Die Fußball-WM 2006, die Handball-WM im Jahr darauf, die Leichtathletik-WM 2009 und jüngst die alpine Ski-WM in Garmisch-Partenkirchen: Die Anzahl internationaler Sportevents in Deutschland ist in den letzten Jahren fraglos hoch. Offiziell werden derartige Veranstaltungen durch die jeweiligen Verbände wie den DFB oder den DLV bzw. nationale Organisationskomitees verantwortet. Faktisch ist die öffentliche Hand jedoch in großem Umfang mit in die Planung, die notwendigen Investitionen und die Umsetzung involviert. Aktuell zeigt sich dies bei der Bewerbung Münchens zur Austragung der olympischen Spiele 2018. So sind neben dem DOSB (Deutschen Olympischen Sportbund) die Landeshauptstadt München, der Freistaat Bayern, die Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen und der Landkreis Berchtesgadener Land als Gesellschafter der Bewerbungsgesellschaft vertreten.
Um ein öffentliches Engagement, das im Falle der Winterspiele dreistellige Millionenbeträge kosten kann, in Zeiten knapper Kassen zu rechtfertigen, sollten triftige Gründe vorliegen, die über den Prestigegewinn der beteiligten Kommunen und involvierten Politiker herausgehen müssen. Die wichtigsten davon sollen im Folgenden kurz beschrieben und bewertet werden.
Positive Effekte von Sportgroßveranstaltungen
In der Sportökonomie werden vor allem drei Arten von positiven monetären Effekten auf den Austragungsort bzw. das austragende Land eines Sportevents diskutiert: Dies sind (i) Multiplikatoreffekte durch die Besucher, (ii) langfristige Effekte auf den Tourismus und (iii) die Folgen langfristiger Investitionen in die lokale Infrastruktur.
Ad (i): Im Rahmen einer bedeutenden Sportveranstaltung kommt in der Regel eine große Anzahl an Gästen aus Aus- und Inland in eine Stadt oder Region. Am attraktivsten ist aus dieser Perspektive sicherlich die Austragung der Olympischen Sommerspiele. Überregionale Besucher verstärken insbesondere im Hotel- und Gaststättengewerbe kurzfristig die Nachfrage, was sich in höheren Umsätzen äußert. Weiterhin können lokale/regionale Verkehrsbetriebe, der Handel und der gesamte Dienstleistungssektor profitieren. Mittels hier nicht genauer zu bestimmender Multiplikatoreffekte kann sich eine positive Auswirkung auf die Gesamtwirtschaft einstellen. Darüber hinaus sind erhöhte Steuereinnahmen (Umsatzsteuer, Gewinnsteuern) zu erwarten.
Ad (ii): Durch ein Sportevent steigt die Attraktivität einer Region unter bestimmten Umständen wie einer guten Organisation, einem attraktiven Rahmenprogramm und dem notwendigen Glück hinsichtlich des Wetters, nicht nur kurzfristig. Vielmehr ist es möglich, daß sich eine Stadt oder gar ein ganzes Land als Ferienregion profilieren kann; Besucher, die ursprünglich nur des Events wegen anreisten, kommen möglicherweise erneut und unabhängig von einer Sportgroßveranstaltung. Ereignisse wie die FIFA WM 2006 sind besonders geeignet, derartige Effekte zu realisieren, da sich in diesem Fall das gesamte Land als Gastgeber präsentieren konnte und zudem mehrere Standorte am Turnier partizipierten. So wie ein Sponsor neben einer Steigerung seines Bekanntheitsgrades in der Regel auch von einem Imagetransfer zwischen Sportler und Marke profitiert, kann der Gastgeber eines Sportevents ähnliche Effekte realisieren.
Ad (iii): Kommt es im Vorfeld eines bedeutenden Events zum Ausbau von Infrastruktur, kann dies der jeweiligen Region langfristigen Nutzen generieren. Dies gilt bspw. für Kapazitätserweiterungen an Flughäfen, aber auch für den Ausbau von Straßen und öffentlichen Verkehrsmitteln.
Bewertung der Effekte
Die angesprochenen Effekte sind in der Ökonomie nicht unumstritten und sollen daher im vorliegenden Kontext nicht unreflektiert bleiben.
