Koalitionsverhandlungen:Â Institutions matter!
Die gegenwärtigen Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und SPD werden in ihren ökonomischen Kapiteln schwerlich geprägt sein von dem, was man als gute Ordnungspolitik bezeichnet. Denn erstens haben Namen wie Ludwig von Mises, Walter Eucken, Franz Böhm, Friedrich August von Hayek und andere liberalen Denker in den gegenwärtigen politischen Zirkeln der Koalitionsverhandler –  und selbst in der FDP, die nun nicht mehr dabei ist, –  keine erkennbar politikrelevante Reputation. Und zweitens besteht auch unter Ökonomen, den akademischen zumal, kein unumstrittener Konsens über die heutige wissenschaftliche Methodenrelevanz der mit Ordnungsökonomik bezeichneten Analytik. Klassifiziert man die Ordnungsökonomik, was sie definitiv ist, als spezielle Ausprägung der Institutionenökonomik, dann verlängern sich die ordnungs- bzw. institutionenpolitisch relevanten Namen unter anderen um James Buchanan, Gordon Tullock, Ronald Coase, Gary Becker und auch den diesjährigen Nobelgedächtnispreisträger Eugene Fama.
Institutions matter heißt die von ihnen ausgehende Botschaft, also Ordnungspolitik ist wichtig: Es geht um anreizeffiziente Institutionen, die von der Politik gesetzt werden und deren funktionale Qualität nicht an kurzfristige Wahlperioden gebunden ist, sondern sich – auf anreizkompatiblen Erfahrungswerten beruhend – langfristig bewährt. Quer durch alle Politikbereiche findet man in Deutschland ein zunehmendes Maß an Effizienzdefiziten institutioneller Arrangements. Es steht zu befürchten, dass sich diese Defizite bei der gegenwärtigen Zusammensetzung der sichtbar ordnungs- und also institutionenökonomisch ziemlich kompasslosen potentiellen Regierungskoalition, die stärker einem Leistungsanreiz schwächenden umfassenden Bürgerversorgungsdenken denn einem Setzen von anreizeffizienten Rahmenbedingungen für die Privaten zuneigt, eher vergrößern denn verkleinern. Die parlamentarische Opposition aus Grün und Rot wird diese Koalition, wenn sie regiert, wohl nicht wegen ihrer zu großen Distanz zur Ordnungspolitik kritisieren, sondern im Gegenteil wegen ihres aus grün-linker Sicht zu geringen Abstands. Das Denken in Ordnungen, in effizienten Institutionen marktwirtschaftlicher Rahmenbedingungen, findet mithin im neuen Deutschen Bundestag kein einzelnen Parteien klar zuzuordnendes Zuhause mehr.
Institutionenökonomik kann helfen: James Buchanan
Umso stärker sollte man sich auf James M. Buchanan besinnen, den im Januar dieses Jahres verstorbenen  Nobelgedächtnispreisträger von 1986, den Ehrenpräsidenten des prägnant ordnungsökonomisch ausgerichteten Walter Eucken Instituts in Freiburg und einen der brilliantesten Konzeptoren einer ökonomischen Theorie des Staates, der modernen Institutionenökonomik als Verfassungsökonomik. Buchanan liefert, basierend auf der Vertragstheorie von Thomas Hobbes, eine politische Philosophie, die das Verhältnis zwischen Staat und Bürgern von der organischen Staatsauffassung löst, welche den Staat als eine hierarchisch über den Bürgern stehende Institution mit Entscheidungs- und Durchsetzungsmonopol und also umfassenden Mechanismen politikmächtigen Zwangs gegenüber den Privaten definiert. Dagegen ist der moderne Verfassungsstaat als ein freiwilliger Zusammenschluss von Bürgern aufzufassen, die sich gemeinsame Vorteile erschließen wollen. Die Ermächtigung des Staates zum öffentlichen Angebot an Leistungen bedeutet, dass das Verhältnis zwischen Bürger und Staat im Rahmen einer Beziehung von Prinzipal und Agent prinzipiell auf der gleichen Ebene angesiedelt ist wie das zwischen Individuen untereinander.
Die verfassungsökonomische Staatsauffassung steht nun folgerichtig auch im Gegensatz zu den Besteuerungsprinzipien des Organstaates, die vom Zwangscharakter der Besteuerung ohne Anspruch auf eine spezifische Gegenleistung des Staates ausgehen, also der traditionellen Opfertheorie der Besteuerung verhaftet sind. Dem gegenüber steht beim verfassungsökonomischen Staat das Äquivalenzprinzip der Einnahmebeschaffung, das dem Tauschparadigma verpflichtet ist: Mit Hilfe der Staatseinnahmen erhebt der Staat ein Entgelt für die von ihm – als Rechtsschutzstaat, als Leistungsstaat und als Versicherungsstaat – erbrachten und vom Bürger nachgefragten Leistungen. Dabei soll jeder Bürger grundsätzlich gemäß den von ihm in Anspruch genommenen Staatsleistungen belastet werden, die staatlich angebotenen Leistungen werden mithin durch direkte Kaufpreise, die sich an den Bürgerpräferenzen ausrichten, und nicht durch steuerliche Zwangsopfer finanziert. Eine solche verfassungsökonomische Staatsauffassung, wie sie von James Buchanan vertreten wird, der im übrigen ein Verfechter von staatlichen „Schuldenbremsen“ war, und die der Realität der globalisierten Wettbewerbswelt sowie der Bürgerfreiwilligkeit eher entspricht als der traditionelle Organstaat des monopolistischen Zwangs gegenüber den eigenen Bürgern, deckt die institutionellen Defizite auf, die in Deutschland bestehen und durch die absehbare Tendenz der Expansion immer weiterer steuerzwangsfinanzierter „Wohltaten“ an die Bürger, die also den Bürgern weitere Steueropfer abverlangen, verschärft werden.
Verkehrsinfrastruktur in Deutschland: Institutionelle Defizite
Spiegeln wir also die gegenwärtige institutionelle Infrastruktur in Deutschland beispielhaft an den Grundanforderungen der modernen Verfassungsökonomik. Neben vielen anderen liegt ein signifikantes Ausmaß an institutionellen Defiziten, das in der Öffentlichkeit zurzeit besonders beklagt wird, im Bereich der Verkehrsinfrastrukturpolitik. Die auf Ministerebene konzipierte „Daehre-Kommission“ 2012 hat in Nachfolge der „Pällmann-Kommission“ 2000 die seit langem bekannte Unterfinanzierung der Verkehrsinfrastruktur allein für deren fortschreitenden Substanzverzehr mit jährlich 7,2 Mrd. Euro für die nächsten 15 Jahre beziffert. Darüber hinaus sind langfristig jährlich mehr als 4 Mrd. Euro notwendig, wobei Erweiterungsinvestitionen noch nicht einmal explizit eingerechnet werden.
Dieses Unterfinanzierungsdilemma ist unter verfassungsökonomischen Kriterien nicht einfach dadurch zu beheben, dass dem Verkehrswesen aus dem durch Steuern und Abgaben finanzierten öffentlichen Haushalt durch Umschichtung oder Steuererhöhungen mehr Mittel zugewiesen werden. Es fehlt vielmehr ein effizienter institutioneller Rahmen, der die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur dauerhaft vom allgemeinen öffentlichen Haushalt, den mit ihm verbundenen politischen Konkurrenzbeziehungen innerhalb der den einzelnen Ressorts zugewiesenen Haushaltsmitteln, von der strikten Jährlichkeit und schließlich auch vom Nonaffektationsprinzip löst.
Die verfassungs- bzw. institutionenökonomisch effiziente und also ordnungspolitisch angemessene Lösung wäre deshalb die direkte Nutzerfinanzierung, am besten in Verbindung mit der Etablierung von Infrastrukturfonds für die verschiedenen Verkehrsträger, die die Nutzerfinanzierung organisieren und vom Staatshaushalt unabhängig sind, wie sie verschiedenartig zum Beispiel in Frankreich, Österreich und der Schweiz bereits existieren. Diese Lösung, die für alle Verkehrsträger gelten muss, setzt natürlich voraus, dass die Nutzung von Verkehrsinfrastruktur dem Ausschlussprinzip technisch unterlegt werden kann. Wie die vielfältig in der Welt praktizierte Bemautung von Straßen, Brücken und Wasserstraßen sowie die Entgeltzahlungen im Schienenverkehr demonstrieren, ist dies prinzipiell der Fall. Die Nutzung von Wegen der öffentlichen Infrastruktur ist mithin kein vollständig öffentliches Gut. Die direkte Nutzerlösung über diverse Formen der Bemautung impliziert zudem, dass das Prinzip der Nonaffektation suspendiert und durch direkte Zweckgebundenheit im Sinne eines Kaufpreises für Infrastrukturleistungen substituiert wird. Trotz der bereits erfolgten LKW-Autobahnbemautung hat Deutschland hier einen signifikanten Nachholbedarf. Die von der Verkehrsministerkonferenz jüngst empfohlene Einrichtung eines Sanierungsfonds aus Bundeshaushaltsmitteln inklusive zusätzlicher Mauteinnahmen ist deshalb allenfalls eine temporäre Flicklösung, aber kein prinzipieller Institutionenwechsel in Richtung staatsbudgetunabhängiger Kaufpreisphilosophie.
Die direkte Nutzerlösung, die natürlich nicht zwischen inländischen und ausländischen Nutzern unterscheidet, bedeutet mithin einen Paradigmenwechsel von der dem allgemeinen Staatshaushalt grundsätzlich innewohnenden Zwangsfinanzierung ohne spezifische staatliche Gegenleistung hin zur Wertäquivalenz im freiwilligen Tausch zwischen Nutzern und Staat, wie sie dem Verfassungsstaat à la Buchanan entspricht. Freiwilligkeit und Wertäquivalenz im Angebot von Staatsleistungen gegen Nutzerzahlungen setzen Nutzerpreise voraus, die ein Bewerten dieser Leistungen ermöglichen. Damit wird das Preis-Leistungsverhältnis des öffentlichen Infrastrukturangebots in den Fokus genommen, was intra-national (zwischen Bund, Ländern und Gemeinden) und natürlich auch inter-national als Wettbewerbsparameter im Standortwettbewerb von Bedeutung ist.
Die Berechnung adäquater Nutzerpreise ist im Detail bekanntlich hochkomplex. Dies bedeutet, dass von allen denkbaren und praktizierbaren Bemautungsalternativen diejenige institutionenökonomisch optimal ist, die die engste Äquivalenzbeziehung zwischen Leistungsangebot und Nutzerpreis verkörpert. Das impliziert die Forderung, dass grundsätzlich keine diese Äquivalenzbeziehung störenden zusätzlichen Kalkulationselemente (z. B. sozialpolitische Politikvorgaben, die gänzlich anders finanziert werden müssen) einbezogen werden. Abgesehen davon, dass der Nutzerpreis entfernungsabhängig gestaltet werden muss und dass zum Beispiel ein 7-Tonnen-LKW gegenüber einem 0,7-Tonnen-PKW eine etwa 5000fach höhere verschleißrelevante Beanspruchung der Straßen impliziert, die eine entsprechende Preisdifferenzierung gegenüber den Nutzern erfordert, und dass intelligente Nutzerpreise dynamisch auf zeitlich unterschiedliche Beanspruchungsintensitäten (Berufsverkehr morgens und abends, Verkehrsstaus usw.) reagieren sollten – abgesehen von all diesem enthält die Verkehrsinfrastruktur zusätzlich durchaus Elemente öffentlichen Gutscharakters aufgrund von Externalitäten, die von ihr ausgehen.
Denn auch die Nichtnutzer von zum Beispiel Autobahnen sind Nutznießer von deren Existenz, weil die Verkehrsinfrastruktur als Transport- und Kommunikationsmedium über die Ermöglichung verbesserter Arbeitsteilung Skalenerträge generiert, die auch den Nichtnutzern zugute kommen, ohne dass diese als Produzenten oder Konsumenten direkt dafür bezahlen. Diese Vorteile können schwerlich dem Ausschlussprinzip unterlegt werden, weil eine direkte einzelwirtschaftliche Zurechnung der positiven Wirkungen nicht möglich erscheint. Dasselbe gilt für die Internalisierung negativer Externalitäten, die von Verkehrswegen in Form von Umweltbeeinträchtigungen (Lärm, Luftverschmutzung, Zersiedelung usw.) ausgehen und nicht direkt entgolten werden.
Damit kann auch die allgemeine Internalisierung der externen Effekte der Verkehrsinfrastruktur über den Coaseschen Verhandlungsmodus der Bepreisung schwerlich organisiert werden. Unter der durchaus gut begründeten Prämisse, dass die positiven gegenüber den negativen Externalitäten der Verkehrswege überwiegen, ist eine partielle Steuerfinanzierung der Verkehrsinfrastruktur begründbar. Aus dem allgemeinen Staatshaushalt, der von verkehrsbezogenen Steuern traditioneller Art (Kfz.-Steuer, Mineralölsteuer) bereinigt werden sollte, wäre mithin ein Steueranteil, der politisch, aber nicht willkürlich, festgelegt wird, den Infrastrukturfonds zuzuweisen, weil diese dann die ganze Finanzierungsverantwortung für die Verkehrsinfrastruktur tragen. Die denkbare Alternative, dass zur Organisationsvereinfachung der Steueranteil gleich von den Fonds auf die direkten Nutzerentgelte aufgeschlagen werden könnte, ist nicht systemkonsistent, denn dann zahlen ja die Nutzer auch für die Nutznießer der Infrastruktur.
Paradigmenwechsel: Fiskalillusion abschaffen!
Dass sich die Politik an den hier skizzierten für die nachhaltige Entwicklung der Verkehrswegeinfrastruktur in Deutschland nötigen institutionellen Paradigmenwechsel bisher nicht herangewagt hat, ist neben ideologischen Motiven wohl auch politökonomisch dadurch zu erklären, dass in der öffentlichen Meinung die Fiskalillusion breite Akzeptanz findet: Die Nutzung von Verkehrswegen koste nichts und dürfe auch nichts kosten, weil es sich hier um ein genuin Öffentliches Gut handle, das ja für alle da sei und von dem niemand ausgeschlossen werden dürfe. Wiederwahlorientierte Politiker befürchten Stimmenverluste, wenn sie dieser Illusion allzu stark entgegentreten würden. Es ist die Verfassungsökonomik im Gewand guter Ordnungspolitik, die den Neugestaltern der  Verkehrsinfrastrukturpolitik, die jetzt zum Beispiel in der Arbeitsgruppe „Verkehr, Bauen und Infrastruktur“ der Koalitionsverhandler die infrastrukturelle Zukunft Deutschlands planen, den Paradigmenwechsel zu einer effizienten institutionellen Restrukturierung der deutschen Verkehrswegepolitik anempfielt. Buchanan matters.
- Ordnungsruf
Der Bundesfinanzminister ist kein Freund des Steuerwettbewerbs
Er verkennt die Realität - 22. Januar 2020 - Ordnungsruf
Warum gibt es keinen Ökonomen im Deutschen Ethikrat? - 13. Oktober 2019 - Bitte kein Zentralabitur in Deutschland! 10 Thesen - 26. Juli 2019
Eine Maut, wie sie der Artikel bespricht, ist absolut unnötig, wenn man es von fiskalpolitischer Seite betrachtet.
Denn die verkehrsbezogenen Steuern und Abgaben (Mineralölsteuer, LKW-Maut, Kfz-Steuern) sind weitaus höher als die Gesamtausgaben für die Erneuerung und den Erhalt der Verkehrsinfrastruktur.
Eingeführt wurden all diese Abgaben einmal unter der Maßgabe, sie für verkehrsbezogene Ausgaben zu verwenden. Heute versickern sie jedoch im allgemeinen Haushalt.
Aber Geld ist mehr als genug da. Eine Maut aus diesem Grund also vollkommen unnötig.
Und eine Maut ist ja auch nichts anderes als eine Steuer. Schon heute ist die LKW-Maut eine indirekte Verbrauchssteuer. Denn die Abgaben, die die Spediteure zahlen, finden sich in den Warenpreisen wieder. Die LKW-Maut ist also eine in den Warenpreisen versteckt enthaltene Steuer. Eine PKW-Maut würde nicht viel anders funktionieren. Da heute jeder auf eine Verkehrsinfrastruktur angewiesen ist und diese nutzt, ist eine PKW-Maut letztlich nichts anderes als eine Steuer unter falschem Namen.
@Leser
Sie nehmen leider keinerlei Rücksicht auf die genannten prinzipiellen Gründe, warum eine Maut ordnungspolitisch gerechter und effektiver wäre als die aktuelle Steuerfinanzierung.
Und wenn Sie meinen, der Autor plädiere für die Maut, damit mehr Geld eingenommen würde, haben Sie ihn nicht verstanden.
