Gastbeitrag
Wie das Kartell aus „Modern Economists“ und politischen Machern unseren Wohlstand bedroht

Wie es scheint, befindet sich die Welt derzeit in der Eskalationsphase eines chaostheoretischen Modells. Das lässt Endzeitstimmung und Panik aufkommen. Die Bürger wünschen sich deshalb wieder Führernaturen und starke Regierungen, die rasche Entscheidungen treffen, um der wachsenden Probleme und Bedrohungen Herr zu werden. Weltweit sind die Autokraten im Vormarsch, auch im Westen. Der Mythos vom starken Staat hat Hochkonjunktur, die liberale Ordnungsidee ist auf der Verliererstraße. In Deutschland herrscht Polit-Chaos. Nach dem Dauergezänk um den Bundeshaushalt 2025 und dem Scheitern der Ampelregierung im vergangenen Jahr spielt sich im Frühjahr 2025 wieder ein spannender Polit-Krimi ab: wird es zu einer Koalitionsregierung kommen oder muss neu gewählt werden, was einen weiteren Rechtsruck befürchten lässt? In diesem Beitrag wird aufgezeigt, wie es zu der desolaten Lage, in der sich der Staat, die Wirtschaft und die Gesellschaft in Deutschland derzeit befinden, hat kommen können. Die Analyse zeigt gleichzeitig die Wege auf, die beschritten werden müssten, damit wieder Silberstreifen am Horizont aufziehen können.

Lautstarkes Knirschen im finanziellen Gebälk der Renten-, Pflege- und Gesetzlichen Krankenversicherung, wuchernde Bürokratie, ausufernde Gesetzgebung und Normendickicht, Defizite bei der inneren und äußeren Sicherheit, Mängel im Bildungs- und Gesundheitswesen, Vernachlässigung der Grundlagenforschung, marode Infrastruktur und unzuverlässige Bahn bei gleichzeitig hohen Sozialausgaben, Subventionen, Abgabelasten und einem voraussichtlichen Anstieg der Schuldenquote charakterisieren den Zustand unseres staatlichen Sektors. Unser Staat ist fett geworden. Die Staatsquote liegt derzeit bei rund 50 Prozent und ein weiterer Anstieg ist programmiert. Zumindest in der Epoche, in der wir leben, scheint das Wagner`sche Gesetz eines programmierten Anstiegs der Staatsquote zu gelten, was historisch nicht immer der Fall war (siehe Horst Claus Recktenwald 1985 a). Man fragt sich, ob wir den Marsch in Richtung auf eine Staatsquote von 100 Prozent angetreten haben, zumal der weltweite säkulare Anstieg der staatlichen Schuldenquoten ungebrochen ist. Gleichzeitig erlahmen die Wachstumskräfte. Wie es derzeit scheint, ist der Markt ein Auslaufmodell und en vogue ist ein starker, von Autokraten geführter Staat.

Weiser Planer“ nach Samuelson? Oder „Anmaßung von Wissen“ nach Hayek?

Der amerikanische Nobelpreisträger George Joseph Stigler (1962) hatte schon in einem vor langer Zeit erschienenen Aufsatz die Intellektuellen für das allgemeine Misstrauen gegenüber der Marktwirtschaft und für den Fehlglauben an die Omnipotenz des Staates verantwortlich gemacht. Darunter sind im politischen Beratungsgeschäft tätige Ökonomen, die nicht unschuldig am weltweiten Vormarsch in Richtung auf eine noch höhere Staatsquote sind. Sie ermuntern nämlich die ihrem Wesen nach ausgabepolitisch phantasievollen und gerne regulierenden, sich generös zeigenden und bevormundenden Politiker und Bürokraten zum laufenden Intervenieren in das Marktgeschehen und zu moderner Industriepolitik. Sie fordern politische Korrekturen angeblich verzerrter Marktpreise und postulieren überlegenes Zukunftswissen beim Staat bzw. bei sich. Sie fordern, vom angeblichen Fetisch der Schuldenbremse abzurücken und weitere Sondervermögen zu errichten, um den Standort zukunftstauglich zu machen. Bei diesem Rat, der – wie es scheint – von der Politik befolgt wird, werden die empirischen Fakten ignoriert, wonach Länder mit Schuldenregeln höhere Wachstumsraten haben (Potrafke 2023,). Es wird ungebremst Geld auf die vielen, sich aufschaukelnden Probleme geworfen, die der sich selbst nährende Interventionismus verursacht hat. Die Gefahr, dass die Schuldenexpansion nicht mehr beherrschbar ist und in einen abwärts gerichteten Strudel einmündet, der uns alle mitreißt, ist groß. Streng nach Goethes Zauberlehrling: „Die Geister, die ich rief, die werd` ich nun nicht los“.

