Seit die Trump-Regierung an der Macht ist, hat die europäische Sicherheitsarchitektur empfindliche Risse bekommen. Die Europäische Union und ihre Mitgliedsländer müssen sich neu aufstellen. Es sind deutlich höhere Verteidigungsausgaben vonnöten. Claus-Friedrich Laaser und Astrid Rosenschon erörtern, wie diese verstärkten Anstrengungen in Deutschland finanziert werden könnten.
Das forsche Auftreten des amerikanischen Vizepräsidenten Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz, die Abwendung Trumps von den europäischen NATO-Partnern und der Ukraine und seine Zuwendung zu Putins Russland haben hierzulande Schockstarre ausgelöst und begründen Handlungsbedarf. Dies gilt umso mehr, als das Putin-Regime, dessen stotternder Wirtschaftsmotor dringend des keynesianischen Schmieröls hoher Militärausgaben bedarf, massiv aufrüstet. Es steht außer Zweifel, dass deutlich höhere Verteidigungsausgaben und eine europäische Neuorganisation der Sicherheit nach außen unabdingbar sind, um der abrupt erhöhten Bedrohung Herr zu werden. Dem Verteidigungsziel sollte derzeit oberste Priorität eingeräumt werden, dem alle anderen Ziele politischen Handelns wie etwa das Umweltziel, unterzuordnen sind.
Ein erhöhter Verteidigungshaushalt für Deutschland von – nach NATO-Rechnung- derzeit 2 Prozent auf 4 bis 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – wirft natürlich Fragen nach der Finanzierung auf. In absoluten Beträgen geht es um eine zusätzlich zu stemmende Summe in Höhe von rund 85 bis 130 Mrd. Euro. Dies ist ein gewaltiger Betrag, der wohl kaum von heute auf morgen komplett aus dem Bundeshaushalt finanziert werden kann. Sein Volumen beträgt laut Bundeshaushaltsplan für das Jahr 2024: 476,8 Mrd. Euro, wobei die Summe freilich durch die Buchung mancher Ausgaben als Einnahmeminderung und die unzureichende Erfassung von Sondervermögen unterzeichnet ist. Der Kieler Bundesausgabenmonitor (Claus-Friedrich Laaser und Astrid Rosenschon 2024) kommt demgegenüber für das Jahr 2024 auf ein bereinigtes Ausgabevolumen des Bundes in Höhe von geplanten 598,7 Mrd. Euro. Aber auch in Bezug zu diesem korrigierten Betrag ist der Zusatzbedarf für Verteidigungszwecke gewichtig und die Mittel sind nicht sofort in voller Höhe an anderer Stelle zu streichen. Denn bei Ausgabekürzungen benötigen die davon betroffenen Wirtschaftssubjekte Zeit und auch finanzielle Ressourcen, um sich an die neue Situation anzupassen. Es ist also ein nachhaltiger Prozess erforderlich, um die erforderlichen finanziellen Ressourcen freizusetzen.
Verständlicherweise werden angesichts des abrupt gestiegenen Liquiditätsbedarfs Stimmen laut, die eine Lockerung der Schuldenbremse fordern. Prominente Verfechter der Schuldenfinanzierung von zusätzlichen Verteidigungsausgaben und Rüstungsanstrengungen sind Moritz Schularick (Spiegel vom 10.10.2024), Christoph Trebesch und Johannes Marzian vom IfW Kiel (Johannes Marzian und Christoph Trebesch 2025). Sie plädieren dafür, die Fiskalregeln nicht auf die Verteidigungsausgaben anzuwenden und diese von der Schuldenbremse auszunehmen.
Alternativ käme ein neues Sondervermögen Bundeswehr in Frage, was der Freiburger Ökonom Lars P. Feld (Wirtschaftswoche vom 26.2.2025) präferieren würde. Denn im Gegensatz zur Lockerung der Schuldenbremse, die eine potentielle Einladung für die Steigerung konsumtiver Ausgaben wäre, müssten die zusätzlichen Mittel zweckgebunden verwendet werden. Allerdings hält Lars P. Feld diese Lösung der Finanzierungsfrage über ein neues Sondervermögen Bundeswehr angesichts der Parteienstruktur im Bundestag für politisch nicht durchsetzbar. Daher findet er es für durchaus akzeptabel, die Öffnungsklausel der Schuldenbremse für nationale Notlagen zu aktivieren.