Es geht um nichts anderes als Effektivität und Gerechtigkeit.
Eine Maut ist eben gerade keine Steuer sondern eine Nutzungsgebühr – im Gegenteil, mit ihrer Einführung könnte man auf KFZ- und Mineralölsteuer verzichten.
@lepus:
Ja, man könnte auf KFZ- und Mineralölsteuer verzichten. Das wird man aber nicht.
Ich hatte vor der Wahl meinen Bundestagsabgeordneten einmal gefragt, ob er für oder gegen eine Maut stimmen würde. Seine Antwort offenbart die ganze Absurdität: Er möchte nicht, dass eine Maut die Autofahrer mehr belastet. *Füllsätze* Aber Mehreinnahmen (also Steuer-, Abgaben-, Maut-Erhöhungen) möchte er natürlich erzielen.
Er möchte also mehr von den Bürgern kassieren, ohne sie mehr zu belasten. Ist klar. Nachts ist es kälter als draußen.
Und das war auch der Grund, warum ich schrieb: „Da heute jeder auf eine Verkehrsinfrastruktur angewiesen ist und diese nutzt, ist eine PKW-Maut letztlich nichts anderes als eine Steuer unter falschem Namen.“
Die Art und Weise, wie Ausgaben des Staates bezahlt werden, ist erst einmal unerheblich. In der Anfangszeit der USA wurden die wenigen Aufgaben, die die Bundesregierung hatte, meistens durch Gebühren finanziert. Bundessteuern gab es für eine lange Zeit nicht.
Ich will auch gar nicht darüber streiten, ob eine Gebühr vielleicht geeigneter wäre als eine Steuer.
Fakt ist: Wenn man dem Staat erlaubt, wieder eine Neue Abgabe (wie auch immer diese heißen mag) zu erheben, wird die Abgabenbelastung wieder steigen, weil der Staat eben nicht in gleichem Maße auf andere Einnahmen verzichten wird.
Lange Zeit war ich Pragmatiker und beurteilte staatliche Maßnahmen einzeln und nach ihrem jeweiligen Nutzen. Mittlerweile muss ich Ron Paul zustimmen, der einmal gesagt haben soll, jede wie auch immer geartete Steuer- oder Abgabenerhöhung wird er blind und ohne nähere Betrachtung im Kongress ablehnen. So sehe ich das mittlerweile auch.
lepus bringt es auf den Punkt!
Es fehlen mir in dem ansonsten sehr schönen Beitrag von Herrn Schäfer einige wichtige Punkte, die gegen eine Pkw-Maut sprechen könnten. Dazu gehröen insbesondere auch die zusätzlichen Transaktionskosten, die dadurch entstehen würden (und die in der Institutionenökonomik zu Recht eine große Rolle spielen). Kassenhäuschen wie in Frankreich verbieten sich bei der Verzweigtheit des deutschen Autobahnnetzes. Elektronische Abrechnungssysteme sind zwar denkbar, wären aber teuer. Zudem müßten alle Straßen und nicht nur die Autobahnen bemautet werden, und dies in Abhängigkeit von zahlreichen Aspekten wie Verkehrsdichte, möglicher Lärmbelastung etc. etc. Das ganze wäre so komplex, dass die Lenkungswirkung in Frage stünde. Nicht zuletzt könnten die dabei erhobenen Daten auch leicht mißbraucht werden, etwa für die Verfolgung von Verkehrsübertretungen. Ist ein solcher Überwachungsstaat mit den Ideen der freiheitlichen Denker kompatibel, auf die sich HJerr Schäfer beruft?
Ich denke nicht, zumal es viel einfacher geht: Für die Lkw haben wir schon eine Maut, und die Pkw zahlen alle Mineralölsteuer, auch die meisten ausländischen Fahrzeuge, da sie meist auch hier tanken. Die Mineralölsteuer ist nun aber tendenziell um so höher, (i) je schwerer und damit straßenschädigender ein Fahrzeug ist, (ii) je mehr man fährt, (iii) je schneller man fährt (iv) je öfter man im Stau steht (denn da verbraucht man am meisten pro 100 km). Das mag eine nicht völlig perfekte Internalisierung der externen Kfz-Kosten sein, aber die wichtigesten Aspekte werden dabei durchaus richtig erfaßt, und das ganz ohne neue Bürokratie, Überwachung und Kosten. Daher ist eine Pkw-Maut weder notwendig noch sinnvoll im Sinne einer freiheitlich-marktwirtschaftlichen Gesellschaftsordnung. Man muss nur die Einnahmen aus der Mineralölsteuer zweckentsprechend verwenden. Sie ist im Übrigen entgegen ihrem Namen gar keine Steuer, sondern eher eine Benutzungsgebühr, und unterliegt somit auch nicht dem Non-Affektationsprinzip.
