Gastbeitrag
Der Kieler Bundesausgabenmonitor 2024
Dominanz der Umverteilungsausgaben, Finanzhilfen und Altlasten

Der Kieler Bundesausgabenmonitor fußt auf einer umfangreichen Datenbank, die aus der Auswertung von Bundeshaushalten hervorgegangen ist und die den Zeitraum 2000 bis 2024 abdeckt. Dabei wurde der Ministerialhaushalt in ein Funktionalbudget umgruppiert. Bei der Analyse wurden die einzelnen Haushaltstitel, Titelgruppen oder Unterkapitel verschiedenen Kategorien von Ausgaben zugeordnet, die Rückschlüsse über die ökonomische Wertigkeit der Ausgabeart und Antworten auf die Frage zulassen, ob damit ein Beitrag zur Lösung drängender Probleme in Gegenwart und absehbarer Zukunft geleistet wird.

Umverteilungsausgaben, Finanzhilfen und Ausgaben für Altlasten dominieren

Der empirische Befund: Die Ausgaben zur Korrektur der Einkommensverteilung, die Finanzhilfen und die Altlasten absorbieren zusammen rund zwei Drittel des Bundeshaushalts für das Jahr 2024. Rechnet man die auslandswirksamen Zahlungen und die Ausgaben für den Staatsapparat dazu, werden vier Fünftel des Budgetvolumens aufgezehrt. Zu den Ausgaben zur Korrektur der Einkommensverteilung wurden gezählt: Sozialausgaben und Ausgaben für die zu diesen komplementäre Umverteilungsbürokratie, Zuweisungen an Länder gemäß §11 des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern sowie Sanierungshilfen an Bremen und an das Saarland. Finanzhilfen sind jene Ausgaben des Bundes und seiner Sonderhaushalte, die die Wirtschaftsstruktur verändern oder verändern sollen. Unter die Altlasten fallen die Ausgaben des Bundes für Pensionen, Beihilfen etc. sowie die Zinsen auf die Schulden des Bundes einschließlich derjenigen des Wirtschaftsstabilisierungsfonds und des Sondervermögens Bundeswehr. Die Ausgaben für den Staatsapparat umfassen Ausgaben für zahlreiche Bundesämter, Bundesanstalten und Bundesinstitute. Es bleibt einer gesonderten Analyse vorbehalten, zu prüfen, ob und inwieweit es sich um Leistungsverwaltungen handelt, die wohlfahrtssteigernden Tätigkeiten nachgehen, oder um Bürokratien außerhalb der staatlichen Kernaufgaben, deren Entstehung politisch motiviert war und die eher volkswirtschaftliche Kosten verursachen. Zu den Ausgaben für den Staatsapparat zählen auch jene für Exekutive, Legislative und Judikative. Sie sind unabdingbar für eine Demokratie, was aber nichts über die Effizienz dieser Ausgaben aussagt. Auslandswirksame Zahlungen leistet der Bund an EU, OECD etc. und für Entwicklungshilfe.

Sozialausgaben

Die Sozialausgaben und Ausgaben für Umverteilungsbürokratie machen im Jahr 2024: 35,4 Prozent der Bundesausgaben und 5 Prozent des BIPs aus. Gegenüber dem Vorjahr ist das eine Steigerung um 4,1 bzw. 0,4 Prozentpunkte. Sie summieren sich auf geplante 212 Mrd. Euro. Bei den sozialpolitischen Maßnahmen handelt es sich zu guten Teilen um breit angelegte Programme, die der Allgemeinheit oder großen Bevölkerungsgruppen zugutekommen. Sie sind schwerer zu rechtfertigen als gezielte Hilfe für bedürftige oder benachteiligte Individuen. So ist es beispielsweise nicht nachvollziehbar, warum eine wohlhabende Familie Fördermittel bekommen soll, die auch ärmere Bevölkerungsgruppen über ihre relativ zum Einkommen sehr hohen Verbrauchsteuern mitfinanzieren müssen. In diese Rubrik der allgemeinen Sozialpolitik, die ökonomisch nicht unmittelbar überzeugt, gehören vor allem die beträchtlichen Zuschüsse, die der Bund jährlich an die allgemeine Rentenversicherung zahlt, damit höhere Renten bezahlt werden können als es sonst der Fall wäre (2024: 105,8 Mrd. Euro).

