Ist die deutsche Sportpolitik auf dem ordnungspolitisch richtigen Pfad?

Sport hat für viele Bürger einen sehr hohen Stellenwert und stellt für eine große Anzahl die Freizeitbeschäftigung – aktiv oder passiv als Sportzuschauer – Nr. 1 dar. Insofern ist es kein Wunder, dass der Staat sich auch des Sports angenommen hat, wenngleich die historischen Wurzeln dieser staatlichen Intervention zurück in eine Zeit gehen, in der Sport insbesondere eine zentrale Rolle für die Wehrertüchtigung spielte. Damit ist gleichwohl der staatlichen Intervention in den Sport etwas die Rechtfertigung abhanden gekommen. In diesem Beitrag will ich zuerst die Sportpolitik der Bundesrepublik Deutschland holzschnittartig vorstellen und danach vor allem aus ordnungspolitischer Sicht würdigen.

Die Sportpolitik der Bundesrepublik Deutschland basiert auf dem Paradigma, Sport habe nahezu ausschließlich positive Eigenschaften (BMI 2006, S. 11), und verengt sich daher auf Sportförderpolitik. Sie zielt im wesentlichen darauf ab, (1) das Gemeinwohl durch den Sport zu fördern und (2) eine Grundversorgung mit Sport für alle bereitzustellen. Die Instrumente, die hierbei Einsatz finden, umfassen im wesentlichen Regulierungen und Subventionen.

Als besonders einschneidende Regulierungen erweisen sich dabei das Einverbandsprinzip und die Duldung verbandlicher Marktbeschränkungen:

Durch das Einverbandsprinzip wird die Marktstruktur auf dem Sportmarkt reguliert: Die Bundesrepublik Deutschland erkennt nur einen Dachverband des Sports, den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), an; nur dieser und damit auch mittelbar die Mitgliedsverbände des DOSB kommen in den Genuss staatlicher Sportförderung. Sportverbände und Sportvereine, die nicht im DOSB unmittelbar oder mittelbar organisiert sind, werden von der Sportförderung ausgeschlossen; eine unentgeltliche Nutzung der Sportstätten wird ihnen vorenthalten.

Indem verbandliche Marktbeschränkungen geduldet werden, wird das Verhalten der Marktteilnehmer reguliert: Der Gesetzgeber eröffnet den Sportverbänden exklusive Handlungsspielräume, die sie zur Abstimmung des Marktverhaltens zwischen ihren Mitgliedern nutzen. Hierzu zählt beispielsweise die Möglichkeit der zentralen Vermarktung von TV-Rechten der Fußballbundesliga durch den DFB bzw. die DFL, also die staatliche Sanktionierung eines Kartells und damit die Generierung nicht-wettbewerblicher Einkommen.

Staatliche Subventionen des Sports werden sowohl durch den Bund als auch durch die Länder und die Kommunen ausgereicht. Auf Ebene des Bundes sind im wesentlichen zehn Ressorts mit der Sportförderung befasst, wobei das Bundesministerium des Inneren die Koordinationsfunktion wahrnimmt. Die Förderung des Bundes ist weitgehend an den Hochleistungssport adressiert; der Breitensport wird lediglich dann durch den Bund unterstützt, wenn die Maßnahmen zentrale Bedeutung für den Bund haben oder nicht durch die Länder durchgeführt werden können. Die direkten Subventionen des Bundes umfassen dabei z. B. die Co-Finanzierung von Trainingsstätten (Leistungszentren, Stützpunkte), Sportstätten, Sportgeräten und Personal sowie finanzielle Mittel für die Talentsuche und -förderung, die Absicherung von Athleten (Bundeswehr, Bundespolizei) sowie für die sportwissenschaftliche Forschung.

Auf Ebene der Bundesländer wird eine höchst unterschiedliche Sportförderpolitik betrieben. Die Länder tragen bspw. finanziell zum kommunalen und vereinseigenen Sportstättenbau, zum Bau und zur Unterhaltung von Leistungszentren und Trainingsstützpunkten für die Nachwuchsförderung, zum Sport an den Schulen und Hochschulen und zum laufenden Übungsbetriebs in den Sportvereinen (Anschaffung von Sportgeräten, Finanzierung der Wettkampfteilnahme, Entlohnung, Fort- und Weiterbildung der Übungsleiter) bei. Zudem fördern die Länder den Sport, indem sie beispielsweise die Personalkosten für den Polizeieinsatz bei Sportgroßveranstaltungen tragen.

Auf Ebene der Kommunen werden finanzielle Mittel für den Bau und die Unterhaltung von Sportstätten, die Anschaffung von Sportgeräten in den Vereinen, die Beschäftigung der Übungsleiter und für Sportveranstaltungen bereitgestellt. Zudem geben Kommunen oftmals Defizitgarantien ab und übernehmen Ausfallbürgschaften, um die Existenz regionaler Vereine abzusichern.

Darüber hinaus erhält der Sport indirekte Subventionen in Form steuerlicher Vergünstigungen: Gemeinnützige Sportvereine – in der Regel ist ein Sportverein gemeinnützig – genießen Steuervorteile bei der Körperschaft-, Gewerbe- und Umsatzsteuer. So können unter bestimmten Voraussetzungen gänzlich von der Körperschaft- und Gewerbesteuer befreit sein. Zudem können sie Spendern Quittungen ausstellen, die den Spender berechtigt, die Spenden als Sonderausgaben bei der Einkommensteuer anzusetzen. Ebenso kann es unter bestimmten Voraussetzungen zu einer begünstigten Behandlung im Rahmen der Umsatzsteuer kommen.

Das Ausgabevolumen verteilte sich dabei im Jahre 2007 – neuere Zahlen sind bis dato nicht verfügbar – wie folgt:

Ausgaben der Gebietskörperschaften nach sportspezifischen Aufgabenbereichen im Jahr 2007 (Nettoausgaben) in Mill. Euro

foerderung
– zum Vergrößern bitte auf die Grafik klicken –

Quelle: Statistisches Bundesamt (2010).

Dabei muss berücksichtigt werden, dass bestimmte Förderungen hier nicht oder nur unzulänglich erfasst werden.

Wie ist nun die Sportpolitik der Bundesrepublik Deutschland aus ordnungsökonomischer Sicht zu beurteilen?

In diesem Zusammenhang ist zunächst zu fragen, ob die Ziele der Förderung erreicht werden. Die Ziele der Sportpolitik sind eher diffus formuliert und kaum operationalisiert; die vermeintlich positiven Eigenschaften und damit die gemeinwohlsteigernde Wirkung des Sports werden nicht hinterfragt, sondern als gegeben angenommen. Obwohl positive Effekte eher beim Gesundheitssport zu erwarten sind, die zu einer Verbesserung des Gemeinwohls führen dürften, und bei den anderen Sportarten wohl eher die negativen Effekte (Umwelt, Gesundheit etc.) überwiegen, wird bei der staatlichen Förderung keine Differenzierung vorgenommen (Langer 2006). Zudem fokussiert die deutsche Sportförderung auf den selbstverwalteten Sport, der nicht nur Sportarten mit positiven Effekten anbietet, und schließt damit alle anderen Sportanbieter (kommerzielle, nicht-selbstverwaltete etc.) von der Förderung aus, obwohl sich auch sicherlich hier positive Effekte ergeben. Damit ist letztlich der Sport an sich Ziel der Sportförderung – und nicht dessen vermeintlich positive Eigenschaften. Eine Orientierung am Gemeinwohl bleibt damit nur deklaratorisch.

