BlogDialog
Henkel über Krisen und Geschäftsmodelle
Der frühere BDI-Präsident im Interview

Herr Henkel, welches Datum wird – unabhängig von der Chronologie – weiter vorne in den Geschichtsbüchern stehen: Der 15. September 2008 oder der 20. Oktober 2009?

Hans-Olaf Henkel: Sie meinen die Pleite von Lehman Brothers und…

…den Tag des Geständnisses der Griechen, dass das laufende Defizit nicht fünf, sondern 12,7 Prozent des BIP beträgt. Mittlerweile wurde es sogar auf 13,6 Prozent heraufgesetzt.

Henkel: Ich halte ein anderes Datum für viel entscheidender: Den Tag, an dem der ehemalige französische Staatspräsident Jacques Chirac und unser Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder beschlossen haben, der Europäischen Union die disziplinarischen Maßnahmen gegen ein Budgetdefizit in ihren eigenen Ländern aus der Hand zu schlagen. So konnten beide die Neuverschuldungsgrenze von drei Prozent brechen, übrigens ohne jede Finanz- und Wirtschaftskrise. Das war das erste entscheidende Datum, an dem der Euro aufgeweicht wurde. Das zweite ist die ebenfalls von Chirac und Schröder zu verantwortende Aufnahme Griechenlands in die Eurogruppe, wohlgemerkt gegen die Empfehlung der Europäischen Zentralbank. Kurz nach der Jahrtausendwende wurden also die ersten Grundlagen für die jetzige Krise gelegt.

Anfang dieses Jahres ist fast keine Woche vergangen, in der Griechenland die Kapitalmärkte nicht in Atem gehalten hat. Ab welchem Zeitpunkt war Ihnen der Ernst der Lage bewusst?

Henkel: Ich habe mich immer für den Euro eingesetzt, auch gegen die Mehrheit der Mitgliedsunternehmen des BDI (Anm. der Red.: Bundesverband der Deutschen Industrie). Zudem war ich für die Aufnahme Italiens und Spaniens in den Euroraum. Nervös wurde ich mit dem Bruch der Defizitkriterien. Als Griechenland gegen den EZB-Rat hinzukam, wurde ich kribbelig. Und nach dem Rettungspaket für die Griechen war mir klar, dass es so nicht weitergehen kann. Die Politiker haben eklatant gegen die selbst gesteckten Vorgaben verstoßen.

Tatsächlich ist Griechenland überall. Die Schuldenberge sind in Europa in fast jedem Land rapide angestiegen. War es im Nachhinein die richtige Entscheidung, den Euro einzuführen?

Henkel: Ich bekenne mich schuldig. Ich war bei der Konzipierung des Euro dabei. Ich habe tatsächlich geglaubt, dass sich die Politik an die Gesetze und disziplinarischen Maßnahmen hält. Heute stelle ich fest, dass ich mich geirrt habe.

Sie plädieren dafür, zwei unterschiedliche Währungsblöcke einzuführen. Wie soll das funktionieren?

Henkel: In Europa gibt es zwei Trennungslinien. Die eine liegt in den unterschiedlichen wirtschaftlichen Voraussetzungen begründet, die teilweise auch kulturell bedingt sind: Ein nördliches Europa, das auf Stabilität großen Wert legt. Das Inflation nicht toleriert. Das sich schon immer für Produktivitätsfortschritte ausgesprochen hat. Demgegenüber sehe ich ein südliches Europa. Dort spielt die Bekämpfung der Inflation keine große Rolle. Dort ist man nicht versucht, die Wettbewerbsfähigkeit durch Reformen, sondern durch die Abwertung der jeweiligen Währung zu sichern. Der Euro muss sich diesen beiden kulturellen Zonen anpassen und deshalb aufgespaltet werden.

Was ist mit der zweiten Trennungslinie?

Henkel: Es gibt noch eine Grenze zwischen West und Ost. Die osteuropäischen Staaten wurden erst vor 20 Jahren unabhängig. Deshalb stößt die Weiterentwicklung Europas, die Deutschland und Frankreich anstreben, in Ländern wie Tschechien, der Slowakai und Polen auf eine große Ablehnung. Denn man möchte die Freiheit, die man sich von Moskau erkämpft hat, nicht alsbald wieder in Brüssel ablegen. Die Zukunft Europas muss auf diese beiden Trennlinien, die teilweise überlappen, Rücksicht nehmen. Um den Euro zu retten, brauchen wir eine weitere Währung. Dann hätte man eine Trennung des Euro in einen stabilitätsorientierten Norden und einen Süden, der sich nicht an die Kriterien hält. Ich sehe kein Problem darin, dass es statt 13 dann eben 14 Währungen in Europa gibt.

