Die perfide List der politischen Vernunft
Die Geschichte des Euro ist auch eine Geschichte politischer List – nicht nur auf Seiten griechischer Politiker. Eine Lesart ist folgende: politische Eliten, vor allem in Deutschland und Frankreich, wünschten sich schon immer eine „politische Union“ – nur war diese manchen ihrer Kollegen und selbst ihren eigenen Bürgern damals nicht zu vermitteln. Damit war auch die „Krönungstheorie“ (erst politische Union und Wirtschaftsregierung, dann gemeinsame Währung) als Königsweg versperrt. Deshalb wagte man die Währungsunion gemäß der „Lokomotivtheorie“. Diese hat etwa Edmund Stoiber jüngst so beschrieben: „Wir beginnen mit dem Euro, und er wird die Europäische Union zusammenschweißen, er wird die politische Union erzwingen“ (siehe hier). Rückblickend ist es billig festzustellen, dass der Euro die Union ganz und gar nicht zusammengeschweißt hat: „Was Mörtel sein sollte und uns als solcher angepriesen worden ist, hat sich in der Tat als Dynamit erwiesen“ (so Wilhelm Röpke 1959 im Hinblick auf die Blockbildung der EWG[1]). Vorausblickend scheint es freilich tatsächlich so, dass die „Rettung des Euro“ eine Art politischer Union „erzwingen“ könnte, wenn sich die Losung durchsetzen sollte: „scheitert der Euro, dann scheitert Europa“.
Zumindest dominiert im politischen und intellektuellen Diskurs (von Merkel bis Habermas) die Ansicht, nun – in der Krise – helfe nur „mehr Europa“ in Form einer Europäischen „Wirtschaftsregierung“ – was immer das genau heißen mag. Die List der politischen Vernunft könnte aufgehen: die Währungsunion würde durch ihr drohendes Scheitern genau die politische Union „alternativlos“ werden lassen, die die Bürger nie gewollt haben – und noch immer nicht wollen (siehe hier). Ausgerechnet die selbstverschuldete Europäische (Schulden-) Krise liefert der Politik nun die Europäische (Einigungs-) Chance: die Währungsunion als Trojanisches Pferd. Man muss nicht Verschwörungstheoretiker sein, um dies perfide zu finden: bewusst ein Abenteuer einzugehen, um dann im Moment des Scheiterns eine politische Union gegen den ursprünglichen Willen der Bürger zu „erzwingen“!
Aber schon die Prämisse der Forderung nach einer weiteren Vergemeinschaftung der Wirtschafts- und Fiskalpolitik war und bleibt äußerst fragwürdig. Tatsächlich, so meine These, braucht Europa auch jetzt keine „Wirtschaftsregierung“, sondern eine Stärkung dessen, was Europa schon hat: eine „Wirtschaftsverfassung“.
Eine Währungsunion erfordert keine gemeinsame Wirtschaftsregierung
Für den Erfolg einer Währungsunion war und ist eine zentrale, mit fiskal-, sozial- oder arbeitsmarktpolitischen Vollmachten ausgestattete gemeinsame „Wirtschaftsregierung“ keine Voraussetzung. Vielmehr wäre es von Anfang an auf die nach dem Vorsichtsprinzip knapp berechnete Auswahl der Mitglieder und deren Fähigkeit zu glaubwürdiger dauerhafter Selbstbindung an integrationsförderliche Regeln angekommen. Die Maastrichter Konvergenz- und Stabilitätskriterien kamen diesen beiden Anforderungen im Prinzip recht nahe. Als Aufnahmebedingungen wurden sie bekanntlich viel zu großzügig ausgelegt; und als Verhaltensbeschränkungen waren sie nie glaubhaft bindend. Dies galt selbst für das in seiner Deutlichkeit kaum zu übertreffende „Bail-out“-Verbot der Europäischen Verträge (Art. 125 AEUV). Zudem überschätzte man die Fähigkeit der Mitglieder, mit asymmetrischen Schocks umzugehen – etwa die Flexibilität der Löhne nach unten oder die Mobilität der Arbeit nach draußen.
Die Währungsunion litt somit an zwei Konstruktionsfehlern: der verfrühten und überdehnten Vergemeinschaftung der Geldpolitik und dem zu wenig glaubwürdigen Ordnungsrahmen. Das Scheitern des verhängnisvollen Großexperiments „Währungsunion“ liegt nicht am Fehlen eines weiteren Großexperiments „Europäischer Finanzminister“ oder Europäische „Wirtschaftsregierung“.
Eine einheitliche Wirtschaftsregierung ist ökonomisch und politisch schädlich
Der Ruf nach einer Europäischen „Wirtschaftsregierung“ oder schlicht „mehr Europa“ wirkt umso überzeugender, je unklarer bleibt, was konkret gemeint sein soll. „Koordination“, „Kontrolle“, „Gemeinsamkeit“, „Solidarität“ klingen gut – brauchen aber keine einheitliche „Regierung“. Die Diskussion um eine Europäische Wirtschaftsregierung würde in allen EU Mitgliedsstaaten schnell in den akademischen Elfenbeinturm zurückverwiesen, wenn nicht nur abstrakt gefragt würde: „brauchen wir mehr Europa?“, sondern sehr konkret: „über welche Politikbereiche soll der Bundestag, l“˜Assemblée Nationale, the House of Commons, etc., nicht mehr eigenverantwortlich entscheiden dürfen?“.
Schon jetzt stellt es sich als überaus demokratieschädlich heraus, dass in einem Teil Europas die „Troika“ als ungewähltes Gremium der Geberländer die Parlamente der Schuldner vor sich hertreibt, während im anderen Teil Europas Bürger ungefragt für die Schulden anderer Staaten haften und bürgen sollen. Eine Europäische Fiskal- und Transferunion würde diese doppelte Entmachtung des Souveräns nur noch größer und sichtbarer machen. Auch ökonomisch wäre nichts gewonnen; im Gegenteil dürfte eine europäische Wirtschaftsregierung mit Vollmachten eines Finanz-, Arbeits-, Sozial- und Wirtschaftsministeriums noch mehr Schaden anrichten. Sie kann entweder überall die gleiche Politik durchsetzen oder eine diskretionäre Politik je nach eigener Einschätzung der Lage bzw. der aktuellen Machtverhältnisse. Beides wäre schädlich.
Ersteres würde etwa die „Harmonisierung“ von Steuern, Ausgaben oder Sozialsystemen bedeuten. Dies entspricht dem französischen Politik- und Sozialmodell, wonach eine gemeinsame Geldpolitik sich den Erfordernissen einer übergeordneten einheitlichen Fiskal-, Konjunktur- oder Sozialpolitik zu fügen hat. Tatsächlich dürfte eine Europäische Wirtschaftsregierung die schon reichlich beschädigte Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank (EZB) weiter schwächen, die bisher von der Fragmentierung der fiskalpolitischen Verantwortlichkeiten profitierte (s. Vaubel). Doch selbst wenn dies nicht der Fall wäre: die Europäische Union würde zusätzlichen Dilemmata ausgeliefert sein und zusätzliche Sklerose produzieren. Es war und ist schon eine Zumutung für die EZB, einen Leitzins für verschiedene und, durch die gemeinsame Währung zudem verstärkt auseinanderdriftende, Volkswirtschaften zu finden. In der Währungsunion sind mit Wechselkurs und Zins zwei zentrale Preise als Ventile oder automatische Stabilisatoren zum Ausgleich unterschiedlicher Entwicklungen der Wettbewerbsfähigkeit bereits eliminiert. Will man nun als einheitliche Wirtschaftsregierung auch noch die anderen Ventile schließen, dürfte diese „One-size-fits-all“-Strategie zur verstärkten „Euro-Sklerose“ führen.
