Stadienbau und polit-ökonomische Anreizmechanismen

Ein neues Stadion für den heimischen Fußballverein – das wünschen sich regelmäßig nicht nur die Fans, sondern auch die Stadtoberen. In der Sportökonomie werden verschiedene Aspekte diskutiert, in welcher Weise ein Neubau bzw. eine umfassende Sanierung positive Effekte generieren kann.

  • Sofern die Arbeiten durch lokale Unternehmen durchgeführt werden, kann das örtliche Baugewerbe profitieren. Zumindest während der Bauphase sind Effekte auf dem Arbeitsmarkt denkbar. Steigende Gewinne führen weiterhin zu steigenden Steuereinnahmen. Schließlich sind mittel- und langfristige Multiplikatoreffekte zu berücksichtigen.
  • Das Stadtbild kann durch ein neues Stadion bereichert werden. Je nach Ausgestaltung können zukünftig Großveranstaltungen (internationale Wettbewerbe, Konzerte etc.) realisiert werden, die zuvor in Ermangelung einer angemessenen Stätte an anderen Orten durchgeführt wurden. Auf diese Weise kann insbesondere das lokale Gastgewerbe durch einen Neubau gewinnen.
  • Schließlich kann eine moderne Arena identitätsstiftend wirken und somit die Verbundenheit der Bürger mit ihrer Kommune steigern.

Neben diesen positiven Effekten müssen vor einer möglichen Entscheidung verschiedene Risiken bzw. Problembereiche bedacht werden:

  • So sind an erster Stelle die hohen Baukosten zu nennen. Je nach Umfang des Projekts liegen diese im zwei- oder gar dreistelligen Millionenbereich.
  • Darüber hinaus sind Fußballstadien hoch spezifische Immobilien. In aller Regel werden sie nur von einem einzigen Verein genutzt und dies meist nur wenige (Spiel-)Tage im Jahr. Sofern der lokale Spitzenclub absteigt oder nach einer Insolvenz gar aufgelöst werden muss, ist die weitere Nutzung fraglich. Stadien können im Gegensatz zu Vereinen nicht umziehen. Ebenso mangelt es an alternativen Nutzungskonzepten (andere Sportarten, Kulturveranstaltungen), die die notwendige Auslastung garantieren können. O. g. Events wie Konzerte können in aller Regel lediglich zusätzliche Einnahmen generieren, rechtfertigen alleine aber keinesfalls die Errichtung eines Stadions.

Trotz vermeintlich leerer Kassen der Kommunen, was sicherlich eine andere Priorisierung erfordern würde – so wird in vielen Städten über die Schließung von Kindergärten und Hallenbädern nachgedacht –, stehen Bürgermeister der Realisierung eines derartig ambitionierten Bauprojektes für den örtlichen Sport- bzw. Fußballverein positiv gegenüber. Dies lässt sich polit-ökonomisch insbesondere damit erklären, dass derartige Stadionprojekte breite Zustimmung in der Bevölkerung erzielen und auf diese Weise dazu beitragen, Wählerstimmen zu gewinnen.

Anhand der Stadt Dresden lässt sich exemplarisch zeigen, wie vor dem Hintergrund derartiger Anreizmechanismen ökonomische Folgeprobleme der Kommune erwachsen, die bei einer strikten Ausrichtung kommunaler Politik an ordnungsökonomischen Grundsätzen nicht entstanden wären.

Seit dem 01.01.1992 war die Stadt Dresden Eigentümer des örtlichen Rudolf-Harbig-Stadions. Nach einer ersten Sanierung für 750.000 DM folgten über Jahre hinweg nur kleine Investitionen, die den Lizenzierungsauflagen des DFB geschuldet waren. Ende 2004 wurde der Neubau eines modernen Stadions beschlossen, das im September 2009 eingeweiht werden konnte. Durchgeführt wurde das Projekt mittels eines PPP (erstmalig in der 3. Liga). Die öffentliche Hand ist weiterhin Eigentümer des Grundstücks und der Immobilie. Die Finanzierung und den Betrieb übernimmt eine eigens gegründete Projektgesellschaft. Die Stadt verpflichtete sich zur Übernahme einer Ausfallbürgschaft i. H. v. 40,7 Mio. EUR (Gesamtbauvolumen: ca. 43 Mio. EUR), zu einem einmaligen Baukostenzuschuss i. H. v. 4,6 Mio. EUR und zur Zahlung eines jährlichen Betriebskostenzuschusses von ca. 2,6 Mio. EUR. Die Vertraglaufzeit beträgt 32 Jahre. Mit der SG Dynamo Dresden wurde ein jährliches Nutzungsentgelt von ca. 2 Mio. EUR vereinbart, das an die Betriebsgesellschaft zu zahlen ist. Mittels dieser Konstruktion war es der Stadt prinzipiell möglich, den Stadionneubau zu festgeschriebenen Kosten zu realisieren, die bspw. nicht von den tatsächlichen Bau- und Betriebskosten abhängig sind.

Aus dieser Konstellation ergeben sich für die Stadt nunmehr zwei Anschlußprobleme: Zum einen wird das Stadion derzeit nur selten für Veranstaltungen abseits des professionellen Fußballs genutzt. Dementsprechend gering sind die erzielten Einnahmen. Zum anderen ist Dynamo Dresden nicht in der Lage, die eingeforderten zwei Millionen EUR jährliche Pacht zu zahlen. Die in der 3. Liga üblichen Nutzungsentgelte liegen bei ca. 500.000 EUR. Ohne eine städtische Unterstützung ist die DFB-Lizenz stark gefährdet. Ein Zwangsabstieg würde nicht nur den Verein treffen: In einer unteren Spielklasse (Regionalliga, Oberliga) wären die Zuschauereinnahmen weitaus geringer, die Zahlungsfähigkeit des Vereins würde weiter reduziert. Mögliche Zuschüsse der Stadt müssten höher ausfallen als bislang.

Vor diesem Hintergrund ist die Stadt Dresden aus betriebswirtschaftlichen Gründen gezwungen, weiterhin Gelder für den Verein bzw. das Stadion zu bewilligen, da im Falle des Lizenzentzugs oder des Abstiegs die finanziellen Belastungen eher steigen dürften.

Dieses betriebswirtschaftliche Problem wird überlagert durch ein polit-ökonomisches: So dürften ökonomische Schwierigkeiten des Vereins, die sich etwa durch die Zurückführung kommunaler Zuschüsse ergeben könnten, der gegenwärtigen Stadtführung angelastet werden und sich entsprechend auf das kommende Wahlergebnis auswirken.

Das Beispiel Dresden ist sicherlich nur eingeschränkt auf andere Städte übertragbar, es zeigt aber, wie polit-ökonomische Anreizmechanismen den kommunalen Entscheidungsprozeß determinieren und auf diese Weise erhebliche betriebswirtschaftliche Folgeprobleme generieren können. Vor diesem Hintergrund muss die Frage gestellt werden, ob die Beteiligung von Gebietskörperschaften an Anlagen für den Profi-Sport überhaupt sinnvoll ist, was aus ordnungsökonomischer Sicht sicherlich zu verneinen ist.

Frank Daumann

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