Ein Aufbrechen der Eurozone scheint derzeit politisch aber nicht machbar. Stattdessen wird über ein Frühwarnsystem diskutiert, getreu dem Motto: Wer bei Gelb über die Ampel fährt, wird verwarnt.

Henkel: Das halte ich für eine Volksverdummung. Unsere Politiker haben bereits die alten Hürden gerissen. Jetzt behaupten die gleichen Personen, dass eine Konsequenz der Krise höhere Hürden sind. Wieso sollen sie plötzlich darüber springen?

Für die aufgetürmten Schuldenberge werden solche Sanktionen ohnehin nicht viel bringen. Wie wird man die Verschuldungsblase in den Griff bekommen?

Henkel: Wenn wir tatsächlich die beiden Währungsblöcke bekommen, gibt es zwei unterschiedliche Vorgehensweisen. Die südlichen Länder entschulden sich über Inflation. Die nördlichen müssen es über eine Kombination aus Wachstum und Rückzahlung der Schulden versuchen. Wenn die verbindlichen Kriterien in Nordeuropa tatsächlich eingehalten werden, ist zumindest die Inflationsgefahr gebannt.

Beim Entschulden sieht sich Deutschland auf einem guten Weg. Die Bundesregierung hat im Sommer das größte Sparpaket der Geschichte zusammengeschnürt…

Henkel: Dieser Titel ist falsch. Man hätte es besser Schuldenverhinderungspaket nennen können. Denn es wird relativ wenig gespart. Stattdessen werden zusätzliche Einnahmen wie die Brennelemente-Steuer erhoben.

Der Entschuldungspfad wurde schon durch die Rettungsschirme im Zuge der Finanzkrise verlassen. Ist das Pendant zu Griechenland im Rückblick auf die Immobilienkrise die US-Bank Bear Stearns? Oder hätte man die Griechen stattdessen pleitegehen lassen sollen wie Lehman Brothers am 15. September 2008?

Henkel: Ein eindeutiges Ja. Das ist doch nichts Neues, wenn man sich die Staatspleiten von Russland und Argentinien vor Augen hält. Dann hätten die Investoren, die Griechenland unterstützt haben, viel Geld verloren. Schließlich haben sie auch zu einem überwiegenden Teil gezockt. Frau Merkel und Wolfgang Schäuble haben zwar recht, dass es erneut deutsche Banken getroffen hätte. Aber die Verluste wären diesmal nicht so groß gewesen. Vor allem wären auch Frankreich und deren Banken in Mitleidenschaft gezogen worden. Das Rettungspaket für Griechenland ging vor allem zu Lasten Deutschlands.

Wie steht es um die Dominoeffekte eines Griechenland-Bankrotts auf den Rest Europas?

Henkel: Auch die Pleiten von Russland und Argentinien haben nicht andere angesteckt, sondern die Länder dazu gebracht, aufzuwachen und sich zu ändern. Das Griechenland-Paket ist ursächlich dafür, dass wir das nächste für ganz Europa schnüren mussten. Zuerst mussten wir den Griechen helfen – und plötzlich dem Euro.

Der Öffentlichkeit werden ohnehin andere Schuldige präsentiert. Taugen die Spekulanten tatsächlich zu den Sündenböcken, zu denen sie gemacht werden?

Henkel: Die Spekulanten waren ja ausgerechnet die Landesbanker. Ein Josef Ackermann (Anm. der Red.: Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank) hat nur an den Zwischengeschäften verdient. Aber seine Bank hatte kaum solche Papiere. Dagegen wollten diese die Landesbanken mit allen Mitteln, auch wenn sie sie meistens nicht verstanden haben.

Als weiterer Sündenbock werden die Rating-Agenturen genannt. Vor einiger Zeit wurde publik, dass ein deutscher Lehman-Kunde die amerikanische Gesellschaft Standard & Poor“˜s auf Schadensersatz verklagen will. Konnten oder wollten die Rating-Agenturen nicht besser bewerten?

Henkel: Schwer zu sagen. Zunächst finde ich es gut, dass Rating-Agenturen verklagt werden. Denn diese Agenturen verdienen weniger mit dem „Rating“ als vielmehr mit dem Beraten von Unternehmen, wie man ein gutes Rating bekommt. Das stellt einen großen Interessenkonflikt dar. Es wird immer behauptet, dass zwischen diesen Bereichen eine chinesische Mauer verläuft. Aber die chinesische Mauer ist zwar lang, aber nicht hoch.

Um künftige Krisen zu vermeiden, wird derzeit unter anderem über eine Finanztransaktionssteuer nachgedacht. Was halten Sie von derlei Instrumenten?

Henkel: Das ist Quatsch. Zunächst muss man fragen, ob eine solche Finanztransaktionssteuer die alte Krise verhindert hätte. Die Antwort ist eindeutig: Nein. Außerdem zahlt der Bankkunde diese Steuer und nicht die Bank. Die Mineralölsteuer zahlt ja auch nicht Aral oder BP, sondern der Autofahrer.

Wie stehen Sie zur Bankenabgabe?

Henkel: Das ist etwas anderes. Wenn man die Banken dazu zwingt, in einen Fonds einzuzahlen, der sozusagen eine Art Versicherung für zukünftige Bail-Outs ist, halte ich das für richtig. Allerdings vermag ich nicht zu sagen, wie hoch eine solche Abgabe sein müsste, um solche Krisen zu verhindern. Sie müsste wahrscheinlich höher als der Betrag sein, der in den letzten 20 Jahren an Gewinnen eingefahren wurde.

Was sind darüber hinaus Ihre drei wichtigsten Vorschläge zur künftigen Vermeidung solcher spekulativer Blasen?

Henkel: Erstens würde ich diejenigen, die mit solchen Schrottpapieren handeln, dazu zwingen, einen gewissen Anteil der gehandelten Papiere selbst zu behalten. Wenn die Deutsche Bank das gemacht hätte, wäre sie schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Oder aber sie hätte diese Papiere gar nicht erst verkauft. Zweitens müssen alle ausgelagerten Bereiche in der Bilanz sichtbar sein. Wenn es dieses Gesetz gegeben hätte, wären diese Schrottpapiere nicht über geheimnisvolle Zweckgesellschaften bei den staatlich kontrollierten Banken gelandet. Als dritten Punkt würde ich die erforderliche Eigenkapitalausstattung auf mindestens zehn Prozent erhöhen.

Das hört sich alles vernünftig an.

Henkel: Das Problem ist nur, wenn man diese drei Regeln auf einmal einführt, wird keine Bank mehr einen Kredit vergeben. Deswegen einigen sich die Regierungen auch zur Zeit nicht. Einzige Alternative dazu wäre den gordischen Knoten zu zerschlagen, indem man den Bankensektor verstaatlicht und die Kredite nach Basel II und III an den Mittelstand vergibt. Dann wäre auf einen Schlag auch das Boni-Thema vom Tisch, denn der Staat würde sie nie bezahlen. Ich halte eine Verstaatlichung des Bankensektors als bekennender Marktwirtschaftler nicht für gut, aber es würde in der Realwirtschaft trotzdem weitergehen.

Offensichtlich haben wir ein großes Verschuldungs- und Bankenproblem. Im Gegensatz dazu ist unsere Wirtschaft besser durch die Krisen gekommen als etwa die USA mit ihren flexiblen Arbeitsmärkten. Woran liegt das?

Henkel: Ich bezweifle, dass wir so gut durch die Krise gekommen sind.

Will heißen: Die Rechnung kommt erst noch?

Henkel: Sie ist bereits ausgestellt. Nur seltsamerweise sieht das niemand. Die amerikanische Wirtschaft ist im ersten Quartal 2010 dreimal so schnell wie die deutsche gewachsen. Es steht außer Frage, dass die Arbeitslosenzahlen in angelsächsischen Ländern stärker schwanken. Im Trend der letzten 20 Jahre sind sie in Amerika aber geringer als unsere, einschließlich der jetzigen Zahlen. Daher wäre ich – auch ungeachtet der hohen amerikanischen Staatsverschuldung – vorsichtig mit der Behauptung, dass wir besser sind. Gerade die angelsächsischen Länder werden, was das Wachstum der Volkswirtschaft betrifft, schneller aus der Krise herauskommen als wir. In der Folge wird auch deren Arbeitslosigkeit relativ schnell abgebaut.