Fraglos attrahiert ein Sportereignis auswärtige Gäste. Dem gegenüber steht jedoch eine schwer zu erfassende Anzahl von Gästen, die ihre Reise verschiebt oder nicht antritt, da sie eine Beeinträchtigung ihres Urlaubs befürchten muss. Je wichtiger ein Turnier, desto größer wird auch die Anzahl derer sein, die zum Zeitpunkt der Austragung bewusst auf einen Besuch verzichtet. Selbst wenn man von einer positiven Nettobesucherzahl ausgeht, sind die Multiplikatoreffekte schwer zu bemessen. Ein Beispiel aus der Gastronomie mag dies illustrieren: Während des Turniers stellt das örtliche Gastgewerbe zusätzliche Kräfte ein, um die außergewöhnliche Nachfrage zu befriedigen. Sofern diese Saisonarbeiter nicht aus der Region selbst stammen, sondern lediglich für einen Zeitraum von wenigen Wochen anreisen, ist davon auszugehen, daß die Multiplikatoreffekte gering ausfallen werden, da das zusätzliche Einkommen zu einem großen Teil in der Heimat der Saisonkräfte nachfragewirksam wird.
Hinsichtlich des Imagetransfers und möglicher langfristiger Wirkungen ist festzuhalten, daß diese ex ante keineswegs sicher, sondern vielmehr stark risikobehaftet ist. Je nach Ablauf des Events können sich auch negative Effekte einstellen, wenn bspw. die öffentliche Sicherheit nicht gewährleistet werden kann. Gerade im Vorfeld der FIFA-WM 2010 in Südafrika sind derartige Bedenken vorgetragen worden, die sich jedoch nicht bewahrheitet haben. Weiterhin müssen weit in der Zukunft liegende Einzahlungen mit einem Kalkulationszinssatz abgezinst werden, so daß sich deren Gewicht in Abhängigkeit des Zinses verringert. Investitionen in die Infrastruktur sind zweifelsfrei dazu geeignet, die wirtschaftliche Attraktivität einer Region zu vergrößern. Gerade deshalb sollten sie aber unabhängig von der Organisation von Sportevents dort getätigt werden.
Da sich die verschiedenen Kosten- und Nutzenbestandteile teilweise kompensieren, werden zur Beurteilung i. d. R. Kosten-Nutzen-Analysen eingesetzt; diese sollen eine Prüfung der Wirtschaftlichkeit eines Vorhabens oder eine vergleichende Bewertung unterschiedlicher Handlungsalternativen gestatten. Hierzu werden die mit einer derartigen Handlungsalternative verbundenen Kosten- und Nutzenbestandteile bewertet und gegenübergestellt.
Diese Instrumentarien haben jedoch eine Vielzahl von Problemen: So lassen sich in der Praxis nicht alle Kosten- und Nutzenbestandteile erfassen und auch bewerten. Insbesondere bereitet die Bewertung der intangiblen Größen nicht nur praktische Schwierigkeiten, sondern erweist sich auch theoretisch oftmals als inkonsistent, da der nicht-monetäre Nutzen, der bei verschiedenen Individuen anfällt, nicht aggregiert werden kann. Beispielsweise könnte die neue Infrastruktur eine höhere Geräuschemission erzeugen. Manche der Anwohner sind nun während der Hauptverkehrszeiten am Arbeitsplatz und erleiden dadurch keine Beeinträchtigung, andere hingegen sind vor Ort und empfindlich gestört, Dritte wiederum sind vor Ort, empfinden aber den größeren Lärm nicht als Belästigung. Diese Kosten zu erfassen und auch zu bewerten, ist sehr schwierig, weswegen indirekte Kosten- und Nutzenbestandteile oftmals weggelassen werden. Allerdings wird dadurch die Bewertung unvollständig und kann zu falschen Handlungsempfehlungen führen. Darüber hinaus ist die Höhe des Diskontierungszinssatzes umstritten.
Fazit
Vor dem Hintergrund der hier geäußerten Bedenken sollte das hohe Engagement von Bund, Ländern und Gemeinden bezüglich der Organisation von großen Sportturnieren kritisch betrachtet werden. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Bereitschaft der Bevölkerung zu einem derartigen Event beizutragen. So wurde in einer Omnibusumfrage mit persönlichen Interviews auf Basis eines standardisierten Fragebogens Bürgern u. a. die Frage nach der Bereitschaft gestellt, zur Finanzierung der Olympischen Winterspiele 2018 in München mit einer einmaligen Sonderabgabe beizutragen. Rechnet man die daraus resultierenden Ergebnisse auf die Gesamtbevölkerung hoch, so würden insgesamt 66,4 Mio. Euro zusammenkommen (Daumann/Römmelt 2011). Angesichts der auf etwa drei Milliarden geschätzten Kosten dieses Events fällt dieser Betrag sehr klein aus. Offenbar ist also die Zahlungsbereitschaft in der Bevölkerung viel zu gering, um damit eine entsprechende staatliche Intervention begründen zu können.
Literatur
Daumann, F., Römmelt, B. (2011), Jenaer Sportmanagement Survey. Kurzreport Olympische Winterspiele 2018, abrufbar hier
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