Demographie, Klimawandel und Generationenkonflikte
Hat die Demokratie eine inter-generative Schlagseite?

„Es ist das Schicksal jeder Generation, in einer Welt unter Bedingungen leben zu müssen, die sie nicht geschaffen hat.“ (John F. Kennedy)

Die Welt verändert sich gerade nachhaltig, wieder einmal. Mega-Trends fressen sich durch Ökonomie, Ökologie und Gesellschaft. Demographie und Dekarbonisierung zählen dazu. Der Wandel in der Altersstruktur ist schon seit längerem in vollem Gang. Rückläufige Geburtenraten, erwerbsmüde Boomer und steigende Lebenserwartung sind wichtige Treiber. Auch der Klimawandel ist längst spürbar. Hitzewellen und Unwetter sind Vorboten. Der massive Ausstoß von CO2 heizt die Erde auf. Beide, Demographie und Klima, verursachen Lasten. Der demographische Wandel zeigt sich in den umlagefinanzierten Systemen der sozialen Sicherung in finanziellen Ungleichgewichten, vor allem der Alterssicherung. Alte Versprechungen der Gesellschaft gegenüber Beitragszahlern (Beitragssatz) und Transferempfängern (Rentenniveau) können nicht mehr eingehalten werden. Auch der Klimawandel ist kostenträchtig. Er verursacht nicht nur ökologische und ökonomische Schäden. Die Kosten der Dekarbonisierung kommen dazu. Damit ist (Verteilungs-)Streit vorprogrammiert: Wer trägt die Kosten des demographischen und klimatischen Wandels? Alte, junge und künftige Generationen stehen bei der Demographie zur Auswahl. Es droht ein Generationenkonflikt. Das ist beim Klimawandel nicht anders. Auch hier droht der Streit um das noch verfügbare CO2-Restbudget, in einem Konflikt zwischen den Generationen zu enden. Demokratien in alternden Gesellschaften haben eine Schlagseite zugunsten der Alten. Es ist nicht auszuschließen, dass jüngere und künftige Generationen in Generationenkonflikten den Kürzeren ziehen.

Demographische und klimatische Lasten

Das Verhältnis von Demographie und Alterssicherung ist nicht konfliktfrei. In umlagefinanzierten Systemen beeinflussen demographische Entwicklungen die finanzielle Lage staatlich organisierter Alterssicherungen. Verändert sich der Rentnerquotient nicht, bleiben Beitragssätze und Rentenniveau stabil. Finanzielle Ungleichgewichte bleiben aus. Der Generationenvertrag ist stabil. Immer vorausgesetzt, die Politik verteilt in der Rentenversicherung nicht inter-personell um. Das alles ändert sich, wenn der Rentnerquotient steigt. Auslöser können rückläufige Geburtenraten, steigende Lebenserwartungen aber auch Netto-Abwanderungen sein. Die letzten Jahrzehnte waren nicht nur von einer stark rückläufigen Fertilität geprägt und die Menschen leben auch immer länger (gesünder). Beides setzt der umlagefinanzierten Rentenversicherung finanziell zu. Der Höhepunkt der Lasten aus dem Geburtenrückgang wird Mitte der 30er Jahre erreicht werden. Er wird ab Ende der 20er Jahre verstärkt, weil die „Boomer“ in den Ruhestand gehen. Danach ist die demographische Geburtenwelle durch. Ruhe kehrt in der Rentenversicherung dennoch nicht ein. Steigt die Lebenserwartung weiter, sind bis Mitte der 60er Jahre weitere Belastungen unvermeidlich.