Warum soll das nicht auch bei uns passieren?

Henkel: Weil wir den wirtschaftlichen Einbruch mit absurden Maßnahmen wie der Abwrackprämie kaschiert haben. Im Inland werden in diesem Jahr 35 Prozent weniger Autos verkauft. Dass die deutsche Automobilindustrie trotzdem relativ gut dasteht liegt nicht an der deutschen Regierung, sondern an deutschen Firmen und vor allem am Ausland, das schneller wächst. Auch Bayer ist gut durch die Krise gekommen, aber über 80 Prozent seines Umsatzes macht der Konzern im Ausland. Man muss also zwischen deutschen Unternehmen und Deutschland unterscheiden.

Beides hängt aber trotzdem irgendwie zusammen. Die deutsche Ingenieurskunst hat sich weltweit durchgesetzt, wovon auch der Titel des Vize-Exportweltmeisters zeugt. Die Exportquote ist mittlerweile auf über 40 Prozent angestiegen, jeder vierte Arbeitsplatz hängt von den Ausfuhren ab. Worauf beruht dieser Erfolg?

Henkel: Das sind Stärken, die teilweise noch aus der Vergangenheit rühren. Wir haben hervorragende Ingenieure. Wir haben eine funktionierende gewerbliche Wirtschaft, dessen Mitarbeiter auch durch das duale System sehr gut ausgebildet sind. Das Problem ist, dass der Importanteil an den exportierten Waren ständig steigt und inzwischen 44 Prozent beträgt. Da stimme ich Hans-Werner Sinn (Anm. der Red.: Ifo-Chef) mit seiner These der Basarökonomie absolut zu.

Warum werden unsere Exporterfolge dann von anderen Euroländern so kritisch beäugt. Profitieren diese nicht auch von der Nachfrage deutscher Unternehmen nach Vorleistungen?

Henkel: Wenn die liebe Frau Lagarde (Anm. der Red.: französische Wirtschafts- und Finanzministerin) mal wieder über den deutschen Exportüberschuss schimpft, würde ich ihr sagen, dass wir 44 Prozent der ausgeführten Wertschöpfung vorher eingeführt haben. Es kommen sogar 85 Prozent aller Audi-Motoren aus Ungarn. Das weiß kein deutscher Autofahrer. Wenn ein solches Auto etwa nach Frankreich exportiert wird, dann steht sein voller Wert in der Exportstatistik. Niemand zieht den Wert des Motors, den wir aus Györ eingeführt haben, ab. Unsere Export-Vizeweltmeisterschaft wird also immer hohler. Das gleiche ist auch Japan vor ein paar Jahrzehnten passiert. Ein weiterer Punkt ist, dass in der Handelsbilanz nur solche Waren stehen, die man auch anfassen und sehen kann, etwa Autos, Motoren, Spielzeuge, aber keine Software und auch keine industriellen Dienstleistungen.

Und da sind wir nicht gut?

Henkel: Solange ich bei der IBM Deutschland war, ist die Software-Sparte in Deutschland immer extrem defizitär gewesen. Sie ist es bis heute geblieben. Wir importieren viel mehr, als wir exportieren. Das Einzige, was wir haben, ist die Software AG und SAP. Ansonsten importieren wir unsere Software und Hardware. Wenn man das hinzunimmt, kommt man zur Leistungsbilanz. Das ist der Maßstab – und da ist der Überschuss nicht hoch, er war auch schon mal defizitär. Man macht die Performance eines Landes also besser an der Leistungsbilanz fest. Im Übrigen sollte man bei diesen Überlegungen auch den Tourismus nicht vergessen. Wir sind die zweitgrößte Reisenation der Welt. Alles das, was die Bürger in Frankreich ausgeben, muss die Automobilindustrie etwa durch Export verdienen.

Also ist mit unserem Geschäftsmodell alles in Butter, wenn man von den steuerlichen Vergünstigungen absieht.

Henkel: Nicht alles. Dieser, entgegen des globalen Trends, nicht schrumpfende Anteil des produzierenden Gewerbes kann zu einem Ungleichgewicht führen. Denn irgendwann werden die Kunden diese Produkte möglicherweise nicht mehr so nachfragen, weil die Märkte gesättigt sind. Aber die Lösung liegt nicht darin, diesen Anteil schrumpfen zu lassen, sondern zwei Bereiche unserer Volkswirtschaft auszubauen, die unterentwickelt sind.