Ökonomen, die den Politikern zum Interventionismus raten, vertreten das Credo, das der französische Ökonom und Philosoph Frédéric Bastiat (1801-1850) wie folgt treffend beschrieben hat: Sie glauben an ein „außer uns selbst befindliches, höchst wohltätiges und unerschöpfliches Wesen, welches sich ‚Staat‘ nennt und welches zugleich Brot für alle Hungrigen, Arbeit für alle Hände, Kapital für alle Unternehmungen, Kredit für alle Projekte, Linderung für alle Leiden, Rat für alle Ratlosigkeit, Lösung für alle Zweifel, Wahrheit für alle Bedenken, Zerstreuung für alle Langeweile, Milch für die Kinder und Wein für die Alten hat – welches für alle unsere Bedürfnisse sorgt, all unsere Wünsche befriedigt, über alles Auskunft gibt, alle Irrtümer, alle Fehler beseitigt und uns entbindet von jeder Verpflichtung der Selbsthilfe, der Selbstverantwortlichkeit, der Vorsicht, der Klugheit, des Urteils, des Scharfsinns, der Erfahrung, der Ordnung, der Sparsamkeit, der Mäßigung und des Fleißes“ (Bastiat 1880).

Von Irrwegen in der ökonomischen Wissenschaft

Während es in Forschungszweigen wie etwa der Medizin zu bahnbrechenden Fortschritten gekommen ist, scheint die ökonomischen Wissenschaft vermehrt Irrwege zu beschreiten: Dem kaum mehr überschaubaren und von Ökonomen ausgetüftelten Katalog heutiger Staatsaufgaben und Politikfeldern steht eine geradewegs hybride Theorie des Marktversagens gegenüber: Hans-Werner Sinn bemerkt dazu: „Wie Spürhunde suchen Volkswirte die Wirtschaft nach Marktfehlern ab und überlegen, wie man diese Fehler durch kluge Staatseingriffe korrigieren kann. Dies zu übersehen ist das große Versäumnis der Kritiker“ (Sinn 2014).

Im Zeitalter des Internets schießen die von marktfeindlichen Ökonomen gegründeten Netzwerke oder Labels für neue Forschungszweige wie Pilze aus dem Boden. Zu nennen sind etwa die „plurale Ökonomik“, die „post-autistische Ökonomie“ und die „Real World Economics“. Im Urteil der Neuen Züricher Zeitung NZZ vertreten diese Gruppen das gemeinsame Credo, „…dass der Markt für alles Übel und der Staat für alles Gemeinwohl verantwortlich ist“ (NZZ 2015). Typisch für die neue Bewegung ist die „…Ablehnung freier Märkte und die Überzeugung, dass es eigentlich kein Zuviel an Regulierung geben kann“ (ibid). Hans-Werner Sinn hat gezeigt, dass die Einwände der Marktkritiker gegen die angeblich falsche oder veraltete „Mainstreamökonomie“ nicht haltbar sind. Und die Autorin dieses Beitrags begründet in ihrem mit ihrem Mann zusammen verfassten Buch „Wie Indien nachhaltig vorankommt“, dass sie posthum dem Smith-Interpreten Horst Claus Recktenwald gewidmet haben, dass die eigentlichen Ursachen hinter Marktmängeln auf Staatsversagen, Erziehungsversagen und Beratungsversagen beruhen (Rosenschon und Laaser 2019).