Der demographische Wandel trägt dazu bei, dass die Politik das Versprechen, Beitragssätze und Rentenniveau stabil zu halten, nicht wird halten können. Mit höheren Bundeszuschüssen versucht sie zwar, das Problem zu verschleiern. Das wird ihr aber allenfalls temporär gelingen. Was bei den Beitragssätzen eingespart wird, geht bei den Steuersätzen wieder drauf. Die demographischen Lasten lassen sich nur verringern, wenn die Altersgrenze mit der Lebenserwartung ansteigt. Es führt kein Weg daran vorbei, die Lasten müssen zwischen jüngeren und älteren Generationen aufgeteilt werden. Eine andere Lösung existiert nicht. Die Gefahr eines Generationenkonfliktes nimmt unweigerlich zu. Ein solcher Konflikt hat auch damit zu tun, dass das Alterssicherungssystem umlagefinanziert ist. Solche Systeme sind anfällig für demographische Schocks. Das ist bei kapitalfundierten Systemen der Alterssicherung anders. Hierbei spielen die nationalen demographischen Gegebenheiten nur eine untergeordnete Rolle. Es ist die Entwicklung der Weltbevölkerung, die über die Erträge des Systems entscheidet. Kapitalfundierte Alterssicherungssysteme sind weniger anfällig für demographische Schocks. Sie helfen, Generationenkonflikte zu verringern.

Die gegenwärtige öffentliche Diskussion hat eine klimapolitische Schlagseite. Vor allem die jüngere Generation weist seit einiger Zeit vehement auf die Lasten des klimapolitischen Wandels hin. Fridays for Future ist nur die Spitze des Eisberges des Protestes gegen das klimapolitische „Nichtstun“. Sie befürchtet vor allem darunter zu leiden. Im Frühjahr hat auch das Bundesverfassungsgericht die Politik angemahnt, mehr gegen den Klimawandel zu tun, um die Freiheitsrechte künftiger Generationen nicht zu stark einzuschränken. Wer heute klimapolitisch zu wenig tue, verlagere die Lasten auf spätere Generationen. Die müssten Lasten tragen, unter denen sie erdrückt würden. Ihre Entscheidungsfreiheit würde unzumutbar eingeschränkt. Das sei nicht hinzunehmen. Der Klimawandel ist unbestritten. Als ein elementarer Treiber hat die Wissenschaft den CO2-Ausstoß ermittelt. Den gilt es zu bekämpfen. Die Lasten des Klimawandels werden auf zwei unterschiedlichen Ebenen sichtbar. Zum einen hat die Erderwärmung negative ökologische und ökonomische Folgen. Der Meeresspiegel steigt, der Permafrost schwindet, mehr extremes Wetter tritt auf. Das sind nur einige wenige ökologische Aspekte. Ökonomisch beschleunigt die Erderwärmung den strukturellen Wandel weltweit. Und er trifft vor allem die Ärmsten der Welt. Deren Leben wird bedroht, Lebensmittelunsicherheiten nehmen zu, der Hunger breitet sich weiter aus.

Die Lasten des Klimawandels zeigen sich zum anderen in den Kosten der Dekarbonisierung. In den Verträgen von Paris haben sich die Staaten auf ein 1,5-Grad-Ziel verständigt. Ein erheblicher Teil der erlaubten CO2-Emmissionen ist aber schon verpulvert. Es bleibt nur noch ein geringes, fixes Treibhausgas-Restbudget, das auf die Länder verteilt werden kann. Der CO2-Ausstoß muss spürbar und nachhaltig verringert werden. Die Meinungen, ob und wie das geschehen sollte, gehen auseinander. Die einen setzen auf Verzicht. Der private Konsum soll eingeschränkt, das wirtschaftliche Wachstum verringert werden. Wer heute weniger Treibhausgase emittiert, muss morgen weniger CO2 reduzieren. Das schürt den Konflikt zwischen heutigen und künftigen Generationen. Andere setzen auf technischen Fortschritt. Wer heute verstärkt in Forschung und Entwicklung investiert, kann morgen die CO2-Emmissionen kostengünstiger verringern. Wirtschaftliches Wachstum und Treibhausgas-Emissionen lassen sich entkoppeln. Rigide CO2-Kontingente heute sind nicht sinnvoll. Das verringert das Potential von Konflikten zwischen Generationen. Wie auch immer: Den Kosten der Dekarbonisierung kann man nicht entkommen. Allerdings: Die Kosten müssen minimiert werden. Die heutige Klimapolitik macht oft das glatte Gegenteil.