Flankierend dazu schlägt Lars P. Feld einen Verteidigungs-Soli in Höhe von jährlich 25 bis 30 Mrd. Euro vor und fördert zudem eine weitere Teilfinanzierung gestiegener Verteidigungslasten durch Subventionsabbau und Streichung sozialpolitischer Subsidien. Hier nennt er explizit das Elterngeld, zumal es keinerlei Spuren bei der Geburtenrate hinterlassen hat. Auf lange Sicht sollten nach ihm die Verteidigungsausgaben voll aus dem Steueraufkommen finanziert werden. Dies ist auch plausibel, zumal mit diesen Ausgaben kein mehrergiebiger Produktionsumweg (Eugen von Böhm-Bawerk) eingeschlagen wird, der einen positiven Zinsertrag erhoffen lässt, aus dem Schulden bedient werden könnten. Freilich ist es so, dass auch die nachfolgende Generation einen Vorteil in Form von vermiedenen Schäden hat, wenn es gelingt, durch Aufrüstung einen sonst drohenden Angriff zu vermeiden. Dies rechtfertigt eine vorübergehende Schuldenaufnahme.
Die Subventionen und Sozialausgaben in Deutschland sind quantitativ sehr bedeutsame Kürzungspotentiale, die für Zwecke der verbesserten Verteidigungsfähigkeit zur Verfügung stehen. Die für das Jahr 2024 geplanten Finanzhilfen des Bundes bezifferten sich auf 127,3 Mrd. Euro, die Steuervergünstigungen auf 74,8 Mrd. Euro (Claus-Friedrich Laaser, Astrid Rosenschon und Klaus Schrader 2025). Eine jährliche Subventionskürzung um 5 (10) Prozent würde 10,1 (20,2) Mrd. Euro freisetzen. Hinzu kommen die beträchtlichen Zuschüsse des Bundes an die Rentenversicherung in Höhe von 105,8 Mrd. Euro im Jahr 2024, die vorwiegend für die Abgeltung versicherungsfremder Leistungen bezahlt werden. Allein die Rente mit 63 kostet die Steuerzahler derzeit jährlich über 40 Mrd. Euro (Focus vom 12.8.2023). Hier schlummern beträchtliche Einsparpotentiale.
Ergänzend zum bisher genannten Maßnahmenbündel, das sich aus Schulden, Verteidigungssoli und Kürzungen bei Subventionen und Sozialausgaben zusammensetzt, ist ein Ministerial-Soli denkbar. Jedes Ministerium — einschließlich der dazugehörigen Sondervermögen — sollte demnach einen bestimmten Prozentsatz seines Budgets an das Verteidigungsministerium abführen und dies aus der Mobilisierung von Effizienzreserven heraus finanzieren. Es hätte also bei seinem Ausgabegebaren eine globale Minderausgabe zu berücksichtigen.
Potentielle Kritiker mögen die Etats mancher Ministerien zwar für unantastbar halten, wenn diese volkswirtschaftlich wichtigen Aufgabestellungen des Staates nachgehen wie etwa der Bereitstellung von Infrastruktur oder der Förderung von Grundlagenforschung. Doch diese Bereiche sollten nicht von vornherein sakrosankt sein. So dürfte es uns wohl kaum zurückwerfen, wenn ein paar Radwege weniger gebaut oder weniger über schöngeistige Dinge geforscht werden würde. Auch ist etwa Straßenrückbau, der statistisch als öffentliche Investition verbucht wird, im Grunde Kapazitätsvernichtung, also das Gegenteil einer Investition. Die genannten Beispiele sind gewissermaßen keine Fundamente, auf denen das Haus ruht, sondern der Schmuck, der das Gebäude ziert. Machen wir uns nichts vor: Auch innerhalb der Infrastruktur- und Forschungsausgaben oder sonstiger volkswirtschaftlich wichtigen Aufgabefeldern gibt es Sparpotentiale. Auch hier muss die Spreu vom Weizen getrennt werden. Freilich ist bei den sogenannten MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) -Fächern äußerste Vorsicht geboten, wenn es um das Streichen von Ausgaben geht. Doch auch innerhalb der Naturwissenschaften gibt es Fragestellungen, die zwar interessant sind, aber die die Menschheit nicht unmittelbar voranbringen.
Ein Ministerial-Soli würde die jeweiligen Ministerien zwingen, den volkswirtschaftlichen Daseinszweck und den Effizienzgrad der ihnen angegliederten Ämter, Anstalten, Institute und sonstigen Behörden zu überprüfen und die Organisationen zu straffen und zu reformieren. Hier hat sich ein ganzes Sammelsurium an Institutionen herausgebildet, bei denen oft unklar ist, ob und inwieweit sie volkswirtschaftlich wichtigen Funktionen nachgehen oder ob sie hoheitliche Produzenten von bürokratischem Ballast sind, die keine Rücksicht auf Nutzen und Kosten nehmen müssen. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass ein fiskalisch motivierter Ministerial-Soli gleichzeitig einen wichtigen Beitrag leisten oder Impulse setzen könnte für die in Deutschland längst überfällige Entbürokratisierung.
