, die Energie benötigen, dekarbonisieren. GH schreiben an anderer Stelle, dass der Strombedarf bis 2030 um 50% steigt. Das ist aber bestenfalls die Spitze des Eisbergs, wenn man mit der Klimaneutralität Ernst machen will. Allein die Elektrifizierung der Chemischen Industrie würde den Strombedarf Deutschlands verdoppeln. Weltweit würde die Dekarbonisierung der Chemischen Industrie 55 Prozent der für 2030 erwarteten Stromproduktion benötigen https://www.pnas.org/doi/full/10.1073/pnas.1821029116  .

Bisher decken wir nur 20% des Energiebedarfs mit Strom. Der Rest wird fossil abgedeckt und müsste komplett durch nicht fossile Energie ersetzt werden. Wie das gehen soll, angesichts der nicht Speicherbarkeit der volatilen Erneuerbaren, ist nicht zu erkennen. Absehbar ist aber, dass es unglaublich teuer würde. Wenn man eine grobe Abschätzung macht und unterstellt, dass das Pareto Prinzip auch bei der Herstellung von Klimaneutralität gilt (80% der Kosten für die letzte 20%), dann landet man bei mehreren Billionen Euro nur für Deutschland – ohne die privaten Investitionen in Wärmepumpen etc. zu berücksichtigen. Es ist ziemlich klar, dass die nationalen Haushalte und die Kapitalmärkte das nicht mitmachen werden. Zum Glück muss man sagen, denn die enormen Kosten für die Klimaneutralität Europas zu tragen wäre im höchsten Maße ineffizient und eine pure Verschwendung, wenn die anderen Teile der Welt nicht mitziehen. Europa muss sich auf den Weg machen und zu einer reziproken Klimapolitik übergehen, die weitere eigene Anstrengungen unter den Vorbehalt stellt, dass der Rest der Welt mitzieht. Dafür gilt es die richtigen Instrumente bereitzustellen und die hat die EU bereits. Das EU ETS (Emission Trading System) funktioniert im Ansatz und könnte als Vorbild für eine globale Klimapolitik dienen, die effizient CO2 einspart und die Menschen dabei nicht überfordert.

Im Übrigen ist die Forderung nach Klimaneutralität und die nach Kosteneffizienz ein Widerspruch. Kosteneffizienz lässt sich dadurch erreichen, dass immer dort CO2 eingespart wird, wo es die geringsten Kosten verursacht dies zu tun. Klimaneutralität fordert, dass überall CO2 beseitigt wird, völlig egal, was es kostet. Übernimmt man dieses Ziel, kann man sich alle Gedanken zur Kosteneffizienz eigentlich schenken.

GH schreiben in ihrem ersten Punkt zum Emissionshandel: „Die Anzahl der handelbaren CO2-Zertifikate sollte diesen Obergrenzen entsprechen. Das heißt, die Anzahl der im Umlauf befindlichen Zertifikate sollte jährlich abnehmen, möglicherweise durch Aufkäufe von Zertifikaten durch die Staaten. Der Pfad für die Anzahl der Zertifikate sollte langfristig vorgegeben sein, sodass die Unternehmen und die Haushalte planen können.“ Das ist ein bisschen befremdlich, denn genau so ist das EU ETS schon lange organisiert. Nur dass die Absenkung nicht durch Aufkäufe erfolgt, sondern durch eine jährlich reduzierte Vergabe von Emissionsrechten.

Im zweiten Strategiepunkt plädieren GH dafür, den Emissionshandel Sektor übergreifend in ganz Europa einzuführen. Ein guter Punkt, der schon lange auf der Forderungsliste von Ökonomen steht. GH weisen zurecht darauf hin, dass Verkehr und Haushaltssektor (gemeint ist vermutlich der Wärmemarkt, weil der Haushaltsstromverbrauch ist je durch den ETS bereits erfasst) nicht vom ETS abgedeckt werden. Aber dann schreiben sie weiter: Das EU-ETS II wird ab dem Jahr 2027 auch Haushalte und Verkehr abdecken. Dies sollte ausdrücklich von der Bundesregierung unterstützt und kommuniziert werden. Das klingt so, als ersetze das ETS II das ETS I und umfasse danach alle Sektoren. Das ist aber nicht der Fall. Wir werden ab 2027 zwei voneinander unabhängige ETS haben und dann wird genau das eintreten, wovor GH zurecht warnen: wir werden unterschiedliche CO2-Preise in den Sektoren haben und damit die Ineffizienz der CO2-Vermeidung weiter zementieren. Genau das sollte die Bundesregierung besser nicht kommentieren. Vielmehr sollte sie sich dafür einsetzen, endlich einen einheitlichen europäischen CO2-Preis zu schaffen. Das geht nur, wenn Verkehrs- und Wärmesektor in das bestehenden EU ETS integriert werden. Das fordern GH leider nicht. Offen lassen sie auch die Frage, was mit dem sogenannten nationalen Emissionshandel geschieht, wenn das ETS II kommt. Ein europäischer Emissionshandel für Kraftstoffe, Heizöl und Gas macht die diversen CO2-Steuern auf diese Produkte eigentlich überflüssig. Werden die dann abgeschafft? Eine spannende Frage, auf die GH leider nicht eingehen.