Demographie und Generationen

Demographischer und klimatischer Wandel kosten. Ein Verlust an Wohlstand ist zumindest kurzfristig nicht zu vermeiden. Der Spielraum, die Lasten zu verringern, ist begrenzt. Das gilt für die umlagefinanzierte Alterssicherung wie die staatliche Klimapolitik. Die Gefahr ist allerdings groß, dass ineffiziente renten- und klimapolitische Entscheidungen die Lasten erhöhen. Für beide gibt es genügend schlechte Beispiele. Es führt kein Weg daran vorbei, die Lasten aus demographischem und klimatischem Wandel müssen getragen werden. Die Gesellschaft kommt nicht darum herum, zu entscheiden, wie sie auf Individuen, wie sie auf Generationen verteilt werden sollen. Jede Entscheidung ist eine normative, also eine von Werturteilen geprägte. Man kann sie teilen, muss sie aber nicht. Die Gesellschaft hat allerdings allgemein akzeptierte Werturteile entwickelt. Diese Prinzipien sind die normative Grundlage, wie Lasten verteilt werden sollen. Ein erstes ist das Verursacher-Prinzip. Wer für einen Schaden verantwortlich ist, soll auch dafür aufkommen. Ein zweites ist das Leistungsfähigkeits-Prinzip. Stärkere Schultern sollen mehr tragen als schwache. Ein drittes ist schließlich das Gleichheits-Prinzip. Alle sollen gleichermaßen an den Lasten beteiligt werden. Das gilt für einzelne Individuen, es trifft aber auch für Generationen zu.

Die demographischen Lasten der umlagefinanzierten Alterssicherung haben zwei Treiber: Einen Rückgang der Fertilität und einen Anstieg der Lebenserwartung. Der Geburtenrückgang beruht auf zurechenbaren individuellen Entscheidungen. Es spricht deshalb auf den ersten Blick einiges dafür, die daraus resultierenden demographischen Lasten individuell anzulasten. Das Verursacher-Prinzip würde kinderabhängige Beitragssätze oder eine nach Kinderzahl gestaffelte Rente nahelegen. Diese Schlussfolgerung wird aber nirgends in die Tat umgesetzt. Einige Gründe liegen auf der Hand. Die Wohlstandsentwicklung hängt nicht nur von der Zahl der Kinder, sondern auch von deren Produktivität ab. Schon der Nobelpreisträger Garry S. Becker hat auf die negative Beziehung von Quantität und Qualität von Kindern hingewiesen. Und noch etwas spricht gegen das einfache, an individuellem Verhalten festgemachte demographische Verursacher-Prinzip. Der Wohlstand wird nicht nur von der Menge und Produktivität der Arbeit, sondern auch von Realkapital und technischem Fortschritt bestimmt, der oft an Kapital gebunden ist. Eine wichtige Determinante, privates Kapital zu bilden, ist die Höhe der privaten Ersparnisse. Die Sparquote der Individuen mit geringer Kinderzahl ist aber höher als die der Individuen mit mehr Kindern. Es scheint so, als ob die einen verstärkt in Kinder, andere vermehrt in Realkapital investierten.

Tatsächlich wird aber das Loch, das der Geburtenrückgang in die Rentenkasse reißt, nicht nach dem Verursacher-Prinzip gestopft, weder individuell noch kollektiv. Die Rentenreformen der 00er Jahre teilten die Lasten aus der geringeren Fertilität eher nach dem Gleichheits-Prinzip auf. Das Ziel war es, Beitragszahler und Rentenempfänger möglichst gleichmäßig zu belasten. Eine ausgeklügelte Reform sollte das bewerkstelligen. Die Beitragssätze sollten nicht höher als auf 22 % steigen, das Rentenniveau höchstens auf 43 % sinken, die Altersgrenze sukzessive auf 67 Jahre steigen. Die Riester-Rente sollte die Lücke ausgleichen, die das rückläufige Rentenniveau riss. Die verteilungspolitische Norm der gleichmäßigen Belastung der Generationen wurde mit der Rentenreform 2019 aufgeweicht. Die Große Koalition führte eine doppelte Haltelinie ein. Das Rentenniveau sollte nicht unter 48 % sinken, die Beitragssätze nicht über 20 % steigen. Die Rente mit 63 für bestimmte Erwerbstätige weichte den Anstieg der Regelaltersgrenze auf. Der Nachholfaktor wurde ausgesetzt. Das begünstigt die Rentner auf Kosten der Erwerbstätigen. Die finanziellen Löcher, die durch die Rentenreform 2019 gerissen wurden, sollen durch noch höhere Bundeszuschüsse gestopft werden. Die verteilungspolitische Norm einer möglichst gleichmäßigen Verteilung der Lasten wurde im demokratischen Prozess zugunsten der zahlenmäßig wichtigen Generation der Alten korrigiert.

Länger zu leben, ist keine Last, sondern ein Glück, zumindest prinzipiell. Für die umlagefinanzierte Alterssicherung ist sie aber eine finanzielle Belastung, wenn die Regelaltersgrenze trotz steigender Lebenserwartung starr bleibt. Gilt das Verursacher-Prinzip als Verteilungsnorm, muss die allgemeine Altersgrenze mit der Lebenserwartung steigen. Eine individuelle Anwendung des Prinzips erscheint allerdings kaum gerechtfertigt und auch nicht praktikabel. Zwar hängt die individuelle Lebenserwartung auch von individuellen Faktoren, wie dem Einkommen, dem Gesundheitsverhalten und der Bildung ab. Getrieben wird der Prozess aber vor allem von gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen. Eine der wichtigsten ist der rasante medizinisch-technische Fortschritt. Trotzdem muss entschieden werden, wie in der umlagefinanzierten Alterssicherung die „Last“ eines längeren Lebens kollektiv auf Beitragszahler und Rentenempfänger aufgeteilt wird. In der Vergangenheit wurde sie im Verhältnis 2:1 auf beide Gruppen verteilt. Stieg die Lebenserwartung um ein Jahr, mussten die Beitragszahler 8 Monate länger arbeiten, als Rentner konnten sie 4 Monate länger den Ruhestand genießen. Das war die allgemein akzeptierte Verteilungsnorm. Der normative Verteilungsschlüssel ist allerdings nicht in Stein gemeißelt. Ob auch künftig eine steigende Lebenserwartung im Verhältnis 2:1 verteilt werden soll, muss die Gesellschaft entscheiden.

Klimawandel und Generationen

Die Kosten einer Politik der Dekarbonisierung haben zwei Bestandteile. Zum einen werden die externen Effekte der C02-Emissionen internalisiert, zum anderen braucht es massive Investitionen zur ökologischen Transformation. In beiden Fällen kann man nicht allein auf den Markt setzen. Staatliche Hilfe ist notwendig. Es ist unbestritten, C02-Emissionen müssen einen Preis erhalten. Nur so kann es gelingen, die Kosten aus den Treibhausgasen verursacheradäquat den Emittenten anzulasten. Ein C02-Preis schafft auch Anreize, für klimatechnologischen Fortschritt. Die Chancen steigen, Emissionen kostengünstiger zu bekämpfen. Über den Weg, wie Emissionen bepreist werden sollen, besteht allerdings Uneinigkeit. Der interventionistische Weg über Regulierungen und Subventionen hat offenkundige Nachteile. Er erreicht die klimapolitischen Ziele oft nicht, ist sehr teuer und endet viel zu oft in einer Klientelpolitik. Besser schneidet der marktliche Weg über einen Handel mit Emissionszertifikaten oder einer C02-Steuer ab. Welcher der beiden Pfade der bessere ist, bleibt aber umstritten. Beim Emissionshandel („cap and trade“) wird die Emissionsmenge fixiert. Der C02-Preis passt sich an. Er schwankt mit Angebot und Nachfrage auf den Zertifikationsmärkten. Eine C02-Steuer fixiert den C02-Preis. Die Emissionsmenge ist unbestimmt.

