Die Politik wirtschaftlicher Sanktionen
Ökonomisch kostspielig, politisch ineffizient?

„Wegen der europäischen Abhängigkeit vom russischen Gas wird es schwierig sein, Russland vom Swift auszuschließen. Wie sollen die Europäer dann noch für das Gas bezahlen?“ (Nicholas Mulder)

Die westliche Welt droht mit wirtschaftlichen Sanktionen. Russland ist der Adressat der Drohungen. Es ist schon in der jüngeren Vergangenheit wiederholt auffällig geworden: in Georgien, in Moldawien, auf der Krim, im Donbass. Nun lässt es massiv Truppen an der Grenze zur Ukraine aufmarschieren. Aber auch in den baltischen Staaten, allesamt Mitglieder der NATO, geht die Angst vor einer russischen Intervention um. Die Diplomatie stößt an ihre Grenzen. Das Normandie-Format scheint zu einem Muster ohne Wert zu verkommen. Der Westen schließt den Einsatz des Militärs kategorisch aus, sollte Russland die Ukraine tatsächlich überfallen. Als letztes Mittel, Putin in die territorialen Schranken zu weisen, scheint der EU und den NATO-Ländern somit nur zu bleiben, mit neuen, härteren wirtschaftlichen Sanktionen zu drohen, wie sie Putin noch nie gesehen habe (Joe Biden). Ultimativ wird mit dem Ausschluss Russlands aus dem internationalen Nachrichten- und Zahlungsverkehr SWIFT gedroht. Ob diese Drohung den russischen Präsidenten schreckt, bleibt abzuwarten. Russland wird schon seit 2014 von EU und den NATO-Staaten sanktioniert, als es die Krim annektierte. Geholfen hat es wenig. Wie ein hochrangiger deutscher Konter-Admiral es kürzlich ausgedrückt hat: Die Krim ist weg.

Geschichte

Wirtschaftliche Sanktionen sind nicht neu. Ihre Geschichte ist alt, sehr alt. Sie reicht vom Altertum über die klassische Antike und das Mittelalter bis in die Neuzeit und die Gegenwart. Den meisten von uns ist aus dem Geschichtsunterricht die „Kontinentalsperre“ bekannt. Damit reagierte Napoleon in den Jahren 1806 – 1813 auf eine seit 1793 bestehende Seeblockade der Engländer und die Niederlage in der Seeschlacht von Trafalgar im Jahre 1805. Mit einem Wirtschaftsembargo wollte er den englischen Erzrivalen wirtschaftlich in die Knie zwingen, nachdem ihm das militärisch nicht gelungen war. Er verfügte ein Importverbot für britische Waren von der Insel und aus den Kolonien für kontinentaleuropäische Länder. Damit wollte er England an den Verhandlungstisch zwingen aber auch französische Unternehmen vor ausländischer Konkurrenz schützen. Gelungen ist ihm das nicht. England wurde zwar kurzfristig wirtschaftlich geschädigt, Napoleon verfehlte aber die politischen Ziele. Seit den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts werden Wirtschaftssanktionen verstärkt eingesetzt. Mit 9/11 hat sich allerdings die Politik der Sanktionen verändert (hier). Wirklich gut erforscht sind die wirtschaftlichen Auswirkungen und die Effizienz von Sanktionen allerdings bis heute nicht, weder theoretisch noch empirisch (hier).

Ziele

Wirtschaftliche Sanktionen werden eingesetzt, um politische Ziele zu erreichen. Sanktionierende Regierungen reagieren oft auf außen- und sicherheitspolitische Herausforderungen. Es wird häufig versucht, den politischen Kurs von Ländern zu ändern, die eigene Interessen bedrohen. Der russische Einmarsch in die Ukraine ist ein solcher Fall. Die Anreicherung von Uran im Iran ist ein anderer aus neuerer Zeit. Manchmal sollen (drohende) Sanktionen helfen, ein gesamtes politisches Regime zu ersetzen. Gefordert wird oft, Menschenrechte einzuhalten und Länder zu demokratisieren. Seit 9/11 steht auch der Kampf gegen den internationalen Terrorismus auf der Agenda der Sanktionistas. Die seit den 60er Jahren jahrzehntelangen Sanktionen der USA gegen Kuba und das Waffenembargo der UNO gegen Südafrika in den 60er und 70er Jahren gehören dazu. Aber auch demokratische Staaten drohen mit wirtschaftlichen Sanktionen. Manchmal machen sie auch ernst. Die USA drohten Unternehmen, die an der Fertigstellung von Nord Stream 2 beteiligt sind. Berüchtigt sind auch die amerikanischen Sanktionen gegen ausländische (europäische) Banken. Oft reicht die bloße Drohung, manchmal auch nicht. Dann werden Sanktionsdrohungen real geschärft. Wirtschaftliche Sanktionen sollen helfen, kriegerische Auseinandersetzungen zu vermeiden. Allerdings besteht die Gefahr, dass diplomatische Lösungen in den Hintergrund treten. Manchmal wird aber auch die These vertreten, Sanktionen helfen der politischen Kommunikation erst auf die Sprünge (hier).