In der ökonomischen Wissenschaft scheint die Spezialisierung aus dem Ruder zu laufen, was sich an der abnehmenden Breite und zunehmenden Tiefe der Forschungsgegenstände zeigt sowie an der Dominanz des mathematischen Instrumentariums. Ob man damit der Wirklichkeit und der Multikausalität gerecht werden kann? Denn: „Die Biologie und nicht die Mechanik ist das Mekka der Ökonomen“ (Alfred Marshall 1842 – 1924). Geschweige denn die mittlerweile zum Selbstzweck verkommene Wirtschaftsmathematik. Von Horst Claus Recktenwald stammt der Ausspruch, wonach Spezialisierung ohne Synthese oder Synopse so sinnlos ist wie Arbeitsteilung ohne anschließenden Tausch. Ein aus einer Partialsicht heraus gewonnener wirtschaftspolitischer Rat kann der Komplexität und Vielschichtigkeit der Realität niemals ausreichend Rechnung tragen, so dass man sich über unerwartete und unerwünschte Nebenwirkungen und Zweit- oder Drittrunden-Effekte nicht zu wundern braucht. Diese animieren die Politik zu Gegenmaßnahmen und führen zu sich selbst nährenden Interventionsspiralen, die kaum mehr in Griff zu bekommen sind. Die Welt scheint sich in der Eskalationsphase eines chaostheoretischen Modells zu befinden. Zukunftshoffnung kann sich allein auf die Krisentheorie des Lernens stützen. Ob es jemals wieder zu einer Renaissance der Marktwirtschaft kommen kann? Oder ob uns ein Katastrophenszenario bevorsteht? Dass die theoretische Begründung für Subventionen, die die ökonomische Wissenschaft bietet, letztlich auf tönernen Füßen steht, zeigen Claus-Friedrich Laaser und Astrid Rosenschon (2025). Das sogenannte Pigou-Modell, dem eine partialanalytische Sichtweise zugrunde liegt, entpuppte sich letztlich als offenes Einfallstor für Interventionismus auf breitester Front.

Nicht nur die im Politikgeschäft maßgeblichen „Modern Economists“ und ihre „Modern Economy“ sind eine Gefahr für unseren Wohlstand, sondern auch die neue Spezies der autokratischen Politiker, welche sich auch in den Demokratien Europas und vor allem Amerikas breit macht. Dort spricht man von Populisten. Sie verheißen Volksbeglückung und richten nur Unheil an. Sie regieren im Alleingang über die Köpfe der Bürger hinweg, brechen Wahlversprechen, ignorieren Ratschläge von Wissenschaftsgremien, regieren an Parlamenten vorbei und gehen ein Kartell mit lautstarken Lobbyisten ein. Allein das Verfassungsgericht kann ihnen die rote Karte zeigen.

Vom Versagen der politischen Parteien

Einher mit der Degeneration demokratischer Entscheidungsprozesse zu einer „Ein-Mann- oder Ein-Frau-Show“ geht eine Ausweitung des Parteienspektrums, ein Wachstum der extremistischen Parteien und ein Farbwechsel sowie Wesenswandel der Alt-Parteien, weil Koalitionsbildungen immer schwerer werden und vermehrt Kompromisse eingegangen werden müssen, die den heutigen und morgigen Steuer- und Beitragszahlern teuer zu stehen kommen. So ist im säkularen Prozess aus schwarz rot geworden. Und die sozialdemokratische Partei begeht mittlerweile Verrat an ihrer ehemaligen Wählerklientel, weil sie sich akribisch um jene kümmert, die nicht oder nicht mehr arbeiten. Dass die SPD auf die schiefe Bahn geraten ist, moniert auch der ehemalige SPD-Politiker Peer Steinbrück als einer der wenigen einsamen Mahner in der Wüste (Spiegel vom 2.3.2018). In der Asylpolitik haben SPD und Grüne letztlich die Zuwanderung von Sozialfällen, Kriminellen und Putins Kolonnen ermöglicht und ihr Humanitätsgebot endet dort, wo es um den Schutz der einheimischen Bürger geht. Stiefkinder der Politik sind die arbeitenden Bevölkerung, der Mittelstand und die junge Generation. Diese müssen ein rundes Jahr arbeiten, damit dem Staat die steuerlichen Mittel für die hypertrophierte Subventionspolitik zufließen. Die aufgeblähten Sozialetats gehen mit drückend hohen und weiter steigenden Sozialbeiträgen und Hypotheken einher.

Wenn verwundert es da noch, dass die Benachteiligten der Nation in ihrer Verzweiflung der Wahlurne fernbleiben oder zur AfD überlaufen oder ins Ausland flüchten. Derzeit sehen sie keine anderen Alternativen, um sich gegen politische Raubzüge zu wehren. Man wirft ihnen dann noch antidemokratische Gesinnung, Vernachlässigung ihrer Wahlpflichten und fehlende nationale Verantwortlichkeit vor und appelliert mit erhobenem Zeigefinger an ihr Gewissen. Die vielen jungen AfD-Wähler sind vermutlich meist keinesfalls extremistisch, sondern vielmehr „alternativlos“ (Angela Merkel). Meist fehlt ihnen auch das ökonomische Grundverständnis, um beurteilen zu können, dass das AfD-Wahlprogramm schwere volkswirtschaftliche Schäden anrichtet, wie die Analyse des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) gezeigt hat (Gutachten vom 18. Februar 2025).