Eine verursacherorientierte Klimapolitik, die den C02-Ausstoß jetzt bepreist, hält die Welt von den befürchteten, nicht eindeutigen definierbaren Kipppunkten der Erderwärmung fern, ab denen es keine Rückkehr mehr gibt. Eine solche Politik kann helfen, das komplexe System des Weltklimas zu stabilisieren. Voraussetzung ist allerdings, dass möglichst viele Staaten weltweit mitmachen. Die relativen Gewinner sind jüngere und künftige Generationen. Der Löwenanteil der C02-Reduzierungskosten muss von den heutigen Generationen getragen werden. Wohlfahrtsverluste sind unvermeidlich. Es ist vor allem die erwerbstätige Generation, die zur Klimakasse gebeten wird. Die Umstellung auf eine klimaneutralere Produktion beschleunigt den sektoralen Strukturwandel. Das tut kurz- und mittelfristig der (industriellen) Beschäftigung nicht gut. Vor allem C02-intensive Branchen und ihre Beschäftigten werden darunter leiden. Viele Industriebeschäftige in Deutschland trifft es besonders hart. Sie müssen sich gleichzeitig mit dem seit langem verschleppten Wandel des Industriesektors und dem Wandel durch die ökologische Transformation herumschlagen. Jüngere und künftige Generationen leiden weniger. Sie sind nicht in der kostenträchtigsten und beschäftigungsinstabilsten Phase des ökologischen Transformationsprozesses erwerbstätig.

Der Handel mit Emissionszertifikaten ist ein kraftvolles Instrument auf dem Weg zur angestrebten Klimaneutralität. Er internalisiert nicht nur negative externe Effekte, er schafft auch Anreize für klimatechnologischen Fortschritt. Notwendig sind aber auch klimapolitische Investitionen. Der Bedarf ist groß. Allein für Deutschland wird in den nächsten Jahren ein Investitionsbedarf von über 2 Billionen Mrd. Euro veranschlagt. Der Großteil muss von privaten Investoren gestemmt werden. Ein Abbau von Investitionshemmnissen ist angezeigt. Aber auch der staatliche Investitionsbedarf ist erheblich. Dabei mangelt es vor allem an der notwendigen Infrastruktur. Das gilt für Leitungsnetze, es trifft für Energiespeicher zu, es gilt für die Verkehrs- und Digitalinfrastruktur. Geschätzt wird das Verhältnis von privaten zu staatlichen Investitionen auf 8:1. Das alles muss finanziert werden. Wer soll die Lasten staatlicher Investitionen tragen? Ob man die Investitionen über (progressive) Steuern oder staatliche Verschuldung finanziert, letztlich wird der Steuerzahler zur Kasse gebeten. Die gesellschaftlich allgemein akzeptierte Verteilungsnorm ist das Prinzip der individuellen Leistungsfähigkeit. Da investive Erträge nicht nur der heutigen, sondern auch künftigen Generationen zufließen, ist eine staatliche Verschuldung angezeigt. Auf diesem Weg werden die Lasten nicht nur einer Generation aufgeladen, sondern über Generationen hinweg verteilt.

Demographie, Klimawandel und Demokratie

Eine Reform des gegenwärtigen Systems der Alterssicherung ist unvermeidlich. Die Leitlinien liegen auf der Hand. Eine umlagefinanzierte Alterssicherung sollte sich idealerweise allein aus den Beiträgen der Versicherten finanzieren. Die Reformfähigkeit umlagefinanzierter Alterssicherungssysteme leidet massiv, wenn sie am finanziellen Tropf der Politik hängen. Steuerfinanzierte Bundeszuschüsse sind abzuschaffen, die Umverteilung ist aus dem System auszulagern. Der richtige Platz ist das Steuer-Transfer-System. Die Folgen demographischen Wandels sollten verursacheradäquat angelastet werden. Das wäre generationenneutral. Die herrschende inter-generative Verteilungsnorm ist aber eine andere. Demographische Lasten aus einer rückläufigen Fertilität werden möglichst gleichmäßig auf Beitragszahler und Rentenempfänger aufgeteilt. Das ist nicht verursacheradäquat. Die Rentnergeneration wird begünstigt, die Generation der Beitragszahler relativ benachteiligt. Bei den zu erwartenden individuellen Erträgen – aber finanziellen Lasten für eine umlagefinanzierte Alterssicherung – einer weiter steigenden Lebenserwartung könnte es noch schlimmer kommen. Die traditionelle Verteilungsnorm 2:1 wird immer weniger akzeptiert. Eine Erhöhung des Renteneintrittsalters wird von einer breiten Mehrheit der Wähler kategorisch abgelehnt.