Eine Zentralisierung oder Harmonisierung nun auch der Steuer- und Abgabenpolitik, der Sozialpolitik oder gar der (in Deutschland noch einigermaßen subsidiär entstaatlichen) Lohnfindungspolitik wäre fatal. Sie würde (a) den heterogenen Präferenzen und Leistungsfähigkeiten in den verschiedenen Länder der Euro-Zone niemals entsprechen können, (b) die durch sichtbar konkurrierende Parteien und lebhaften politischen Diskurs besonders legitimierten nationalen Parlamente entmachten („no taxation without representation“) und (c) die Währungsunion keineswegs stabiler machen. Eine Europäische Wirtschaftsregierung wäre ein noch weniger global wettbewerbsfähiges Gebilde, da die stark wohlfahrtsstaatlich regulierten Mitglieder die Wirtschaftsregierung sicher dafür nutzen würden, ihre Standards den anderen Mitgliedern als „Europäisches Sozialmodell“ aufzunötigen. Das „Raising-rivals“˜-costs“-Motiv würde den innereuropäischen Wettbewerb der Sozialmodelle behindern, mit der Folge, dass Europa im globalen Wettbewerb weiter zurück fiele.
Nicht weniger schädlich wäre eine diskretionär handelnde und intervenierende Wirtschaftsregierung. Auch hierfür gibt es Anzeichen und Absichtserklärungen, etwa die Forderung, in Deutschland müssten die Löhne (und Lohnstückkosten) mehr als anderswo steigen, um „makroökonomische Ungleichgewichte“ zu beseitigen. Einer Europäischen Wirtschaftsregierung, die Einzelfallbetrachtungen nach Maßgabe der „Rule of reason“ anstelle einer allgemeinen „Rule of law“ anstellt, um dann den jeweiligen Mitgliedern „passgenaue“ Vorschriften zu machen, wäre nicht mehr der Vorwurf des „One size fits all“ zu machen. Manche Ökonomen mögen dies sogar als aufgeklärte Weiterentwicklung des „More economic approach“ im Europäischen Wettbewerbsrechts betrachten. Als Europäische Rechtsgemeinschaft, die sich im Rahmen der „begrenzten Einzelermächtigung“ und unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips ein allgemeines Gesetz gibt, wäre die EU aber in ihrem Kern beschädigt. Das mag den Ökonomen und Politiker nicht scheren; beide sollten sich aber an Erfahrungen etwa mit der deutschen Globalsteuerung oder der französischen „Planification“ erinnern und sich vorstellen, was geschähe, wenn diese Planungs- und Lenkungsphantasien nun auch noch zum Gegenstand permanenten Aushandelns (Log-rolling) in einer Europäischen Wirtschaftsregierung würden.
Europa war da erfolgreich, wo es sich auf eine liberale Wirtschaftsverfassung einigte
Der kategoriale Unterschied zwischen „Wirtschaftsregierung“ und „Wirtschaftsverfassung“ dürfte wohl nur den Kennern der Freiburger Schule sofort einleuchtend sein, da auch der Begriff der „Wirtschaftsverfassung“ sehr unterschiedliche Deutungen aufweist. Ich beziehe mich hier auf das von Franz Böhm entwickelte und dann von Ernst-Joachim Mestmäcker und Werner Mussler konkret auf die EU bezogene Konzept einer Wirtschaftsverfassung[2]. Kurz und grob kann man sagen: Die Wirtschaftsverfassung trennt nach Maßgabe des Subsidiaritätsprinzips die Kompetenz- und Verantwortungsbereiche von „Privatrechtsgesellschaft“ und Rechtsstaat sowie von Mitgliedstaaten und Union und definiert Rechte und Pflichten mit Hilfe universalisierbarer Rechtsregeln. Eine Wirtschaftsverfassung basiert auf Ordnungspolitik und Regelbindung vor allem staatlicher Akteure; eine Wirtschaftsregierung betreibt Prozesspolitik und ergebnisorientierte Steuerung wirtschaftlicher Entwicklungen.
Schon der Kern der Römischen Verträge entsprach diesem Leitbild weitgehend. Das Prinzip der „limitierten Einzelermächtigung“ verlangt vertragsrechtliche Grundlagen des Gemeinschaftshandelns – während eine „Wirtschaftsregierung“ sich sehr viel eher eigene „Kompetenz-Kompetenz“ verschaffen würde. Die Grundfreiheiten und Wettbewerbsregeln kreieren individuelle Abwehrrechte der Bürger gegen ihre Regierung – während eine „Wirtschaftsregierung“ auf politische Eingriffsrechte in die Freiheiten der Bürger hinauslaufen dürfte. Gegenseitige Regelbindungen an Europäisches Recht sind auch nicht „undemokratisch“ – es sei denn, man vertritt das Ideal einer unbeschränkten Demokratie, die stets der jeweiligen Mehrheit ihr jeweiliges „Recht“ gibt. Eine Wirtschaftsverfassung kann (und sollte) auch Gegenstand expliziter Zustimmung der Bürger auf dem Wege des Bürgerentscheids sein – das alltägliche Lenken und Aushandeln von Maßnahmen einer Wirtschaftsregierung dagegen entzieht sich weitgehend der Möglichkeit einer direktdemokratischen Vorab-Legitimation.