Das Ausscheiden der FDP aus dem Parlament reflektiert die Enttäuschung von ehemaligen Stammwählern, dass auch diese Partei mit Interessengruppen klüngelt, seien es nun schnelle Audi- oder Porschefahrer, Gastwirte oder Hoteliers. Auch hat die FDP in der Ampel die rot-grüne Politik mitgetragen, was ihr wohl mancher Stammwähler verübelt hat. Hinzu kommt, dass die Parteienstruktur immer mehr autokratische Züge zu entwickeln scheint. Ob in Deutschland die liberale Idee wohl endgültig zu Grabe getragen worden ist? Oder ob der totgesagte Patient wiederbelebt werden kann? Dazu wären ein fundamentales Reformprogramm, eine neue Organisation der Partei und konsequente Überzeugungsarbeit vonnöten. Bei der konkreten Ausgestaltung der zu unternehmenden Schritte ist der ordnungspolitische Sachverstand der Nation gefragt. Auch müssen den Bürgern die gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge in verständlicher Sprache rübergebracht werden. Kurzum: Deutschland braucht jetzt eine zweite Aufklärung und – ähnlich der Mao-Bibel – eine Aufklärungsschrift. Dazu sind die liberal denkenden und ordnungspolitisch standfesten Ökonomen des Landes aufgefordert.

Die zunehmende Autokratisierung hat zu einem immer fetter werdenden Staat geführt und zu einer Demontage des föderalistischen Systems in Deutschland. Der Finanzwirtschaftler Johannes Popitz hat in den 1920er Jahren das nach ihm benannte Gesetz aufgestellt, das von der Anziehungskraft des zentralen Etats handelt. Es ist zwar nicht in der von Popitz propagierten Reinkultur zu beobachten, wonach die Budgetanteile von Ländern und Gemeinden am Gesamtbudget des Staates an Auszehrung oder Schwindsucht leiden. Dies trifft aber auf die Autonomie der nachgelagerten Instanzen zu, da der Bund vermehrt in andere Haushalte hineinregiert und dort seine finanzpolitischen Fußabdrücke hinterlässt. Würde man alle jene Staatsausgaben addieren, die auf zentralen Entscheidungen beruhen und den Ausgaben gegenüberstellen, über die Länder und Gemeinden autonom verfügen dürfen, müsste man wohl in der Tat Popitz visionäre Fähigkeiten bescheinigen. Er hat die Entwicklung richtig vorausgesagt.

Subventionen und der „echte Norden“

Der im Jahr 1990 verstorbene Finanzwirtschaftler Horst Claus Recktenwald (1983) hat in seinen Vorlesungen immer wieder das Verbundprinzip im Föderalismus als Voraussetzung für ein ökonomisch effizientes Staatswesen propagiert und gefordert. Damit gemeint ist die Deckungsgleichheit der politischen Nutzer-, Zahler- und Entscheider-Kollektive. Von diesem Ideal entwickeln wir uns immer weiter weg: Mischfinanzierungsprogramme in der Subventionspolitik – von Ökonomen immer schon angeprangert ­ scheinen derzeit wieder en vogue: Zur konventionellen Mischfinanzierung in der Agrar- und in der Regionalpolitik gesellt sich wieder die vormals angeschaffte Mischfinanzierung im Sozialen Wohnungsbau und wird neuerdings durch eine Mischfinanzierung bei branchenübergreifenden Umweltsubventionsprogrammen des Bundes mit industriepolitischen Akzenten ergänzt. So erhalten allerlei regional ansässige Firmen neben den Bundeszuschüssen auch Landeszuschüsse, weil Politiker und die sie beratenden Ökonomen den geförderten Produktionsrichtungen und -technologien ökologische Inferiorität attestieren und sich von staatlich angestoßenen Zusatzinvestitionen Entwicklungsimpulse für die Region erhoffen. Denn die zuständigen Planer sind überzeugt davon, zu wissen, was die Zukunft bringt. Dass der Bund einen Teil des Zuschusses zahlt, motiviert Landespolitiker, das herabsubventionierte Förderangebot mit Kusshand anzunehmen, ja annehmen zu müssen, um einen ökonomischen Schachzug zu machen. Wegen der finanziellen Verlockungen für Land und Unternehmen wird nicht nur die Gefahr von Fehlinvestitionen provoziert, sondern sie verursachen auch eine zunehmende Misere in den öffentlichen Haushalten. Fakt ist, dass das Konstrukt Zusatzausgaben bei einem finanzschwachen Land wie Schleswig-Holstein induziert hat, dem vorgeworfen wird, an der Verfassung vorbei Notkredite für die reguläre Haushaltsfinanzierung einzusetzen (Schleswig Holsteinischer Landtag, 20.3.2024).