Was genau meinen Sie?

Henkel: Der eine Teil ist die gewaltige Schwarzarbeit. Sie beträgt inzwischen 17 Prozent des BIP. Dieser Anteil fehlt komplett in der Statistik. Darin ist überwiegend einfache Arbeit enthalten. Die Entwicklung eines offiziell größeren Niedriglohnsektors wird bei uns in Deutschland aus unterschiedlichen Gründen blockiert. Der zweite Bereich sind die IuK-Technologien. Da müssen wir deutlich zulegen. Sogar die Franzosen sind hier besser.

Woran liegt das?

Henkel: An der fehlenden Wettbewerbsfähigkeit. Weil wir zu teuer sind, wurden die Callcenter umgesiedelt, die Softwareentwicklung folgt zunehmend. Bei SAP wird es demnächst genauso laufen wie mit Bayer. Sie sitzen zwar immer noch in Walldorf. Aber viele Bereiche werden ins Ausland ausgelagert und fallen in Deutschland weg. Also müssen wir diese Bereiche stärken.

Das Gespräch führte Jörg Rieger.

Eine Langfassung des Interviews finden Sie in der aktuellen Ausgabe der WiSt (10/2010).

2 Antworten auf „BlogDialog
Henkel über Krisen und Geschäftsmodelle
Der frühere BDI-Präsident im Interview

  1. „Henkel: Die Spekulanten waren ja ausgerechnet die Landesbanker. Ein Josef Ackermann (Anm. der Red.: Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank) hat nur an den Zwischengeschäften verdient. Aber seine Bank hatte kaum solche Papiere. Dagegen wollten diese die Landesbanken mit allen Mitteln, auch wenn sie sie meistens nicht verstanden haben.“

    Hier ist die Deutsche Bank nicht der böse Bube.

    „Henkel: Erstens würde ich diejenigen, die mit solchen Schrottpapieren handeln, dazu zwingen, einen gewissen Anteil der gehandelten Papiere selbst zu behalten. Wenn die Deutsche Bank das gemacht hätte, wäre sie schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Oder aber sie hätte diese Papiere gar nicht erst verkauft. “

    War die Deutsche Bank doch ein böser Bube?

    „Henkel: Das sind Stärken, die teilweise noch aus der Vergangenheit rühren. Wir haben hervorragende Ingenieure. Wir haben eine funktionierende gewerbliche Wirtschaft, dessen Mitarbeiter auch durch das duale System sehr gut ausgebildet sind. Das Problem ist, dass der Importanteil an den exportierten Waren ständig steigt und inzwischen 44 Prozent beträgt. Da stimme ich Hans-Werner Sinn (Anm. der Red.: Ifo-Chef) mit seiner These der Basarökonomie absolut zu.“

    Vulgo: Internationale Arbeitsteilung ist schlecht?

    „Henkel: Es kommen sogar 85 Prozent aller Audi-Motoren aus Ungarn. Das weiß kein deutscher Autofahrer. Wenn ein solches Auto etwa nach Frankreich exportiert wird, dann steht sein voller Wert in der Exportstatistik. Niemand zieht den Wert des Motors, den wir aus Györ eingeführt haben, ab. “

    Aus der Exportstatistik sicher nicht. Aber möglicherweise taucht der Motor in der Importstatistik auf. Eine Bilanz hat meist zwei Seiten.

    „Henkel: Unsere Export-Vizeweltmeisterschaft wird also immer hohler.“

    Vielleicht achten Ökonomen deshalb eher auf Handels- oder Leistungsbilanzen als auf Exportmeisterschaften?

    „Henkel: Wenn man das hinzunimmt, kommt man zur Leistungsbilanz. Das ist der Maßstab – und da ist der Überschuss nicht hoch, er war auch schon mal defizitär.“

    Was ist daran schlimm? Gerade liberale Ökonomen haben das amerikanische Leistungsbilanzdefizit als Zeichen der Stärke interpretiert – wegen des Überschusses in der Kapitalverkehrsbilanz.

    „Henkel: Im Übrigen sollte man bei diesen Überlegungen auch den Tourismus nicht vergessen. Wir sind die zweitgrößte Reisenation der Welt. Alles das, was die Bürger in Frankreich ausgeben, muss die Automobilindustrie etwa durch Export verdienen.“

    Eine Anwendung dieses Arguments auf amerikanische Touristen wäre interessant.

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