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Das Gewicht der Gründe, warum sanktioniert wird, hat sich im Laufe der Zeit verändert. Der österreichische Ökonom und Präsident des WiFo, Gabriel Felbermayr, hat mit einem Forscherteam auf die Daten geschaut, was Länder mit Sanktionen erreichen wollten (hier). Die Datenanalyse erstreckt sich auf den Zeitraum 1950 – 2019. In früheren Jahrzehnten wurden viele Sanktionen mit territorialen Konflikten begründet und dem Versuch, politische Regime zu destabilisieren. Das hat sich geändert. Seit Mitte der 60er Jahre bis in die frühen 90er Jahre wollte man mit Sanktionen mit dazu beitragen, die Politik in ausgewählten Ländern zu verändern. Diese Gründe entfielen zu einem großen Teil mit dem Fall des „Eisernen Vorhangs“. Wesentlich wichtiger sind heute Sanktionen, die ergriffen werden, weil Menschenrechte verletzt werden. Sie dominieren eindeutig. Noch immer spielt auch eine Rolle, dass Sanktionen helfen sollen, Demokratien zu fördern. Beide Entwicklungen sind seit den 70er Jahren zu beobachten. Eine wachsende Rolle spielen aber auch Sanktionen, die ergriffen werden, um Kriege zwischen Ländern und in Ländern zu beenden.

Instrumente

Wenn Länder außen- und sicherheitspolitisch herausgefordert werden, menschenverachtende autoritäre Regime stürzen oder einfach nur eigenen Interessen durchsetzen wollen, haben sie drei Möglichkeiten zu reagieren: Sie können verbal agieren, Sanktionen verhängen oder militärisch intervenieren. Das können einzelne Länder oder Ländergruppen tun. Aber auch die UNO kann aktiv werden. Der erste Schritt in Zeiten von Konflikten sind Verhandlungen. Bleiben sie erfolglos, kann mit diplomatischen Sanktionen gedroht werden. Am Ende dieses Weges steht etwa der Abbruch diplomatischer Beziehungen. Auch der Boykott der olympischen Spiele 1980 in Moskau und 1984 in Los Angeles fällt wohl in diese Kategorie. In einem zweiten Schritt wird mit wirtschaftlichen Sanktionen gedroht. Wird auf die Drohung nicht (adäquat) reagiert, werden Sanktionen in Kraft gesetzt. Reisen von Regierungsmitgliedern und der Regierung nahestehende Personen werden eingeschränkt, ausländische Vermögenswerte werden eingefroren, Entwicklungshilfe wird abgebaut, der Kapitalverkehr wird eingeschränkt, Direktinvestitionen behindert, internationale Handelsströme mit Gütern und Diensten werden unterbrochen.

Die Zahl der weltweiten Sanktionen ist seit Anfang der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts bis Mitte der 10er Jahre dieses Jahrhunderts mehr oder weniger stark angestiegen. Ein steiler Anstieg ist seit Mitte der 00er Jahre zu beobachten. Seit 2016 gehen allerdings die Sanktionen zurück. Ob dies eine Trendumkehr markiert, wird sich zeigen. Auch die Art der Sanktionen hat sich im Zeitverlauf verändert. Die früher dominanten Handelssanktionen haben an Bedeutung verloren. Sie treten weniger häufig auf. Ihr Anteil an den gesamten Sanktionen geht zurück. Waffenembargos und militärische Interventionen sind ebenfalls weniger geworden. Dagegen hat sich das Gewicht der „smarten“ Sanktionen – Reisebeschränkungen und Finanzsanktionen – deutlich erhöht. Der relative Rückgang der Handelssanktionen und der absolute und relative Anstieg der Finanzsanktionen sind ein Spiegelbild der weltwirtschaftlichen Entwicklung. Der Finanzsektor hat weltweit an Bedeutung gewonnen, der reale Sektor hat verloren. Die treibende Kraft hinter dieser Entwicklung ist die Globalisierung, die vor allem internationale Kapitalbewegungen antreibt. Länder sind vor allem in ihren internationalen Finanzströmen verletzlicher geworden.

