Der Tren-Hype und die Bodybuilding-Szene
Notwendigkeit einer Intervention?

Menschen treiben aus unterschiedlichen Gründen Bodybuilding: Neben der Steigerung der körperlicher Fitneß, spielen Motive wie die körperliche Ästhetik, Vorteile für die psychische Gesundheit, eine Steigerung des Selbstwertgefühls, soziale Zugehörigkeit und Gemeinschaft sowie Wettkampf und Anerkennung eine bedeutende Rolle für das Ausüben von Bodybuilding (Andreasson & Johansson 2019; Brown & Tiggemann 2020; Galli & Reel 2009; Pickett & Cunningham 2017). Seit geraumer Zeit läßt sich nun in der Bodybuilder-Szene eine verstärkte Nutzung des anabolen Steroids Trenbolon (Tren-Hype) feststellen, der vor allem durch die sozialen Medien initiiert wurde. Hier inszenieren sich namhafte Bodybuilder mit einer großen Anzahl an Followern als Konsumenten dieses anabolen Steroids, weisen allerdings oftmals auch auf die negativen Folgen desselben hin. Letzteres scheint jedoch viele Interessenten in der Szene nicht von einem Konsum abzuhalten.

Trenbolon wird seit den 1960er Jahren synthetisch hergestellt und kommt im wesentlichen bei Rindern zum Einsatz, da es den Muskelaufbau sehr stark verbessert und auf diese Weise die Mastdauer verkürzen kann. Wird es von Menschen eingenommen, so kann es – in Abhängigkeit von der Dosis und der Frequenz der Einnahme – u.a. zu kardiovaskulären Schädigungen (erhöhtes Risiko für Herzerkrankungen und Schlaganfälle, Bluthochdruck), endokrinologischen Störungen (Hypogonadismus und Hypospermatogenese), neuropsychiatrische Auswirkungen (Steroid-Rage, Depressionen nach dem Absetzen), hepatologischen Störungen (Leberschäden), dermatologischen Effekten (Steroidakne, Schwächung des Bindegewebes) sowie zu Gynäkomastie bei Männern und Virilisierungserscheinungen bei Frauen kommen (für anabole Steroide allgemein siehe z. B. Smit et al. 2020). Diesen Gefahren steht aus Sicht der Bodybuilder der Nutzen eines erheblich beschleunigten Muskelwachstums gegenüber.

In Deutschland ist Trenbolon für den menschlichen Gebrauch nicht zugelassen. Das Arzneimittelgesetz (AMG) und das Gesetz gegen Doping im Sport (Anti-Doping-Gesetz – AntiDopG) untersagen die Herstellung, den Handel und die Verschreibung sowie den Besitz von mehr als 150mg Trenbolon (Verordnung zur Festlegung der nicht geringen Menge von Dopingmitteln – Dopingmittel-Mengen-Verordnung – DmMV) zum Zwecke des Dopings. Zudem ist die Einnahme von Trenbolon gemäß § 3 Abs. 1 AntiDopG ohne medizinische Indikation mit der „Absicht, sich in einem Wettbewerb des organisierten Sports einen Vorteil zu verschaffen, anzuwenden oder anwenden zu lassen“, verboten.

Angesichts dieser Rahmenbedingungen und der Nachfrage der Bodybuilder hat sich ein Schwarzmarkt für Trenbolon – wie auch für andere illegale Mittel – herausgebildet.

Regulär wird das Präparat von Vertinärpharmaherstellern wie etwa Merck Animal Health für die Rinderzucht produziert. Um jedoch den oben geschilderten Anwendungsbereich abzudecken, sind sog. Underground labs entstanden. Daneben gibt es die Möglichkeit der sog. Home Conversion, bei der Finaplix pellets (Trenbolon-Acetat-Depots, die subkutan bei Mastbullen implantiert werden, um über einen längeren Zeitraum gleichmäßig Trenbolon abzugeben und so das Wachstum der Tiere zu fördern) in Trenbolon-Acetat, das sich spritzen läßt, umgewandelt werden. Neben den illegalen Produzenten gibt es zudem Händler, die eine entsprechende Internetpräsenz aufweisen und anabole Steroide vertreiben. Schließlich besteht für interessierte Konsumenten die Möglichkeiten, über soziale Medien – hier werden zuvorderst X und Instagram genannt – illegale Lieferanten zu kontaktieren. Die Größe dieses Marktes ist schwer abzuschätzen. Weltweit gibt es etwa 50.000 Bodybuilder, die an Wettkämpfen teilnehmen, und 11,5 bis 23 Mio. Bodybuilder insgesamt. Ein Behandlungszyklus über etwa 8 Wochen mit einer wöchentlichen Dosis von 300-400 mg Trenbolon-Acetat dürfte in Abhängigkeit der Qualität und der Quelle zwischen 150 und 600 US-Dollar kosten, so daß eine Schätzung des Dopingmarktes für anabole Steroide jährlich im Bereich von mehreren Mrd. US-Dollar nicht gänzlich falsch wäre.