Es gibt weitere Fälle, bei denen zentral entschieden wird, ohne dass der Bund die damit verknüpften Kosten übernehmen muss. So ist die Asyl- und Migrationspolitik von der Bundesregierung beschlossen worden. Was für jährliche Gesamtausgaben damit einhergehen, ist jedoch kaum bekannt, was für ein Land, in dem jede Schraube gezählt wird, bemerkenswert ist. Die Ausgaben fallen nämlich – sieht man von jenen für Sprachförderung für Ausländer ab, die der Bund trägt – auf den darunter liegenden Ebenen der Länder und Gemeinden oder bei der Krankenversicherung an, wo auch die konkreten Probleme gelöst werden müssen. Vage Schätzungen taxieren die jährlichen Gesamtkosten der Asyl- und Migrationspolitik auf 50 Mrd. Euro (Welt vom 6.11.2023). Andere Schätzungen gehen von noch höheren Zahlen aus. Ein solches politisches Konstrukt sorgt dafür, dass ökonomisch falsche oder suboptimale Entscheidungen getroffen werden, weil die Kosten von Fehlentscheidungen ja abgewälzt werden können. Freilich hat der Bund flankierend die Umsatzsteuerverteilung zugunsten der nachgelagerten Ebenen verändert. Es ist aber fraglich, ob die Kompensation ausreichend war oder ob nachgelagerte Haushalte verstärkt in die Finanzklemme getrieben worden sind. Auch die Zeit der Coronakrise liefert historisches Anschauungsmaterial für Verstöße gegen das Verbundprinzip.

Adipositas im Sozialsektor

Die Sozialversicherungshaushalte sind im Lauf der Geschichte wie Supernovas aufgebläht worden, weil die jeweiligen Regierungen diese Institutionen immer mehr mit versicherungsfremden Aufgaben überfrachtet haben. Als Versicherungen gedachten Institutionen sind im Lauf der Geschichte zunehmend Umverteilungspflichten auferlegt worden: Zu nennen sind etwa die kostenlose Mitversicherung von Familienangehörigen in der GKV , die Hinterbliebenenrenten, für die keine Beiträge entrichtet worden sind , eine höhere Bewertung von Rentenzeiten in den neuen Bundesländern und von Zeiten der Berufsausbildung, die Zahlung von Altersrenten vor Erreichen des regulären Rentenalters ohne entsprechende versicherungsmathematische Abschläge (sogenannte Rente mit 63), die rentensteigernde Berücksichtigung der Fachschulausbildung und des Mutterschutzes, das Elterngeld, die Mütterrente etc.. Dass der säkulare Rückgang der Wachstumsraten einherging mit dem Ausbau des umverteilungspolitischen Instrumentariums, ist sicher keine Zufälligkeit und dürfte wohl in einem inneren Zusammenhang stehen. Historisch einmalig hohe Sozialleistungen auf historisch einmaligem Wohlstandsniveau sind anachronistisch und widersinnig.

Haushaltsgrundsätze: Wie ernst nimmt sie die Politik?

Wie problembehaftet das politische System in Deutschland, wie überfordert die Interventions- und Gefälligkeitspolitik und wie desolat die öffentliche Finanzlage ist, sieht man auch an den zahlreichen Mängeln im Bundeshaushalt, auf die die Verfasserin bei ihrer akribischen Lektüre von Bundeshaushalten und Haushaltsrechnungen über Dekaden hin gestoßen ist . Die nachfolgenden Ausführungen zeigen, dass es fraglich ist, ob der Bundeshaushalt in allen Punkten den Haushaltsgrundsätzen entspricht, wie sie im Grundgesetz (GG), dem Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG) und in der Bundeshaushaltsordnung (BHO) verankert und vorgeschrieben sind (Haushaltsgrundsätze, Wikipedia).

