„Anstatt unsere Bürger zu besteuern und damit andere Länder zu bereichern, werden wir andere Länder mit Zöllen belegen, um unsere Bürger zu bereichern.“ (Donald Trump)
Donald Trump ist neuer (alter) Präsident der USA. Er hat eine eigen(willig)e Sicht auf die Ökonomie. In seiner ersten Amtszeit setzte er auf dreierlei: Keynesianismus, Industriepolitik und Protektionismus. Joe Biden, sein Nachfolger von den Demokraten, wich davon nicht wirklich ab, wenn dann negativ (hier). Er erhöhte die staatliche Verschuldung noch einmal kräftig, forcierte die (grüne) Industriepolitik (IRA, Chip-Act) und behielt die protektionistische Linie, die Trump I in seiner ersten Amtszeit vorgab, mehr oder weniger bei. Gegenüber China schlug er allerdings noch eine härtere Gangart in der Handelspolitik ein. Trump II hat angekündigt, etwas andere Schwerpunkte zu setzen: Angebotspolitik, Protektionismus und Migration. Eine Konstante seiner Politik sind seine nach wie vor eigenartigen Vorstellungen, wie die internationale Arbeitsteilung die Wohlfahrt von Volkswirtschaften beeinflusst.
Trump’s Agenda
In den USA ist es wie anderswo. Wahlprogramme sind das eine, reale Politik ist etwas anderes. Was Donald Trump wirtschaftspolitisch plant, ist bisher nur bruchstückhaft bekannt. Es scheint eine seltsame Mischung aus Angebotspolitik, Merkantilismus und Abschiebungen. Für einen Republikaner nicht ungewöhnlich ist die Angebotspolitik. Trump will stärker deregulieren, die öffentliche Verwaltung effizienter gestalten (Elon Musk) und Steuern senken. Vor allem der Tech-Sektor soll dereguliert, eine Krypto-Industrie zugelassen, künstliche Intelligenz breit eingesetzt werden („Stargate“). Und er will die Steuern senken. Unternehmen sollen weniger Steuern zahlen. Die (zeitlich eigentlich begrenzten) Steuerermäßigungen für Haushalte sollen verlängert werden. Beides, De-Regulierung und Steuersenkungen, kann die Produktivität erhöhen.
Die Angebotspolitik will Märkte öffnen und Marktkräfte entfesseln. Das ist bei der geplanten Trump’schen Handelspolitik anders. Sie soll die Märkte schließen und Marktkräfte fesseln. Wir beobachten weltweit eine Renaissance merkantilistischen Denkens: Exporte sind gut, Importe sind schlecht. Multilaterale, regelbasierte Lösungen kommen aus der Mode. Bilaterale, diskretionäre Deals haben Konjunktur. Der neue (alte) Präsident der USA ist der (selbst ernannte) König der „Dealmaker“. Er will verhindern, dass die USA weiter (handelspolitisch) über den Tisch gezogen werden. In bilateralen Verhandlungen will er die Stärke der USA ausspielen und günstigere Deals aushandeln. Zölle sollen die Verhandlungspartner gefügig machen. Dabei unterscheidet er nicht zwischen Freund und Feind. Donald Trump kämpft allein gegen alle.
Die zollastige Handelspolitik ist nur die Spitze des protektionistischen Eisberges. Donald Trump will nicht nur die Gütermärkte abschotten. Unklar ist, ob es nur importierte Fertig- oder auch Zwischenprodukte, alle Güter oder nur bestimmte Branchen, alle Länder (Kanada und Mexiko, EU, China) gleich oder unterschiedlich trifft. Er plant auch, Schranken auf den Arbeitsmärkten zu errichten. Die Migration soll beschränkt werden. Zunächst soll es nur illegale Einwanderer treffen. Sie sollen aus den USA ausgewiesen und an der Zuwanderung in die USA gehindert werden. Das trifft in erster Line die Geringqualifizierten, die vor allem im Dienstleistungssektor arbeiten. Alles in allem ist die geplante Wirtschaftspolitik von Donald Trump seltsam. Mit der Angebotspolitik öffnet er Märkte, mit der Handels- und Migrationspolitik schließt er sie. Eine Politik „pro market“ ist das nicht. Es riecht sehr nach einer Politik „pro business“.