Der dritte Strategiepunkt fordert die Einführung von Klimazöllen. Von ihnen erhoffen sich GH, dass sie dazu führen, dass die EU „eine effektive Wirkung auf den globalen Ausstoß von Klimagasen haben kann.“ Dass dies auch mit der Einführung von Klimazöllen kaum zu erreichen sein wird, haben wir eingangs bereits thematisiert. Allerdings wird es sehr schwierig sein, Klimazölle überhaupt zu erheben. Dazu muss man wissen, wie viel CO2-Emissionen in den Produkten stecken. Der unlängst aufgedeckte Skandal um die Kompensationsgeschäfte, die die Automobilindustrie mit chinesischen „Partnern“ abgewickelt hat, zeigt, dass es kaum möglich sein wird von China auch nur halbwegs verlässliche Angaben dazu zu bekommen. Im Zweifel werden dann eben CO2-Vermeidungen in China durchgeführt, die genau wie die Kompensationsleistungen nur auf dem Papier existieren.

Der vierte Strategiepunkt ist ein bisschen mysteriös. Dort heißt es, man solle die klimaneutrale Energieproduktion erhöhen. Welche damit gemeint ist, wird aber nicht ganz klar. Die Erneuerbaren sind es explizit nicht, denn im Text heißt es: Der Anstieg in der Nachfrage nach Elektrizität ist durch den Ausbau von Windrädern und Solarzellen allein nicht zu stemmen. Daher muss höchstwahrscheinlich auch auf andere Energiequellen zurückgegriffen werden. Aus Klimaperspektive sollte dabei auch Atomkraft nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden. Ist das jetzt ein Plädoyer dafür, neue Atomkraftwerke zu bauen? Wenn nicht, welche anderen klimaneutralen Elektrizitätsproduktionen könnten gemein sein? Und warum brauchen wir die? Zur Erinnerung, der Energiesektor wird bereits durch den ETS reguliert.

Dem fünften Strategiepunkt von GH ist uneingeschränkt zuzustimmen, denn dort fordern sie, die Forschung und Entwicklung zu fördern. Bei Licht besehen liegt hier die eigentliche Aufgabe Europas und ganz besonders Deutschlands. Man stelle sich einmal vor, wir hätten die vielen Milliarden Euro, die wir in den Ausbau der Erneuerbaren gesteckt haben (ohne damit CO2-Emissionen in Europa zu reduzieren) in die Grundlagenforschung investiert. Wahrscheinlich hätten wir dann heute bereits deutlich bessere Technologien für die CO2 arme Energieproduktion zur Verfügung, die weltweit eingesetzt werden könnten. Den größten Hebel bei der Bekämpfung des Klimawandels können wahrscheinlich die Ingenieure ansetzen. Man muss sie nur lassen und ihnen die notwendigen Freiheiten und Mittel geben – vor allem in Deutschland, dessen komparativer Vorteil schon immer die hohe Kunst der Ingenieure war.

Auch der letzte Strategiepunkt ist unkritisch, denn dort wird die soziale Abfederung der Klimakosten gefordert. Ergänzend kann dem noch hinzugefügt werden, dass die beste Sozialpolitik darin besteht, die Kosten der Klimapolitik durch effiziente Instrumente einzufangen. Aber, auch da haben GH recht, selbst, wenn das geschieht, wird es nicht kostenlos gehen.

Zum Schluss noch eine Anmerkung zu einem Strategiepunkt, der mir bei GH fehlt: Die Beibehaltung der Schuldenbremse. Sollte sie gelöst werden, hätte das zur Folge, dass die Regierung nahezu unbegrenzt weitere Subventionsprogramme zur Dekarbonisierung wovon auch immer auflegen könnte. Ohne dabei die Frage zu stellen, was es kostet, was es bringt und ob es klimapolitisch Sinn macht. So geschieht es zurzeit in der Stahlindustrie. Die ist zwar im ETS erfasst, aber das hindert die Regierung nicht daran, Milliarden in die Umstellung auf Wasserstoff zu investieren. Wohl wissend, dass damit kein CO2 eingespart wird (wegen des ETS) und ohne zu wissen, woher der Wasserstoff kommen soll, den man später für die Werke braucht, um den Stahl sehr teuer zu produzieren.

Blog-Beiträge zu „Grüne Transformation“

Reint E. Gropp und Oliver Holtemöller: Sechs Punkte für mehr Effizienz

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert