Gastbeitrag
Weg zu mehr Vertrauen und Stabilität in Europa

Am 29. September 2011 befindet der Bundestag über die Ausweitung des Euro-Rettungsschirms European Financial Stability Facility (EFSF). Mit der Fortführung der Rettungspakete für hochverschuldete Eurostaaten bei fortschreitender Zentralisierung der Wirtschaftspolitik auf EU-Ebene können jedoch Vertrauen und Stabilität in der Eurozone langfristig nicht wiederhergestellt werden. Zielführender wäre ein deutliches Bekenntnis zur haushaltspolitischen Autonomie nationaler Staaten bei gleichzeitiger Verantwortung für ihr Handeln. Ein Schuldenschnitt kann für Griechenland ein notwendiger Schritt sein. Zugleich muss der Finanzsektor stabilisiert werden können, solange deutlich erhöhte Eigenkapitalvorschriften noch nicht zu einer grundlegenden Stabilisierung der Finanzmärkte geführt haben. Die Kombination aus „No bail out“ für Staaten und deutlicher Anhebung der Eigenkapitalunterlegung für Banken würde auch dazu führen, dass die Schuldenfinanzierung von Staaten durch private Kreditgeber zu Lasten heutiger und künftiger Generationen deutlich zurückgeht.

Mit dem Start der Europäischen Währungsunion im Jahr 1999 war die Hoffnung vieler verbunden, dass die fundamentalen Stützpfeiler der Währungsunion – die na¬tionalstaatliche Souveränität in Finanz- und Haushaltsfragen und zugleich die vollständige nationalstaatliche Verantwortung für Staatsschulden durch die No bail out-Klausel – unverrückbar seien. Spätestens mit dem ersten Griechenlandrettungspaket am 11. April 2010 und der dann beginnenden Abfolge von Rettungsversuchen war klar, dass diese Hoffnung ein Trugschluss war und die Eurozonen-Staaten keineswegs die alleinige Verantwortung für die eigenen Staatsschulden tragen müssen. Die nationalstaatliche Souveränität in Haushaltsfragen besteht aber nach wie vor. Dass das nicht nachhaltig sein kann, liegt auf der Hand, denn die gemeinschaftliche Haftung führt dazu, dass sich einzelne Staaten trotz hoher Schulden weiter zu günstigen Konditionen verschulden können.

Rettungspakete
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Grundsätzlich werden zwei Lösungswege diskutiert: (1.) gemeinschaftliche Haftung für die Schulden anderer Staaten mit einer Zentralisierung der nationalstaatlichen Haushaltspolitik und dem Übergang zu einem Transfersystem auf EU-Ebene oder (2.) nationalstaatliche Souveränität in Haushaltsfragen und nationalstaatliche Verantwortung für die eignen Staatsschulden durch eine glaubwürdige No bail out-Klausel.

Aktuelle Europäische Beschlüsse wie das „Europäische Semester“ oder der „Euro Plus Pakt“ zeigen, dass derzeit der erste Weg eingeschlagen wird. Doch ob dieser Weg wirklich nachhaltig sein kann, ist mehr als fraglich. Denn eine zunehmende Zentralisierung und die Regelbindung anderer Gebietskörperschaften haben sich nur allzu oft als wirkungslos erwiesen. Sei es, dass eine unvollständige Berichterstattung an die höhere gebietskörperschaftliche Ebene vorlag oder Regeln und vorgesehene Sanktionen schlichtweg außer Kraft gesetzt wurden: So wurden „Blaue Briefe“ in Europa einfach nicht versandt.

Zudem verursacht ein langfristig angelegtes Transfersystem negative Verhaltensanreize, die dazu führen, dass arme Länder trotz massiver Transfers ihre Strukturprobleme nicht lösen und reichere Länder weniger Anreize haben, ihre Wachstumspotenziale voll auszuschöpfen. Der deutsche Länderfinanzausgleich in seiner aktuellen Form mag hier als warnendes Beispiel dienen.

Nachhaltigkeit kann durch den zweiten Weg, der nationalstaatliche Souveränität in Haushaltsfragen bei gleichzeitiger national-staatlicher Verantwortung für die eigenen Schulden vorsieht, erreicht werden. Hierzu ist eine glaubwürdige No bail out-Klausel notwendig. Voraussetzung dafür ist, dass diese Regel auch strikt angewendet wird. Bisher hat keiner der Rettungsversuche langfristigen Erfolg gehabt: Statt eines Landes wurden nun bereits drei Länder durch die EFSF „gerettet“ und zwei weitere werden aktuell von der EZB gestützt. Die EFSF sollte nicht weiter Staaten Hilfen gewähren.

Stattdessen sollte eine geordnete Insolvenz von Staaten in Betracht gezogen werden. Dabei ist es möglich, dass ein teilweiser Zahlungsausfall eines Staates wie Griechenland zu einer Kettenreaktion auf den Finanzmärkten führt. Dies sollte verhindert werden können. Die neuen Regelungen der EFSF sehen vor, dass Kredite zur Rekapitalisierung von Kreditinstituten gewährt werden können, um eine Destabilisierung des Bankensektors zu vermeiden. Das ist richtig, solange deutlich erhöhte Eigenkapitalvorschriften noch nicht zu einer grundlegenden Stabilisierung der Finanzmärkte geführt haben.

Ob und wie hochverschuldete Staaten ihre Wettbewerbsfähigkeit und finanzpolitische Tragfähigkeit wiedererlangen wollen, sollte ihnen selbst überlassen werden. Versuche wirtschaftspolitischer Fremdsteuerung sind unangebracht.

Anmerkung

Dieser Policy Brief entstand auf Grundlage des ECONWATCH-Meetings „Wege zu mehr Vertrauen und Stabilität in Europa“ mit Prof. Dr. Kai A. Konrad (Max-Planck-Institut für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen) am 19. September 2011 in Berlin.

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