Allein gegen alle
Seine Meinung über Defizite in der amerikanischen Handels- und Leistungsbilanz wird Donald Trump wohl nicht mehr ändern. Sie sind ihm seit Jahrzehnten ein Dorn im Auge. Er glaubt, die Defizite beruhen auf „unfairen“ Handelsbeziehungen und schädigen die heimische Industrie. Das ist ökonomischer Unfug. Defizite und Überschüsse in der Handels- und Leistungsbilanz sind in erster Linie das Ergebnis individueller Entscheidungen von Millionen von Haushalten und Unternehmen weltweit. Sie spiegeln aber auch die Präferenzen der Wähler als Steuerzahler und Empfänger staatlicher Leistungen wider (hier). Verzerrungen durch „unfair“ spielende Akteure spielen eher eine untergeordnete Rolle. Akzeptiert man individuelle Entscheidungen von Haushalten, Unternehmen und Wählern ist der politisch geplante Abbau von Salden in den Handels- und Leistungsbilanzen ein Eingriff in die individuellen Präferenzen. Die Allokation wird verzerrt, Wohlstandsverluste sind unvermeidlich.
Diese (Effizienz)Argumente kümmern die Politik wenig. Bestärkt wird sie durch Unternehmen und Arbeitnehmer, die durch ausländische Konkurrenz unter Druck geraten. Donald Trump setzt auf Zölle („tariff man“) als Wunderwaffe gegen Handels- und Leistungsbilanzdefizite. Das würde „unfairen“ Handel begrenzen und auch noch Geld in die Kassen des Staates spülen. Steuern könnten verringert werden. Doch dieses Kalkül wird nicht aufgehen. Es ist zwar richtig, Zölle wirken wie Steuern auf Importe und Subventionen für Exporte. Die Defizite in der Handels- und Leistungsbilanz können zunächst sinken. Dieser „Erfolg“ ist aber flüchtig. Tatsächlich wertet der Dollar auf und macht die Erfolge zu einem großen Teil wieder zunichte. Die Makroökonomie gewinnt immer (Richard Baldwin). Ausländische Vergeltungsmaßnahmen eliminieren ihn endgültig. Übrig bleiben höhere inländische Preise, ein weltweites Chaos auf den Gütermärkten und instabile Finanzmärkte. Alle stellen sich schlechter.
Kampf gegen das falsche Defizit
Dem merkantilistischen Traum einer „verbesserten“ Handels- und Leistungsbilanz steht Donald Trump selbst im Weg. Setzt er seine Steuer- und Ausgabenpläne um, wird das amerikanische Haushaltsdefizit weiter ansteigen. Die versprochenen Steuersenkungen für Unternehmen, der Ausstieg aus dem Abkommen über eine Mindestbesteuerung globaler Unternehmen und die Verlängerung der auslaufenden Steuervergünstigungen für Haushalte reißen erst mal ein Loch in den staatlichen Haushalt. Sie finanzieren sich nicht selbst. Die geplanten höheren Ausgaben etwa für den mexikanischen „Schutzwall“, höhere Ausgaben für die Verteidigung und die von Joe Biden „geerbte“ wachsende Lasten aus dem Bereich des Sozialen vergrößern das staatliche Defizit. Hätte das Effizienzprogramm von Elon Musk oder „Stargate“ tatsächlich Erfolg, würde es allerdings dieser defizitären Entwicklung entgegenwirken.