Der demokratische Prozess hat in einer alternden Gesellschaft eine Schlagseite zugunsten der älteren Generationen. Das gilt auch für die Rentenpolitik. Die Politik hat wenige Anreize, gegen die Älteren zu reagieren. Solange rentenpolitische Entscheidungen nicht mit qualifizierter Mehrheit getroffen werden, wird das auch so bleiben. Der Medianwähler ist gegenwärtig schon über 54 Jahre alt. Die Tendenz ist weiter steigend. Der Einfluss ist faktisch noch größer, weil Ältere eher zur Wahl gehen als Jüngere. Ein Generationenkonflikt scheint vorprogrammiert. Demographische Lasten werden nicht generationenneutral angelastet. Jüngere und künftige Generationen könnten die Dummen sein. Dennoch halte ich eine solche Entwicklung eher für unwahrscheinlich. Die ältere Generation hat Kinder und Enkel, wenn auch wegen des demographischen Wandels immer weniger. Damit berücksichtigt sie auch deren Interessen mit. Und die Höhe der Transfers an die ältere Generation hängt von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Jüngeren ab. Die demographischen Lasten immer stärker auf sie abzuwälzen, unterhöhlt deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und gefährdet somit die eigene Rente. Es hilft den Älteren nichts, wenn die Jüngeren den Generationenvertrag aufkündigen. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sich die Generationen auf einen Kompromiss einigen und einen Generationenkonflikt vermeiden.

Das ist möglicherweise beim Klimawandel anders. Ob sich die Generationen verständigen, wer die Lasten des klimapolitischen Wandels tragen soll, steht noch in den Sternen. Ohne Einigung sind möglicherweise junge und künftige Generationen die Dummen. Es ist unbestritten, externe Effekte, die den Klimawandel auslösen, müssen internalisiert werden. Das gelingt am besten, wenn Treibhausgase einen Preis bekommen. Ohne nationale und internationale Mehrheiten geht das aber nicht. Es ist eines, klimapolitische Ziele zu proklamieren. Etwas anderes ist es allerdings, die klimapolitischen Kosten zu tragen. Einen nationalen Vorgeschmack zeigt die Kontroverse um höhere Preise für Strom und Benzin, hierzulande und anderswo, wie den Gelbwesten in Frankreich. Der Streik für den Erhalt von Arbeitsplätzen in der Automobilindustrie wirft ein weiteres Licht auf den klimapolitischen Widerstand der erwerbstätigen Generation, wenn es ans Eingemachte geht. Es zeigt sich, dass „alle“ für Klimaschutz sind. Allerdings vertreten die jüngere und ältere Generation die Forderung nach einer klimaneutralen Welt kompromissloser als die erwerbstätige Generation, die an ihre gefährdeten Arbeitsplätze denkt. Und die skeptischere Generation hat einen Punkt. Nationale Aktivitäten haben selbst in einem mittelgroßen Land wie Deutschland kaum einen Einfluss auf das Weltklima. Die C02-Reduktions- und klimapolitischen Investitionskosten zu schultern, macht nur Sinn, wenn weltweit möglichst viele mitmachen. Und daran hapert es möglicherweise.

Weitere Stolpersteine, C02 wirksam zu bepreisen, liegen auf internationaler Ebene. Ein nationaler klimapolitischer Alleingang macht keinen Sinn. Dem Weltklima ist damit nicht geholfen. Ein Wasserbett-Effekt verhindert, dass weltweit der C02-Ausstoss sinkt. Was die einen weniger an Treibhausgasen in die Luft pusten, können die anderen mehr ausstoßen. Der Verlust an internationaler Wettbewerbsfähigkeit des Landes, das klimapolitisch voranschreitet, ist erheblich. Auch eine koordinierte EU-Klimapolitik hilft dem Weltklima wenig. Der Wasserbett-Effekt gilt weiter. Wirkt die Politik aber, ist der Anreiz zu internationalem Trittbrettfahrer-Verhalten groß. Und noch ein weiteres Problem droht. Solange große Länder, wie die USA, China, Indien und Brasilien, nicht mitmachen, C02 einheitlich zu bepreisen, sind handelspolitische Konflikte vorprogrammiert. Die EU verliert mit der alleinigen C02-Bepreisung an internationaler Wettbewerbsfähigkeit. Sie wird versuchen, über Maßnahmen, wie einen C02-Grenzausgleich, der nur schwer WTO-konform ausgestaltet werden kann, für handelspolitische Waffengleichheit zu sorgen. Damit steigt aber die Gefahr von Vergeltungsmaßnahmen anderer großer Länder. Protektionistische Entwicklungen sind kaum zu vermeiden. Dem Weltklima ist nicht geholfen, dem internationalen Handel wird geschadet.

