„Ich habe mich nie anfreunden können mit der Ordnungspolitik, die im keimfreien Raum vor sich hin theoretisiert. Manchmal muss man auch ordnungspolitischen Schweinkram machen.“ (Michael Hüther in der „Welt am Sonntag“ vom 12. September 2010)
Michael Hüther rechtfertigt den Ausnahmezustand. Und dieser rechtfertigt seiner Meinung nach einen Eingriff in die marktwirtschaftliche Ordnung. Wenn es darauf an kommt, gelten die Marktregeln nicht. Wenn sie gelten, kommt es auf sie nicht an. Das ist Hüthers Meinung und in der Tat Schweinkram, mithin das Einzige, was an Hüthers Aussage stimmt. Eine schöne Ordnungspolitik ist das, die der IW-Chef vertritt, die nur bei schönem Wetter Geltung hat: Eben Ordnungspolitik im keimfreien Raum jenseits des wahren Lebens.
Weil Ordnungspolitik (jenseits von Hüther) gerade nicht im keimfreien Raum vor sich hin theoretisiert, muss man Hüther entschieden widersprechen. Welchen ordnungspolitischen Schweinkram musste man denn wirklich machen? Etwa (1) die Verstaatlichung der Banken (Landesbanken, Commerzbank) und die Zwangsenteignung der HRE? Ordnungspolitik ohne Schweinkram fragt, warum es gerade die Landesbanken waren, die in der Finanzkrise besonders betroffen wurden. Die plausible (längst auch triviale) korrekte Antwort lautet: Weil Staatsbanken ohne Geschäftsmodell und unter dem Zwang ihren Eigentümern eine Rendite zu bringen alles auf die eine Karte des Subprime-Marktes gesetzt haben. Dieser frühere Schweinkram wurde dann mit dem Geld des Steuerzahlers auch noch finanziert. Ähnliches gilt für die Commerzbank: Da hat der Staat die Allianz gerettet, indem er den irrsinnigen Kauf durch die Commerzbank stützte und zugleich aus zweifelhaften Motiven interventionistisch dafür gesorgt hat, dass es eine zweite Bank neben der Deutschen Bank geben müsse. Die Krise wurde als Vorwand genommen, um das Geld der Steuerzahler zu verschwenden. Und hätte man bei der HRE die Eigentümer nicht vom Markt anstatt von einem eigenen Gesetz enteignen lassen können? Stattdessen wurden – wie bei allen Aktionen der Bankenrettung – unter dem Vorwand des Gemeinwohls (das ist immer Schweinkram) vor allem die Gläubigerbanken gerettet.
Oder meint Hüther (2) den Schweinkram der Konjunkturprogramme? Bis heute ist nicht klar, ob der Steuerzahler von diesem grandiosen Geldsegen für Bauindustrie & Co. irgendwann auch nur einen Cent wieder bekommt. In einem ganzen Jahrhundert postkeyensianischer Wirtschaftswissenschaften ist es nicht gelungen, einigermaßen zweifelsfrei zu zeigen, dass der Multiplikator größer als Eins ist. Robert Barro lässt grüßen. Wenn schon die Makroökonomen derart unsicher sind, dann ist mikroökonomisch zumindest eines klar: Der deutschen Exportwirtschaft, von der gottlob jetzt wieder die Überwindung der Krise ausgegangen ist, hat das ganze Konjunkturprogramm in der Zwischenzeit nicht einen einzigen Auftrag gebracht. Der Aufschwung kommt aus eigener exportstarker Kraft. Das Konjunkturprogramm war a fonds perdu. Schöner Schweinkram.
Schließlich könnte Hüther auch (3) den Schweinkram der Staatenrettung (Griechenland) meinen. Doch auch hier gilt mittlerweile als gewiss: Unter dem Vorwand des Gemeinwohls, der Eurorettung etc und sonstiger pathetischer Sonntagsreden wurden vor allem Gläubigerbanken gerettet. Siehe (1)
Der ordnungspolitische Schweinkram kommt also die Steuerzahler ziemlich teuer zu stehen, ist, weil er das Fehlverhalten von Markakteuren honoriert und die Kosten sozialisiert, auch unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten zu verwerfen. Denn schließlich müssen künftige Generationen dafür büßen, ohne dass man vorher ihre Zustimmung einholen musste.
Schließlich aber – das ist der zentrale Einwand – lügt Hüther sich und den WamS-Lesern in die Tasche, wenn er behauptet, man könne hinterher dafür sorgen, dass solche Extremsituationen möglichst nicht mehr entstehen. Stattdessen ist der Schweinkram selbst die Bedingung der Möglichkeit, dass der Schweinkram weiter geht. Denn das Signal der Banken- und Staatenbailouts ist doch: Fehlverhalten wird nicht sanktioniert. Auch in der nächsten Krise werden die Staaten wieder (mit Hüther an der Spitze) mit dem Geld der Steuerzahler einspringen. Einmal Schweinkram, immer Schweinkram.
Dass Hüther den ordnungspolitischen Schweinkram legitimiert, verwundert freilich nicht. Denn da ist er in seinem Metier. Als Chef des arbeitgeberfinanzierten Instituts der Deutschen Wirtschaft hat er stets das Tarifkartell zu rechtfertigen, er kämpft zusammen mit den Gewerkschaften für das Betriebsmonopol der DGB-Gewerkschaften (schönfärberisch „Tarifeinheit“ genannt) und neuerdings sogar für den Mindestlohn. Nicht Ausnahmezustand, sondern Dauerprogramm ist der Schweinkram für Hüther in Wirklichkeit. Das ist aus Verbands- und Lobbysicht nur konsequent, ist es doch der „einzige Lebenszweck“ organisierter Gruppen, deren Agent Hüther ist, „den Mechanismus des Marktes zu verhindern“ (Friedrich A. von Hayek): „Das heißt meistens auf Kosten anderer sich selbst vor der Notwendigkeit der Anpassung zu schützen und, um es extrem auszudrücken, sich selbst ein größeres Einkommen auf Kosten des Gesamteinkommens zu sichern.“
- Ordnungspolitische Denker heute (3)
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Konsequente Ordnungspolitik – danke!
Jawoll, jawoll jawoll.
Vielen Dank
Der Arbeitgeberverband will doch nur unser Bestes. Das ist meist unser Geld. Insofern eine klare Aussage, Herr Hank. Vielen Dank dafür.