Eine wachsende staatliche Verschuldung vergrößert das Defizit in der Handels- und Leistungsbilanz („twin deficits“). Höhere staatliche Ausgaben verstärken die Nachfrage nach ausländischen Gütern und Diensten. Das Handels- und Leistungsbilanzdefizit wächst. Mit dem Haushaltsdefizit steigen die Zinsen. Damit ist die Finanzierung des Leistungsbilanzdefizits kein Problem. Ausländisches Kapital ist bereit, die amerikanischen Defizite (Haushalt- und Leistungsbilanz) zu finanzieren. Die Kapitalmärkte disziplinieren die Politik (noch) nicht spürbar. Mit wachsender Verschuldung und höheren Defiziten in der Leistungsbilanz steigen die Zinsen weiter. Der Druck auf die Politik, besser zu haushalten, nimmt zu. Die Bonitätsgrenze ist allerdings für die USA als Leitwährungsland (noch) sehr weit weg. Steigende Zinsen verstärken die Aufwertung des Dollar. Es wird noch weniger wahrscheinlich, dass es Trump gelingt, das Leistungsbilanz-Defizit abzubauen. Importe werden billiger, Exporte verteuern sich.
Donald Trump kämpft gegen das falsche Defizit (hier). Wenn er das Leistungsbilanzdefizit verringern will, täte er besser daran, das Haushaltsdefizit zu verringern. Damit würde er aber in Konflikt mit anderen (wirtschafts-)politischen Zielen geraten. Trump reißt mit dem Hintern der Staatsverschuldung ein, was er (erfolglos) versucht, mit den Händen der Zollpolitik aufzubauen. Paul Krugman hat nun aber darauf hingewiesen, dass es Donald Trump über den Umweg der Migrationspolitik doch noch schaffen könnte, das Leistungsbilanz-Defizit zu verringern (hier). Zuwanderung stärkt den amerikanischen Standort. Das gilt vor allem für qualifizierte Einwanderer. Die USA wird für ausländisches Kapital attraktiver. Stoppt Trump diese Zuwanderung, verliert der Standort. Ausländisches Kapital sucht sich andere Anlageorte. Die Überschüsse in der Kapitalbilanz gehen zurück. Damit verringern sich auch die Defizite in der Leistungsbilanz. Der Preis einer solchen Kamikaze-Politik wäre allerdings hoch, sehr hoch. Wohlstand würde auf breiter Front massiv vernichtet, amerikanischer und weltweiter. Tatsächlich hat Trump bisher nur vor, illegale Zuwanderung zu stoppen. Darunter dürften nur wenig Hochqualifizierte sein. Der Krugman-Effekt dürfte damit eher wenig relevant sein.
Unabhängige Notenbank?
Zölle haben eine (weitere) unangenehme Eigenschaft: Sie wirken preistreibend. Die Lasten der Zölle müssen getragen werden, entweder von ausländischen Unternehmen oder inländischen Konsumenten. Importierte Produkte werden teurer. Die Empirie zeigt, weniger die Ausländer zahlen die Zeche, wie Trump nicht müde wird zu betonen. Vor allem die Inländer (vor allem die Konsumenten) werden zur Kasse gebeten. Die inflationäre Entwicklung in den USA wird durch die geplante Migrationspolitik weiter angeheizt. Höhere Haushaltsdefizite sind das eine. Abschiebungen illegaler Einwanderer sind das andere. Wenn Millionen von (gering qualifizierten) Arbeitnehmern zurückgeschickt werden, kommt es überall dort, wo einfache Arbeit eingesetzt wird, zu Engpässen, vor allem auf dem Bau, in der Landwirtschaft aber auch (immer noch) in der Produktion. Die Nachfrageüberhänge auf dem (angespannten) Arbeitsmarkt für einfache Arbeit nehmen zu, die Löhne steigen, die Preise erhöhen sich. Die amerikanische Notenbank wird diese Entwicklung in den Blick nehmen müssen, wenn Preisniveaustabilität nicht ein Muster ohne Wert sein soll.
