Der Weltkapitalmarkt ist effizienter als ein Fonds für die Arbeitslosenversicherungen der Euro-Staaten

Bundesfinanzminister Scholz schlägt vor, einen Fonds für die Arbeitslosenversicherungen der Euro-Staaten zu etablieren. Aus ihm sollen Euroländer, deren Arbeitslosenquote auf ein hohes Niveau steigt, subventionierte Kredite erhalten können. Gespeist würde der Fonds aus den Beiträgen aller Versicherten.

Wie begründet Olaf Scholz seinen Vorschlag? Es müsse vermieden werden, dass ein Land, in dem die Arbeitslosigkeit ansteigt, so wie zum Beispiel Deutschland in der Weltwirtschaftskrise, die Arbeitslosenunterstützung kürzt. Das kommt bei seinen Parteifreunden gut an, führt aber in die Irre. Wir befinden uns nicht in den dreißiger Jahren. Seit mindestens achtzig Jahren besteht unter den Ökonomen und Wirtschaftspolitikern Einigkeit, dass es falsch ist, in der Rezession die Arbeitslosenunterstützung zu kürzen. Denn die Arbeitslosenversicherung ist ein automatischer Stabilisator der Güternachfrage. Wenn heute in einem europäischen Land  die Arbeitslosigkeit konjunkturbedingt zunimmt und die Reserven der Arbeitslosenversicherung nicht ausreichen, erhöht der Staat seine Neuverschuldung, d.h., er geht an den Kapitalmarkt. Das hat zur Folge, dass der Realzins am inländischen Kapitalmarkt steigt und Kapital aus dem Ausland zufließt. Der konjunkturelle Schock wird damit vom gesamten Weltkapitalmarkt absorbiert. Das ist eindeutig effizienter als ein Kreditmechanismus, der auf die Arbeitslosenversicherungen der Euro-Staaten beschränkt ist.

Effizient ist auch, dass sich der Staat am Kapitalmarkt nur zu Marktkonditionen verschulden kann. Die Kredite zwischen den Arbeitslosenversicherungen würden dagegen subventioniert, um den Markt zu unterbieten und um “internationale Solidarität” zu beweisen. Damit würde jedoch die effizientere Marktfinanzierung verdrängt und der Anreiz, Arbeitslosigkeit zu vermeiden, geschwächt.

Wenn in einem einzelnen Land der Eurozone die Arbeitslosenquote auf ein hohes Niveau steigt, haben typischerweise die Wirtschaftspolitiker und/oder die Tarifparteien versagt. Sie haben entweder selbst einen negativen asymmetrischen Schock erzeugt oder auf einen symmetrischen, die ganze Eurozone treffenden Schock – wie zum Beispiel die Finanzmarktkrise von 2008 – schlechter als die anderen Euro-Staaten reagiert. In beiden Fällen gilt: Fehlverhalten sollte nicht mit Subventionen belohnt werden. Jeder sollte für seine eigenen Fehler haften.

Man mag einwenden, dass das Defizit-Limit des Stabilitäts- und Wachstumspakts, wenn es denn eingehalten wird, einer rezessionsbedingten Neuverschuldung enge Grenzen setzt. Das Drei-Prozent-Limit wurde jedoch 1995 anhand von Simulationen für die vorangegangenen Jahrzehnte explizit so bemessen, dass genug Spielraum für das Wirken der automatischen Stabilisatoren bleibt, wenn der konjunkturbereinigte Haushalt  ausgeglichen ist. Wenn die Kredite des Fonds nicht auf die staatliche Neuverschuldung angerechnet werden, was wahrscheinlich ist, entfällt sogar das Ziel eines ausgeglichenen konjunkturbereinigten Haushalts. Denn da der Fonds einspringt, braucht der Staat für den Fall einer Rezession weniger Verschuldungsspielraum am Markt. Die Regierung kann deshalb im konjunkturneutralen Zustand ein Haushaltsdefizit riskieren. Olaf Scholz will dieses Anreizproblem dadurch lösen, dass Länder, die ein konjunkturbereinigtes Haushaltsdefizit haben, von den Krediten des Fonds ausgeschlossen würden. Darüber, ob der Haushalt im konjunkturneutralen Zustand ausgeglichen wäre, gehen die Meinungen jedoch oft weit auseinander. Häufig besteht noch nicht einmal Einigkeit darüber, welcher Zustand konjunkturneutral ist. Es käme zu ständigem Streit, was dem Ziel der Völkerverständigung widerspricht, und im Zweifel würden Kommission und Gerichtshof beide Augen zudrücken und zugunsten großzügiger Euro-Fonds-Kredite entscheiden.

Eine Simulation des Scholz-Plans für den Zeitraum 2000 bis 2016 ergab in beiden untersuchten Varianten, dass Deutschland der Hauptkreditgeber und Spanien und Griechenland die Hauptkreditnehmer gewesen wären.[1]

Hinweis: Der Beitrag wurde zuerst in „politik.der-privatinvestor.de“, März 2019 veröffentlicht.

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[1] Mathias Dolls, An Unemployment Re-Insurance Scheme for the Eurozone? EconPol Policy Report 10, January 2019, Figure 2. Die Analyse wurde im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung am Ifo-Institut durchgeführt.

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