Finanzhilfen

Der zweitgrößte Ausgabeblock sind die Finanzhilfen des Bundes. Im Jahr 2024 soll ihr Anteil an den Gesamtausgaben des Bundes bei 21,3 Prozent liegen. Die BIP-Quote beträgt 3 Prozent. Gegenüber dem Soll für das Jahr 2023 ist zwar ein Rückgang um 4,4 bzw. 0,8 Prozentpunkte zu konstatieren, weil der Wirtschaftsstabilisierungsfonds keine Finanzhilfen mehr leistet. Gleichwohl liegt das für das laufende Jahr geplante Finanzhilfevolumen in Höhe von 127,3 Mrd. Euro um fast 50 Prozent über dem Niveau des Jahres 2022. Im Jahr 2015 war der Anteil der Finanzhilfen am BIP nur halb so hoch wie es derzeit für das Jahr 2024 vorgesehen ist. (Näheres im Kieler Subventionsbericht 2024).

Die Finanzhilfen des Bundes sind eine Ausgabekategorie, die ein Bündel an Kosten nach sich ziehen: Subventionen gehen zwangsläufig mit Belastungen und Diskriminierungen an anderer Stelle einher, sie haben negative Anreizwirkungen und fördern Rent-seeking und Lobbyismus. Oft verfehlen sie das Ziel einer politisch gewollten Verhaltensänderung. Wo nur Mitnahmeeffekte auftreten, sind die Instrumente nicht nur wirkungslos, sondern auch teuer. Mitunter erreicht die Subvention nicht den gewünschten Empfänger, sondern begünstigt andere, die gar nicht begünstigt werden sollen. Subventionen sind nicht zielgenau einsetzbar und mitunter sind nur wohlhabendere Bevölkerungsgruppen die Nutznießer — wie etwa bei den mit 16,7 Mrd. Euro dotierten Maßnahmen, die der Bund für mehr Energieeffizienz im Gebäudebereich ausgibt, was den Immobilieneigentümern zugutekommt. Auch fehlen den politisch Verantwortlichen die Informationen über die optimale Dosierung einer Subvention, wenn sie vorgeben, externe Effekte internalisieren und die Allokation verbessern zu wollen. Ihnen fehlt auch ein überlegenes Zukunftswissen, mit dem sie die ertragreichsten Investitionsprojekte identifizieren könnten. Oft wird postuliert, Finanzhilfen seien wachstumsfördernd. Im nächsten Kieler Subventionsbericht wird gezeigt, dass vier Fünftel der Finanzhilfen des Bundes anderen Zielen dienen als der Forschungs- oder Infrastrukturförderung. Manche Zeitgenossen stufen die geplanten 10 Mrd. Euro für die Errichtung der Chip-Fabrik Intel in Magdeburg als zukunftsträchtig ein. Diese Wertung ist zu relativieren, weil der Bund für den gesamten Mittelstand Deutschland nur 1,8 Mrd. Euro erübrigt, diesen also massiv diskriminiert. (Siehe dazu den demnächst erscheinenden Kieler Subventionsbericht 2024). Da Mangel an Arbeitskräften besteht, bedeutet die Subventionierung dieses Großbetriebs, dass Personal aus den weniger hoch subventionierten Zugpferden der deutschen Volkswirtschaft abgezogen werden muss, was diese wirtschaftlich gefährdet.

Bundesausgaben wirtschaftsfördernden Charakters

Sieht man von den klassischen Bundesausgaben für innere und äußere Sicherheit ab, kann man nur bei 7,7 Prozent der Bundesausgaben wirtschaftsfördernden oder wertschöpfenden Charakter vermuten. Das sind 1,1 Prozent des BIP. Zu dieser Kategorie wurden gezählt (i) Ausgaben für Bildung und Jugend einschließlich der Ausgaben für Eingliederung in Arbeit und Arbeitsförderung,(ii) Ausgaben für Grundlagenforschung an Organisationen außerhalb des Unternehmenssektors (iii) Infrastrukturausgaben, die der Bund tätigen muss, weil der Ausschluss über Preise nicht funktioniert oder zu teuer kommt, also vor allem jene für den Erhalt und die Erweiterung von Bundesfernstraßen und Bundesautobahnen sowie Maßnahmen für den Küstenschutz und (iv) sonstige Bundeszuschüsse an Organisationen, die durch potentielle externe Effekte ökonomisch legitimierbar sind wie etwa Zuschüsse an die Stiftung weil sie preußischer Kulturbesitz oder an die Deutsche Nationalbibliothek. Bezieht man den Forschungs- und Entwicklungs- sowie Infrastruktur-Anteil an den Finanzhilfen des Bundes mit ein, steigt die Kennziffer für wirtschaftsfördernde Aktivität des Bundes auf 11,9 Prozent oder 1,7 Prozent. Zu letzterem zählen die Ausgaben für Schienennetze und digitale Infrastruktur. Diese Zuschüsse wurden ebenso wie die Zahlungen an Unternehmen für Forschung und Entwicklung den Finanzhilfen zugeordnet, weil sie meist nicht durch die finanzwissenschaftliche Theorie der öffentlichen Güter ökonomisch zu legitimieren sind.