Auffallend ist, dass Subventionspolitik in zunehmendem Maße über Sonderhaushalte abgewickelt wird, die neuerdings wie Pilze aus dem Boden zu schießen scheinen: Im Jahr 2000 wurden noch 98,7 Prozent der Bundesfinanzhilfen direkt aus dem Bundeshaushalt gezahlt und nur 1,3 Prozent über den Nebenhaushalt der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Im Jahr 2023 dagegen sollten 49,6 Prozent der Finanzhilfeaktivitäten des Bundes über Sondervermögen abgewickelt werden. Im Jahr 2024 ist dann wegen des Wegfalls von Finanzhilfen aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts der Wert auf 37,2 Prozent gesunken (Astrid Rosenschon 2024, Claus-Friedrich Laaser, Astrid Rosenschon und Klaus Schrader 2025). Zu bemängeln ist ferner, dass bei der offiziellen Quantifizierung des Haushaltsvolumens des Bundes die Sondervermögen nur unzureichend berücksichtigt sind. Erfasst werden lediglich die Zuführungen des Bundes an die Sondervermögen, nicht die Gesamtausgaben der Schattenhaushalte. Während früher die Sondervermögen ausschließlich aus dem Bundeshaushalt finanziert worden sind, dürfen seit der Installation des Wirtschaftsstabilisierungsfonds und des Sondervermögens Bundeswehr die Kapitalmärkte angezapft werden. Dem Klima- und Transformationsfonds fließen, neben den Zuführungen aus dem Bundeshaushalt, die Mittel aus dem Verkauf der CO2-Emissionslizenzen zu.

In § 12 HGrG und § 15 BHO ist das sogenannte Bruttoprinzip vorgeschrieben, wonach Einnahmen und Ausgaben getrennt voneinander zu erfassen sind. Dieser Grundsatz wird nicht immer eingehalten. Es gibt Ausgaben, die als Minusbuchung veranschlagt werden, also als Einnahmeminderung. Darunter fallen die sogenannten Regionalisierungsmittel zugunsten des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) (13,2 Mrd. Euro), die Zuweisungen an Länder gemäß § 11 des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern (11,2 Mrd. Euro) sowie die Sanierungshilfen für Bremen und Saarland (800 Mio. Euro). In der Bundeshaushaltsrechnung für das Jahr 1970 sind die Bundesergänzungszuweisungen – also die Zahlungen an Länder im Rahmen des Finanzausgleichs – noch als Ausgabe verbucht worden. Im Laufe der Jahre ist man dann zur Nettoverbuchung übergegangen. Die Zahlungen des Bundes an die EU (29,5 Mrd. Euro).erscheinen im Bundeshaushalt nicht einmal als (realitätsverzerrende) Minusbuchung. Sie werden nachrichtlich in der Anlage 1 zum Haushaltskapitel 6001 unter dem Titel „Erhebung der Eigenmittel der EU – Anlage (6090)“ausgewiesen. Dies verleiht ihnen den Touch einer kaum erwähnenswerten oder unbeachteten Fußnote. Man muss es mal klar sagen: Diese fragwürdige Verbuchungspraxis verschleiert die wahren Verhältnisse, sie unterzeichnet die durch die Bundespolitik verursachte Belastung für die Steuerzahler ebenso wie das Ausgabevolumen des Bundes. Und je niedriger die Ausgaben ausgewiesen werden, umso leichter können die Politiker argumentieren, dass mehr Steuern oder Schulden nötig wären.

Vom Jahr 2008 bis zum Jahr 2022 sind Kindertagesstätten aus dem Sondervermögen „Kinderbetreuungsausbau“ finanziert worden. Vom 1. Januar 2023 an stellte dann der Bund stattdessen nach dem KiTa-Qualitätsgesetz rund 2 Mrd. Euro für die Verbesserung der Kinderbetreuung zur Verfügung, die den Ländern zufließen. Diese Ausgaben sind im Bundeshaushaltsplan 2023 (BMF 2023) nicht brutto ausgewiesen worden. Sie fanden vielmehr im Haushaltsunterkapitel „Steuern 6001“ unter der Titelnummer 01513 „Einnahmeminderungen aufgrund eines Zweiten Gesetzes zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung“ ihren Niederschlag. Es ist dort ein Betrag in Höhe von 1.993.000.000 Euro ausgewiesen worden. Die Übertragung der zweckgebundenen Finanzmittel an die Länder war zumindest noch als so qualifizierte Mindereinnahme identifizierbar. Anders ist dies jedoch im Bundeshaushalt 2024. Dort hat die Zahlung keinerlei Spuren hinterlassen. Wer die 1.993.000.000 Euro sucht, muss den Bundeshaushalt aus der Hand legen und vielmehr in die Fußnote 5 des §1 FAG (Finanzausgleichsgesetz) in der aktuellen Fassung blicken, wo es heißt, dass der dem Bund zustehende Umsatzsteueranteil „… im Jahr 2024 um 1.993 Millionen Euro …“ verringert wird (buzer de. 2024). Das Gesetz schweigt sich darüber aus, für welchen Zweck Umsatzsteueranteile an die Länder verschoben worden ist. Das ist keine transparente Subventionspolitik. Ist das jetzt „kreative Buchführung? Oder handelt es sich um Methoden, bei denen Richter oder der Bundesrechnungshof äußerste Störgefühle bekommen müssten?