Die Achillesferse der Zölle als Mittel, Leistungsbilanzdefizite zu verringern, ist die Entwicklung der Wechselkurse. Der Dollar darf möglichst nicht (wenig) aufwerten, die Nicht-Dollar-Währungen dürfen nicht kompetitiv abwerten. Ansonsten erodiert der kurzfristige „Erfolg“ der Zölle beim Abbau der Leistungsbilanzdefizite sehr schnell. Der Wechselkursmechanismus, der dafür sorgt, dass die Makroökonomie immer gewinnt, muss möglichst ausgeschalten werden. Was das Ausland mit ihren Währungen macht, hat Donald Trump nur sehr begrenzt unter Kontrolle. Das Plaza-Abkommen im Jahr 1985, als Frankreich, Deutschland, Großbritannien und Japan den Amerikanern zusagten, ihre Währungen gegenüber dem Dollar zu stärken, zeigt allerdings, dass eine internationale Vereinbarung zur Schwächung des Dollars nicht unmöglich ist. Aber auch die Möglichkeiten der Regierung Trump, auf die Politik der amerikanischen Notenbank gezielt Einfluss zu nehmen, sind beschränkt. Dagegen steht die Unabhängigkeit der FED. Hält sie am Ziel der Preisniveaustabilität fest, beißt Donald Trump auf Granit.
Wie sich die amerikanische Notenbank verhalten wird, ist Spekulation. Eine Strategie der Trump-Administration besteht darin, frei werdende Positionen im Vorstand der FED nach und nach mit „Tauben“ zu besetzen, allen voran den Präsidenten. Da aber nur alle zwei Jahre ein Gouverneur berufen werden kann und Gouverneure faktisch nicht abberufen werden können, kann Donald Trump in seiner vierjährigen Amtszeit nur vorschlagen, maximal zwei Gouverneure auszutauschen. Er kann aber den Präsidenten neu benennen, wenn die Amtszeit von Jerome Powell als Präsident endet. Die FED kann aber auch aus eigener Überzeugung, eine expansive Geldpolitik betreiben. Das hat sie in der jüngeren Vergangenheit eindrucksvoll gezeigt und die expansive Fiskalpolitik monetär alimentiert (fiskalische Dominanz). Das unschöne inflationäre Ende ist bekannt. Wie auch immer, Donald Trump befindet sich mit seiner Zollpolitik in einer Zwickmühle. Die Wahlen hat er auch gewonnen, weil die Inflation in der Amtszeit von Joe Biden von den Wählern nicht goutiert wurde. Die Inflation ist Trumps Achillesferse im aufziehenden Handelskrieg (André Müller, NZZ).
Fazit
Donald Trump hat eine seltsame Vorstellung wie Ökonomie funktioniert. Seine Politik ist voller Widersprüche. 1) Einerseits setzt er auf eine Angebotspolitik (De-Regulierung, „Stargate“, Steuersenkungen). Damit öffnet er die Märkte. Andererseits betreibt er eine Politik des Merkantilismus (Zölle) und betreibt eine rigorose Migrationspolitik (Ausweisung illegaler Zuwanderer). Damit schottet er die (Arbeits-)Märkte ab. 2) Er setzt auf mehr Effizienz in der Verwaltung (Elon Musk) und erhöht so Produktivität und Wachstum. Mit einer diskretionären protektionistischen Handelspolitik verringert er aber den Wettbewerbsdruck auf amerikanische Unternehmen, verringert das Produktivitätswachstum und schafft den Nährboden für (noch mehr) Vetternwirtschaft. 3) Er kämpft gegen Defizite in der amerikanischen Leistungsbilanz. Warum eigentlich? Salden in der Leistungsbilanz abbauen zu wollen, ist kein sinnvolles wirtschaftspolitisches Ziel. Gleichzeitig befeuert er die Leistungsbilanzdefizite mit einem weiteren (ungebremsten) Anstieg der staatlichen Verschuldung. 4) Er gewann die Wahl auch weil er versprach, eine hohe Inflation wie in der Biden-Ära zu verhindern. Sein Plan, die Leistungsbilanzdefizite zu verringern, hat aber nur Aussicht auf (temporären) Erfolg, wenn er auf eine höhere Inflation setzt. Nur dann kann er den für den Abbau der Leistungsbilanzdefizite notwendigen schwachen Dollar erreichen. Dabei steht ihm aber – hoffentlich – die FED im Wege.
Blog-Beiträge zu Trumponomics:
Norbert Berthold (JMU, 2025): Donald Trump bekämpft das falsche Defizit. Handel, Zölle, Verschuldung