Denkbar wäre etwa, 3 bis 4 Jahre lang einen Ministerial-Soli in Höhe von 5 Prozent zu erheben. Dies würde im Jahr der Einführung Mittel in Höhe von knapp 23 Mrd. Euro erbringen. (Bezugsbasis für die Berechnung ist das bereinigte Ausgabevolumen nach dem Kieler Bundesausgabenmonitor abzüglich der Zahlungen an die EU, der an die Bundesländer fließenden Regionalisierungsmittel für den ÖPNV, der Bundesergänzungszuweisungen und der Sonderzahlungen an Bremen und das Saarland sowie abzüglich der Verteidigungsausgaben).
Last but not least sollte man bei der Suche nach Finanzierungspotentialen für erhöhte Militärausgaben berücksichtigen, dass die Migrations- und Asylpolitik viel Geld gekostet hat. Und kostet. Dabei hat der Bund die Lasten weitgehend auf Länder, Gemeinden und Sozialkassen verlagert, so dass kaum Transparenz über den Gesamtumfang besteht, was für ein Land, in dem jede Schraube gezählt wird, bemerkenswert ist. 50 Mrd. Euro dürften wohl realistisch sein (Welt vom 6.11.2023). Durch Reformmaßnahmen in diesem Sektor wie etwa die beschleunigte Integration von Migranten in den Arbeitsmarkt könnte die Bundesregierung die nachgelagerten Gebietskörperschaften entlasten und somit die im Zuge der Kompetenzverlagerung an diese abgetretenen Umsatzsteueranteile wieder für sich reklamieren. Diese zusätzlichen Finanzmittel könnte der Bund dann in den Verteidigungshaushalt leiten.
Abschließend ist zu konstatieren, dass die Finanzierung umso leichter fällt, je mehr die Wirtschaft wächst und je ergiebiger somit die Steuerquellen sprudeln. Aufstockung des Wehretats und Förderung des Wirtschaftswachstums sind somit zwei Ziele, die in einer miteinander harmonierenden statt konkurrierenden Beziehung zueinander stehen. Dies gilt auch für die Instrumente, wenn Wirtschaftspolitik wieder wie bei Ludwig Erhard als Standortpolitik verstanden wird und der Staat den Ordnungsrahmen setzt, statt wie derzeit selektiv zu intervenieren, zu regulieren und sich dabei zunehmend in Interventionsspiralen zu verheddern.
Literatur
Focus vom 12.8.2023. https://www.focus.de/politik/analyse-von-hugo-mueller-vogg-rente-mit-63-kostet-milliarden-und-verstaerkt-fachkraeftemangel_id_201615164.html
Marzian, J. und C. Trebesch (2025). Europas Verteidigung finanzieren: Was lehrt uns die Geschichte? Kiel Policy Brief, 184. Kiel: Inxstitut für Weltwirtschaft. https://www.ifw-kiel.de/de/publikationen/europas-verteidigung-finanzieren-was-lehrt-uns-die-geschichte-33846/.
Laaser, C.-F., A. Rosenschon und K. Schrader (2025). Kieler Subventionsbericht 2024. Hohe Subventionen trotz Haushaltsengpässen. Kieler Beiträge zur Wirtschaftspolitik, Kiel: Institut für Weltwirtschaft. Erscheint im März 2025
Laaser, C.-F. und A. Rosenschon (2024). Der Kieler Bundesausgabenmonitor 2024: Eine empirische Strukturanalyse des Bundeshaushalts. Kieler Beiträge zur Wirtschaftspolitik, 47. Kiel: Institut für Weltwirtschaft. https://www.ifw-kiel.de/de/publikationen/der-kieler-bundesausgabenmonitor-2024-eine-empirische-strukturanalyse-des-bundeshaushalts-33123/
Spiegel vom 10.10.2024. Militärische Sicherheit. Ökonom Schularick fordert mehr Aufträge für die heimische Waffenindustrie. https://www.spiegel.de/wirtschaft/oekonom-moritz-schularick-fordert-umdenken-bei-verteidigungsausgaben-a-677e178c-3821-44d4-b6eb-021b01b2e93d
Welt vom 6.11.2023. https://www.welt.de/wirtschaft/article248386590/Flucht-und-Migration-kosten-dieses-Jahr-fast-50-Milliarden-Euro.html
Blog-Beiträge zum Thema:
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