Diese nach oben aufgestockte Kennziffer von 11,9 Prozent der Bundesausgaben oder 1,7 Prozent überzeichnet allerdings das Ausmaß der Wirtschaftsfreundlichkeit zentralstaatlichen Handelns, weil mit der Förderaktivität zwangsläufig Opportunitätskosten einhergehen. Das sind reale Ressourcenverluste an anderer Stelle der deutschen Wirtschaft. Auch ist völlig offen, ob der Staat die geförderten Unternehmen tatsächlich zu mehr Forschung und zusätzlichen Infrastrukturinvestitionen anregt oder ob die Wirkung in Mitnahmeeffekten verpufft. Auch werden wirtschaftsfördernde Maßnahmen des Bundes durch die vielfältigen staatlichen Regulierungen und ordnungsrechtlichen Eingriffe in die Märkte konterkariert. Als Bürokratie-Monster sei hier nur auf das Gebäudeenergiegesetz verwiesen.

Zum Erhalt der internationalen Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands wären eigentlich hohe Ausgaben für Grundlagenforschung erforderlich. Von einem Euro, den der Bund ausgibt, fließen allerdings nur 2,3 Cent in die Grundlagenforschung außerhalb von Unternehmen.

Ausgaben für innere und äußere Sicherheit

Die klassischen Bundesausgaben für innere und äußere Sicherheit wurden hier mit 11,4 Prozent des Budgetvolumens veranschlagt, das sind nur 2,7 Prozentpunkte mehr als im Jahr 2000, das von einem gesunkenen Wehretat im Zuge der Verteilung der „Friedensdividende“ geprägt war. Gemessen am BIP betragen die Sicherheitsausgaben des Bundes nach der hier angewendeten Rechenmethode 1,6 Prozent, davon entfallen auf die Verteidigung 1,5 Prozent. Nach amtlicher Rechnung hält die Bundesregierung das 2 Prozentziel der Nato ein. Der hier ausgewiesene Betrag Wert ist niedriger, weil erstens die 8 Mrd. Euro, die die Bundesregierung zugunsten der Ukraine eingeplant hat, in der vorliegenden  Rechnung nicht enthalten sind. Sie sind als Sonderausgaben aus dem Rechengerüst eliminiert worden, um zeitliche Vergleichbarkeit im Rahmen einer langen Reihe herzustellen. Außerdem wurde hier nur der Einzelplan 14 des Bundeshaushalts ausgewertet. Dabei wurden ein paar Positionen nicht gezählt, weil sie vermutlich keinen Beitrag zur Landessicherung leisten, nämlich :(i) Zinszahlungen des Sondervermögens Bundeswehr in Höhe von 775 Mio. Euro, (ii) die Versorgungslasten für Soldatinnen und Soldaten in Höhe von 5,8 Mrd. Euro, (iii) die Pensionszahlungen und Beihilfen für ehemalige Mitglieder des Ministeriums in Höhe von 1,8 Mrd. Euro, (iv) die Personal- und Sachkosten des Ministeriums in Höhe von 303 Mio. Euro sowie (v) die Ausgaben für die Universitäten der Bundeswehr in Höhe von geschätzten 200 Mio. Euro. Gleichwohl erfüllt Deutschland 2024 insgesamt die Nato-Regel von 2 Prozent vom BIP, weil nach dieser die erwähnten Ausgabekategorien und verteidigungsnahe Ausgaben anderer Ressorts wie für Friedensmissionen oder die Ukraine-Hilfe einbezogen werden dürfen.

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