Die Aussichten sind nicht rosig, sich weltweit darauf zu verständigen, die negativen externen Effekte zu internalisieren. Sie werden auch nicht besser, wenn die Interessen der noch weniger entwickelten Länder berücksichtigt werden, ganz im Gegenteil. Diese werden sich ihre Chancen, endlich den Wohlstand zu steigern, nicht durch klimapolitische Restriktionen nehmen lassen. Das alles spricht dafür, dass die Lasten aus dem Klimawandel nicht generationenneutral verteilt werden. Jüngere und künftige Generationen scheinen die Verlierer. So muss es aber nicht kommen. Die inter-generativen Konflikte lösen sich in Luft auf, wenn es gelingt, erneuerbare Energien zu geringeren Kosten als fossile Energien zu erzeugen. Hoffnungsträger ist der technische Fortschritt. Es wird für alle Länder vorteilhaft, auf weniger C02-intensive Energien umzusteigen. Allerdings werden die einen schneller als andere davon profitieren. Das Damoklesschwert einer aufgeheizten Erde, das über künftigen Generationen schwebt, verliert seinen Schrecken. Wann allerdings diese Umwelttechnologien zur Verfügung stehen werden, ist ungewiss. Bis dahin hat die jüngere Generation, die unter den Lasten des Klimawandels am stärksten leiden würde, aber noch eine Notbremse in der Hinterhand: Die Atomenergie. Es gibt immer mehr Länder, die sie für eine Übergangszeit nutzen wollen.

Fazit

Generationenkonflikte sind Verteilungskonflikte. Demographischer und klimatischer Wandel verursachen Lasten. Jüngere und ältere Generationen sind uneins, wie die Lasten aufzuteilen sind. Die Erfahrungen haben aber gezeigt, dass sich die Generationen noch immer geeinigt haben, wie demographische Lasten verteilt werden sollen. Das muss nicht so bleiben. Demokratie hat in einer alternden Gesellschaft eine Schlagseite zu Lasten der Jungen. Die starke gegenseitige Abhängigkeit von Jung und Alt in der national organisierten, umlagefinanzierten Alterssicherung spricht allerdings dafür, dass sie sich auch künftig über die Verteilung demographischer Lasten einig werden. Das könnte bei den klimatischen Lasten anders sein. Für eine Einigung braucht es nicht nur eine Verständigung auf nationaler, sondern auch auf internationaler Ebene. Vieles spricht dafür, dass international die Interessengegensätze gegenwärtig zu groß sind. Einigt man sich nicht, wären jüngere und künftige Generationen die Dummen. Das muss aber nicht so kommen. Der technische Fortschritt wird ihnen zu Hilfe eilen. Er verringert die klimatischen Lasten. Bis er zum Tragen kommt, könnte die Atomenergie als Überbrückungstechnologie die Treibhausgas-Emissionen verringern und mögliche Generationenkonflikte entschärfen. Dafür sollten sich auch jüngere Generationen einsetzen, wenn sie im Kampf gegen die Erderwärmung nicht den Kürzeren ziehen wollen.

Podcasts zum Thema:

Demographie und Klima (1): Lassen sich Generationenkonflikte vermeiden? Prof. Dr. Norbert Berthold (JMU) im Gespräch mit Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen (ALU) und Prof. Dr. Joachim Weimann (OVG)

Blog-Beiträge zum Thema:

Jörn Quitzau: Nachhaltigkeit und das Klimaschutzgesetz: Mit zweierlei Maß

Norbert Berthold: Kampf der Generationen? Demographie und Klima sind nicht generationenneutral

Eine Antwort auf „Demographie, Klimawandel und Generationenkonflikte
Hat die Demokratie eine inter-generative Schlagseite?

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