Was wäre vor diesem Hintergrund aus ordnungsökonomischer Sicht angemessen?

Hierbei sind drei Aspekte zu berücksichtigen:

  1. Es gibt ein entsprechendes rechtliches Instrumentarium in Form des AMG und des AntiDopG, mit dem versucht wird, die Anwendung von Trenbolon zu unterbinden.
  2. Bei den Bodybuildern handelt es sich regelmäßig um volljährige Personen, bei denen zu erwarten ist, daß sie die Folgen ihres Handelns abschätzen können.
  3. Die negativen Auswirkungen von Trenbolon auf die Gesundheit sind keine externen Effekte; sie treten bei den Personen auf, die dieses anabole Steroid einnehmen. Freilich können sich durch die Folgeerkrankungen Belastungen insbesondere für die Krankenversicherung ergeben.

In einer Wirtschaftsordnung, die von der Selbstbestimmtheit des Individuums ausgeht und damit der Einheit von Handlung und Haftung (Eucken 1952) einen besonderen Stellenwert zuordnet, wäre in diesem Kontext Zurückhaltung beim Einsatz staatlicher Interventionsinstrumente geboten. In erster Linie würden sich daher Aufklärungsmaßnahmen eignen: So könnte es sinnvoll sein, aus staatlichen Mitteln öffentliche Kampagnen zu finanzieren, in denen die schwerwiegenden Nebenwirkungen von Trenbolon verdeutlicht werden. Zudem könnte es sich als zweckmäßig erweisen, Fokusgruppen in Fitneßstudios und Sportvereinen über die gesundheitsschädigenden Auswirkungen des Wirkstoffs aufzuklären. Um die Einheit von Handlung und Haftung durchzusetzen, wäre zu erwägen, ob Personen, die aus dem Einsatz derartiger Mittel resultierende Gesundheitsschäden aufweisen, die Behandlungskosten dieser Gesundheitsschäden selbst tragen sollten. Dies setzt freilich eine eindeutig identifizierbare Kausalkette voraus. Zudem dürfte bislang unklar sein, ob sich durch die Einnahme von Trenbolon tatsächlich höhere Kosten für das Gesundheitswesen ergeben oder ob die Trenbolon-Konsumenten nicht eher das Gesundheitssystem entlasten.

Darüberhinausgehende Instrumente sind vor dem Hintergrund der bereits existierenden und in 1) genannten Maßnahmen aus ordnungsökonomischer Sicht nicht erforderlich. Hier wäre – sofern nur erwachsene Personen davon betroffen sind – sogar aus ordnungsökonomischer Sicht zu überlegen, diese zurückzubauen, da sie dem Menschenbild eines rational handelnden und gut informierten Individuums widersprechen und Ausfluß einer zumindest verhalten ausgeprägten paternalistischen Weltsicht sind.

Quellen

Andreasson, J., & Johansson, T. (2019). Negotiating bodywork: professional bodybuilders in the 21st century. Sport in Society, 22(3), 414-430.

Brown, P., & Tiggemann, M. (2020). Attractive celebrity and peer images on Instagram: Effect on women’s mood and body image. Body Image, 33, 175-182.

Eucken, W. (1952). Grundsätze der Wirtschaftspolitik. Tübingen: Mohr Siebeck.

Galli, N., & Reel, J. J. (2009). Adonis or Hephaestus? Exploring body image in male athletes. Psychology of Men & Masculinity, 10(2), 95-108.

Pickett, A. C., & Cunningham, G. B. (2017). The influence of physical appearance on perceived competence in the fitness industry. Sport Management Review, 20(2), 162-173.

Smit, D. L. et al. (2020). Baseline characteristics of the HAARLEM study: 100 male amateur athletes using anabolic androgenic steroids. Scandinavian Journal of Medicine & Science in Sports, 30(3), 531-539.

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