Herr van Suntum macht sehr nachdenkenswerte Einwände. Allerdings: Den gegenwärtigen institutionellen Status der Verkehrswegefinanzierung nur marginal zu verändern, indem als Finanzierungsmix die Maut für LKW auf Autobahnen beibehalten und zudem die Mineralölsteuer generell als guter Indikator für die Äquivalenzbeziehung zwischen Nutzerintensität und Nutzerpreis belassen und nur die Nonaffektation aufgehoben werden sollte, mag kosten-nutzenanalytisch aus gegenwärtiger Sicht pragmatisch erscheinen. Aber schaut man in die internationale Welt der differenzierten, bereits praktizierten Mautsysteme und vor allem in die Labore zur Entwicklung und Anwendung zukünftiger Mauttechniken, dann wird man gegenüber der Mineralölsteuer als zukunftsträchtigster Finanzierungs- und Verkehrsteuerungslösung doch skeptischer sein müssen: Revolutionäre Entwicklungen der Video- und GPS-Techniken, die Koppelung von Mikrowellenmaut mit satellitenbasierter Maut als Basis für diverse Hybridlösungen bedingen keine manuellen Mautstellen mehr, die verkehrshinderlich sein können, sondern ermöglichen Open Road Tolling ohne Schranken. Angesichts der zunehmenden Engpässe auf Deutschlands Verkehrswegen und den damit verbundenen Notwendigkeiten intelligenter Verkehrssteuerungssysteme (vor allem auch im Verkehr des urbanen Bereichs) verbindet sich wohl die Zukunft mit diesen Techniken der Verkehrswegefinzierung. Deren Kosten-Nutzenanalysen werden in absehbarer Zeit, wenn sich technisch generierte Skalenerträge in Verbindung mit Verkehrsnutzensteigerungen einstellen, günstiger ausfallen als die heutigen, die van Suntum sicher zurecht noch als Innovationshindernis herausstellt. So ist es fast immer bei erfolgreich implementierten neuen Techniken. Und andere Länder zeigen uns das.
Vereinbart sich dies, so fragt van Suntum, mit einer freiheitlich-marktwirtschaftlichen Ordnung? Mit Marktwirtschaft der Freiwilligkeit im Kauf und Wertäquivalenz im Tausch doch allemal. Stärkerer Überwachungsstaat? Die Gefahr besteht, aber sie ist jetzt auch schon unser Datenschutzproblem, das in der Tat als freiheitsbedrohend empfunden werden kann. Jede E-Mail, jedes Telefongespräch, jede GPS-Navigation, jede Kreditkarte, jeder Krankheitschip usw. hinderlässt eine persönliche Datenspur. Aber wir schaffen doch GPS nicht ab, weil man es missbrauchen kann, sondern entwickeln es weiter inklusive Techniken der Datenmissbrauchsabwehr. So muß es auch in der Verkehrswegefinanzierung sein.
„Jede E-Mail, jedes Telefongespräch, jede GPS-Navigation, jede Kreditkarte, jeder Krankheitschip usw. hinderlässt eine persönliche Datenspur.“
Das ist nicht nur freiheitsberaubend, das ist krank. Aber eine gewisse Gruppe von Leuten war schon immer perfekt in ihrer Sammelleidenschaft nach Daten … .
Nichtsdestotrotz hier mein Vorschlag für die Verkehrswege der „Zukunft“: man müsste die Technolgie des Transrapid in den Automobilbau lenken. Da sehe ich Potential für die Autobahnen. Man müsse sich das so vorstellen, dass sich die PKW/LKW oder was auch immer, in ein magnetisches Feld einbetten und dann mit den schon oben genannte Technologien auf Autopilot bis zum zur nächsten Ausfahrt leiten lassen. Illusorisch ? Mag sein, aber was ist das nicht ? Es ist nur so lange Illusion bis es jemand macht.