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Sanktionierende Länder können das Arsenal wirtschaftlicher Sanktionen umfassend oder selektiv einsetzen. In einer Reihe von Fällen wurden wirtschaftliche Aktivitäten ganzer Länder eingeschränkt. Die US-Sanktionen gegen Kuba, die UN-Sanktionen gegen Südafrika, die US-Sanktionen gegen den Iran oder die UN-Sanktionen gegen den Irak fallen in diese Kategorie. Wird selektiv sanktioniert, werden Transaktionen bestimmter Unternehmen, spezifischer Gruppen oder einzelner Individuen behindert. Es werden gezielt wirtschaftliche Achillesfersen attackiert. So beschränken etwa die 2014er Sanktionen der EU, den USA und anderer westlicher Länder gegen Russland auch den Transfer von Hochtechnologie zur Erschließung neuer Erdölquellen aber auch den langfristigen Zugang zu westlichem Kapital. Mit solchen „smart sanctions“ sollen wirtschaftliche Leiden unschuldiger Bürger minimiert werden. Der dritte Schritt nach erfolglosen verbalen und wirtschaftlichen Sanktionen sind militärische. Dabei geht es meist darum, Waffenembargos zu verhängen, nicht um militärisches Eingreifen. Der Fall des Iraks zeigt allerdings, dass solche Sanktionen robuste militärische Interventionen nicht zwangsläufig verhindern.

Erfolge

Die Erfolgsbilanz wirtschaftlicher Sanktionen fiel lange Zeit eher bescheiden aus. Vor allem der amerikanische Ökonom Gary C. Hufbauer hat zusammen mit Kollegen die Wirtschaftssanktionen für die Zeit ab 1914 bis 1990 empirisch unter die Lupe genommen (hier). Dabei stellte er fest, dass sich wirtschaftliche Sanktionen zwar signifikant negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung der Sanktionierten auswirkten, die politischen Ziele aber eher verfehlten. Umfassende Handelssanktionen beeinträchtigten die wirtschaftlichen Beziehungen stärker als selektive Sanktionen. Der bilaterale Handel bricht bei ersteren regelrecht ein. Nordkorea, Kuba und der Iran können ein Lied davon singen. Selektive Sanktionen schädigen die wirtschaftlichen Beziehungen weniger. Unternehmen in den von Sanktionen betroffenen Ländern können leichter ausweichen, da sich nie alle Länder weltweit an wirtschaftlichen Sanktionen beteiligen. Trittbrettfahrer-Verhalten ist eine lukrative Strategie. Ein Beispiel ist das Verhalten von Gazprom nach den Russland-Sanktionen im Jahre 2014. Das Unternehmen wich auf langfristige Gaslieferverträge mit China aus. Interessant ist allerdings auch, dass die Sanktionen eher von Unternehmen alliierter sanktionierender Länder als von rivalisierenden Staaten umgangen werden.

Obwohl die wirtschaftlichen Folgen von Sanktionen teilweise erheblich waren, wurden die politischen Ziele mehrheitlich nicht erreicht. Gary C. Hufbauer untersuchte mit einem Forscherteam weltweit 120 Sanktionen, die zwischen 1914 und 1990 verhängt wurden. Die Ergebnisse sind eher ernüchternd. Fast 2/3 der Sanktionen haben das angestrebte Ziel verfehlt, einen Politikwechsel im sanktionierten Land herbeizuführen. Das muss aber noch nicht viel bedeuten. Möglicherweise sind angedrohte Sanktionen erfolgreicher als realisierte. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass angedrohte Sanktionen nur in die Tat umgesetzt werden, wenn sanktionierte Länder die Lage falsch einsetzen. Sie können sich irren, weil sie glauben, dass die angedrohten Sanktionen nicht ernst gemeint sind, die Gegenseite also nur blufft, tatsächlich aber ernst macht. Es ist aber auch denkbar, dass sie daneben liegen, weil sie der Meinung sind, dass sie wirtschaftlich stark genug sind, die Sanktionen auszusitzen, sie sicher sind, dass Mittel und Wege zu finden, sie zu umgehen oder glauben, dass sich die Sanktionen wirtschaftlich weniger stark negativ auswirken.