Ein anderes Beispiel für fragwürdige Buchungen: Es betrifft den Wirtschaftsplan des Wirtschaftsstabilisierungsfonds (6099), wie er im Bundeshaushalt 2024 als Anlage 7 zu Haushaltsunterkapitel 6002 veröffentlicht ist (BMF 2024, EPl.60: 100). In diesem werden für das Jahr 2022 Ist-Gesamteinnahmen von 200 000 000 000 Euro und Ist-Gesamtausgaben in Höhe von 200 000 001 000 Euro ausgewiesen. Als einzelne Ausgabearten werden genannt: (i) Ausgaben für den Schuldendienst (702 940 000 Euro), (ii) Ausgaben für Zuweisungen und Zuschüsse (8 960 000 000 Euro) und (iii) Ausgaben für Investitionen (20 561 714 000 Euro). Die Addition dieser Einzelbeträge ergibt aber nur eine Summe von 30 224 654 000 Euro statt einer von 200 000 001 000 Euro. Der Betrachter fragt sich, wo der Differenzbetrag in Höhe von 169 775 347 000 Euro verbucht worden ist. Ist er in einem schwarzen Loch verschwunden? Auch verwundert, dass ein schuldenfinanzierter Subventionsfonds 1000 Euro mehr ausgeben kann, als er einnimmt. Hat hier eine Geldschöpfung stattgefunden oder sind das Rundungsfehler?

Fazit: Deutschland droht derzeit, im politischen Chaos zu versinken und wirtschaftlich noch weiter auf die schiefe Bahn zu geraten. Angesagt ist nicht nur, dem geschwächten Marktpatienten wieder auf die Beine zu helfen. In der in diesem ordnungspolitischen Journal veröffentlichten Artikelserie „Wirtschaftspolitik anders ausrichten“ wird gezeigt, an welchen Hebeln anzusetzen sind, um die erlahmenden Marktkräfte wieder zu stärken. Doch nicht nur der Marktpatient leidet unter Schnappatmung, sondern auch der Leviathan. Die heilt man freilich nicht mit einer Kettensäge à la Milei, obwohl die gleichzeitige Fettleibigkeit des Staatspatienten den Einsatz solcher chirurgischen Instrumente naheliegen könnte. Besser ist jedoch ein langfristig angelegtes Abspeckprogramm oder die Injektion einer Abnehmspritze.

Damit ein ordnungspolitisches Gesamtsystem, das Adam Smith zufolge aus den komplementären Subsystemen Markt, Staat und Ethik besteht (Horst Claus Recktenwald 1985 b, Astrid Rosenschon 2024), funktionieren kann, müssen auch dem mächtigen Staat Beschränkungen auferlegt werden. So wie der Markt entarten kann, wenn finanzstarke Marktteilnehmer nicht durch Wettbewerb, Wettbewerbsaufsicht durch die Kartellbehörde und durch Gesetze diszipliniert werden, kann auch der Staat entarten, wenn es an Kontrollmechanismen für die Macht, die er zweifelsohne besitzen sollte, mangelt bzw. wenn diese unzureichend sind. Zwar sind wir eine Demokratie und es finden Wahlen statt. Doch muss dieses Kontroll- und Steuerungsinstrument durch andere Disziplinierungsmechanismen ergänzt oder flankiert werden, um für Effizienz im öffentlichen Sektor zu sorgen. Denn der Wahlmechanismus erzwingt kein ökonomisches Handeln des Staates. In einer Welt der Knappheit ist dieses aber unabdingbar.