Offene Märkte, Subventionsabbau, stabiles Geld: diese ordnungspolitischen Grundanliegen der Sozialen Marktwirtschaft sind inzwischen weitgehend „europäisiert“ worden. Sicher sind dabei nicht alle Ideale der Vordenker der Sozialen Marktwirtschaft vollkommen und unverfälscht umgesetzt worden. Das ist auch in Deutschland nicht gelungen. Aber in den genannten Bereichen besteht eine Europäische Wirtschaftsverfassung, die es gerade heute zu bewahren und vollenden (Binnenmarkt) bzw. wieder herzustellen gilt (stabiles Geld).
Was tun?
Die Europäischen Regierungen müssen (wieder) einem Recht unterworfen sein, das sie nicht selbst beliebig ändern oder missachten können. Solide Fiskalpolitik (und Geldpolitik) darf nicht weiter Ergebnis machtpolitischen Aushandelns zwischen Schuldnern und Gläubigern sein; sie muss durch allgemeine Regeln erzwungen werden. Hierzu gehören:
- Die Verpflichtung aller Regierungen, den strukturellen Haushalt auszugleichen – nach dem Vorbild der Deutschen Schuldenbremse.
- Die Verpflichtung aller Regierungen, ihren Schuldenstand nach einem festgelegten Tilgungsplan auf ein Höchstmaß zu reduzieren.
- Wie die einzelnen Länder diese Vorgaben erfüllen, bleibt ihnen überlassen. Weder die Europäische Union noch haftende Länder sollten konkrete Vorgaben machen, wie andere demokratische Länder ihre Ausgaben und Steuern gestalten.
- Länder der Euro-Zone, die ihre Verpflichtungen nicht erfüllen, müssen mit automatischen Sanktionen belegt werden, deren Höhe von vorhinein festgelegt ist und die auch nicht von anderen Mitgliedern der Euro-Zone ausgesetzt werden können.
- Ein Staats-Insolvenzrecht muss für alle Euro-Länder gleichermaßen in Kraft gesetzt werden. Hierin sind die Voraussetzungen für eine Insolvenz ebenso erkennbar anzuzeigen wie die Rangfolge der für einen Forderungsverzicht herangezogenen Gläubiger. Private Gläubiger sind zunächst heranzuziehen. Nur diese Erwartung des Gläubigerverlusts (anstelle der Vergemeinschaftung von Schulden durch Monetarisierung oder staatliches „Bail out“) wirkt anreizkonform auf Investoren und Haushaltspolitiker.
- Schließlich muss die EZB wieder zu ihrem ursprünglichen Mandat, der Erhaltung der Geldwertstabilität, zurückkehren. Kurspflege und Amtshilfe zur Haushaltsfinanzierung durch die Notenpresse sind nicht Aufgaben der EZB.
Die von 25 Staatschefs jüngst verabschiedeten Maßnahmen zur Etablierung einer „Fiskalunion“ oder „Stabilitätsunion“ entsprechen diesem Modell in einigen wichtigen Teilen (etwa: Schuldenbremse und Tilgungsplan). Andererseits ist kein glaubwürdiger „Automatismus“ von Sanktionen zu erwarten, solange eine qualifizierte Mehrheit von Ministern die vorgesehenen Sanktionen stoppen und hierbei auch auf das unveränderte, völkerrechtliche Vereinbarungen übertrumpfende EU-Vertragsrecht verweisen kann. Zudem zielen andere Teile des „Fiskalpakts“ auf eine selektiv intervenierende „Wirtschaftsregierung“.