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Das Bild scheint sich allerdings geändert zu haben. Die Daten von Gabriel Felbermayr und seinem Forscherteam zeigen, dass noch bis Mitte der 70er Jahre die Erfolgsbilanz von Sanktionen bescheiden war. Erfolglose Sanktionen dominierten. Das bestätigt die Ergebnisse von Gary C. Hufbauer. Danach änderte sich allerdings das Bild. Immer mehr wirtschaftliche Sanktionen waren erfolgreich oder hatten zumindest teilweise Erfolg. Der Anteil der erfolgreichen Sanktionen wuchs seit dieser Zeit stetig. Eine Ausnahme waren die 90er Jahre. Gleichzeitig nahm der Anteil der erfolglosen Sanktionen stetig ab. Nach einem Rückgang der teilweise erfolgreichen Sanktionen bis in die 70er Jahre, steigt deren Anteil in den späten 70ern stark an und entwickelt sich seither eher stabil. Alles in allem sind Sanktionen immer öfter oder zumindest teilweise erfolgreich. Sanktionen scheinen ihre politischen Ziele besser zu erreichen. Woran das liegt, ist unklar. Es spricht einiges dafür, dass „smarte“ Sanktionen daran einen Anteil haben. Vor allem Finanzsanktionen, die an Gewicht gewonnen haben, scheinen besser in der Lage, die angestrebten politischen Ziele zu erreichen.

SWIFT

Wirtschaftliche Sanktionen scheinen heute wirksamer als für den Zeitraum des 1. Weltkrieges bis zum Fall des „Eisernen Vorhangs“, den Gary C. Hufbauer untersuchte. Der Finanzsektor spielt eine viel größere Rolle. Sanktionen der Finanzströme sind ein schärferes Schwert. Die starke Stellung der USA im weltweiten Finanzsektor macht drohende US-Sanktionen glaubwürdiger. Das gilt umso mehr, weil die USA den SWIFT-Nachrichtenverkehr dominieren. SWIFT ist ein System, das Transaktionen zwischen Finanzinstitutionen in über 200 Ländern über SWIFT-Nachrichten weiterleitet und den Nachrichten- und Zahlungsverkehr zwischen ihnen abwickelt. Werden Länder aus dem System ausgeschlossen, sind sie vom internationalen Finanzverkehr weitgehend abgeschnitten. Das mussten iranische Banken leidvoll erfahren als sie 2018 nach Kündigung des Atomabkommens auf Betreiben der USA aus dem SWIFT-Nachrichtenverkehr abgekoppelt wurden. Der internationale Handel des Iran brach drastisch ein. Den Europäern, die das Atomabkommen gegen den Willen von Donald Trump retten wollten, ist es damals nicht gelungen, funktionierende alternative Finanzwege zu installieren. Wenn die USA nun Russland drohen, sie aus dem SWIFT-System zu entfernen, wenn sie die Ukraine angreifen sollten, würde das Russland hart treffen, sollte es die Drohung wahr machen.

Allerdings wären SWIFT-Sanktionen gegen Russland ein zweischneidiges Schwert. Das gilt vor allem für die EU, weniger für die USA. Die wirtschaftlichen Beziehungen der EU mit Russland sind ausgeprägter als die der USA. Vor allem Deutschland käme mit der Aussetzung von SWIFT für Russland energiepolitisch in Teufels Küche. Es ist von russischer Energie abhängig, von Gas mehr, von Öl etwas weniger. Diese Abhängigkeit nimmt nach dem Ausstieg aus der Atomenergie und dem vorzeitigen Abschalten der Kohlekraftwerke weiter zu. Als Überbrückungsenergie sind Gaskraftwerke unerlässlich. Russisches Gas spielt eine wichtige Rolle. Dümmer als in Deutschland kann man energiepolitisch kaum agieren. SWIFT-Sanktionen gegen Russland stellen Europa und Deutschland vor die Frage, wie sie russisches Gas bezahlen wollen. Das alles gilt weniger für die USA. Ihr Handel mit Russland ist gering, ihr Energiebedarf aus Russland überschaubar. Tatsächlich könnten die USA von einem gemeinsamen Embargo mit der EU gegenüber Russland profitieren. Das fehlende russische Gas in der EU müsste verstärkt durch amerikanisches Gas ersetzt werden. Der Handel der EU mit Energie würde in die USA umgeleitet. Die USA würden netto von einem Embargo, vor allem aber von SWIFT-Sanktionen gegen Russland einen Vorteil ziehen.