Das flankierende Disziplinierungsinstrument ist die Regelbindung und so erzeugte Selbstdisziplin des Staates. Da nur der Staat die Macht besitzt, verbindliche Normen zu setzen, muss er sich selbst regulieren. Er muss sich also Handlungsconstraints auferlegen, damit er seine Schnappatmung und Fettleibigkeit wirksam bekämpfen kann. Wie wäre es mit einem „Ministerial-Soli“ (Claus-Friedrich Laaser und Astrid Rosenschon 2025)? Wie wäre es mit der staatlichen Verpflichtung, die Staatsquote jährlich um einen bestimmten Betrag – etwa um einen Prozentpunkt – herunterzufahren, bis ein langfristig als optimal erachteter Wert erreicht ist. Etwa wie zu Zeiten von Ronald Reagan und Margret Thatcher?. Wie wäre es also mit einer „Staatsquotenbremse“? Wie wäre es mit einem im Grundgesetz verankertem Verbot von selektiven Vergünstigungen und Diskriminierungen? Wie wäre es, den im Grundgesetz verankerten Minderheitenschutz durch einen Mehrheitenschutz zu ergänzen?

Es ist 5 Minuten vor Zwölf. „Durch Deutschland muss jetzt ein Ruck gehen“ (Roman Herzog). Für die Politiker muss jetzt die Devise gelten: „Es ist viel zu tun. Packen wir`s an“. Beim Anpacken könnte der von der Autorin mitverfasste Kieler Subventionsbericht helfen, dessen Veröffentlichung diesmal erstaunlich lange auf sich warten lässt.

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LITERATUR:

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BMF (Bundesministerium der Finanzen)(2023). Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2023. Berlin.

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buzer.de (2024). Gesetze und Verordnungen des deutschen Bundesrechts im Internet. Gesetz über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern (Finanzausgleichsgesetz – FAG) / § 1 Finanzausgleichsgesetz (FAG). Via Internet (02.08.2024) <https://www.buzer.de/1_FAG.htm

Diermeiner, M., K. Bergmann, B. Zink und N. Päßler (2025). Rechtsaußen-Erstarken in Deutschland: Implikationen für den Wirtschaftsstandort. Gutachten im Auftrag von Vielfalt ist Zukunft. Herausgegeben vom Institut der Deutschen Wirtschaft. https://www.iwkoeln.de/presse/pressemitteilungen/knut-bergmann-matthias-diermeier-afd-schadet-dem-wirtschaftsstandort-deutschland.html

Feld, L. P. (2024). Zur Begründung der Schuldenbremse. In: Ifo-Schnelldienst 77. 30-33.

Laaser, C.-F. und A. Rosenschon (2025). Subventionen – sinnvoll oder fragwürdig? In: Wirtschaftliche Freiheit. Erscheint demnächst.

Laaser, C.-F., A. Rosenschon und K. Schrader (2025). Kieler Subventionsbericht 2024: Hohe Finanzhilfen trotz Haushaltsengpässen. Kieler Beiträge zur Wirtschaftspolitik, XY (erscheint im März 2025). Kiel: Institut für Weltwirtschaft.

Neue Züricher Zeitung (NZZ) (8.9.2015). Monotheismus in der Ökonomie.

Potrafke, N. (2023). Wie wirken Schuldenregeln? Eine Evaluierung der Forschungsergebnisse. Studie im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. München.

Recktenwald, H. C. (1985a). Adolph Wagner anno 1985: eine Widerlegung seines Gesetzes. In: Öffentliche Finanzen und monetäre Ökonomie. Festschrift für Karl Häuser zur Vollendung des 65. Lebensjahrs. Frankfurt. S. 71–91.

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Recktenwald, H. C. (1983). Lexikon der Staats- und Geldwirtschaft: Ein Lehr- und Nachschlagewerk. München.

Rosenschon, A und C.-F. Laaser (2019). Was Indien nachhaltig voranbringt. Denkanstöße für die Regierung und die geistige Elite. Hamburg.

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Rosenschon, A. (2024). Markt, Staat und Ethik als Trilogie. Ein Plädoyer für eine Adam Smith Renaissance. In: Wirtschaftliche Freiheit. https://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=37093

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Sinn, H. W. (1.11.2014). Sie sind wie Spürhunde, in: Süddeutsche Zeitung (SZ).

Stigler, G. J. (1962). The Intellectual and the Marketplace. Selected Papers, no. 3. Chicago: University of Chicago Graduate School of Business.

Spiegel vom 2.3.2018. Interview mit Peer Steinbrück. „Da kann man sich nur an den Kopf fassen“. https://www.spiegel.de/spiegel/peer-steinbrueck-ueber-die-fehler-der-spd-und-seinen-mittelfinger-a-1196170.html

Welt vom 6.11.2023. https://www.welt.de/wirtschaft/article248386590/Flucht-und-Migration-kosten-dieses-Jahr-fast-50-Milliarden-Euro.html

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