Marktkräfte nutzen, um Regelbindung glaubwürdiger zu machen
Ein durchaus berechtigter Einwand gegen meine Eloge auf die Regelbindung einer Europäischen Wirtschaftsverfassung anstelle diskretionärer Entscheidungen einer Europäischen Wirtschaftsregierung besteht darin, dass auch die „Maastricht-Regeln“ einschließlich des überaus klaren „Bail-out“-Verbots letztlich nicht gewirkt haben. Ähnlich könnte es in der Tat auch den jetzigen Selbstverpflichtungen ergehen – selbst wenn sie eines Tages nicht nur jeweils unterschiedlich interpretiertes nationales, sondern vom EuGH einheitlich durchgesetztes europäisches Recht würden. In der Tat: solange politische Selbstbindung eben auch Selbstbindung und Selbstregulierung ist, gibt es wenig Gewähr gegen politische Selbst-Entbindung und Verlagerung der Haftung auf Steuerzahler oder künftige Generationen. Am glaubwürdigsten sind politische Versprechen wohl dann, wenn schon der Geruch ihrer Nichteinlösung auch ökonomische und damit politische Konsequenzen hat. Deshalb ist es zentral, dass die Sanktionsinstanzen der „Finanzmärkte“ und Rating-Agenturen sensibilisiert werden und wirkmächtig bleiben.
Ein Großteil der aktuellen Krisenbewältigung hat dagegen zum Ziel, sich von „den Märkten“ zu isolieren und das „Primat der Politik“ gegen die Bildung realistischer Risikoerwartungen auf Märkten durchzusetzen. Rettungsschirme, EZB-Anleihekäufe oder Euro-Bonds dienen genau diesem Ziel – mit der Folge, dass Banken wieder risikolose Gewinne und Staaten wieder risikolose Schulden machen können. Das Risiko der Insolvenz wird dabei aber nicht reduziert, sondern nur verschoben: auf die Steuerzahler und die künftigen Generationen. Eine weiter reichende „Europäische Wirtschaftsregierung“ dürfte diesen Trend fortsetzen. Eine glaubwürdige „Europäische Wirtschaftsverfassung“ würde dagegen ein „Primat der nationalstaatlichen Haftung und Selbstverantwortung“ konstituieren, das die Märkte nicht als Gegner, sondern als Verbündete nutzte: Länder, die ihren souverän eingegangenen Selbstverpflichtungen (Schuldenbremse) nicht genügen, zahlen dann auch einen Preis (Risikoaufschlag).
Schluss
„Wir brauchen kein Planungsprogramm, sondern ein Ordnungsprogramm in Europa“, so schrieb schon Ludwig Erhard[3]. Dem entspricht meine These: Wir brauchen keine Wirtschaftsregierung, sondern eine Wirtschaftsverfassung in Europa. In Europa muss auch nicht einheitlich „Deutsch gesprochen“ werden; deutsche Wörter wie „Länderfinanzausgleich“, „Globalsteuerung“ oder „Politikverflechtungsfalle“ sollte man sich in Brüssel gar nicht erst aneignen. Es genügt, Begriffe wie „Ordnungspolitik“, „Wirtschaftsverfassung“ oder „Schuldenbremse“ ins Europäische zu übersetzen. Dabei kann man sich durchaus ein Beispiel nehmen an einem Griechen: Odysseus, der Listige – aber nicht als legendärer Erfinder des Trojanischen Pferdes, sondern als Vorbild einer erfolgreichen Selbstbindung, die es ihm erlaubte, den Versuchungen der Sirenen zu widerstehen (s. Kliemt).
Fußnoten
[1]W. Röpke (1959): „Zwischenbilanz der europäischen Wirtschaftsintegration, Kritische Nachlese“, ORDO 11, S. 88.
[2] W. Mussler (1998): Die Wirtschaftsverfassung der Europäischen Union im Wandel: Von Rom nach Maastricht, Baden-Baden: Nomos.
[3] L. Erhard, (1962/1988), Planification – kein Modell für Europa, in: Karl Hohmann (Hg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Düsseldorf, S. 770.
- Gastbeitrag
Macrons Europavision - 8. November 2017 - Gastbeitrag
Zur Zukunft der EU - 9. Mai 2017 - Warum der Europäische Fiskalpakt wichtig wäre … und warum er wohl grandios scheitert. - 30. April 2012
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