Alternativen

Wirtschaftliche Sanktionen sind pareto-inferior. Alle Länder verlieren ökonomisch, sanktionierte und sanktionierende. Daran ändert sich auch nichts, wenn Sanktionen effizienter werden. Der sinnvollste Ansatz wäre, Regelverletzungen unattraktiv zu machen. Internationale wirtschaftliche Verflechtungen müssen gestärkt werden. Handelsschranken müssen abgebaut, der internationale Kapitalverkehr liberalisiert, Märkte weltweit geöffnet werden. Der Wohlstand aller nimmt zu. Die Anreize für internationale Regelverletzungen gehen zurück. Der beidseitige Schaden von Sanktionen steigt. Notwendig ist aber mehr. Der in Cornell lehrende Wirtschaftshistoriker Nicholas Mulder hat jüngst einen Vorschlag von J.M. Keynes aufgegriffen, autoritäre aggressive Regime weniger zu sanktionieren, sondern den Opfern militärischer Aggression wirtschaftlich nachhaltig zu helfen (hier). Die Ukraine müsste gegenwärtig stärker als bisher von der EU unterstützt werden. Seine Lehren aus den Sanktionen zwischen den Weltkriegen sind: Anhaltende Bedrohung und ökonomischer Druck verhärten den Widerstand der sanktionierten Länder. Der Teufelskreis von Sanktionen und nationaler Aggression macht eine konstruktive Hilfspolitik sinnvoller. Hilfen sind besser als Sanktionen. Er hofft auf einen „Wandel durch Annäherung“

Nicholas Mulder geht allerdings noch einen Schritt weiter. Wenn die 2014 von der EU verhängten Sanktionen gegen Russland nicht wirken, sollte man die Sanktionen nicht verstärken, sondern sie vielmehr lockern: „Etwas, das westliche Politiker vielleicht in Betracht ziehen sollten, ist die Aufhebung einiger Sanktionen gegen Russland. Das mag in der gegenwärtigen Situation seltsam klingen, doch es könnte erfolgreich sein. Die Sanktionen seit 2014 sind relativ mild, trotzdem hindern sie Russland daran, stärker zu wachsen, der Wohlstand vieler Russen stagniert. Härtere Sanktionen brächten jetzt wenig. Sie wurden von der russischen Regierung bereits eingepreist. Das heißt aber nicht, dass der Westen keine Zugeständnisse von Russland erhalten kann, indem er bestimmte Sanktionen aufhebt. Würden wir Russland beispielsweise anbieten, dass sie ihre Staatsanleihen wieder auf westlichen Märkten verkaufen können, könnten sie sich im Gegenzug dazu verpflichten, Cyberattacken zu unterlassen oder Truppen aus dem Grenzgebiet abzuziehen. Nur weil zusätzliche Sanktionen nicht funktionieren, heißt es nicht, dass man das Verhalten von Staaten nicht durch das Aufheben bestehender Sanktionen ändern kann.“ (hier)

Fazit

Werden wirtschaftliche Sanktionen verhängt, ist das Kind schon in den Brunnen gefallen. Die traditionellen diplomatischen Mechanismen internationaler Konfliktlösung haben offensichtlich versagt. Wenn Länder internationale Spielregeln verletzen, gelingt es in Verhandlungen oft nicht, sie zum Einlenken zu bewegen. Gleichzeitig schreckt die internationale Politik sinnvollerweise meist davor zurück, Konflikte militärisch lösen zu wollen. Wirtschaftliche Sanktionen sind ein möglicher Ersatz. Sie sollen Regelverletzer zur Vernunft bringen. Tatsächlich kurieren Sanktionen, bei denen alle Beteiligten ökonomisch verlieren, nur an Symptomen. Wichtige Gründe für einen Bruch der Spielregeln, wie etwa eine schlechte wirtschaftliche Entwicklung im Land der Regelverletzer, dauern selbst nach „erfolgreichen“ Sanktionen fort. Es ist oft nur eine Frage der Zeit bis die Spielregeln wieder verletzt werden. Eine langfristige Strategie muss darauf ausgerichtet sein, stärker an den vielfältigen Ursachen der Regelverletzungen anzusetzen. Ein steigender „Wohlstand für alle“ verringert die Gefahr, dass Länder das internationale Regelwerk verletzen. Weltweit offene Güter- und Faktormärkte sind ein wichtiger Treiber für Wachstum, Wohlstand und Freiheit. Sie schaffen eine solidere wirtschaftliche Grundlage für alle, auch für potentielle Regelverletzer. Die Anreize zum Regelbruch sinken. Nachhaltige Hilfen reicherer Länder für weniger entwickelte verstärken die positive Entwicklung. Wirtschaftliche Hilfen sind besser als wirtschaftliche Sanktionen.

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