Die Förderung soll eine Grundversorgung der Bevölkerung mit Sport gewährleisten. Dieses Ziel wird nur teilweise erreicht: Durch die staatliche Förderung und vor allem durch das ehrenamtliche Engagement werden die Mitgliedsbeiträge der Sportvereine auf einem niedrigen Niveau gehalten, so dass dadurch ein vergleichsweise kostengünstiger und damit leichter Zugang zu weiten Teilen des Sportangebots, das zudem weitgehend flächendeckend ist, ermöglicht wird. Allerdings beschränkt sich das Sportangebot regelmäßig auf Kernsportarten; Randsportarten werden eher vernachlässigt mit der Folge, dass hier der Zugang nach wie vor hohe Kosten verursachen kann (Bsp.: Golf). Die staatliche Förderung erreicht jedoch weniger die Bedürftigen – diese sind in den Sportvereinen unterrepräsentiert –, sondern kommt vor allem bessergestellten Bevölkerungsschichten zugute, die sich die sportliche Betätigung auch ohne die staatliche Förderung leisten könnten. Es treten also umfangreiche Mitnahmeeffekte auf (Langer 2006, S. 195). Insgesamt erweist sich somit die staatliche Förderung als wenig zielkonform.

Unter dem Aspekt der Systemkonformität hat die Sportförderung der Bundesrepublik Deutschland erhebliche Mängel:

“¢ Die Förderung führt teilweise zu einer Sozialisierung der Verluste, die in den Vereinen entstehen, woraus wiederum Verhaltensanpassungen resultieren, die sich in einem verschwenderischen Umgang mit den vorhandenen Ressourcen äußern.

“¢ Ein großer Teil der Förderung wird pauschal ohne Prüfung der Bedürftigkeit im Einzelfall ausgezahlt, wodurch der Grundsatz der Subsidiarität verletzt wird.

“¢ Kommerzielle Sportanbieter und Sportarten, die nicht im DOSB organisiert sind, werden diskriminiert. Zudem findet auf regionaler Ebene eine Diskriminierung statt, die daraus resultiert, dass Sportstätten durch das Bundesland und den Bund mitfinanziert werden, der Nutzen aber nur in einer ausgewählten Region auftritt.

“¢ Das Einverbandsprinzip stellt eine staatlich gesetzte Marktzutrittsschranke dar, zudem führt die öffentliche Förderung zu Kostennachteilen bei den privaten Anbietern, die zudem bei der Nutzung öffentlicher Sportstätten benachteiligt werden. Hierdurch wird der Marktzutritt potentieller Konkurrenten erheblich erschwert.

Diese Sachverhalte bewirken wiederum, dass die Sportvereine und -verbände einen großen Teil ihrer Ressourcen dazu verwenden, rent seeking zu betreiben. Dies und einer sich mit der staatlichen Unterstützung einstellender Gewöhnungseffekt führt zu einer Abnahme der Eigeninitiative im Bereich des selbstverwalteten Sports. Da zudem der Marktzutritt potentieller Konkurrenz erschwert wird, nimmt die Wettbewerbsintensität ab und in der Folge auch der Anreiz zu innovativem Handeln.

Insgesamt betrachtet ist damit die deutsche Sportpolitik vom ordnungspolitisch richtigen Weg abgekommen. Damit stellt sich die Frage nach den Handlungsalternativen.

Unter der Annahme, dass Siege im Spitzensport Kollektivgutcharakter in Form der Produktion eines Prestigewerts (regionale oder nationale Identifikation) haben und ihre Produktion gewünscht ist, und dass Konsens hinsichtlich des Ziels besteht, eine gesundheitsfördernde sportliche Betätigung für alle Bevölkerungsgruppen zu schaffen, bieten sich vielmehr die folgenden beiden Maßnahmen an:

Staatliche Preisgelder: Siege im Spitzensport lassen sich am besten durch staatliche Preisgelder initiieren. So könnte beispielsweise der Bund für jede bei den Olympischen Spielen erzielte Goldmedaille einen Betrag von 10 Mio. Euro ausloben und damit ausschließlich die Produktion des Prestigewerts entlohnen. Auf diese Weise würden sich Trainingsstrukturen herausbilden, die etwa auf Investitionsgemeinschaften basieren: Junge Talente bringen ihr Talent ein und Investoren würden die Ausbildung und das Training finanzieren und dafür entsprechend an den Preisgeldern beteiligt werden. Staatliche Preisgelder würden das Produktionsrisiko vollständig auf die Produzenten, also die Sportler und deren Geldgeber, verlagern. Dadurch würden die Ausbildungsbetriebe einem harten Wettbewerb ausgesetzt und zugleich wäre dafür Sorge getragen, dass sich effiziente Trainingsmethoden durchsetzen. Die Ausbildungsstrukturen würden sich entsprechend der Nachfrage anpassen.

Eine Grundversorgung mit Sport insbesondere für Bedürftige könnte mit Langers Vorschlag (Langer 2006, S. 246 ff.) erreicht werden, der die Idee der Bildungsgutscheine in den Sport überträgt: Durch sog. Sportgutscheine, die an Bedürftige ausgegeben werden, erhalten diese die Möglichkeit, das Sportangebot bei Anbietern gesundheitsfördernder Sportarten wahrzunehmen. Dadurch wird zwischen den Anbietern Wettbewerb initiiert; innovative Angebote dürften die Folge sein.
Es zeigt sich also, dass man die deutsche Sportpolitik wieder auf den richtigen Pfad zurückführen könnte.

Literatur
Langer, M. (2006), Öffentliche Förderung des Sports. Eine ordnungsökonomische Analyse, Berlin.
Bundesministerium des Innern (2006), 11. Sportbericht der Bundesregierung, Deutscher Bundestag Drucksache 16/3750, 16. Wahlperiode 04. 12. 2006.
Statistisches Bundesamt (2010), Rechnungsergebnisse der öffentlichen Haushalte für soziale Sicherung und für Gesundheit, Sport, Erholung, Fachserie 14, Reihe 3.5 – 2007.

Eine Antwort auf „
Ist die deutsche Sportpolitik auf dem ordnungspolitisch richtigen Pfad?

  1. Im Prinzip werden die im Sportbetrieb wirksamen Mechanismen richtig beschrieben, bleiben allerdings beschränkt auf wirtschaftliche/wirtschaftspolitische Aspekte. Neuere Untersuchungen zeigen, dass lediglich ca. 50% der sportliche Aktiven Mitglieder der Sportorganisationen sind. Die 2. Hälfte betreibt ihren Sport nicht in Vereinen organisiert. Gleichwohl sind nach herrschender politischer Auffassung die Organisationen des Sports die einzigen Repräsentanten und bilden somit ein sportpolitisches Monopol, das allerdings – wie beschrieben- die Hälfte der Sporttreibenden gar nicht repräsentiert. Als ein Ergebnis dieser Situation kommt erschwerend hinzu, dass bis auf vereinzelte Ausnahmen keine unabhängige Sportplitik existiert. Die Verwebung von Sportpolitik und Sportorganisation hat erschreckende Ausmaße angenommen. Als eine Folge werden in der parlamentarischen Arbeit in Vorbereitung ressourcenträchtiger Beschlüsse ausschließlich Vertreter des organisierten Sports einbezogen, die natürlich selbstreferentiell und im Eigeninteresse argumentieren. Die „Sportpolitiker“ auf der paralementarischen Seite bilden in aller Regel von der selbstredend ausschließlich positiv bewerteten Rolle des organisierten Sports und durch eigene Tätigkeiten in diesem Betrieb den parlamentarisch verlängerten Arm der Sportorganisationen. Diese politische und strukturelle Monokultur hat fatale Auswirkungen insofern, als eine Sportentwicklung außerhalb dieser Organisationen „undenkar“ erscheint und somit wesentliche Ursache für die Erstarrung des bundesdeutschen Sportbetriebs darstellt. Querdenker in diesem Bereich sind so schnell als „outlaws“ gebrandmarkt, dass ihre Stimme kein Gehör findet.

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